Zukunft des Interreg-Programm der EU ist im Westen ungewiss
Bogenschützen schießen bei dem Festakt "Friedenspfeile" über den Oberrhein ins Elsass. Die Aktion soll symbolisch "alte Feindbilder endgültig begraben", so Hartheims Bürgermeister Martin Singler. Die Kooperation und besonders den Tourismus fördern, soll eine neue Brücke zwischen dem badischen Ort und dem französischen Fessenheim, zu deren Grundsteinlegung sich dieser Tage Singler, Maire Alain Foechterle und 300 Gäste trafen. Der Bau kostet 4,4 Millionen Euro, wobei die EU fast 900.000 Euro zuschießt. Singler: "Ohne die Gelder aus Brüssel würde es die Brücke nicht geben."
Auch Michael Kuderna, bis vor kurzem Vorsitzender von IPI (Interregionale Presse/Presse Interrégionale), profitiert vom Geld aus Brüssel. Er hat damit ein Netzwerk von über 100 Journalisten aus dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Lothringen, Luxemburg und Wallonien aufgebaut: Es betreibt nicht nur eine Internet-Datenbank, sonder organisiert auch Recherchereisen, veranstaltet Gespräche mit Prominenz aus Politik und Wirtschaft und präsentiert eine Presseschau aus der Grenzregion im Web. Kuderna: "Von 1995 bis 2000 bekamen wir EU-Zuschüsse von insgesamt 265.000 Euro, damit finanzierten wir in diesem Zeitraum die Hälfte unsereres Etats."
Die Brücke am Oberrhein und der Journalistenverbund profitieren vom Interreg-Topf, der Anfang der Neunziger zur Unterstützung grenzübergreifender Projekte vor Ort geschaffen wurde. Ob solche Initiativen an den deutschen Westgrenzen von der Nordsee bis zum Hochrhein künftig noch von der EU mitfinanziert werden ist ungewiss. Beim aktuellen Poker um den Brüsseler Haushalt 2007 bis 2013 steht auch das bisherige Interreg-Konzept auf der Kippe: Die deutsche Regierung will durchsetzen, dass die EU Interreg-Gelder, die von 2007 an unter dem Titel "Europäische territoriale Zusammenarbeit" firmieren, auch auf die neuen Binnen- und Außengrenzen der erweiterten Union im Osten konzentriert werden - mithin auf besonders schwache Regionen.
Sollte Berlin Erfolg haben, so würden Grenzregionen in Westeuropa leer ausgehen. Kein Wunder, dass die Bundesländer im deutschen Westen gegen diese Einschnitte mobil machen. Seit 1994 flossen und fließen noch bis 2006 laut Bundesfinanzministerium 1,2 Milliarden Euro Interreg-Mittel nach Deutschland.
Anders als etwa die Agrarpolitik macht Interreg kaum Schlagzeilen, ist aber vor Ort von erheblichem Belang. Solche Zuschüsse ermöglichten bisher grenzübergreifend verknüpfte Radwege ebenso wie Austauschprogramme zwischen Jura-Professoren in Nancy und Saarbrücken. Allein in Saar-Lor-Lux wurden bislang rund 150 Interreg-Projekte gestartet. Seit Beginn des Interreg-Programms wurden zwischen Karlsruhe und dem Bodensee rund 500 transnationale Initiativen auf den Weg gebracht: Das Investitionsvolumen beläuft sich auf 280 Millionen Euro, 110 Millionen steuerte Brüssel bei.
Für Gemeinden, Gebietskörperschaften, Unternehmen, Ökogruppen, Touristik-Zweckverbände oder Bildungseinrichtungen wurde Interreg zur beliebten Finanzquelle. Damit erblickten grenzübergreifende Uni-Studiengänge das Licht der Welt, gemeinsame Klimastudien wurden erstellt, Verbraucher- und Berufspendlerberatungen erhalten Zuschüsse, Sprachkurse werden gefördert, Azubis lernen im Nachbarland, Standortmarketing wird abgestimmt, Schiffsanlegestellen ziehen Nutzen aus Interreg. Ähnliches läuft an nordrhein-westfälischen und rheinland-pfälzischen Grenzen.
Nun aber drohen im Westen diese Geldströme zu versiegen. Über den EU-Finanzrahmen 2007 bis 2013 wird in den nächsten Wochen entschieden, und dabei fallen auch für die "Territoriale Zusammenarbeit" die Würfel. Der Mainzer Ministerpräsident Kurt Beck plädierte in einem Brief an Hans Eichel dafür, künftig neben den Grenzregionen im Osten weiterhin auch Projekte dieser Art in der alten EU zu unterstützen. Die Absicht Berlins, die Interreg-Gelder im Osten zu konzentrieren, geißelte bis zu seinem Rücktritt Ende April der Stuttgarter Kabinettschef Erwin Teufel mehrfach öffentlich als "kurzsichtig und unannehmbar". Der südbadische Regierungspräsident Sven von Ungern-Sternberg kritisiert einen "Schlag gegen die bislang erfolgreiche grenzüberschreitende Zusammenarbeit": Der Prozess des Zusammenwachsens an den alten Binnengrenzen sei "noch lange nicht abgeschlossen".
Eine zentrale Rolle bei diesem Konflikt spielt der EU-Ausschuss der Regionen (AdR). Dessen Präsident, der baden-württembergische Landtagspräsident Peter Straub, intervenierte persönlich bei EU-Ratspräsident Jean-Claude Juncker, um sich für die Fortführung der Grenzförderung auch innerhalb der alten EU stark zu machen. Nach dem Willen der Kommission sollen die Gelder der "Territorialen Zusammenarbeit" für 2007 bis 2013 auf 13,2 Milliarden Euro aufgestockt werden (zwischen 2000 und 2006 ist der Interreg-Topf mit 5,8 Milliarden ausgestattet) - wobei ein erheblicher Teil dieser Summe in die transnationale Kooperation zwischen Regionen fließen soll, die nicht direkt an Grenzen liegen. Bei 13 Milliarden gäbe es auch Spielraum für Projekte im Westen.
Straub und Karl-Heinz Klär, Europabeauftragter der Mainzer Regierung und Leiter der deutschen AdR-Delegation, setzten mit durch, dass die Kommission die Gelder für die Grenzförderung spürbar erhöht hat. Nun sind die 13 Milliarden vor allem ein Joker beim Poker um die EU-Finanzen. Es wird wohl einen Kompromiss geben.
Außerhalb der schwächsten EU-Regionen, so das Bundesfinanzministerium, sollten nur noch Projekte "mit einem besonderen europäischen Mehrwert" subventioniert werden - was "im Grundsatz" bei grenzüberschreitender Zusammenarbeit der Fall sei. Da klingt Verhandlungsbereitschaft an. AdR-Präsident Straub: "Der Schwerpunkt der Förderung muss künftig im Osten der EU liegen. Aber im Westen ist ein abruptes Ende der Unterstützung nicht hinnehmbar."