Ausstellung im Reichstag: "50 Jahre Bundestagsfrack"
Ihren letzten spektakulären Auftritt hatten die Saaldiener des Bundestages beim Deutschlandbesuch von US-Präsident George Bush: Das Redemanuskript des Texaners lag am falschen Platz. Dank Dirk Kunze vom Plenarassistenzdienst blieb es Bush erspart, eine freie Rede vor dem Bundestag halten zu müssen. Seine wichtige Aufgabe erfüllte der Saaldiener in angemessener Kleidung: Dirk Kunze trug einen Frack - seit genau einem halben Jahrhundert die ganz normale Dienstkleidung der Saaldiener. Anlässlich dieses Jubiläums wurde in der vergangenen Woche die Ausstellung "50 Jahre Bundestagsfrack" im Reichstagsgebäude eröffnet, die noch bis zum 2. Dezember zu sehen ist.
Die Tätigkeiten der befrackten Saaldiener sind vielfältig: Sie sorgen für den reibungslosen Ablauf der Plenums- und Ausschusssitzungen, teilen die Bundestagsdrucksachen aus, betätigen die Klingelzeichen vor Abstimmungen und Sitzungsbeginn, überwachen den Zugang zum Plenarsaal und erledigen einfache Botendienste für die Volksvertreter. Gelegentlich dürfen sie sogar auf die Babys der Abgeordneten Christine Lambrecht oder Katherina Reiche aufpassen.
Begonnen hatte alles mit einer schlichten grünen Armbinde mit der Aufschrift "Haus-Ordnungsdienst", die in Verbindung mit einem normalen Anzug getragen wurde. Im November 1949 bekamen Boten, Saaldiener und Pförtner jedoch eine einheitliche Uniform, damit sie sich von den Abgeordneten abheben würden. Die Einführung eines Fracks als offizielle Dienstkleidung für die Saaldiener und eines speziellen Zeremoniells zur Eröffnung der Bundestagssitzungen wurde damals noch abgelehnt.
Als Eugen Gerstenmaier 1954 zum Bundestagspräsidenten gewählt wurde, wollte er die Würde des Hohen Hauses stärker betonen. Daher setzte er sich unmittelbar nach seinem Amtsantritt mit dem Stil des Parlaments auseinander. Das englische Unterhaus und die französische Nationalversammlung sollten als Vorbilder dienen.
Die Saaldiener durften ihre als "Schaffnermonturen" bezeichneten Uniformen gegen einen "frac à la francais" tauschen, der auch von den Mitarbeitern in der Residenz des französischen Botschafters getragen wurde. Die von Eugen Gerstenmaier als "die beste, formlich und farblich" bezeichnete Dienstkleidung tragen die Saaldiener mit einigen kleinen Veränderungen noch heute.
Vor fast 50 Jahren, am 27. Januar 1955, hatten die Fracks ihre offizielle Premiere. Nach einem Gongschlag und dem Ankündigungsruf "Der Präsident!" betraten der damalige Bundestagsvizepräsident Carlo Schmid und der Direktor des Deutschen Bundestages Hans Troszmann, beide im Cut gekleidet, den Plenarsaal, in dem sich die stehenden Abgeordneten versammelt hatten. Sie wurden begleitet von den erstmals mit Frack bekleideten Saaldienern. Den dunkelblauen Frack, den sie trugen, zierten 26 Goldknöpfe mit Bundesadler, er wurde zusammen mit einer schwarzen Hose, einer weißen Hemdbrust, weißer Fliege, weißen Handschuhen und schwarzen Lackschuhen getragen. Die elegante Kleidung und die neue Eröffnungszeremonie sollten für einen würdevollen Beginn des parlamentarischen Arbeitstages sorgen.
Nachdem Kai-Uwe von Hassel 1969 zum Parlamentspräsidenten gewählt wurde, glich man die Dienstkleidung der Saaldiener den gesellschaftlichen Veränderungen des Jahres 1968 an. Der von ihm als "zu aufgedonnert, zu pompös und prunkvoll" empfundene Frack wurde 1970 schlichter, moderner und angemessener: Die Goldknöpfe etwa wurden durch schwarze oder dunkelblaue Knöpfe ersetzt. Das neue Modell war ein Kompromiss zwischen der "Würde des Hauses und der Bürde der Kleidung".
Die ersten Saaldienerinnen gab es erst 1989 unter der Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth. Sie trugen ein dem Frack nachempfundenes dunkelblaues Kostüm. Auf reges Interesse stießen seitdem Fragen nach der Höhe der Absätze und der Schminkzulage.
Der ehemalige Bundeskanzler und Abgeordnete Willy Brandt dürfte sich über weibliche Saaldienerinnen bestimmt gefreut haben: Er ließ auf seinem Platz häufig Zeichnungen von Blondinen zurück, die die Saaldiener nach den Sitzungen aufsammeln durften.