Die JugendMedienKonferenz in Bonn diskutierte, wie man Teenager am besten erreicht
Mit einfachen Rezepten für Akzeptanz und wirtschaftlichen Erfolg können die Macher von Jugendmedien nicht dienen. Aber da es die Jugend nicht gibt, gibt es offensichtlich auch nicht die Jugendmedien. Darüber herrschte bei der JugendMedienKonferenz 2005 "Hip oder Flop - Erfolgsstrategien, Analysen, Konzepte und Visionen von jungen Medienmachern" vom 8. bis 10. Dezember in Bonn Einigkeit. Junge Menschen sind die schwierigste Zielgruppe für Medienmacher überhaupt, was auch damit zusammenhängt, dass Kinder in vielen Parallelwelten aufwachsen: Die einen mit Playstation und Fernsehen, andere mit Internet und Handy oder Radio und Zeitungen. Die Bandbreite von Jugendmedien hat sich indes immens erweitert.
Auch einen "Königsvertriebsweg" jugendlicher Themen gibt es nicht. Die Jugendzeitschrift "Spiesser", die in Sachsen ihren Ursprung hat, verbreitete sich im Osten von Bundesland zu Bundesland und ist mittlerweile in Berlin angekommen. Die Themensetzung ist oftmals regional, die Verankerung mit der Heimat wichtig.
Die Internetseite www.zeitdenken.de, eine Erfindung des 20-jährigen Philipp Gérard, ist wiederum ein Projekt von Jugendlichen für Jugendliche. Einerseits haben sich politisch interessierte junge Menschen eine gemeinsame Plattform zum Gedankenaustausch gegeben. Andererseits eröffnet das Onlineportal jungen Lesern und Leserinnen eine alternative, jugendliche Sicht auf Politik und Gesellschaft. Mittlerweile ist die fünfte Schwerpunktausgabe da. Nach Demokratie, Jugend, Ost und West, Europa beschäftigt sich das aktuelle Angebot mit der digitalen Ordnung - meist auf hohem Niveau. Der Ursprung von "Zeitdenken" ist mit dem 11. September 2001 verknüpft. Dieses Datum gab die Initialzündung. Gérard suchte damals in den Weiten des Internets ein Forum, um sich über die Entstehung von Hass auszutauschen - allerdings mit dem Anspruch, simple Klischees nicht zu bedienen. Er suchte ohne Erfolg. So entstand die Idee für "Zeitdenken". Die besten Beiträge aus dem Netz sollen demnächst als Buch erscheinen - eine crossmediale Entwicklung vom Netz aufs Papier.
Für die Medienmacher stellt sich immer aufs Neue die Frage, wie denn die Jugend heute "tickt". Jens Lönneker, Psychologe und Medienforscher beim Rheingold-Institut, versuchte sich an einer Antwort, die durch zweistündige tiefenpsychologische Interviews zustande kam. Eine neue Studie beschreibt einen Paradigmenwechsel: Jugendliche verabschieden sich vom Egokult vergangener Jahre. "Sie suchen Wärme und Geborgenheit", berichtete Lönneker. "Die erwarten sie auch von den Medien. Sie sollen Perspektiven aufzeigen, Ratgeber sein. Jugendliche wünschen sich dialogische, vernetzte Medien", so der Forscher. Und - sie wünschten sich vor allem Verlässlichkeit und Entscheidungshilfen bei Sinnfragen. Fluter, das Print-Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung, ist ein gutes Beispiel, wie man diese Bedürfnisse bedienen kann. Es erscheint viermal jährlich mit Schwerpunktthemen wie "Freiheit" oder "Zeit", Auflage 175.000. Im Netz können die Themen dialogisch diskutiert und aktualisiert werden. Unter fluter.de werden Journalismus und Mitmachaktionen der Nutzer verknüpft. Die Empfänger werden zu Akteuren.
Speziell Tageszeitungen haben es auf dem Jugendmedienmarkt schwer. Oft ist ihr Layout schwerfällig und nicht spritzig genug. Und die Zeitungen schaffen es selten, die Jugendlichen über die für sie speziell gestalteten Seiten hinaus für das gesamte Blatt zu interessieren.
Peter Stawowy, Chefredakteur von "Spiesser" und älter als seine Chefs, wie er gerne betont, gab die Empfehlung, Jugendliche nicht durch Globalität zu erschrecken, sondern praktische Beispiele aus ihrer Lebenswelt zu liefern. "Spiesser", der Titel ist natürlich ironisch gemeint, kommt in einer Auflage von 300.000 Stück auf den Markt und geht auf die wichtigste Frage für Jugendliche ein, die da lautet: Was wird aus mir? Ausbildung und Studium stehen thematisch ganz hoch im Kurs. Eine Geschichte über Karriere im Handwerk ist ein Muss neben Studienfinanzierung und Führerschein oder Leben in der Wohngemeinschaft. Stawowys Rezept lautet: Wege aufzeigen. Es dürfe nicht so laufen, dass Jugendlichen die PISA-Ergebnisse um die Ohren gehauen würden, sondern dass Texte und Themen Strategien beschrieben, wie man sich verbessern könne.
Renate Iffland von der Saarbrücker Zeitung stellte "Potato" vor, dessen Leitidee sei, mit solidem Journalismus einem kostenlos vertriebenen Produkt eines anderen Verlages in Saarbrücken etwas entgegenzusetzen. Die verbreitete Auflage liegt bei 20.000. Über die "Potato-Homepage" würden Meinungen zum Printprodukt erfragt und seien Blogs möglich. Die Printredaktion hole sich wiederum Anregungen, Themen und Diskussionsbeiträge über die Internet-Community, die dann in die Texte des Printprodukts einfließen würden. Auch hier ist die Interaktivität eine Säule des Erfolgs.
Zwei Workshops der Veranstaltung standen sich thematisch äußerst kontrastreich gegenüber: Fußball und Rente. Das immer junge Thema Fußball biete eine Fülle von Ansätzen, so die Teilnehmer, um jugendgerecht transportiert zu werden - vom Volonteer-Tagebuch über das Fanlexikon in mehreren Sprachen bis hin zum Fußball-Stammtisch der Zeitung beim Bäcker. Mit der Rente, einer wirklich schweren Kost für Jugendliche, war es da schon wesentlich komplizierter. Das Thema sei für Jugendliche unüberschaubar und schwammig, einfach zu weit weg, lauteten die Kommentare.
Wenn auf der JugendMedienKonferenz der Bundeszentrale für politische Bildung, des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger und der Akademie Berufliche Bildung der deutschen Zeitungsverlage auch keine allgemein gültigen Anleitungen von den Machern von Jugendmedien abzufragen waren, so stand doch außer Frage: Wer den Nerv der Jugend nicht trifft, nicht weiß, wie sie tickt, wird scheitern.