Einigkeit im Plenum
Gesundheit und Soziale Sicherung. Die Novelle zu Rentenansprüchen aus der DDR-Zeit hat die parlamentarische Hürde genommen: Der Bundestag nahm den Koalitionsentwurf ( 15/5314) am 12. Mai in der am Vortag vom Gesundheitsausschuss geänderten Fassung ( 15/5488) einstimmig an. Die Fraktionen hatten sich im Ausschuss auf einen interfraktionellen Änderungsantrag verständigt. In die Neufassung des Gesetzentwurfs waren im Wesentlichen Vorschläge der Union aus ihrem zuvor eingebrachten Änderungsantrag eingeflossen.
Hintergrund der Gesetzes ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Sommer 2004, das die Kürzung von DDR-Renten für verfassungswidrig erklärt und die Bundesregierung verpflichtet hatte, bis Juli 2005 eine Neuregelung zu schaffen. Das Gericht hatte vor allem die Kürzungsmechanismen kritisiert, die auf einer Zuordnung zu bestimmten Zusatz- und Sonderversorgungssystemen nach "Staats- und Systemnähe" beruhten. Davon betroffen sind insbesondere bestimmte Berufsgruppen in leitenden Funktionen der ehemaligen DDR.
Die Union kritisierte in der Ausschusssitzung kritisiert, dass die geplante Regelung die "Gerechtigkeitsschere zwischen Opfern und Tätern" erhöhen würde. Es wäre ein "total falsches Signal", wenn sich "Sys-temtäter" im Sommer über eine Nachzahlung und Rentenerhöhung freuen dürften. Die FDP kritisierte, dass der Entwurf "erst auf Druck der Öffentlichkeit" in einem "Hauruck-Verfahren" ohne eingehende Untersuchungen der rechtlichen Situation eingebracht wurde. Die Koalition bekräftigte dagegen ihr Bemühen um eine möglichst gerechte Regelung und betonte, sie habe in ihrem Entwurf den engen Spielraum, den das Bundesverfassungsgericht gesetzt hatte, ausgeschöpft. "Wir bewegen uns schon jetzt auf dünnem Eis."
Dem ursprünglichen Gesetzentwurf zufolge sollte die bisher geltende Entgeltbegrenzung auf die Zeiten beschränkt werden, in denen insbesondere solche Funktionen im Parteiapparat der SED, in der Regierung oder im Staatsapparat ausgeübt wurden, die eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) sowie dem Amt für Nationale Sicherheit umfassten. Auch die Zeiten in Funktionen auf den höchsten Ebenen des so genannten Kadernomenklatursystems der DDR sollten laut Entwurf von der Begrenzung des bei der Rentenberechnung berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts betroffen werden, da die Bezieher "einkommens- und versorgungsseitig" Teil eines Gesamtkonzepts der Selbstprivilegierung innerhalb des Staates gewesen seien.
Die Union hatte moniert, dieser Personenkreis sei nicht vollständig. Auch weitere Personengruppen seien dem MfS gegenüber faktisch oder rechtlich weisungsbefugt gewesen. In die geänderte Fassung des Entwurfs wurden daraufhin unter anderem Personen aufgenommen, die folgende Funktionen ausübten: Mitglied, Kandidat oder Staatsekretär im Politbüro oder der SED, Generalsekretär, Sekretär oder Abteilungsleiter des Zentralkomitees der SED, Erster oder Zweiter Sekretär der SED-Bezirks- oder Kreisleitung, Abteilungs- oder Referatsleiter für Sicherheit oder Abteilungsleiter für Staat und Recht, Minister, stellvertretender Minister oder stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat und ihre Stellvertreter, Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrats, des Staatsrats, des Ministerrats und ihre Stellvertreter, Staatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft der DDR, Staatsanwalt oder Richter der so genannten I-A-Senate.
Nicht übernommen wurde der Vorschlag der Union, ehemalige stimmberechtigte Mitglieder des Staats- oder Ministerrats und ihre jeweiligen Stellvertreter in den betroffenen Personenkreis aufzunehmen. Auch die so genannten Offiziere im besonderen Einsatz und Inoffizielle Mitarbeiter des MfS werden in der Neufassung der Novelle nicht erwähnt, da sie nach Auskunft der Bundesregierung bereits einer entsprechenden gesetzlichen Regelung unterliegen.
Alle Fraktionen zeigten sich erfreut über den Kompromiss "in dieser schwierigen Gesetzgebung". Es sei eine "gute Regelung", so die SPD. "Für uns als Parlament ist das ein guter Tag", lobte auch die Union die Zusammenarbeit. Mit der Einigung sei die Gerechtigkeitslücke zwischen den Opfern und Tätern zwar nicht zu hundert Prozent geschlossen, aber doch geringer geworden.