Zwei Darstellungen zum Zweiten Weltkrieg
Rolf-Dieter Müller und Gerhard Schreiber, beide langjährige Mitarbeiter des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes der Bundeswehr, zählen zu den herausragenden und vielfach ausgewiesenen Kennern der Geschichte des Zweiten Weltkrieges. Beide haben, unabhängig voneinander, aus Anlass des 60. Jahrestages des Kriegsendes den Versuch unternommen, die seit Jahrzehnten überfällige aktuelle deutschsprachige Überblicksdarstellung jenes letzten erdumspannenden Konflikts zu liefern.
Müller wählte dabei sehr viel konsequenter die deutsche Perspektive. Den pazifischen Raum wertet er als bloßen Nebenkriegsschauplatz. Hat die Forschung seit etlichen Jahren eher die Mitschuld und Mitverantwortung der (konservativen) Eliten in Militär, Staatsapparat, Wirtschaft und Wissenschaft betont, so ist Müllers Darstellung ausgesprochen Hitler-zentrisch angelegt. Für ihn war der "Führer" alleiniger Initiator und treibende Kraft aller wesentlichen Weichenstellungen.
Damit ist der Rezensent so nicht einverstanden. Insbesondere aber würde er die Bedeutung der USA für die deutsche Politik in der ersten Kriegsphase (bis Dezember 1941) noch sehr viel deutlicher akzentuiert wissen wollen, als dies hier geschehen ist. Gleichwohl räumt Müller mit etlichen überkommenen Propagandachimären über den Zweiten Weltkrieg aus der Zeit des Kalten Krieges - beispielsweise über die Schlacht bei Kursk Anfang Juli 1943 - auf, die etwa in namhaften englischsprachigen Überblicksdarstellungen bis zum heutigen Tag noch immer aufrechterhalten werden. Hierin liegt der eigentliche Wert seiner Arbeit.
Gerhard Schreiber wählt demgegenüber einen ausgesprochen global orientierten Zugriff. Allerdings sind auch für ihn das Deutsche Reich und Hitler die primär Verantwortlichen. Sehr viel deutlicher als Müllers Arbeit ist Schreibers knapper Abriss ,ad usum delphini' geschrieben. Er möchte keinerlei Ansatzpunkte für eine wie auch immer geartete Apologie der deutschen Politik jener Zeit liefern. Daher steht er der aktuellen Diskussion, inwieweit Deutsche während des Zweiten Weltkrieges - Stichworte Bombenkrieg, Flucht und Vertreibung - auch Opfer gewesen seien, überaus kritisch gegenüber.
Die Lektüre beider einander ergänzenden Werke ist überaus lohnenswert - auch und gerade weil sie an manchen Stellen zum Widerspruch reizen. Allerdings mögen beide Autoren dem Rezensenten nachsehen, wenn er Andreas Hillgrubers großartige Gesamtdarstellung aus dem Jahre 1982 durch ihre beiden aktuellen Arbeiten noch nicht für überholt hält.
Rolf-Dieter Müller
Der letzte deutsche Krieg 1939 - 1945.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2005; 415 S., 24,50 Euro
Gerhard Schreiber
Kurze Geschichte des Zweiten Weltkriegs.
Verlag C.H. Beck, München 2005; 221 S., 14,90 Euro