Die Zahlungsmoral von manchen Behörden ist "unerträglich"
Allein im Bereich der Berliner Handwerkskammer klagt jede zweite Firma über die zögerliche Zahlungsweise, die nicht zuletzt die Existenzfähigkeit vieler - nicht nur kleiner - Unternehmen gefährdet. Rechnungen bezahlt der Bund im Durchschnitt erst nach 82 Tagen, klagt Handwerkskammerpräsident Stephan Schwarz und bestätigt damit Erfahrungen von Inkasso-Unternehmen, nach denen öffentliche Auftraggeber heute schlechter zahlen als noch vor Jahresfrist, und dies, obwohl mit dem Gesetz zur Förderung der Zahlungsmoral dieses Problem ein für alle Mal hatte gelöst werden sollen.
Dass dieses Ziel nicht erreicht wurde, ist unter den im Bundestag vertretenen Fraktionen unbestritten. Matthias Berninger, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, verweist auf erhebliche Liquiditätsprobleme, in die viele Unternehmen, vor allem in der Baubranche, aufgrund der Verzögerung oder Verweigerung von Zahlungen gerieten. In der Regierungszeit der Grünen seien die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches so verändert worden, dass fällige Zahlungen schneller eingefordert werden könnten. Die Verzugszinsen seien erhöht worden, und der Verzug trete auch ohne Mahnung 30 Tage nach Zugang einer Rechnung ein. Während sich die Zahlungsmoral von Geschäftskunden deutlich verbessert habe, sei die der öffentlichen Hand weiterhin sehr schlecht. Berninger spricht denn auch von einem "unerträglichen Zahlungsverzug durch die öffentliche Hand", dem seine Fraktion unter anderem dadurch begegnen wolle, die Gebietskörperschaften, die Zahlungsfristen nicht einhielten, im Internet zu veröffentlichen. Geführt werden solle dieses Register vom Bundeswirtschaftsministerium: "Es wird wenig schmeichelhaft sein, zum Beispiel das Ranking der am schlechtesten zahlenden Kommunen anzuführen."
Gerade öffentliche Auftraggeber sollten mit gutem Beispiel vorangehen und ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber Werkunternehmen nachkommen, fordert Paul K. Friedhoff. Der mittelstandspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion plädiert die Rechtsgrundlage hierfür zu verbessern und die stecken gebliebenen Gesetzesvorhaben zum Forderungssicherungsgesetz wieder aufzunehmen. Allerdings gebe es keine Patentlösungen gegen Gaunereien. Einerseits könne der Auftraggeber nicht gezwungen werden, innerhalb einer bestimmten Frist Forderungen von Werkunternehmen nachzukommen, wenn der Auftrag nicht fachgerecht ausgeführt worden sei. Andererseits gebe es Auftraggeber, die bewusst einkalkulierten, dass ein Kleinunternehmer sich einen langwierigen Rechtsstreit um seine - berechtigten - Forderungen nicht leisten könne. Friedhoff will eine gesetzliche Regelung, nach der eine Forderung des Werkunternehmers zunächst anteilig beglichen werden müsse und erst danach über etwaige Mängel gestritten werden dürfe, bis hin zu einem eventuellen Gerichtsprozess. Der Auftraggeber müsste somit nicht für mangelhafte Arbeit voll bezahlen, und der Werkunternehmer könnte zunächst wenigstens mit einem Teil seiner Forderung rechnen und würde sein Risiko mindern, zahlungsunfähig zu werden. Dazu müsste das Instrument der "vorläufigen Zahlungsanordnung" umgesetzt werden, das bereits im Rahmen des Forderungssicherungsgesetzes erarbeitet worden sei. In der Zwischenzeit sollten sich vor allem die öffentlichen Auftraggeber ihrer Verantwortung gegenüber dem Mittelstand stellen und nicht durch Hinhalten und Verzögern weiter wertvolle Arbeitsplätze bei den Werkunternehmern gefährden und vernichten.
Auf die zunächst präventive Wirkung eines Forderungssicherungsgesetzes geht Herbert Schui, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke, ein: Die Möglichkeit verspäteter Zahlung könne nicht in den Finanzierungsplan eingearbeitet werden. Um das Gesetz weiter zu verbessern, würden sich genauere Regelungen zur einbehaltenen Garantiesumme empfehlen. Vor allem Handwerksbetriebe litten darunter, dass oft unverhältnismäßig hohe Summen zurückgehalten würden. Nun gebe es sicherlich Pfusch am Bau, und dies werde angesichts des erheblichen Preisdrucks nicht weniger. Eine Lösung des Problems könne darin bestehen, dass die zurückgehaltene Summe vom Schuldner verzinst werde. Zeige sich ein Schaden, so verliere der Gläubiger das Anrecht auf die Zahlung des Zinses. Sei jedoch alles in Ordnung, so sei die geschuldete Restsumme einschließlich der Zinsen zu zahlen. Das sei nicht unbillig, denn schließlich spare der Schuldner Kreditkosten, wenn er einen Teil des Rechnungsbetrages aus Garantiegründen einbehalte. Hierbei müsse der Zins der Höhe der Sollzinsen bei Betriebskreditmitteln entsprechen. Wichtig ist für Schui, dieses bei einer Novellierung des Gesetzes zu beachten: "Öffentliche Auftraggeber sind oft die mächtigeren Vertragspartner. Kleine Unternehmen befürchten, bei der Auftragsvergabe nicht mehr berücksichtigt zu werden, wenn sie auf der strikten Einhaltung des abgeschlossenen Vertrages bestehen. Entsprechend muss das Gesetz das erzwingen, was der kleinere Vertragspartner nicht kann."
Wenn verzögerte Zahlungen der öffentlichen Hand immer wieder Gegenstand von Beschwerden der Unternehmen und Verbände seien, sei dabei zu bedenken, dass bei öffentlichen Aufträgen regelmäßig die Verdingungsordnung Bau (VOB) vereinbart werde, die die Abschlags- und Schlusszahlungen des Auftragsgebers festlege. Eine Verbesserung in diesem Bereich könne, so der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Technologie der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Laurenz Meyer, daher in erster Linie nur durch eine Änderung der VOB erfolgen, für die der Verdingungsausschuss für das Bauwesen zuständig sei. Trotz mancher Initiative seiner Fraktion in den vergangenen Jahren, die eher das Verhältnis zwischen Unternehmer und privaten Bauherrn betroffen hätten, habe die rot-grüne Koalition 1999 lediglich das "Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen" auf den Weg gebracht. Damit seien Veränderungen im BGB Werkvertragsrecht vorgenommen worden, die allerdings wenig Wirkung entfaltet hätten. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe habe dann ein "Forderungssicherungsgesetz" auf den Weg gebracht, dessen Verabschiedung durch Rot-Grün verhindert worden sei. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD sei dieses Gesetz als Initiative gleichwohl genannt, und inzwischen habe auch der Bundesrat das Vorhaben erneut auf den Weg gebracht. Laurenz Meyer: "Der Bundestag wird sich also in absehbarer Zeit wieder mit dem Thema beschäftigen. Dabei ist es unbedingt notwendig, die Probleme der nachlässigen Zahlung der öffentlichen Hand in die anstehenden Beratungen mit einzubinden."