Das Präsidium des Bundestages bleibt vorerst unvollständig
So etwas gab es noch nie: Auch im vierten Wahlgang gelang es einer Fraktion des Bundestages nicht, ihren Kandidaten für das Amt eines Vizepräsidenten durchzubringen. Am 8. November scheiterte der Vorsitzende der Linkspartei, Lothar Bisky, erneut an der Mehrheit der Abgeordneten. Von 595 Abgeordneten stimmten 310 gegen ihn und nur 249 für ihn. Bereits während der konstituierenden Sitzung des Bundestages am 18. Oktober 2005 konnte sich Bisky in drei Wahlgängen nicht durchsetzen.
Laut Geschäftsordnung des Bundestages steht zwar jeder Fraktion ein Vizepräsidentenamt zu. Daraus ergibt sich aber nicht automatisch ein Anspruch für den jeweils nominierten Kandidaten. Bisher galt es jedoch als eine Art ungeschriebenes Gesetz, dass die von den Fraktionen Nominierten auch vom Plenum bestätigt werden. Die Linkspartei wertete die erneute Ablehnung Biskys deshalb als einen Akt der Ausgrenzung ihrer Fraktion und kündigte an, vorerst keinen neuen Kandidaten vorzuschlagen: "Jetzt bleibt es eben wie es ist", sagte der sichtlich verärgerte Fraktionschef Gregor Gysi auf einer Pressekonferenz am selben Tag. "Wir beantragen keinen fünften Wahlgang, um Lothar Bisky nicht zu demütigen, aber wir lassen uns auch nicht vorschreiben, wen wir zu nominieren haben." Sichtlich getroffen und um Fassung bemüht reagierte der gescheiterte Kandidat selbst: "Ich habe verstanden: Die Mehrheit will nicht, dass ich Bundestagsvizepräsident werde. Das muss ich als Demokrat akzeptieren."
Das Präsidium bleibt nun bis auf weiteres unvollständig, ein Umstand, den Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) als "mehr als einen "Schönheitsfehler" bezeichnete. Einen "unmittelbaren Schaden" für die Arbeit des Parlaments könne er aber nicht erkennen, erklärte er nach der Plenardebatte am 8. November. "Der Bundestag hat eine souveräne Entscheidung getroffen, und es steht mir nicht zu, das zu kommentieren."
Die Reaktionen aus den Fraktionen fielen unterschiedlich aus. CDU-Generalsekretär Volker Kauder erklärte, ein Parteivorsitzender sei im Präsidium grundsätzlich fehl am Platz. FDP-Parteichef Guido Westerwelle verwies darauf, dass "man die demokratischen Spielregeln einhalten müsse". Viele Abgeordnete der Grünen und der SPD bekundeten dagegen ihre Solidarität mit Bisky und kritisierten das Abstimmungsverhalten. Das sei kein Ruhmesblatt, sagte Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen). Und Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) betonte, Biskys Biografie biete zu "bösestem Misstrauen" keinen Anlass. Gleichzeitig warnte er davor, diesen Vorgang als einen Ost-West-Konflikt zu bewerten. Auch Bisky selber hatte sich dieser von Teilen seiner Partei vertretenen Deutung nicht angeschlossen.