Bayerns Landtag hat einen neuen Plenarsaal
Für den Bayerischen Landtag hat ein neues Zeitalter begonnen, jedenfalls in Bezug auf sein "Allerheiligstes", den Plenarsaal im Prachtbau des Münchner Maximilianeums über der Isar: Der alte war zwar durch Redeschlachten in 55 Parlamentsjahren geadelt worden und hatte mit seinen knarzenden Pulten und eng stehenden Sitzen seine besondere Atmosphäre, doch Brandschutz, Klimaanlage und die ehrwürdige Nachkriegstechnik waren hoffnungslos veraltet. Bevor die Baufirmen Hand anlegten, hatten die Abgeordneten noch die - eifrig genutzte - Gelegenheit, ihre alten Plenarstühle abzuschrauben und mitzunehmen.
Mit einer schlichten, aber feierlichen Zeremonie ist nun entsprechend des Konzeptes des Berliner Architekten Volker Staab in 15-monatiger Bauzeit für 9,9 Millionen Euro ein Schmuckstück moderner Saal-Architektur eingeweiht worden - mit kirchlicher Segnung durch Friedrich Kardinal Wetter und den evangelischen Landesbischof Johannes Friedrich. Die Volksvertreter beraten nun auf roten Sesseln in einer raffiniert und großzügig gestalteten Welt aus hellem Holz (Furnier aus Eiche gebleicht, Natur), lichtdurchlässiger Glasdecke und teilweise eben solchen Seitenwänden. Dazu jede Menge Technik. Parlamentspräsident Alois Glück (CSU), der auch die reibungslose Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Architekten, Ingenieuren, Planern und den 81 Baufirmen lobte, meinte hochzufrieden: "Bisher habe ich zum neuen Plenarsaal nur erfreute Stimmen gehört."
Auf einer Nutzfläche von 580 Quadratmetern wurden für die insgesamt 180 Landtagsabgeordneten nur 164 Volksvertreter-Sessel montiert, die sich - wie im Bundestag - vor- und zurückschieben sowie drehen lassen. Die ins Kabinett berufenen Abgeordneten sitzen ausschließlich auf der Regierungsbank, zusätzliche Sessel werden nur zu besonderen Anlässen herbeigeschafft. Auf der zum Teil über die Abgeordnetensitze ragenden Zuschauertribüne gibt es Stühle für 133 Personen, darunter 46 für Pressevertreter.
Ein "Schmankerl" über der "wohnlichen Raumschale aus Holz" (Architekt Staab) ist die "Lichtschale aus Glas", die dem Plenarsaal zu besonderer Lichtfülle verhilft und über die Vollverglasung des Daches (satiniertes Wärmeschutzglas mit Prismen) auch an trüben Tagen noch Natur-Helligkeit hereinlässt. Je nach Bedarf sorgt ein stufenlos zuschaltbares Innenlicht für die notwendige Beleuchtung des neuen Parlamentsraumes.
Über zwölf Saalmikrofone kann der Landtagspräsident Abgeordnete zu Wort kommen lassen. In die Schalttechnik übernommen wurde der bisher erst einmal gedrückte so genannte "Revolutionsknopf", mit dem der Präsident sein eigenes Mikrofon auf "unüberhörbar" und alle übrigen auf einen Schlag auf stumm stellen kann.
Jeder Abgeordnetenplatz ist Laptop-tauglich. Allein der Präsident verfügt über zwei feste Computer: Einen, der ihm den Saal aus vier Kamera-Perspektiven vor Augen führen kann, und einen, über den er zum Beispiel die Rednerliste führt. Dieser PC, so hat ein findiger Landtagsberichterstatter herausgefunden, verschafft dank Windows nebenbei auch noch Zugang zu nicht gelöschten Computerspielen - rein theoretisch natürlich nur.
Die fortschrittliche Ausstattung mit Saalkameras macht schließlich regelmäßige Live-Übertragungen von Plenarsitzungen im Internet möglich. Die Bürger können daheim am Computer die Debatten in Bild und Ton und mit ergänzenden Textinformationen verfolgen, über ein Videoarchiv auch noch nachträglich. Neben dem Plenarsaal wurde ein "Raum der Stille" eingeweiht, ein auf SPD-Initiative hin verwirklichter Gebets- und Meditationsraum. Er liegt unmittelbar neben dem neu gestalteten SPD-Fraktionssaal, durch den im Notfall auch der Fluchtweg führt - umgekehrt geht es nicht.