Vorschlag der EU-Kommission zur Revision der Fernsehrichtlinie
Wenn der europaweit bekannte Kommissar Derrick seinen Assistenten bittet: "Harry hol schon mal den Wagen" ist das erlaubt. Doch er darf nicht mit der flachen Hand auf den Wagen schlagen und sagen: "Dieser M6 ist das beste Auto, das ich je hatte." Eine entsprechende neue Richtlinie für Mindeststandards bei audiovisuellen Produktionen hat in der vergangenen Woche die Medienkommissarin Viviane Reding vorgeschlagen. Sie soll die seit 1989 geltende Fernsehrichtlinie ersetzen. Rat und Parlament müssen aber noch zustimmen. Die Novellierung ist aus Sicht der Kommission nötig, da sich die Medienlandschaft in den vergangenen Jahren stark verändert hat: Gab es 1989 in der EU 50 Fernsehkanäle, sind heute sind es bereits 1.500. Hinzu kommen neue Dienste wie Internet und "Video-on-Demand". Mit den Mindestregeln soll Rechtssicherheit für Sendungen geschaffen werden, die in einem EU-Land produziert wurden und in einem anderen Mitgliedsstaat gesendet werden.
Starke Beachtung finden vor allem in Deutschland die Passagen zum so genannten Product-Placement, das bislang auf europäischer Ebene nicht geregelt war. Die Grauzone zwischen dem schon jetzt in Deutschland erlaubten Sponsoring von Requisiten, wie zum Beispiel Autos, und der als Schleichwerbung verbotenen Einflussnahme auf Dialoge ist groß. Für Produktionen aus dem Ausland gibt es bislang gar keine einheitlichen Mindestregeln. Kaum ein Zuschauer weiß, dass er bei österreichischen Tatort-Folgen damit rechnen muss, dass ihm manche Gegenstände etwas deutlicher als für die Handlung nötig präsentiert werden, weil die Produktionsfirma dafür bezahlt wurde. Im Nachbarland ist Product-Placement nämlich schon jetzt erlaubt. Die EU-Kommission will nicht verbieten, dass James Bond im BMW durchs deutsche Wohnzimmer fliegt. Doch im Vorspann soll in Zukunft angekündigt werden, dass der Münchner Autokonzern dafür bezahlt hat.
Die neue Richtlinie gibt allerdings ohnehin nur einen Rahmen von Mindestregeln vor, die erfüllt sein müssen, wenn eine europäische Sendeanstalt oder ein Internet-Provider audiovisuelle Inhalte verbreitet. Jedes Land kann zusätzlich für seine eigenen Rundfunkanstalten weitaus strengere Gesetze erlassen.
Es ist zu erwarten, dass Rat und Parlament an dem Kommissions-Entwurf noch zahlreiche Änderungen vornehmen werden. Zum Beispiel ist nicht befriedigend definiert, für welche Sendearten Product-Placement überhaupt eingeführt werden soll. Prinzipiell will es die Kommission erlauben - nur "Sendungen über Gegenwartsgeschehen", also Dokumentationen und Nachrichten, sollen davon ausgenommen sein. Damit würde zum Beispiel für Ratgebersendungen eine neue Grauzone entstehen.
Die SPD-Medienpolitikerin und Europaabgeordnete Karin Junker äußert sich zu dem neuen Vorschlag skeptisch: "Wie die heute bestehende Trennung von Werbung und Programm aufrecht erhalten werden soll, ist mir rätselhaft." Die Kommission hält dagegen, dass diese Trennung oft ohnehin durchbrochen ist. Die neue Richtlinie sorge nun wenigstens für Mindestregeln.