Europarat berät über Sterbehilfe
Der Europarat hat sich gegen eine Neuregelung der Sterbehilfe ausgesprochen. Er wies am Mittwoch vergangener Woche einen entsprechenden Resolutionsentwurf zurück. Darin sollte Patienten das Recht zugesprochen werden, vorab festzulegen, eine Behandlung einzustellen, wenn der Betroffene später seinen Willen nicht mehr ausdrücken kann. Auch im vierten Anlauf gelang es der Parlamentarischen Versammlung nicht, eine gemeinsame Stellungnahme zu verabschieden, obwohl der Schweizer Berichterstatter Dick Marty in der von ihm vorgelegten Entschließung selbst nach Ansicht seiner Gegner erhebliche Kompromissbereitschaft gezeigt hatte. Der Resolutionstext wurde durch eine Flut von kurzfristig eingebrachten Änderungsanträgen so aufgeweicht, dass Marty nur noch empfehlen konnte, bei der Endabstimmung dagegen zu votieren. Er bezeichnete es anschließend als "ungeheure Blamage" für die Versammlung, keine Meinung zu haben.
Dieser Umstand sei maßgeblich auf die Unfähigkeit des Luxemburger Vorsitzenden des federführenden Sozialausschusses, Marcel Glesener, zurückzuführen. Er sei damit überfordert gewesen, die Flut der von den Gegnern der Entschließung kurzfristig eingebrachten Anträge angemessen zu behandeln. Abgeordnete, die nicht mit der Thematik vertraut gewesen wären, hätten keine Orientierung erhalten. Normalerweise gibt der Ausschuss zu jedem Änderungsantrag eine Abstimmungsempfehlung ab.
Schon die Debatte hatte gezeigt, dass sich die Fronten zwischen den Gegnern und Befürwortern einer offenen Diskussion gegenüber der Aussprache vor einem Jahr eher verhärtet hatten. Nachdem die Versammlung 1999 die aktive Sterbehilfe noch rigoros abgelehnt hatte, wurde deutlich, dass eine solche Haltung weit von der Realität entfernt ist. Inzwischen haben die Niederlande und Belgien und in gewissem Umfang auch die Schweiz in ihrer Gesetzgebung festgelegt, aktive Sterbehilfe unter bestimmten Umständen nicht länger strafrechtlich zu verfolgen.
Vor diesem Hintergrund sprach sich Marty für eine offene Diskussion in allen Mitgliedsländern aus, zu der der Europarat Anregungen, aber keinesfalls ein vorgefertigtes Regelwerk liefern wolle. Doch diese lediglich als Empfehlung an die nationalen Gesetzgeber formulierte Entschließung wurde dennoch von den Gegnern weiter als Aufforderung zu Euthanasie bezeichnet. Sie erkennen nur das Recht auf Leben als oberstes Gebot an. Weder der Staat noch der Einzelne hätten ein Recht, dies zu ändern, ob als Arzt oder Patient. Außerdem sei der medizinische Fortschritt - insbesondere die Schmerztherapie - inzwischen so weit, dass jeder Mensch ohne größere Leiden in Würde sterben könne, argumentieren die Gegner der Sterbehilfe. Befürworter räumen zwar ein, dass es Fortschritte gebe, dies aber nicht auf alle Fälle zutreffe.
Auf diese Gruppe von Patienten am Ende ihres Lebens richtet sich Martys besonderes Augenmerk: Wenn todkranke Patienten ständig unerträgliche Schmerzen hätten und keine Hoffnung auf Besserung ihrer Lage bestehe, seien manche Ärzte bereit, freiwillige aktive Sterbehilfe zu leisten. Sie wollten sich nicht abwenden, sondern helfen, falls Patienten unter diesen Voraussetzungen auf ihren ausdrücklichen und wohlüberlegten Wunsch ihr Leben beenden wollen. Die alltägliche medizinische Praxis, argumentiert Marty, liege meist in einer Grauzone, weil sie in den meisten Staaten gesetzwidrig sei. Durch diese sich in der Illegalität abspielende Praxis, entstehe ein großes Missbrauchsrisiko, warnte der Berichterstatter. Hier könne der Europarat helfen, die Kluft zwischen Recht und Praxis zu überbrücken. Einigkeit bestand darin, dass eine fortschreitende Entmündigung immer älter werdender Menschen nicht hingenommen werden dürfe. Rechtlich überprüfbaren Patientenverfügungen komme daher immer größere Bedeutung zu.