Protokollierung der öffentlichen Anhörung "Anonyme Geburten"Bandabschrift
Wir haben die Damen und Herren Sachverständigen im Vorfeld gebeten, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Die schriftlichen Stellungnahmen finden Sie draußen ausgelegt, so dass jeder sich auch noch einmal eine solche nehmen kann. Es gab anhand des Fragenkatalogs diese Stellungnahmen. Wir werden diese Stellungnahmen dem Protokoll beifügen. Wir gehen davon aus, dass Sie ? da es eine öffentliche Anhörung ist - auch damit einverstanden sind, dass die Stellungnahmen entsprechend aufgenommen werden. Die Details zur Korrektur des Protokolls werden wir Ihnen dann zusenden, wenn das Protokoll erstellt ist. Ich darf Sie aber bitten, schon jetzt, wenn Sie sich zu Wort melden oder das Wort erhalten, jeweils Ihren Namen vorher zu sagen, damit wir auch im Protokoll die Aussagen einfacher zuordnen können.
Ich darf auch noch begrüßen als Vertreterinnen der Bundesregierung Frau Sts?n Edith Niehus vom Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und Frau Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast aus dem Innenministerium. Zum zeitlichen Ablauf haben wir bis max. 18.00 Uhr vorgesehen. Es ist nicht schlimm, wenn wir auch früher fertig werden. Es ist die Frage, ob wir eine Pause einlegen. Das werden wir später entscheiden, das sieht man ja vielleicht im Verlaufe der Anhörung, dass es irgendwann mal schwierig wird, die Konzentration aufrecht erhalten zu können. Dann können wir eine Pause einlegen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass es sinnvoller ist durchzuarbeiten. Es gibt ein kleines Problem, dass einige Kolleginnen und Kollegen, auch die Vertreterin z.T. der Bundesregierung betrifft: Wir haben parallel zu der heutigen Anhörung nun sehr kurzfristig im Zeitplan die große Debatte über das Thema ?Zwangsarbeiterentschädigungsgesetz?. Es gibt insbesondere bei den Kollegen aus dem Innenausschuss, aber auch bei anderen die Notwendigkeit, dass sie bei der Debatte anwesend sein müssen. Das führt zu ein paar Problemen. Wir haben vorhin kurz erörtert, ob wir die Anhörung unterbrechen sollten, aber das würde dann einen Zeitverzug von mehr als einer Stunde bedeuten, so dass wir aus meiner Sicht sinnvollerweise tagen und sie dann um Verständnis bitten, wenn einige Kolleginnen und Kollegen gegen 15.30 Uhr die Anhörung verlassen. Es ist keine Missachtung der hier gemachten Aussagen, sondern eine Notwendigkeit, die wichtige Debatte auch zu begleiten. Einige müssen auch als Redner oder Rednerinnen dort auftreten. Ich bitte um Ihr Verständnis. Es sind auf jeden Fall Menschen da, die alles, was hier gesagt wird, protokollieren, so dass, auch wenn diejenigen nicht anwesend sind, sie die entsprechenden Dinge nachlesen können.
Ich darf dann zum Verlauf noch einige Hinweise geben: Wir möchten, dass der Sachverständige oder jede Sachverständige zu Anfang max. 5 Minuten eine kurze Einführung macht; deshalb so kurz, weil wir die schriftlichen Stellungnahmen haben und weil auch viele Sachverständige geladen sind. Wir haben dann anschließend uns geeinigt, dass die Fraktionen in die Fragerunde gehen. Wir haben uns im Vorfeld jetzt darauf verständigt, dass die Fragen, die gestellt werden, dann möglichst direkt beantwortet werden. Jede Fraktion soll in der ersten Runde drei Fragen stellen, möglichst gezielt an die jeweiligen Sachverständigen, die dann von den Sachverständigen direkt beantwortet werden. Wir erhoffen uns dadurch eine lebendigere Anhörung, dass man nicht zu viele Fragen auf einmal sammelt. Soviel vorab zum Ablauf. Ich schlage vor, dass wir einfach in der Reihenfolge wie wir hier vorne sitzen, immer abwechselnd rechts, links beginnen. Ich beginne mit Frau Maria Elisabeth Thoma vom Sozialdienst der Katholischen Frauen und würde dann auf der anderen Seite weitermachen mit Prof. Dr. Gerhard Hohloch von der Universität Freiburg.
Frau Maria Elisabeth Thoma:
Danke. Ich darf mich zunächst recht herzlich für diese Einladung und die Gelegenheit zur Stellungnahme im Rahmen dieser Anhörung bedanken. Wir haben auch eine ausführliche Stellungnahme abgegeben und zwar auch im Namen des Deutschen Caritasverbandes.
Wir können aus unserer bisherigen Erfahrung, die, wie bei allen, die sich mit dieser Thematik beschäftigen, recht begrenzt ist, sagen, auch wenn wir noch außer unseren eigenen Erfahrungen die Erfahrungen von Schwester Monika einbeziehen, dass wir es für geboten halten, dass Frauen, die ihre Schwangerschaft aus unterschiedlichen Gründen verheimlichen, die Möglichkeit haben, unter medizinischer Betreuung zu entbinden. Diese Frauen melden sich oft in letzter Minute bei unseren Anlaufstellen. Die Frauen nehmen das anschließende freiwillige Beratungsangebot in den Projekten an. Es kommt vor, auch bei den Babyfenstern, dass Frauen zurückkommen und Hilfe und Beratung suchen. Wir können also in Kontakt kommen mit diesen Frauen. Eine Regelung sollte daher so aussehen, dass erstens möglichst alle Frauen, die sich in dieser Ausnahmesituation befinden, erreicht werden. Dass zweitens eine freiwillige Beratung angeboten ist, die sowohl darauf gerichtet ist, der Mutter eine Perspektive für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen, ihr Revisionsmöglichkeiten dieses augenblicklichen panischen Abgabewunsches vor Augen führen und schließlich der Mutter die Wichtigkeit der Kenntnis der Abstammung für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes zu verdeutlichen. Insofern sehen wir bei dem Regelungsvorschlag der CDU/CSU einige Schwierigkeiten. Wir sehen zunächst die Gefahr, dass wir die Frauen nicht erreichen, wenn die Anzeigepflicht zwar verlängert, aber grundsätzlich aufrecht erhalten wird. Die Frauen können sich, wenn sie sich an die Projekte wenden, im Moment nicht vorstellen, dass sie die Geburt zukünftig anzeigen werden. Es ist also fraglich, ob die Frauen bei einer ausdrücklichen Aufrechterhaltung der Anzeigepflicht das Angebot annehmen oder nicht doch wieder auf die heimliche Geburt ausweichen werden. Zweitens, die Akzeptanz der Schwangerschaftsberatungsstellen wird schwierig, wenn gerade sie ausdrücklich mit einer Anzeigepflicht belegt werden. Denn das Vertrauensverhältnis zwischen Beraterin und Frau wird erheblich belastet. Um dieses Vertrauen der Frau wiederzugewinnen, müsste die Beraterin der Frau von vorn herein sagen, dass keine Anzeige erfolgt, wenn die Frau nicht damit einverstanden ist. Wenn sich die Beraterin in diesen Fällen auf ihr Schweige- und Zeugnisverweigerungsrecht berufen kann, dann heißt das, dass die Aufrechterhaltung der Anzeigepflicht den Herkunftsanspruch eben nicht in allen Fällen sichert. Man sollte keine Regelung schaffen, die die Anonymitätszusage nur über das Zeugnisverweigerungsrecht sichert. Die Beraterin wird zudem einer im Grunde für sie unzumutbaren Situation ausgesetzt. Drittens, schließlich sollte die Beratung nicht auf Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen eingeführt werden, da es sich nicht um eine Konfliktberatung im eigentlichen Sinne handelt. Wir meinen auch, dass eine Trägervielfalt an dieser Stelle zur Erreichbarkeit ein Beitrag zur Erreichbarkeit der Frauen leistet. Angesichts dieser Erwägungen würden wir deshalb vorschlagen, im Personenstandsgesetz festzuschreiben, dass sich die Anzeigepflicht nicht auf die Angabe der Identität der Mutter erstreckt, wenn diese eine anonyme Entbindung verlangt. Die Änderung der Anzeigepflicht ist zum Schutz des Lebens von Mutter und Kind möglich und nötig. Der Herkunftsanspruch des Kindes, wie auch die Betreuung der Mutter, soll durch eine umfassende, im Anschluss an die Geburt angebotene insoweit anonyme Beratung gesichert werden. Wir halten es für unumgänglich, ein Verfahren zu entwickeln, in dem für beide Seiten Mutter und Kind ermöglicht wird, voneinander zu erfahren. Insoweit halten wir die französische Regelung, die morgen in Frankreich getroffen werden soll, für ein gutes Vorbild, da sie auch mit unseren bisherigen Erfahrungen übereinstimmt. Z.B. könnten die Daten, die gesammelt werden, unter einer Kenn-Nr. auf einem Datensatz gesammelt werden und Mutter und Kind müssten auf diese Daten zurückgreifen können, wobei die Anonymität nur im Einvernehmen mit der Mutter aufgehoben werden sollte. Wir brauchen also eine Regelung, die ersterns an der Erreichbarkeit der Frau ausgerichtet ist, zweitens Frauen und Kindern eine medizinische Versorgung bei und nach der Geburt ermöglicht, diedrittens. durch die Änderung nur des Umfangs der Anzeigepflicht die umgehende Registrierung der Kinder sicherstellt und die schließlich die umfassende Beratung nicht unter dem Druck der Anzeigepflicht der Beratungsstellen erfolgen lässt. Anonyme Geburten sollten nur in Ausnahmefällen zu anonymen Adoptionen führen. Vielen Dank.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank. Herr Prof. Dr. Gerhard Hohloch bitte. Prof. Dr. Gerhard Hohloch ist von der Universität Freiburg.
Herr Prof. Dr. Gerhard Hohloch:
Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren, auch ich habe herzlich zu danken für die kurzfristige Einladung. Entsprechend ist das, was ich zu berichten habe, ausgerichtet an bestimmten wesentlichen Punkten. Ich bin gebeten worden, insbesondere mich zu äußern zu den Fragen, wie sich eine geplante Regelung im Land rechtlich verträgt mit den Konventionen, die die BRD als Vertragsstaat abgeschlossen hat. Das ist zum einen die europäische Menschenrechtskonvention, das ist zum anderen, was ich exemplarisch aufführe, die UN-Kinderkonvention. Beide Konventionen enthalten Normierungen, in denen Rechte auf Schutz des Privatlebens, des Familienlebens, so die EMRK, oder Informationsrechte, Registereintragungsrechte und Rechte auf Familienleben für das Kind, so die der UN-Kinderkonvention, enthalten sind. Das sind Regelungen, an denen sich, da diese Konventionen für unser Recht bindende Wirkung haben, interne Gesetzgebung zu messen hat. Dazu ist zu sagen, wenn ich ausgehe von dem Gentw, der Hintergrund dieser heutigen Sitzung ist, dass diese Konventionen, die diese Rechte verbürgen, gleichwohl erheblichen Spielraum lassen für den nationalen Gesetzgeber in der Umsetzung dieser Werte. Die UN-Kinderkonvention beispielsweise überlässt weitgehend die Verwirklichung der in Art. 7 und 8 genannten Rechte dem jeweils nationalen Gesetzgeber. Auch Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonventionen lässt dieses Gestaltungsermessen des nationalen Gesetzgebers zu. Das ist als Rahmen, denke ich, zunächst zu sehen. Als internationaler Rahmen, zu dem hinzutritt das ihm bekannte Recht des Kindes auf Erlangung von Kenntnis über seine eigene Abstammung in der Ausprägung, die dieses Recht bekommen hat als Persönlichkeitsrecht auf der Grundlage von Art. 1 und 2 unseres Verfassungsgrundgesetzes in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes während ungefähr den letzten 10 Jahren. Auch hier sehen wir freilich, das muss gesagt werden, am Beginn, dass hier Wägungsmöglichkeiten zwischen diesem Recht auf Kenntniserlangung einerseits und anderen Rechten oder Wünschen auf anonyme Geburt seitens der Frau vorhanden sind. Das ist der Hintergrund, den ich rechtlich sozusagen anzubieten habe. Zunächst der zweite Punkt, meine Damen und Herren, das ist eben schon angeklungen. Ich bin gebeten worden, vielleicht etwas zu sagen auch zu den ausländischen Rechten, die ggf. mit diesen Problemen ebenfalls schon konfrontiert worden sind und entsprechende Regelungen kennen. Exemplarisch ist dabei zu denken, das ist auch gerade eben angesprochen, an Frankreich. Dort ist das Recht der anonymen Geburt seit ungefähr 50 Jahren zumindest vorhanden in einem stärker ausgeprägten Umfang als das bislang der Fall ist in Deutschland. Dadurch, dass hier Regelungen des Personenstandsrechtes eingeschränkt werden können durch dieses heute der Franzosen vorhandene Recht jeder Mutter auf anonyme Geburt. Das bedeutet anonyme Registrierung bezogen auf die Mutter. In Frankreich freilich, meine Damen und Herren, ist nun in dem, was in diesen Tagen dort gesetzt werden soll, eine Abwägung vorgenommen worden, wobei freilich das Recht der Mutter, anonym zu bleiben, wohl nach wie vor gewahrt ist. Weitere auslandsrechtliche Erfahrungen sind ggf. in anderen Rechten um Frankreich herum, die dadurch beeinflusst worden sind, Luxemburg, Italien, Spanien in dieser Richtung vorhanden mit dem entsprechenden Hintergrund. Sie wissen dann vielleicht, auslandsrechtlich hat beispielsweise Österreich im vergangenen Jahr im Strafrecht etwas weggenommen aus dem Katalog der Straftatbestände Personenstandsfälschung bezogen auf das, was man dort nennt nicht Babyklappen, sondern Babynester, um diese Praxis sozusagen zu erleichtern. Und als letzter Punkt, meine Damen und Herren, vielleicht folgendes: Wenn wir über den Ozean hinwegschauen und sehen, was in dem großen Bereich der Rechte der USA geschieht, sehen wir auch dort sozusagen momentan Diskussionen um die Auseinandersetzung zwischen einerseits den Wunsch nach Anonymität und auf der anderen Seite Novellierungen von Personenstandsgesetzen, in denen präzisiert wird, was und zu welchem Zeitpunkt in diesen Urkunden registriert werden muss und wann ggf. später das dadurch betroffene Kind Auskunft erhalten kann über seine Abstammung. Das deckt sich aber nicht ganz mit Regelungen, die wir kennen aus dem Adoptionsrecht. Während der ersten 16 Jahre oder bis zur Volljährigkeit ggf. das Kind ein Auskunftsrecht nicht hat, nachher aber ggf. sofort die Auskunft gegeben werden kann, sie auch erzwingbar sein kann. Das vielleicht meinerseits aus dem Bereich, den ich zu präsentieren hätte, als erste Einführung meinerseits. Ich danke ihnen sehr.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank. Als nächste Frau Magdalena Weiß vom Bund der Deutschen Hebammen.
Frau Magdalena Weiß:
Vielen Dank, Frau Vogt, für die Einladung, hier Stellung nehmen zu können zu diesem Thema, das uns Hebammen auch sehr direkt berühren kann. Wir haben eine Stellungnahme abgegeben. Ich möchte einfach zu ein paar Punkten, die mir ein besonderes Anliegen sind, noch mal was sagen. Der Bund Deutscher Hebammen hat über 13 T Mitglieder, und wir sind der Meinung, dass wir als Gesellschafter dazu verpflichtet sind, für diese Mütter, die bisher kein Angebot erreichen konnten, ein Angebot zu machen, das ihnen und dem Kind menschlich und medizinisch gerecht werden kann. In Frankreich wird es seit 50 Jahren praktiziert. 1997 kamen dort 615 Kinder anonym zur Welt, und Österreich hat gerade unbürokratisch vor zwei Wochen die anonyme Geburt und auch die Schwangerenbetreuung legalisiert. Den GEntw der CDU/CSU-Fraktion sehen wir als einen Schritt in die richtige Richtung. Unser Hauptkritikpunkt daran ist die Betreuungspflicht durch eine staatlich anerkannte Schwangerenberatungsstelle. Nach unserer Auffassung ist diese Lösung in der Praxis gänzlich ungeeignet. Wie schon eingangs geschildert, befinden sich die meisten betroffenen Frauen in einem höchst verzweifelten Ausnahmezustand. Die Schwangerschaften sind meistens auch auf unglückliche Art entstanden. Frauen sind in schwierigen Situationen. Sie haben sich noch nicht entschlossen in vielen Fällen, eine Bindung zu dem Kind aufzubauen, Hass u.ä. Gefühle spielen da eine Rolle. In dieser Situation sind Frauen nur sehr selten bereit, Beratungsstellen aufzusuchen. Es sollte auf keinen Fall eine Pflicht oder ein Zwang dazu sein, dass sie zu einer Beratungsstelle müssen. Eine anonyme Geburt sollte ein möglichst niedrigschwelliges Angebot für Frauen sein, die wir nicht anders erreichen können. Deshalb muss die Möglichkeit für anonyme Geburten, und ich werde jetzt sehr praktisch im Gegensatz zu meinem Vorredner, der sich mehr auf die rechtliche Seite beschränkt hat, in jeder geburtshilflichen Abteilung ohne jede Bedingung anzubieten sein. Die Frage der Kostenübernahme kann auf ganz unterschiedliche Weise geregelt werden, da kann ein Fonds geschaffen werden, aus dem das bezahlt wird. Wir müssen immer daran denken, dass Folgen von der Kindstötung oder eine Kindesaussetzung viel höher sind als die gute Betreuung in der Schwangerschaft und in der Klinik. Wir hatten auch an die Folgen einer anonymen Geburt für die Kinder gedacht. Wir haben die gute Möglichkeit durch die dichte Betreuung der Frauen, auch guten Kontakt nach den Geburten mit ihnen zu bekommen und während der Geburten natürlich. Und da gibt es auch immer auch Möglichkeiten, mit den Frauen auszuhandeln, was sie den Kindern z.B. überlassen können, was sie einfach hinsichtlich der Kinder auch hinterlegen möchten, dass die Kinder nachher auch einen Bezug haben. Dann denke ich, was total wichtig ist, dass wir ? das gibt es bis heute nicht ? Betreuungskonzepte entwickeln müssen, was notwendig ist für anonyme Geburten für die Frauen und ihre Kinder, um damit auch sachgerecht umgehen zu können. Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass anonyme Geburten fachkompetent begleitete Geburten sind. Die Mütter bzw. Eltern sollten im Interesse des Kindes in allen Fällen, in denen sie selbst ihr Kind nicht behalten, die Möglichkeit haben, das Kind anonym zur Adoption freizugeben, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen. Zusammenfassend möchte ich am Schluss sagen, es gibt ja auch einige Schwachstellen oder Schwierigkeiten und Gefahren bei der anonymen Geburt. Da ist zum ersten die Hochstilisierung zu einem Allheilmittel wichtig. Die anonyme Geburt ist in unseren Augen wirklich das allerletzte Mittel, wenn es vorher keine anderen Mittel für die Frauen gegeben hat, mit denen sie befriedigend ihre Situation lösen konnten. Das Zweite, es darf nicht passieren, dass eine anonyme Geburt dazu missbraucht wird, dass Frauen genötigt werden, ungewollte Schwangerschaften auszutragen. Im Rahmen der offenen Adoptionen ist es uns gelungen, die Frage nach dem Recht auf das Kennen der Herkunft zu lösen, und es darf nicht passieren, dass mit der anonymen Geburt unnötig die Zahl der Menschen wieder vergrößert wird, die ihr Leben lang nach ihrem Ursprung schauen. Zum Schluss möchte ich sagen, das Überleben eines Kindes um jeden Preis halten wir nicht für sinnvoll. Mutter und Kind müssen immer gemeinsam gesehen werden. Verbesserungen der Situationen müssen immer Verbesserungen für Mutter und Kind sein. Ich denke, auf diesem Hintergrund müssen wir auch die Diskussion führen. Vielen Dank.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank. Ich darf eine geschäftsleitende Bemerkung noch nachtragen, die ich vorhin vergessen habe. Alle mitgebrachten Handys sind entweder ganz auszuschalten und, falls das absolut nicht möglich, ist, wenigstens auf leise zu schalten und wenn es klingelt, rauszugehen und nicht hier zu telefonieren. Wenn es auch leise geschieht, stört es diejenigen, die drumherumsitzen. Ich glaube, das wäre hilfreich, wenn sich alle noch mal versichern, dass ihr Gerät jedenfalls Ruhe gibt. Dann darf ich weitermachen auf der von mir linken Seite, Dr. Jürgen Moysich vom SterniPark e.V.. Vielleicht können sie auch kurz etwas zu ihrer Arbeit sagen. Das erschließt sich, glaube ich, nicht für alle aus dem Namen, wen sie hier vertreten.
Herr Dr. Jürgen Moysich
Zunächst bedanke ich mich für die Einladung. Unsere Vorstellungen habe ich ihnen auch schriftlich vorgelegt. Sie gehen über eine Veränderung des Personenstandsgesetzes hinaus. Uns liegt besonders am Herzen, ergänzende Angebote, die diese anonyme Geburt, oder auch was wir noch erleben als Abgabe der Babyklappe, nicht als isolierten Vorgang erscheinen lassen, sondern wirklich Frauen, schwangere Frauen, rechtzeitig abholen, ihnen den menschlichen Weg ermöglichen, also die Kinder auf die Welt zu bekommen und hinterher auch eine Phase, in der sie in Ruhe entscheiden können, was sie machen wollen. Und darin, dass das unbedingt notwendig ist, sind wir bestärkt worden in der Praxis in den vergangenen Monaten. Es ist zunächst so gewesen, das wir einen Notruf eingerichtet haben, worüber Frauen anrufen konnten und auch sich verabreden konnten, ihr Neugeborenes zu übergeben, dass wir dann zusätzlich seit April letzten Jahres Babyklappen in Hamburg eingerichtet haben, dass diese auch in Anspruch genommen worden sind. Nach einiger Zeit ergab sich aber, dass über die Notruf-Nr. eben nicht Frauen anriefen und sagen, ich habe gerade ein Kind geboren, sondern Frauen anriefen in der 32., 35. Schwangerschaftswoche und sagten, ich habe das verheimlicht, ich kann es jetzt nicht mehr und ich weiß nicht wohin. Es sind die unterschiedlichsten Konstellationen gewesen. Frau Maria Geiss-Wittmann hat es mal sehr anschaulich vor einem dreiviertel Jahr geschildert, dass es unheimlich schwer ist, solchen Frauen zu sagen ?such dir einen Platz, wo irgendwo Wasser ist, bring dein Kind auf die Welt, dann ist in der Goethe-Str. 27 eine Babyklappe oder wir kommen, wenn du dich nicht bewegen kannst, und holen das Kind ab?. Das ist zu schwer für Mitarbeiterinnen, die an so einem Notruftelefon sitzen, und deswegen haben wir uns entschlossen, solche Frauen eben auch aufzunehmen, und es bestehen Mutter-Kind-Einrichtungen, die wir nördlich in Schleswig-Holstein haben, und dann den Schritt zu wagen, ein Krankenhaus zu gewinnen für die anonyme Geburt. Das sind inzwischen einige Erfolge in Hamburg als auch in Flensburg. Die Frauen haben ihre Schwangerschaften verheimlicht und verdrängt. Sie sind auf jeden Fall nicht überwiegend Minderjährige, die das betrifft. Es sind Frauen, sie sind im Schnitt so 23 bis 25 Jahre alt. Allen gemeinsam ist der Grund, dass sie Angst haben und das sie sich schämen, dass sie schwanger geworden sind. Dann gibt es den großen Bereich der Frauen, die außerhalb oder vor der Ehe schwanger geworden sind, moslemischen Glaubens sind, und dadurch entehrt sind, um Leib und Leben fürchten. Dann sind es Frauen, die schon mehrere Kinder haben und meinen, die Situation nicht weiter packen zu können. Es sind Frauen, die insgesamt eine ungesicherte Perspektive sehen, sowohl wirtschaftlich als von der Lebensplanung. Eben auch die ausländischen Frauen, die ohne Aufenthaltserlaubnis hier leben. Es sind sehr vielfältige Fallkonstellationen, in dem neu das vorkommt. Soweit sie sich an Ämtern melden, was bei ausländischen Frauen ohne Aufenthaltserlaubnis relativ schwierig ist, haben sie alle Befürchtungen. Die eine Befürchtung, das wird doch bekannt in meinem Umfeld, dass ich schwanger bin und die andere Befürchtung, ich habe schon zwei Kinder und wenn ich jetzt ein Kind zur Adoption freigebe, dann wird es mir weggenommen, dann werden mir die anderen auch weggenommen. Die Befürchtung mag unbegründet sein, aber sie ist sehr fest im Kopf und beeinflusst das Handeln dieser Frauen. Wir haben weder durch eine Babyklappe noch durch dieses Angebot anonymer Geburten, auch der Begleitung der Frauen, irgendwie einen großen Boom feststellen können. Diese befürchtete Abgabewelle ist ausgeblieben. Nach den Erfahrungen der letzten Monate würde ich auch erst mal annehmen, dass bei einer Neuregelung in Deutschland die Anspruchnahme etwas geringer sein wird als in Frankreich. Eine solche Hochrechnung von Frankreich auf Deutschland auf das Doppelte, das halte ich für sehr stark überzogen. Was verhindern wir damit oder die Frage wird manchmal aufgeworfen, wieviel Kinder werden geschädigt oder werden betroffen durch Aussetzungen oder Tötungen. Wir wissen ziemlich genau von 40 Fällen, die lassen sich dokumentieren. Ich denke, eine Dunkelziffer kann niemand ernsthaft bestreiten, wo Kinder nur zufällig, also irgendwo gefunden werden am Waldrand oder im Müll. Das ist naheliegend, dass auch etliche nicht gefunden werden. Ich halte es für äußerst gefährlich, solche Differenzierungen vorzunehmen, da gibt es eine Aussetzung zum Tode. Da können wir sowieso nichts bewegen. Es gibt eine Aussetzung zum Leben an irgendwelchen sicheren Orten. Das reicht doch als Möglichkeit für Frauen in Not. Erstens werden sie dadurch allein gelassen und zum Zweiten ist jede Aussetzung mit einer Gefahr verbunden. Am Schluss zu den Erfahrungen, die wir mit den Frauen, die bei uns gewesen sind, es sind 16 in den letzten Monaten, gemacht haben. Ihnen wird erstens deutlich, dass sie nicht ohne Hilfe sind. Die Anonymität ? so merkwürdig wie es klingt ? schafft natürlich erst einmal Vertrauen. Sie müssen nicht erst ankommen und erstmal eine Geschichte offenlegen, warum sie also da sind. Sie brauchen zunächst einmal nur die wichtigen Sachen, sie sind noch nie bei einer Vorsorge gewesen. Sie müssen sich untersuchen lassen, sie müssen sich vorbereiten können. Unter diesem Prozess kann man natürlich Vertrauen schaffen, und das befähigt dann die Frauen auch zu der Entscheidung auch für das Kind. Sie geht nicht immer für das Kind aus. Dann haben sie ihre Gründe. Aber wir haben jetzt die Erfahrung gemacht, 9 Frauen sind mit dem festen Vorsatz zu uns gekommen, anonym zu entbinden. 5 davon haben sich also anders entschieden, ohne dass wir sie gedrängelt haben, sondern in dem wir gesagt haben, die Möglichkeit besteht und die Möglichkeit besteht. Egal wie du dich entscheidest, da wirst du die Hilfe bekommen. Und ich denke, das ist sehr wichtig als Ergänzung zu dem, was unter den Schlagworten ?Babyklappe? und ?anonyme Geburt? diskutiert wird. Und wenn man dann miterlebt hat, wie schwer sich eine Mutter wirklich tut mit dieser Entscheidung, ein Kind abzugeben, dann kann man auch mit gutem Gewissen ausschließen, dass irgend ein Angebot der anonymen Geburt oder Babyklappe leichtfertig in Anspruch genommen wird. Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Herzlichen Dank. Jetzt machen wir auf der anderen Seite weiter mit Herrn Dipl.-Psych. Christoph Pompe. Er ist Pfarrer und Diplompsychologe und hier für die evangelische Konferenz für Familien und Lebensberatung. Bitte schön.
Herr Dipl.-Psych. Christoph Pompe
Dankeschön, Frau Vorsitzende, für die Einladung. Sie haben gesagt, für welche Arbeit ich spreche, das ist die integrierte Ehe-, Familien-, Erziehungs-, Leben- und Schwangerschaftsberatung in diakonischer und evangelischer kirchlicher Trägerschaft. Wir haben zusätzlich alle uns vorliegenden Erfahrungen aus dem Bundesarbeitskreis evangelischer Adoptions- und Pflegekindervermittlung und der Konferenz der Schwangerschaftskonfliktbeauftragten in Kirche und Diakonie noch mal erhoben und einbezogen, damit wir uns dazu äußern können. Ich lege mein Gewicht, weil ich wusste, dass andere Kompetenz hier auch vertreten sein wird, auf die beraterische psychotherapeutische Sicht, weil die hier in einer Auseinandersetzung mit den erwachsenen Adoptierten, die sich jetzt auch öffentlich zu Worte melden, ein ganz wesentliches Argument ist. Wir stimmen zu, dass die Minderungen des Rechts auf eigene Herkunft natürlich eine schwere Belastung für die eigene seelische Gesundheit sein kann. Andererseits zeigt sich ? und das insbesondere aufgrund der Erfahrungen aus den Auslandsadoptionen, die ja in aller Regel mit anonymer Geburt wider Willen begleitet sind ? ,dass die biologistische Engführung, wie ich das nennen möchte, dieses Arguments ?Recht auf Kenntnis der eigenen Herkunft? vermieden werden muss. Aus psychotherapeutischer Sicht ist wesentlich für die Entwicklung und Erhaltung seelischer Gesundheit die erzählbare und rekonstruierbare eigene Lebensgeschichte, die die Umstände der eigenen Geburt, evtl. auch der anonymen Geburt, Einzelheiten und Details und als zweiten schützenden protektiven Faktor den offenen Umgang der späteren Adoptiv- und Pflegeeltern mit dieser Geschichte umgreift. Wir machen die Erfahrungen, auch in der beraterischen Arbeit mit Erwachsenen, die nicht so geschützt worden sind, dass in der überzufälligen Zahl dann auch eine Störung der späteren Elternbeziehung zu den Adoptiv- und Pflegeeltern oder eine nicht verarbeitete Kinderlosigkeit dieser erziehenden Paare vorliegt. Wir erinnern daran, dass schon immer notgedrungen Kinder mit ungeklärter Identität des biologischen Vaters leben mussten und dass unser rechtliches System aus gutem Grund und unbestritten den Müttern die Option offen lässt, diesem Kind auch den Vater zu verschweigen und allemal den Jugendämtern und übrigen Behörden, das zu Lasten der öffentlichen Finanzen, dafür haben wir das Unterhaltsvorschussgesetz. Dieser rechtliche Freiraum ist mit Sicherheit als eine Maßnahme des Lebensschutzes für das künftig ungeborene Leben anzusehen, und keiner stellt das in Frage. Vor diesem Hintergrund leuchtet uns sehr ein, was in Frankreich zur Zeit diskutiert wird, die treuhänderische Hinterlegung von allem, was zur eigenen Aneignung der besonderen Lebensgeschichte dienen kann, also Dokumente, Briefe usw., die dann im Einverständnis mit der Mutter, der gebärenden Mutter später mit dem 16. oder 18. Lebensjahr tatsächlich den anonym geborenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen ausgehändigt werden können. Zur Frage des ethischen Urteils stimmen wir überein mit denen, die sagen, dass das Recht auf Leben des Kindes, der Schutz der Gesundheit der gebärenden Frau in der Rechtsgüterabwägung Vorrang haben muss vor den anderen Rechtsgütern, also im Recht auf umfassende Kenntnis der eigenen Herkunft und im öffentlichen Interesse an der Regelung des Personenstandes. Wir begrüßen im GEntw der CDU/CSU-Fraktion die Einbeziehung der Schwangeren und Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen in das umfassende Konzept der Hilfe für Frauen. Der Vorschlag, eine 10-Wochen-Frist einzuräumen, und dann erst die Pflicht zur Meldung diesen Stellen zu übertragen, würde nach unserm Urteil die Bereitschaft der Frauen, die vorgehaltenen Hilfen zu nutzen, nicht steigern. De facto wäre ja, und da muss man dran denken, unser Angebot schon längst vor der Geburt, nämlich ab dem Zeitpunkt der Kenntnis der Schwangerschaft mit den offenen Armen der Hilfe, die die Frauen dann ja finden würden oder hoffentlich finden, bereit gewesen. Diese Frauen haben es nicht genutzt, und wir glauben, dass durch eine Pflicht diese Chance, dass sie dann nach der Geburt die Form der Hilfe nutzen, eher gemindert wird. Freiwilligkeit ist die wesentliche fachliche Voraussetzung psychologischer und sozialer Beratung. Umgekehrt schlagen wir vor, uns und die Kliniken in die Pflicht zu nehmen, dass wir ähnlich, wie es dankeswerter Weise freiwillig in allen mir bekannten Projekten passiert, Ärztinnen und Hebammen und wir in unseren Schwangerschaftsberatungsstellen verpflichtet sind, vernetzt zu arbeiten, dies ordentlich und verlässlich zu regeln und die bei der Geburt Anwesenden verpflichtet werden, auf diese Hilfsangebote hinzuweisen. So geschieht es im Frederikenstift. Ich kann die Zahl, die gerade genannt wurde von Dr. Moysich, glaube ich, auch noch von den wenigen vorliegenden Erfahrungen unserer eigenen Projekte bestätigen. Von den dort seit März meldenden 4 Frauen haben 2 im Nachhinein Schutz der jetzt noch in der Grauzone der Illegalität befindlichen Einräumung der anonymen Geburt gesagt, wir wollen, dass wir doch unseren eigenen Kindern bekannt sind. Es sind natürlich magere Zahlen, aber immerhin könnte ich das was Dr. Moysich mit den sozusagen empirisch belegen. Die alleinige Maßnahme Ermöglichen der anonymen Geburt ohne gleichzeitige Stärkung der Hifsnetze halten wir weder für die betroffenen Frauen noch als Überlebensschutz für die Kinder ausreichend. Im Gegenteil, die kritischen Auseinandersetzungen mit 60 Jahren Erfahrung in Frankreich zeigen, dass sich dort eine Diskriminierung der gebärenden Frauen auch eingeschlichen hat. Das wird im Moment in 90er Jahren in Frankreich erheblich noch angegriffen. Zu den wenig erforschten Lebensgeschichten der anonym gebärenden Mütter haben wir auch Erhebungen angestellt. Unser Eindruck, der natürlich noch der wissenschaftlichen Untermauerung bedarf, ist, dass insbesondere Frauen und Mädchen mit familiären Hintergrund im moslemischen, im evangelischen, freikirchlichen und katholischen Milieu jeweils strenger Observanz groß werden, oft verbunden mit einer strikten Ablehnung jeglichen Schwangerschaftsabbruchs, jeglicher vorehelich Sexualkontakte und Maßnahmen der Verhütung, also in dieser Kombination und gleichzeitig eine hohe Loyalität mit ihren Herkunftsfamiliensystem. In solchen Lagen und Konstellationen kann es zu dem eigenartigem Phänomen kommen, dass das deutlich sichtbare Vorliegen der Schwangerschaft, das für jeden und jede Außenstehende klar ist, für die Frauen selber verdrängt und verleumdet wird. Diese biografische und soziale Verordnung ist für uns deshalb wichtig, weil wir glauben, dass neben dem gesetzgeberischen Vorhaben, was in ihren Händen ist, die begleitende Öffentlichkeitsarbeit außerordentlich wichtig ist und die muttersprachlichen Angebote, die Wahl der Medien und die Adoption der Medien an diese besonderen kulturellen und religiösen Milieus müsste so eine Gesetzgebung begleiten. Wir sehen, die anonyme Geburt ist auch ein deutlicher Hinweis auf den Mangel unseres eigenen Hilfsangebots. Danke.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank, und als nächste Frau Maria Geiss-Wittmann, Sozialdienst Katholischer Frauen e.V., die das Mosesprojekt betreiben. Bitteschön.
Frau Maria Geiss-Wittmann
Meine sehr geehrten Damen, meine Herren, ich bin nicht nur als Vorsitzende vom Sozialdienst Katholischer Frauen heute hier, sondern ich bin auch die Landesvorsitzende von Donum Vitae. Das sage ich nicht nur deshalb, weil ich jetzt meine Funktionen aufzählen will, sondern weil das Mosesprojekt nur im Rahmen der staatlich anerkannten Schwangerenberatung trägt und hilft, so wie wir es konzipiert haben. Es ist ein ganzzeitiges Hilfsangebot, für Frauen in großer Schwierigkeit und großer Notsituation. Im Mosesprojekt sind zwei große Rechtsbereiche miteinander vernetzt, nämlich das Schwangerschafts-konfliktgesetz mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz. Ziel ist es, den Personenkreis zu erreichen, den wir bisher nicht erreicht haben, nämlich die Frauen, die geheim geboren haben, das Kind aussetzten oder töteten. Dieses Ziel kann nur verwirklicht werden, wenn auch die Erreichbarkeit durch das Hilfsangebot vergrößert wird. Und diese Erreichbarkeit geschieht mit einer ganz einfachen leichtverständlichen Botschaft. Und das, denke ich, hat sich jetzt bei allen Diskussionsreden gezeigt, die Frauen kommen, wenn eine einfache verständliche Botschaft vorliegt, die ihnen in ihrer Not hilft. Diese Botschaft lautet: Es ist besser, ein Kind anonym zu gebären als allein und geheim es zu gebären. Es ist besser, ein Kind abzugeben statt es auszusetzen oder es zu töten. Es ist besser diesen Weg zu gehen als sich der Strafverfolgung auszusetzen. Es ist besser für sie und das Kind und sie können ohne Angst diesen Weg gehen. Man steht ihnen bei und hilft ihnen, alles anonym zu organisieren, und zwar auch mit ihren Wünschen, die sie haben und mit ihren Vorstellungen, die sie haben. Die Frau interessiert im Anfang das juristische Regelwerk überhaupt nicht. Und wer es eigentlich letztlich ist, das weiß sie nicht und das interessiert sie eigentlich auch nicht. Das Wichtige ist für sie, dass das Angebot, nämlich der Anonymität, trägt und hält. Und nimmt die Frau dieses Hilfsangebot dann an, dann stößt sie auf einen Träger mit hoher Problemlösungskompetenz und mit einer rechtlichen Grundlage, die Anonymität garantiert. Und das ist, denke ich, das Wesentliche. Die Erreichbarkeit wird gesteigert durch das Notruftelefon, wie eben hier schon erwähnt wurde, dass wir auch bei Donum Vitae in Bayern als einheitliche Notruf-Nr. einrichten wollen und welche dann auch vernetzt mit anderen Diensten arbeiten kann. Auch mit den SKS selbstverständlich. Dieses Angebot ist niederschwellig. Der Treffpunkt und Gesprächstermine können sich nach dem Wunsch der Frau richten. Telefongespräche können frühzeitig während der Schwangerschaft schon geführt werden. Man erreicht also die Frau frühzeitig. Das Mosesangebot ist ein ganzzeitliches Angebot für besondere Notsituationen, es umfasst die Problematik der Mutter und regelt die Angelegenheiten des Kindes. Es bezieht in das Netzwerk alle Stellen mit ein, die zur Regelung notwendig sind. Die Rechtsgrundlage muss nicht neu geschaffen werden, sondern lässt das ganz normale rechtliche Regelwerk gelten und versucht Notfälle im Rahmen der geltenden Rechtsordnung zum Wohl des Kindes und zum Wohle der Mutter zu lösen. Und das geht wirklich. Wir haben es ja auch schon praktiziert. Um nicht als Mutter registriert zu werden, darum geht es. Auch bei diesem Melderecht, um das Melderecht für die Mutter. Um nicht als Mutter registriert werden zu müssen, nimmt die Frau alle Bemühungen der heimlichen Schwangerschaft, allen Verzicht auf ärztliche Untersuchungen und Begleitung, selbst den Verzicht auf die medizinische Hilfe bei der Geburt auf sich. Somit ist das Wichtigste beim Hilfsangebot, dass diese Anonymität garantiert werden kann, trägt und hält. Sucht die Frau nun Hilfe, stößt sie auf die staatlich anerkannte Schwangerenberatung, die das Zeugnisverweigerungsrecht hat und die Frau auch das Recht hat. Und das ist im deutschen Recht sehr positiv: Die Frau hat auch das Recht, anonym bleiben zu können. Der Träger, der die Hilfe anbietet, hat das Zeugnisverweigerungsrecht und die Frau hat auch das Recht, anonym bleiben zu können. Dazu kommt, dass alle Hilfen, die der Frau im Rahmen der Konfliktberatung angeboten werden, Rechtskraft haben. Das entwickelt sich aus dem § 6 des Konfliktberatungsgesetzes im Schwangerenbereich und auch aus dem § 219. Dort haben Sie als Abgeordnete gesagt, die Beratungsstelle ist verpflichtet, die Hilfen so zu gestalten, dass der Konflikt gelöst wird. Und das, denke ich, ist einfach eine Herausforderung, und ich denke, das ist das, worauf man auch wirklich bauen kann bei dieser Hilfe. In diesen Anonymitätsschutz kann die Beraterin alle Stellen einbeziehen, die den Lebensschutz des Kindes dienen, wenn die Frau damit einverstanden ist. Damit kann die Beraterin, wenn die Frau die anonyme Geburt möchte, ihr dies zusichern. Und die Gynäkologie ist damit auch nach der gegebenen Rechtslage, und das ist unstrittig, in das Zeugnisverweigerungsrecht einbezogen. Das gleiche gilt für die anderen Dienste, die man für diese ganzzeitliche Hilfe braucht. Damit sind die wichtigsten Stellen der Hilfeleistung in das Anonymitätsrecht einbezogen, und man kann der Frau zusichern, dass wir ihr bei der Geheimhaltung der Geburt und der Abgabe des Kindes helfen können. Wir bieten ihr dabei alle medizinischen und sozialpädagogischen wie auch die finanziellen Hilfen an. Diesem Recht der anonymen Hilfeleistung zum Lebensschutz des Kindes und zur Hilfe für die Frau steht nach unserer praktischen Erfahrung nur das Melderecht entgegen. Wird man beabsichtigt, die Meldepflicht für solche Fälle auf 10 Wochen hinauszuschieben, hat man die Möglichkeit, die besondere Notlage der Frau menschlich situationsgerecht zu regeln. Entscheidet sich die Frau einige Zeit nach der Geburt, das Kind zu sich zu nehmen, kann sie es selbst anmelden und niemand hat etwas gehört, niemand hat etwas gesehen, sie ist eine starke Frau und sie kann mit dieser ihrer Entscheidung leben. Die Krankenanstalten wären nicht verpflichtet, die anonyme Geburt eines Kindes mit nicht ermittelbaren Personenstand zu melden, eben nach dem Personenstandsgesetz ist es der § 26. Die Mutter wird vom Projektträger über ihre Rechte und Pflichten und über die zukünftige Möglichkeit nach der Vergabe des Gesetzes aufgeklärt, dies erfolgt dann auch noch schriftlich durch einen Brief an die abgebende Mutter. Vorher kann sie schon einen Schutzbrief für eine anonyme Geburt bekommen, und damit wird sie in der Klinik niemand nach ihren Namen fragen und sie ist auch dort. Dankeschön. Sie erklärt, wenn sie nach 8 Wochen sich nicht mehr meldet, auch mit diesem Schreiben erklärt sie, dass sie das Kind zur Adoption frei gibt. Und damit ist im Grunde genommen die Schwangerenberatung, wenn die Frau nicht mehr auftaucht, auch gar nicht gebunden, die Frau zu melden, sondern sie meldet das Kind und damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, wäre dieses Problem gelöst. Im Rahmen unserer jetzigen bestehenden Rechtsordnung mit der vorgegebenen Änderung des Personenstandsgesetzes könnte nach unserer Erfahrung rasch ohne zusätzliche Einrichtungen flächendeckend eine qualifizierte ganzzeitliche Hilfe für betroffene Frauen angeboten werden, dem Angebot in einer betreuten anonymen Begleitung einer anonymen Geburt stünde in Deutschland somit nichts mehr im Wege.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank. Ich darf jetzt herzlich bei uns begrüßen Frau Ministerin, Dr. Christine Bergmann. Wir freuen uns, es ist auch nicht unbedingt üblich, dass Ministerinnen und Minister die Zeit nehmen, Anhörungen zu verfolgen. Ich finde es besonders anerkennenswert. Es ist eigentlich eine schöne Übung, aber es ist nicht üblich, deshalb, finde ich, ist es auch Wert, dieses besonders zu erwähnen, weil es dem Thema entsprechend auch das notwendige Gewicht gibt. Herzlichen Dank. Dann hat als nächstes die Frau Ines Kurek-Bender das Wort. Sie ist Vorsitzende des Bundesverbands der Pflege- und Adoptivfamilien.
Frau Ines Kurek-Bender
Wir bedanken uns sehr für die Einladung. Ich vertrete hier auch in Absprache das Netzwerk Herkunftseltern, eine bundesweite Organisation der zusammengeschlossenen erwachsenen Adoptierten-Gruppen und jugendlichen Adoptierten. Wir möchten sie bitten, bei allen Gesetzesänderungen nicht nur die augenblickliche Konfliktsituation zu sehen, sondern langfristig für Kinder und Mütter, die dann dieses Leben annehmen müssen und damit umgehen müssen. Wir erfahren seit 25 Jahren, wie schwierig die Identitätsentwicklung inkognito adoptierter Kinder ist. Daher befürworten wir nachdrücklich, dass verantwortungsvolle Adoptionsfachkräfte, wenn möglich, offene Adoptionsformen vermitteln. Das bedeutet, Herkunftseltern und Adoptiveltern lernen sich kennen. So kann man den Kindern über seine Erfahrungen berichten und die Kinder können Kontakt zu ihren Herkunftseltern halten. Aber auch inkognito Adoptierte haben ab einem Alter von 16 Jahren das Recht, in das Geburtsregister einzusehen und so von ihrer Abstammung zu erfahren und den Kontakt zu suchen. Dieses Verfahren ist allerdings um ein Vieles schwieriger als der offene Umgang mit der Herkunft. Sehr wichtig für diese Kinder ist, dass die Abstammungsunterlagen, dass sie die bekommen und die ihrerseits die Situation ab der Geburt wahrheitsgemäß darstellen. Eine gefälschte ?Geburtsurkunde? wird mehrheitlich abgelehnt. Man möchte seine eigene Geschichte nicht auf einer Lüge aufbauen müssen. Und Kinder fragen sehr konkret, warum gelogen werden muss. Notwendig wäre ihrer Meinung nach eine Geburtsurkunde, die den Prozess der Abgabe und Annahme oder den Prozess des Findens, Abgebens und Annehmens dokumentiert, wahrheitsgemäß und nicht verfälscht. Eine Geburtsurkunde, die nur den Namen der Adoptiveltern enthielte und den Ursprung verheimlicht, wird abgelehnt. Wir wissen alle, auch durch die Beratung, Familiengeheimnisse sind schädlich, seit Jahrhunderten gibt es wunderschöne Romane darüber. Und zwar schädlich auch für die Mütter. Familiengeheimnisse fördern Angstgefühle, verzerren die Wahrnehmung. Sie lassen in die Unwirklichkeit abtriften. Diesen Menschen fehlt der Boden unter den Füßen. Vielfach fällt es diesen erwachsenen Adoptierten schwer, sich mit der Zukunft, mit ihrem Leben zu befassen, dass sich ihre Gedanken immer wieder und sehr lange mit der Vergangenheit beschäftigen, die nicht bearbeitet werden kann, wenn die Herkunft anonym bleibt. Sie resignieren. Wir kennen viele Adoptierte, die sehr verzweifelt sind, und es ist für uns Eltern sehr, sehr schwer, damit umzugehen. Wir werden allerdings als Verband von Herkunftseltern immer wieder angerufen, die nach Jahren merken, was sie getan haben und die verzweifelt sind, keinen Kontakt zu ihren Kindern zu bekommen.
Ich fasse zusammen, beschließen sie bitte keine Gesetze, die Halbwahrheiten, Familiengeheimnisse sanktionieren. Fragen sie immer wieder, welche Folgen haben die Gesetzesänderungen nachhaltig, langfristig für Kinder und Eltern. Zur Adoptionsvermittlung, es ist ein sehr spezialisierter Prozess. Wir wünschen uns, dass die Vermittlung unbedingt im Bereich der Adoptionsvermittlungsstellen und nicht in den Bereich der Beratungsstellen verlegt wird. Achten sie darauf, dass Beratung und Geburtshilfe in Krisensituationen nicht mit Adoptionsvermittlung kombiniert wird. Und Drittens, fördern sie mit gleichem personellen, finanziellen Aufwand die, den sie für Babyklappen, anonyme Geburt, anonyme Vermittlung betreiben, die Beratungsstellen für abgebende Eltern. Es gab in Berlin 1 ? Jahre die erste bundesweite Beratungsstelle für Herkunftseltern und dann nie wieder. Dort wird Beratung auch anonym gegeben und angenommen. Wir haben in Berlin sehr gute Erfahrungen gemacht. Dankeschön.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Ja, vielen Dank. Dann als nächste Frau Prof. Dr. Christine Swienteck von der Universität Hannover. Dort ist sie Erziehungswissenschaftlerin und Adoptionsforscherin. Bitteschön.
Frau Prof. Dr. Christine Swienteck
Ja, ich bedanke mich. Ich möchte eine Vorbemerkung machen. Es ist ein Kennzeichen der Demokratie diejenigen zu Wort kommen zu lassen, die es betrifft. In diesem Falle wären es abgebende Mütter und Adoptierte gewesen. Ich bedaure, dass Frauen aus entsprechenden Selbsthilfegruppen und Organisationen hier für diese Anhörung keine Einladung bekommen haben und keine Berücksichtigung fanden und ich nehme an, dass das kein Zufall ist, denn wir haben mehrmals darauf hingewiesen.
Das Thema ?anonyme Geburt? ist kein Thema rund um die Entbindung, sondern ein Lebenszeitthema für alle drei beteiligten Gruppen für die abgebenden Mütter, für Adoptierte und für Adoptiveltern. Jedes anonym gewonnene Findelkind ist ein potentielles Adoptivkind, es sei denn, es ist so behindert, dass es niemand will, und darüber bitte ich auch einmal nachzudenken, was mit diesen Kindern geschehen würde. Gäbe es keinen leeren Adoptionsmarkt, der bedient sein will, käme niemand heute auf die Idee, wie aus einem Off Babyklappen und anonyme Geburt einzuführen. Wir laufen Gefahr, mit einer Jugendhilfemaßnahme auf Marktmechanismen zu reagieren. Wobei allerdings nur das tadellose Produkt gefragt ist. Wenn von verzweifelten Müttern in höchster Not gesprochen wird, das ist der gängige Passus, müssen wir diese Not sehr konkret benennen können. Das geschieht zu diesem Thema mangels Wissen nicht oder wenn, dann fast pauschal. Not lässt sich in einem der reichsten Länder der Welt auch lösen, ohne dass man Mutter und Kind voneinander trennt, und diese Diskussion fällt unter den Tisch. Die Not der Mütter ist oft nicht ihr Kind, sondern ihre asoziale Umwelt, die sie mit Kind nicht will. Will die Mutter ihr Kind nicht behalten, kann sie es auch nach dem jetzigen Gesetzesstand noch im Kreißsaal einer regulären Adoption freigeben und ohne Kind nach Hause gehen. Eltern haben Verantwortung für ihre Kinder zu tragen. Wenn schon Väter sich drücken, ich meine jetzt hier die Unterhaltsfragen, ist das kein Grund, auch Mütter von der Verantwortung zu entbinden. Das wäre eine falsche Emanzipation. Diese Verantwortung kann mindestens auf einer regulären Freigabe unter Hinterlassung der Daten geschehen für das Kind. Bisher gibt es keine überzeugenden Argumente, außer sehr pauschale, für eine Anonymität. Während wir durch internationale Abkommen versuchen die Lage von Frauen und Kindern der Adoptionsszene im Ausland zu verbessern ? es wurde ja hier schon angesprochen ?, schaffen wir per Gesetz in Deutschland Drittweltverhältnisse. Die Adoptivkinder der Dritten Welt stammen auch aus Babyklappen und aus Krankenhaushinterlassungen, anonym und wurzellos. Und ich möchte hier etwas hinzufügen: Wir gucken ständig in die USA, wir gucken auf Frankreich, wo es heute sehr hoch hergeht, allerdings etwas anders als gesagt wurde. Es stimmt, dass diese Länder anonyme Geburt haben, aber was immer unterschlagen wird, das ist, dass die Adoptiertenbewegung sowohl der USA ? ich nenne hier als Beispiel Bastard Nation ? und Frankreichs auf die Straßen gehen, zum Teil sehr militant sich wehren gegen diese Regelung, sie nämlich benachteiligen. Also ich bitte, diese Medaille von beiden Seiten zu betrachten und nicht, dass es das gibt, sondern dass es benachteiligt und auch kritisiert wird. Die Alternative, die diskutiert wird, heißt für uns nicht, Aussetzung und Tötung eines Kindes oder als einzige Rettung anonyme Geburt, Babyklappen, sondern die Alternative heißt Bekanntmachung und ggf. Verbesserung bestehende Angebote der Jugendhilfe, und ich stimme da Frau Kurek-Bender zu. Wenn wir diese Werbung in den letzten Jahren oder im letzten Jahr gemacht hätten für die ganz reguläre Jugendhilfe, wie wir sie gemacht haben für Babyklappen mit Notruf für anonyme Geburt, die Medien sind voll davon, wüßten Frauen auch, wie sie ihre Kinder ganz regulär ohne Schaden für einen Beteiligten geben könnten, wenn sie sie nicht haben wollen. Bei der Installierung der anonymen Geburt, insbesondere auch durch eine Verlängerung der Meldefrist, sehen wir Gegner vor allem die Gefahren: Erstens: Wir machen Eltern ein Angebot, sich ihrer Kinder zu entledigen, ohne Verantwortung zu übernehmen und ohne sich strafbar zu machen. Damit erhöhen wir die Zahl der Findelkinder um ein Vielfaches. Und ich möchte hier warnen vor diesen Muttermythos, dass keine Frau ohne Not ihr Kind weggeben würde. Zweitens: Findel- bzw. Adoptivkinder haben nicht nur das Recht, sondern das psychische Bedürfnis, ihre biologische Herkunft zu kennen. Der Mangel an Wissen und an Möglichkeiten, zum Wissen zu kommen, führt bei vielen zu erheblichen Störungen psychischer und psychosomatischer Art. Wir haben dazu sehr viele Erfahrungen. Dazu haben wir tatsächlich auch Untersuchungen. Im Übrigen haben wir sehr viel selbst berichtete Probleme von Adoptierten in der Literatur. Es geht hier nicht ? und das möchte ich ganz besonders betonen ? um die sonst getöteten Kinder, also dieses Schlagwort ?Lebensrecht? contra ?Abstammungsrecht?, sondern es geht um die künstlich und zusätzlich erzeugten Findelkinder, deren Tötung vermutlich überhaupt nicht zur Debatte stand. Ich sage vermutlich, weil sehr Vieles, was wir hier besprechen, auf Vermutungen basiert, bei allen Beteiligten. Drittens: Die vorgebliche Not der Mütter lösen wir für einige Wochen oder Monate. Aber diese Mütter leiden teilweise ihr Leben lang unter der Abgabe des Kindes, ohne dass sie je noch Kotakte zu ihren Kindern aufnehmen können, und das wird für die Frauen, über die wir hier reden, noch schlimmer als für die Frauen, die ihre Kinder regulär zur Adoption abgegeben haben und über die wir Erkenntnisse haben. Und Viertens: Mit anonymer Geburt und Babyklappen öffnen wir der kriminellen Szene Tür und Tore, vor allem auch noch mit Verlängerung der Meldefrist. Die kriminellen Taten, die damit zusammenhängen, würden noch eine ganze Stunde füllen. Ich weise nur ganz kurz darauf hin, dass hier Bedacht genommen wird, denn Gesetze werden nicht für die beiden großen Kirchen geschaffen und für ihre Verbände, die mit Sicherheit sauber mit diesem Thema umgehen, sondern auch für alle möglichen Klitschfirmen, auch für gynäkologische Kleinkliniken, die schon in den 60er Jahren Kinderhandel in Deutschland gemacht haben und für jeden dubiosen Verein.
Als Wissenschaftlerin, und damit komme ich zum Schluss, beklage ich, dass Politik hier gemacht werden soll, für die wir überhaupt keine Basis haben. Uns fehlen Daten, Zahlen. Wir haben noch nicht einmal als Grundlage Fallsammlungen. Alle Maßnahmen basieren auf bloßen Vermutungen und diese werden je nach Interessenlage die Initiatoren unterschiedlich interpretieren. Was wir brauchen, und darum bitte ich, das ist mehr Zeit, weil wir mehr Wissen brauchen und dazu gehört, dass alle Institutionen, die sich aktiv an Babyklappen und anonymer Geburt beteiligen, ihre Zahlen, Daten und Erfahrungen offenlegen. Wir haben es in dem Bereich mit sehr viel Geheimnistuerei zu tun, die sehr bedauerlich ist, weil wir daraus keine Erfahrung schöpfen können. Ich ersuche sie, dieses Thema nicht im Hauruckverfahren zu beschließen, weil es so eingängig ist, sondern uns Wissenschaftlern in Zusammenarbeit mit der Praxis Zeit einzuräumen, damit wir erst einmal tragfähige Grundlagen für Interventionsstrategien ermitteln und erarbeiten können. Vielen Dank für?s Zuhören.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank. Ich darf einfach der Vollständigkeithalber noch mal darauf hinweisen, dass das im Vorfeld schon ein Diskussionsforum gab zum Thema ?anonyme Geburt?, wo ausdrücklich gerade die Betroffenen sich gemeldet haben. Es ist richtig, das wir jetzt gezielt keine einzelne Betroffene eingeladen haben, aber es gab jedenfalls ein Forum, und uns liegen da auch Materialien und Berichte vor, die natürlich auch den Kolleginnen und Kollegen vorliegen, um das Entsprechende nachzuvollziehen. Dann als nächstes Herr Reinhard Wilms für die Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe.
Herr Reinhard Wilms
Besten Dank, Frau Vorsitzende für die Einladung. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich spreche für die Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe, wohin ich vom Landesjugendamt des Landes Brandenburg. Zunächst bin ich der festen Meinung, dass alle Anstrengungen unternommen werden müssen, den gesamtgesellschaftlichen Konsens darüber zu erhalten, das zuallererst die Eltern für ihre Kinder tragen und erst in zweiter Linie der Staat und deshalb meine ich, sollten unterstützende Hilfen der Eltern, die die Befähigung haben, die Verantwortung für ihre Kinder selber wahrzunehmen, unbedingt Vorrang haben vor der Schaffung von Möglichkeiten, sich der Verantwortung zu entledigen. Und das gilt insbesondere natürlich auch für unterstützende Hilfen für schwangere Frauen und Mütter in Konfliktsituationen. Zu etlichen der von Ihnen aufgeworfenen Fragen gibt es, wenn ich das recht überblicke, bisher keine verlässlichen Antworten, sondern nur Spekulationen und Mutmaßungen. Es gibt keine empirischen Untersuchungen über die Situationen, in denen Mütter ihr neugeborenes Kind aussetzen oder töten. Man kann wohl vermuten, dass sich die psychische Situation von Müttern, die ihr neugeborenes Kind töten oder so aussetzen, dass es keine Überlebenschance hat, wesentlich unterscheidet von der psychischen Situation einer Mutter, die ihr Kind unter Bedingungen ablegt, unter denen es mit großer Sicherheit lebend entdeckt und gerettet wird. Aber empirisch gesicherte Erkenntnisse gibt es dazu nicht. Man bewegt sich im Bereich von Mutmaßungen. M.E. drängt sich die Vermutung auf, dass diejenigen Mütter, die ihr neugeborenes Kind töten oder in einer Situation aussetzen, die mit großer Wahrscheinlichkeit zum Tode führt, von der Möglichkeit der legalen anonymen Geburt nicht erreicht werden würden, denn hätten sie nicht auch ohne die legale anonyme Geburt die Möglichkeit, ihr Kind wenigstens in einer sicheren Umgebung auszusetzen. Aber wie gesagt, das sind Mutmaßungen, Spekulationen, die ich da anstelle, und sichere Erkenntnisse gibt es nicht. Es besteht auch Untersuchungsbedarf und große Unklarheit hinsichtlich dritter Personen, die Neugeborene aussetzen oder töten. Dann fangen wir spontan einige Tätergruppen ein, Eltern z.B., die Schande von ihrer minderjährigen Tochter abwenden wollen, Väter, die mit dem Baby den Beweis für den sexuellen Missbrauch beseitigen wollen, den sie an ihrer Tochter begangen haben, Zuhälter, die um die Einsetzbarkeit der Mütter bei der erzwungenen Prostitution fürchten u.a.. Man kann annehmen, dass solche Tätergruppen weiterhin darauf bedacht sein werden zu verhindern, dass die Mütter Außenkontakt aufnehmen, so dass man wiederum annehmen muss, dass die anonyme Geburt solche Mütter und Kinder auch nicht schützen kann. Auch das ist unklar. Es gibt keine Untersuchungen dazu. Untersuchungsbedarf besteht aus meiner Sicht auch hinsichtlich der negativen Auswirkungen für adoptierte Menschen, die ihre Herkunft nicht kennen. Aus den Schilderungen von adoptierten Personen, die nach intensiver Suche ihre leiblichen Eltern dann endlich gefunden haben und zumeist über ein Gefühl der Erleichterung zur Ruhe kommen, und aus Schilderungen adoptierter Menschen, denen es verwehrt geblieben ist, ihre Eltern zu finden, kann man vermuten, dass anonym Geborene ihr Leben lang unter massiven psychischen Spannungen leiden können. Über Quoten, über Ausprägungen der Belastung, Therapiebedarf bis hin zu Suizidgefährdung vielleicht kann man wiederum nur spekulieren. Auch dazu meine ich, sollte man ein größeres Maß an Klarheit gewinnen. Die Sorge, die Möglichkeit der anonymen Geburt als bequeme Alternative zur Schwangerenberatung und zur regulären Abgabe zur Adoption zu betrachten, drängt sich m.E. förmlich auf. Aber Untersuchungen haben wir dazu keine, also das sind wieder nur Spekulationen. Hinsichtlich der Auswirkung von Babyklappen und anonymen Geburten auf dem Bereich der Adoption kann man dann wiederum vermuten, dass die Anzahl der Abgaben zur Adoption erheblich steigen wird, wenn solche Möglichkeiten flächendeckend zum normalen Bestandteil der Infrastruktur gemacht werden sollten. Ich bin deshalb im Ergebnis meiner Ausführungen der Ansicht, dass man die Initiative zur Änderung des Personenstandsgesetzes nutzen sollte, um die vorhandenen Unklarheiten aufzuhellen. Angesichts stetig beginnender Zahlen von Kindstötungen, soweit registriert, 1954 gab es 153 registrierte Fälle, 1997 waren es noch 20, besteht aus meiner Sicht kein Anlass zur überhasteten Eile. Natürlich sind auch 20 getötete Kinder 20 zu viel, das kann gar keine Frage sein, aber ich bin gleichwohl der Ansicht, man sollte die anonyme Geburt nicht legalisieren, ohne vorher zu klären, was man damit denn tatsächlich bewirkt. Denn die Auswirkungen können gänzlich von dem abweichen, was man meint erreichen möchte. Dankeschön.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank. Dann kommt jetzt Herr Dr. Ralf Ackermann von der Frauenklinik Diako, Flensburg
Herr Dr. Ralf Ackermann
Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren, ich habe diese Statements bisher voller Interesse gehört und auch viel über Mutmaßungen, Spekulationen, was hinterher kommen kann, was für Probleme mit den Kindern sein könnten. Es sind alles Spekulationen. Wir haben ein anderes Problem als Mediziner. Es gibt die heimliche Geburt, es gibt sie auch in den Kliniken, es gab sie auch immer. Clevere Frauen haben einfach ihren falschen Namen angegeben, haben das Kind hinterher genommen und sind weg gewesen und es gab keine Möglichkeit, die Identität oder irgendwie standesrechtlich der Sache nachzukommen. Das ist Fakt. Fakt ist auch, dass Frauen heimlich entbinden. Wir als Mediziner haben das hohe Interesse, dass diese Frauen unter Kliniksbedingungen entbinden. Warum haben wir das? Die Geburt ist ein natürlicher Vorgang, aber sie ist stark risikobewehrt. Überschlagsrechnungen haben ergeben, dass das Risiko, dass ein Mensch unter der Geburt oder kurz danach einen bleibenden Schaden erleidet und damit auch für das Leben erhält oder sogar stirbt, genauso groß wie das Risiko in den nächsten 30 bis 40 Jahren ist. 10 bis 30 v.H . der Geburten werden heute in Deutschland operativ beendet, d.h. jede 10. oder jede 3. Schwangere wird durch eine Operation -?sei es Kaiserschnitt, durch Vakuum, also durch Saugglocke, oder durch eine Zange ?entbunden. Meine Damen und Herren, das sind die nackten Tatsachen, die wir aus den Kliniken haben. Wir plädieren deshalb dafür, dass in erster Linie Frauen angesprochen werden, dass erst einmal das kindliche Leben und das Recht auf Leben, das Recht auf Gesundheit vorrangig, vor allen anderen Spekulationen diskutiert werden muss. Die Frauen müssen ein Recht haben, in die Kliniken zu gehen. Warum sie anonym entbinden, ist ein anderes Problem, aber erst einmal hat das Kind das Recht, gesund und lebend auf die Welt zu kommen, denn dann kann es erst danach fragen, welche Eltern es gehabt hat. Dankeschön.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank. Dann als letztes in der Reihe der Sachverständigen Prof. Dr. Reinhard Hepting von der Johannes Gutenberg Universität Mainz.
Herr Prof. Dr. Reinhard Hepting
Vielen Dank, Frau Vorsitzende, für die Einladung. Meine Damen und Herren, ich verdanke die Einladung wohl dem Umstand, dass ich Spezialist für das Personenstandsrecht bin, denn ich bin meines Wissens im akademischen Bereich der einzige, der sich mit dieser Rechtsmaterie befasst. Allerdings muss ich gleich vorweg sagen, das Personenstandsrecht hat natürlich hier bei der Lösung der Probleme nur eine ganz perifere Bedeutung. Es ist Registerrecht, es ist eigentlich Regelungstechnik, es hat eine dienende Funktion. Die materiellen Wertungen, um die es geht, die liegen woanders. Ich bin außerdem auch Rechtsvergleicher und kann ein wenig erzählen über die Erfahrungen, die man mit der anonymen Geburt im Ausland gemacht hat. Frankreich war heute schon mehrfach angesprochen worden. Es geht aber letztlich um verfassungsrechtliche Probleme, dafür bin ich kein Spezialist. Ich möchte aber doch am Anfang, um die Grundlagen der Wertung noch einmal klarzumachen, sagen, Ausgangspunkt ist natürlich bei dieser Abwägung die Unterstellung, dass durch die anonyme Geburt die Stresssituation betroffener Frauen erleichtert werden kann und deswegen Panikreaktionen, Aussetzung, Kindstötung vermieden werden können. Ob das stimmt, kann ich als Jurist nicht beurteilen. Ich will es jetzt einfach mal unterstellen, um auf dieser Grundlage die Abwägung vornehmen zu können.
Herr Prof. Dr. Reinhard Hepting
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Kurzgefasster
Herr Prof. Dr. Reinhard Hepting:
Abg. Harald Friese:
Herr Prof. Dr. Reinhard Hepting:
Herr Dipl. Psych. Christoph Pompe
Herr Dr.Jürgen Moysich:
Abg. Beatrix Philipp:
Herr Dr. Jürgen Moysich:
Frau Maria Elisabeth Thoma:
Frau Prof. Dr. Christine Swienteck:
Abg. Irmingard Schewe-Gerigk:
Herr Prof. Dr. Gerhard Hohloch:
(Gelächter)
Herr Prof. Dr. Gerhard Hohloch:
Herr Dipl. Psych. Christoph Pompe:
Abg. Ina Lenke:
Herr Prof. Dr. Reinhard Hepting:
Frau Prof. Dr. Christine Swienteck:
Herr Reinhard Wilms:
Abg. Ulla Jelpke:
Herr Reinhard Wilms:
Frau Prof. Dr. Christine Swienteck:
Herr Prof. Dr. Gerhard Hohloch:
Frau Prof. Dr. Christine Swienteck:
Lassen sie es mich noch mal sagen. Das ist nicht meine Frage. Wir wissen z.B., wenn Frauen unter falschem Namen ins Krankenhaus gehen, strafverfolgt werden. Ja, das ist Dokumentenfälschung usw.. Wir wissen, wenn Frauen ins Krankenhaus, gegen die keine klaren aufenthaltsrechtlichen Rechte, dann können sie abgeschoben werden oder erhebliche Schwierigkeiten mit ihren Aufenthaltsrechten bekommen. Und dazu wollte ich eigentlich was hören, ob Sie da Vorstellungen haben, dass man hier auch entkriminalisieren könnte?
Herr Prof. Dr. Gerhard Hohloch:
Man muss bei diesen Tatbeständen dann schauen, ob sie zunächst erfüllt sind, wenn Sie den Fall so nehmen, wie er geschildert worden ist mit der Babyklappe. Die Frage, ob hier eine Kindsaussetzung vorhanden ist, wäre genau zu prüfen. Es gibt, wenn Sie das sehen, in der Erörterung von der juristischen Seite die Vorstellung, es sei keine Erfüllung dieses Straftatbestandes. Hier sind zwei Meinungen. Beispielsweise in der Zeitschrift ?Lebensrecht? hat sich der Sache genauer angenommen und diese Auffassung vertreten. Ähnlich bei anderen Tatbeständen. Aber es kommt in der Tat in Betracht eine ganze Menge von Tatbeständen, Unterhaltspflichtverletzungen ggf., Personenstandsfälschung, Kindsaussetzung, Betrug gegenüber dem Krankenhaus.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Ich wäre sehr dankbar, wenn sich hier nicht jeder einfach das Wort nimmt. Ich habe jetzt den Prof. Hohloch, und dann anschließend würde ich Sie aufrufen. Das gilt auch für die Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages.
Herr Prof. Dr. Gerhard Hohloch:
Gut, Sie dürfen gleich auch die Zeit haben, darüber zu sprechen, denn wie gesagt, ich kann Ihnen umreißen, welche Möglichkeiten sind vorhanden, dass strafrechtlich zu betrachten. Und ich füge hinzu, ob dann tatsächlich in jedem Falle hier, wenn sie das Muster nehmen der Babynester oder der Babyklappen, diese Straftatbestände erfüllt sind, Aussetzung beispielsweise, ist höchst fraglich. Der Betrug gegenüber dem Krankenhaus, das vielleicht eher, wenn es darum geht, einen Selbstzahler sozusagen hier zu haben. In Frankreich ist da vorgesorgt, in dem man von vornherein sagt, wer anonym gebären möchte, zahlt im Prinzip selbst in dieser Regelung, und bei den anderen Tatbeständen sieht es ähnlich aus. So viel jetzt vielleicht meinerseits. Ich kann wie gesagt keine definitiven Antworten geben, weil es nicht mein Fach ist. Das habe ich auch betont in meinem schriftlichen Bericht. Danke sehr.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Ja, vielen Dank. Dann Herr Prof. Hepting, bitte.
Herr Prof. Dr. Reinhard Hepting:
Ja, ich bitte um Entschuldigung, dass ich da reingemengt habe, aber ich wollte Herrn Hohloch einfach einen Ball zuwerfen. Ich denke, die Frage geht, wie kann man es erreichen, dass Frauen entkriminalisiert werden. Jetzt muss ich mal fragen, was machen diese Frauen? Wollen ihr Kind anonym zur Welt bringen. Und man muss jetzt Mittel und Zweck unterscheiden. Der Zweck ist die anonyme Geburt, und alle diese Straftaten, die Sie ansprechen, sind ja im Grunde genommen nur Mittel, um diesen Zweck zu erreichen. Und deswegen entkriminalisiert man sie einfach dadurch, dass man den Zweck erlaubt macht. Dann fallen diese ganzen sozusagen Folgedelikte, diese ganzen mitführenden Delikte weg. Sie können z.B., weil wir gerade vom Betrug gegenüber dem Krankenhaus gesprochen haben oder von dem Verwenden falscher Ausweispapiere. Sie können natürlich nicht, um anonym Gebärende zu schützen, den Tatbestandsbetrug oder den Tatbestand der Verwendung falscher Personalausweise abschaffen. Aber Sie müssen einfach das Ganze von vornherein dadurch entschärfen, dass sie sagen, wir legalisieren das, was diese Frauen erreichen wollen, und damit fallen die ganzen strafrechtlichen Konsequenzen weg.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): So, vielen Dank. Dann hat die Frau Kollegin Eichhorn, sie ist gerade draußen; dann darf ich die Frau Kollegin Hanewinckel von der SPD-Fraktion aufrufen.
Abg. Christel Riemann-Hanewinckel:
Ich mache an dieser Stelle noch eine Vorbemerkung, weil das vorhin so anklang, als würden wir auf dem besten Wege dazu sein, möglichst viele Adoptivkinder schaffen zu wollen. Es geht uns, und da behaupte ich jetzt mal, dass ich für alle hier sprechen kann, und zwar fraktionsübergreifend, es geht uns nicht in erster Linie darum, die Zahl der Adoption zu vermehren oder der Kinder, die zu adoptieren sind, sondern es geht uns darum, das ist unser politisches Interesse, den Konflikt, in denen die betroffenen Frauen sich befinden, nicht noch zu verschärfen, sondern nach Möglichkeiten zu suchen, und zwar auch nach rechtlichen Möglichkeiten, nicht nur nach beraterischen und sozialen, sondern auch nach rechtlichen Möglichkeiten, den Konflikt von unserer Seite, also gesellschaftspolitisch oder politisch so gering wie möglich zu halten, um ihnen dann wieder gerecht zu werden. Da könnte man jetzt das Grundgesetz zitieren, auch diese Frauen haben Anspruch auf ihre Menschenwürde, und dazu gehört es dann auch, in so einer Konfliktsituation Möglichkeiten aufzutun und sie sich für das Leben zu entscheiden, und zwar nicht nur für das Leben des Kindes. Und noch eine andere Bemerkung: Aus meiner Sicht ist der Konflikt, die unterschiedlichen Konfliktlagen, in denen sich diese Frauen befinden, oft überhaupt nicht rechtlich zu fassen und damit auch nicht rechtlich zu regeln. Das ging ja schon beim § 218 und § 219 so, und das macht es uns auch so schwer, dass es nicht eindeutig geregelt und gesagt werden kann, so oder so, und damit haben wir nun das Recht und auch die Rechtmäßigkeit für die betroffenen Frauen und Kinder eingefangen. Das ist, das Dilemma, in dem wir uns hier alle befinden, die sich bemühen, eine vielleicht jetzt entsprechendere Regelung zu finden. Ich habe zwei Fragen, und zwar noch einmal zu der Situation, ein Kind ist anonym geboren, aber in einem Krankenhaus oder aber vielleicht auch in einem Geburtshaus. Wie sehen Sie die Möglichkeit, und zwar möchte ich das gern Herrn Pompe fragen und auch Frau Geiss-Wittmann, wie sehen sie die Chance oder wie sinnvoll ist das, dann den Frauen, die das evtl. auch möchten, anzubieten, eins, zwei, drei bis maximal, ich weiß nicht wie viele Wochen, mit dem Kind zusammen zu leben? Wir wissen das vom ?Haus Sonnenblume?, dass sie dieses Angebot machen, Sie vielleicht auch, das weiß ich jetzt nicht so genau. Also wie sinnvoll ist das, Frauen die Möglichkeit zu geben, zu überlegen, ob sie das Kind zur Adoption freigeben wollen oder nicht? Und müsste dann zwingend die Inobhutnahme, so ist es ja jetzt gesetzlich, dass Jugendämter eingreifen und einsteigen oder wäre es da gut zu sagen, hier gibt es Einrichtungen, die für die wenigen Fälle Möglichkeiten bieten? Und eine zweite Frage geht an Frau Weiß und an Herrn Dr. Ackermann. Müßte denn aus ihrer Sicht, die Sie jetzt die medizinische und zum Teil ja auch wirklich psychische und seelische Begleitung haben, für Sie rechtlich noch etwas anders geregelt werden? Denn ich habe das bisher so gesehen, dass die, die jetzt medizinische Hilfeleistungen geben, zumindestens spätestens dann, wenn sie Meldung erstatten müssen, in schwierige Rechtsfragen geraten, ist da noch etwas nötig oder ist es aus Ihrer Sicht ausreichend, wenn wir im Blick auf die Frauen etwas verändern? Sind sie denn damit auch in ihrem medizinischen oder Entbindungshandeln als Hebamme abgesichert?
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Ja, danke. Dann war zuerst angefragt der Herr Pompe.
Herr Dipl. Psych. Christoph Pompe:
Ja, zu ihrer ersten Frage. Freiheit heilt und Freiheit hilft auch in dem Fall, wenn die Mutter sich dazu entschließt, mit diesem Kind auch tatsächlich zusammen zu leben. Dann ist es im Grunde nur eine Frage des Vorhandenseins und der Kostenträgerschaft von entsprechenden Einrichtungen. Das sind ja die Angebote in den Projekten, die das auch ermöglichen. Ich denke, dass es in jedem Fall gut ist, ihr beide Optionen offen zu halten. In einer Notsituation hilft es immer heraus, wenn ich merke, du hast mehr als eine einzige Chance, und wenn es nur zwei sind und drei oder vier. Dann steckt beim Entwurf der Fraktion ja dahinter, dass die Zeitperspektive ganz entscheidend ist. Was ich heute in der Not entscheide, könnte ich vielleicht schon übermorgen anders sehen, wenn denn die Menschen um mich herum mir dieFreiheit geben. Schwierig und dramatisierend ist auf jeden Fall, dass es übereinstimmt in allen Berichten von gebärenden Frauen, also minderjährig Gebärenden, wenn ihnen verboten ist, dieses Kind zu sehen, sei es auf dem Bildschirm, jetzt bei den Abbrüchen, Ultraschallaufnahmen. Da erleben wir es heute noch oder früher, dass die minderjährig Gebärenden aus irgendwelchen irrigen Überlegungen dann plötzlich nicht mehr sehen dürften, was sie gerade geboren haben. Das wissen wir, und da, denke ich, ist auch die Fachwelt bei allen Unterschieden einig, dass an der Stelle beide Möglichkeiten offengehalten werden müssen. Das ist natürlich, lieber Herr Dr. Ackermann, belehren Sie mich, Sie sind vom Fach, in der deutschen Geburtshilfe außerordentlich schwer, im Krankenhaus selber solche Möglichkeiten zu schaffen, und die alten Mutter-Kind-Heime, von weltlichen und caritativen Trägern, die haben wir ja so nicht mehr, als es die Diskriminierung der Minderjährigen auch nicht mehr gibt. Da brauchen wir tatsächlich ein neues institutionelles Angebot.
Zweite Frage Jugendamt. Das ist ähnlich wie mit den übrigen Jugendhilfeleistungen. Wenn sie gewünscht sind, müssen die parieren und müssen vorhanden sein, sie müssen finanzierbar sein. Die Finanzprobleme der Kommunen müssen nebenbei noch mal schnell gelöst sein und dann klappt das auch, so wie im Übrigen Angebote der Jugendhilfe, für die Herr Wilms ja jetzt insgesamt auch spricht. Aber freiwillig. Es darf nicht sein, dass nun das alte Schreckensbild des Jugendamtes wieder auftaucht. In dem Fall musst du mit Fürsorgerin, wie es früher hieß, so und so, Sozialarbeiter so und so dann rechnen. Dann ist der betroffene Kollege des allgemeinen sozialen Dienstes oder die Kollegin auch tatsächlich keine Hilfe. Wenn nun wiederum eine neue Vorschrift kommt, in diesem Fall muss das Amt oder eine Delegation anderer Anbieter, das würde unserer Einrichtung freier Trägerschaft genauso treffen. Pflichtmäßig dort, ich habe versucht zu sagen, die Institution muss in die Pflicht genommen werden, dass sie gut informiert ist. Wir müssen über Geburtshilfe gut informiert sein im ambulanten Jugendhilfebereich und, wenn Sie erlauben, Hebammen, Ärzte müssen auch gut über uns Bescheid wissen. Medizinsystem und Jugendhilfe haben in der Regel viel zu wenig an dieser Stelle miteinander zu tun.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Ja, vielen Dank. Frau Geiss Wittmann.
Frau Maria Geiss-Wittmann:
Ich möchte an diesem Punkt gleich anschließen. Ich bin ebenfalls der Meinung, die Frauen in Not müssen auf einen Träger stoßen mit hoher Problemlösungskompetenz. Und dieses Offenhalten ist sicherlich sehr wichtig, das eben angesprochen wurde. Wir machen die Erfahrung, dass zum Beispiel 80 % der Frauen, die zu uns kommen und die anonyme Geburt wünschen und als Antwort von uns kriegen sie, wir helfen Ihnen dabei, weil wir dies ja auch sagen können aufgrund der Rechte, die wir haben, dass dann diese ganze Energie, die die Frau aufbringen muss um das geheim zu halten, einfach eine andere Variation nicht zulässt. Aber wenn wir ihnen dann helfen, dann können sie plötzlich in anderen Perspektiven denken, und das, denke ich, ist so wichtig. Wir wollen, und das möchte ich wirklich auch sagen, nicht Findelkinder. Erstens werden durch anonyme Geburten keine Findelkinder entwickelt, denn es trifft nicht der § 25 zu, sondern der § 26, der also Personen mit unbestimmtem Personenstand, den Problemkreis umfaßt. Wir haben es auch schon durchgezogen, es läuft so ab, wenn ich das mal sagen darf. Es sind so viele Fragen da, dass man wenigstens einmal vielleicht einen Gang durchdenken könnte. Eine Frau ruft an und sagt, "Ich möchte anonym gebären". Wir sagen: Wir helfen Ihnen dabei". Sie entscheidet sich wirklich für die anonyme Geburt. Dann begleitet man natürlich die Frau. Vorher bekommt sie auch noch einen Schutzbrief, wo alle ihre Rechte darauf stehen, wo sie geschützt ist in ihrer Angst, die sie hat, dass sie ein bisschen aufgehoben wird. Nach der Geburt sehen wir sofort, weil die Rechte des Jugendamtes auf uns als Träger übertragen worden sind - im Übrigen kann das Jugendamt zum Vormundschaftsgericht gehen - am nächsten Tag.
Das Vormundschaftsgericht hat mit uns abgesprochen, dass der Geburtsschein alleine genügt, um eine Vormundschaft auszusprechen. D.h., das Kind ist keinen einzigen Tag nicht registriert. Diese Ängste, die man hat, dass krimineller Kinderhandel entstehen könnte, sind völlig aus der Luft gegriffen. Das kann überhaupt nicht passieren. Damit sind wir natürlich sofort handlungsfähig für das Kind und können aufgrund unserer Rechte die Mutter auch weiter begleiten. Das ist auch so wichtig. Das ist ja heute auch überall herausgekommen. Dieses einfache Abgeben löst ja das Problem nicht, man muß bei der Frau dabeibleiben. Wir haben also keine Findelkinder. Das Vormundschaftsgericht macht schon ein Protokoll. Da stehen schon ganz viele Dinge drin, die später für die Identitätsfindung des Kindes ganz wichtig sind. Beim Standesamt kann man nach "§" 26 melden. Am Standesamt wird noch einmal ein Protokoll gemacht. Mit vielen Angaben für das Kind. Das läuft also, das ist bereits im Bereich der Gesetzgebung möglich. Wir haben ja in unserem Hilfsangebot eine Gratwanderung gemacht durch unsere Rechtsordnung. Aber sie ist so aufgefächert, es läßt sich wirklich dieses Problem lösen. Schwierig ist es nur für das Krankenhaus, weil das Krankenhaus jetzt melden müßte. Wir aber bräuchten doch noch Zeit und die Mutter bräuchte noch Zeit, um sich das zu überlegen. Dann ist ihre Frage sicherlich richtig: Wie kann denn die Mutter sich das noch überlegen? Könnte sie noch bei dem Kind bleiben? Ja, sie kann es. im Grunde genommen, wenn das Melderecht hinausgeschoben wird, wenn das Anonymitätsrecht, das hier ganz wichtig ist ganz selbstverständliche Grundlage ist, dann kann man es der Frau anbieten. Wenn das der Fall ist, dann ist es richtig, dass hier wiederholt gesagt wurde, man braucht nicht das Anonymitätsrecht und es wäre nicht richtig darauf zu bauen. Das möchte ich hier mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Wir arbeiten im staatlich anerkannten Schwangerenberatungssystem. Wir erfüllen einen Staatsauftrag, den haben Sie den staatlich anerkannten Schwangerenberatungsstellen gegeben. Und Sie kontrollieren sie auch. Dort ist es gut aufgehoben. Dass jetzt also immer darauf verwiesen wird, gerade von der Caritas, ist natürlich der schmerzliche Verlust, dass die Beratungsstellen dort natürlich diese Rechte nicht mehr haben und dass auch die Frauen diese Rechte nicht mehr haben. Das ist der schmerzliche Verlust, aber für das Abwickeln ist es sicherlich für den Schutz der Frau absolut richtig und gut. Ich könnte mir gar nichts anderes vorstellen wie ich Anonymität im Augenblick anbieten kann, wenn ich diese Recht nicht hätte. Ich meine, eine Frau in so großer Not, der kann ich nicht etwas anbieten, was sich rechtlich nicht trägt und rechtlich nicht hält. Ich denke, das darf man nicht tun.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank. Dann war nochmals die Frage gerichtet an die Frau Weiß.
Frau Magdalena Weiß:
Vielen Dank, Frau Riemann-Hanewinckel, dass Sie noch auf den Punkt aufmerksam gemacht haben. Mir ist eingefallen, dass wir in unserer Stellungnahme nur die Frauen, die Älteren bedacht haben und den Punkt, was mit den begleitenden Personen sein muss, nicht berücksichtigt haben. Wir Hebammen sind verpflichtet, namentlich geborene Kinder zu melden und damit auch die Eltern. Wir müssten natürlich, davon hängt ja auch sehr stark das Vertrauen des Paares bzw. der Frauen, die anonym gebären wollen, in uns haben ab. Wir müßten auch entlastet werden bzw. die Befreiung kriegen, dass wir namentlich melden. Es müßte eine Möglichkeit geben, anonym die Geburt zu melden und, wenn irgendwo eine Möglichkeit, wo halt diese diskreten Informationen hinterlegt werden müssen. Das müßte genau überlegt werden, wie man das regelt. Aber Frauen, die zu uns kommen, es könnte auch anonyme Hausgeburten geben, wenn Frauen nicht in die Klinik wollen oder Frauen gehen in ein Geburtshaus und gebären dort ihr Kind, egal, unabhängig vom Geburtsort müßten Hebammen entlastet werden von dieser Pflicht, namentlich zu melden.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank Herr Dr. Ackermann.
Herr Dr. Ralf Ackermann.:
Erst einmal eine Vorbemerkung zu dem Kollegen wegen der Frage, wie wir in der Geburtshilfe oder in den Frauenkliniken das Angebot offenhalten. Es ist eine lang bewährte normale Gewohnheit in den Frauenkliniken, dass wir bei Fehlgeburten, Totgeburten oder auch bei jungen Frauen, die ihre Kinder zur Adoption freigeben, den Frauen das freistellen, die Kinder zu sehen, ob sie totgeboren sind oder lebendgeboren sind, dieses Recht haben die Frauen. Auch hier können sie widerrufen. Sie können sich heute so entscheiden, am nächsten Tag können sie das Kind doch noch einmal sehen wollen. Wir wissen, dass diese Frauen hin und her gerissen sind in ihrer Gefühlswelt. Was sie heute sagen, wird morgen wieder umgeworfen, so dass wir dort keine feste Meinung haben. Die Frauen werden in ihren Meinungsäußerungen flexibel nach dem Geburtsvorgang behandelt. Das zweite, was ich gerne sagen möchte ist, es ist zwar bei uns Usus, dass wir sehr engen Kontakt zu den Jugendbehörden haben, das ist selbstverständlich. So haben wir auch im Vorfeld zu den anonymen Geburten, die in der Frauenklinik bei uns durchgeführt worden sind,
eine Art Hearing gehabt mit den Jugendbehörden, mit den Standesamtbehörden, mit der Staatsanwaltschaft, um auch gar nicht in irgendwelche juristischen Fallstricke zu fallen. Auch die Adoptionsbehörden waren dort vorhanden, um klar zu machen, dass das Prozedere, was wir uns überlegt haben in einem solchen Fall, um den Frauen zu helfen bei der anonymen Geburt, zu akzeptieren ist, und wir machen das in der Art, dass wir auch nach der Personenstandsgesetzgebung alle Kinder melden. Es ist nicht so, dass wir das nicht melden. Sie werden im Geburtsbuch eingetragen, mit den Personalien, die uns zur Verfügung stehen. Das heißt die Frauen geben das an, was sie natürlich angeben und mehr wird aber auch nicht herausgefragt. Es wird nicht von uns in irgendeiner Art und Weise ein behördliches Zwangsmittel angewandt, sondern sie geben irgendeinen Namen an, wir wissen zwar in dem Fall, es kann nur ein Vorname sein oder ein Falschname, aber die Kinder werden registriert und werden dem Standesamt sofort gemeldet. Das Standesamt weiß also über die Geburt Bescheid und das weitere Prozedere, was da läuft. In Schleswig-Holstein gibt es ein Anhörungsverfahren auch im Länderparlament, wobei nach der neuesten Anfrage die FDP dort ausgestaltet hat, ist es so, dass die Landesregierung noch nicht zu einer Meinungsbildung gekommen ist, wie es bei diesem Problem extrem schwierig ist. Aber es wird toleriert in Schleswig-Holstein, dass dieses Verfahren, das wir dort anwenden, so jedenfalls akzeptiert ist, so dass keine Strafbedrohung, das geht auch auf ihre Frage für uns Mediziner, momentan im Raume steht. Denn das war, was bei der ersten Geburt durch die Presse ging, die haben sich strafbar gemacht. Denn das war ganz wichtig für den Krankenhausträger, der ja in eine sehr missliche Lage kommt, auch der verantwortliche Arzt, der da plötzlich in Misskredit kommt, dass dies irgendwie geklärt wurde. Das haben wir versucht mit den Möglichkeiten, die wir im Lande haben, zu klären. Lassen Sie mich abschließend noch ganz kurz sagen. Was mich ein bisschen stört bei der Diskussion heute, ist die Reduzierung, die Fokussierung lediglich auf die anonyme Geburt und dass nicht auch klar gemacht wird, dass schwangere Frauen im Vorfeld - also vor der Geburt - nicht zur Beratung, sondern zur medizinischen Kontrolluntersuchung kommen müssen, denn eine risikoarme Geburt ist nur möglich, wenn vorher anamnestische Daten und blutserologische Daten, also medizinische Daten erhoben werden. Auch da besteht Regelungsbedarf, dass bei Frauen unter irgendwelchen anonymen Bedingungen eben ihre medizinischen Daten vorher erhoben werden, damit sie unter der Geburt regelrecht vernünftig auch behandelt werden. Sonst kommt es, das ist übrigens auch passiert, dass Frauen ins Haus schneien und dann mit irgendwelchen pathologischen Parametern kommen, die nun ihrerseits einen ganzen Rattenschwanz von Diagnostik und Problemen nach sich ziehen, die sehr schwierig dann aufzufangen sind.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Dankeschön. Frau Kollegin Eichhorn hat jetzt das Wort.
Abg. Maria Eichhorn:
Dankeschön. Frau Weiß hat ja eingangs gesagt, dass die Einschaltung einer Beratungsstelle für anonyme Geburten nach ihrer Meinung völlig ungeeignet ist. Frau Geiss-Wittmann hat praktische Erfahrungen, und ich möchte Sie fragen, wie die Schwangeren denn zur Beratungsstelle kommen, das heißt ist es tatsächlich notwendig, dass eine Schwangere wirklich anwesend ist. Sie haben ja auch den Notruf angesprochen. Reicht es, wenn die Schwangere einfach anruft? Denn es ist sicherlich eine Schwellenangst da, wenn eine Beratung in Anspruch genommen werden müsste, gäbe es da sicherlich Probleme, und ich denke, dass hier eine Falschinformation in manchen Fällen ist. Deswegen die Frage: Muss ich diejenige, die sich bei Ihnen meldet, einer Beratung unterziehen? Ist es notwendig? Warum ist es aus Ihrer Sicht sinnvoll, dass die staatlich anerkannte Schwangerenberatungsstelle als Anlaufstelle genommen wird? Gäbe es nicht auch andere Stellen, die dies genauso tun könnten? Weitere Frage: Wann kommen die Frauen zu Ihnen? Ist es in der 10. Woche, in der 20. Woche? Und ist die Anonymität auf dem Weg, den sie gehen, juristisch tatsächlich abgesichert? In dem Zusammenhang eine Frage an Herr Professor Dr. Hepting: Ist der vorgegebene Weg über Zeugnisverweigerungsrecht gangbar oder nicht? Also der Weg, der in dieser Änderung des Personenstandsgesetzes in Verbindung mit der Schwangerenberatungsstelle gegangen wird und Frau Geiss-Wittmann sagt, sie kann selbstverständlich die Rechte einer Schwangerenberatungsstelle in Anpruch nehmen, Zeugnisverweigerungsrecht. Deswegen die Frage an Sie. Ist es aus ihrer Sicht ein gangbarer Weg? In Ihrer Stellungnahme haben Sie zur Schwangerenberatungsstelle etwas gesagt, aber zu dem Thema nicht.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Frau Geiss-Wittmann bitte.
Frau Maria Geiss-Wittmann:
Meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich denke diesen Weg müssen wir sehr vorsichtig gehen. Wir sollten das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, sollten nicht die gleichen Fehler wie in anderen Ländern machen. Wir sollten in Deutschland das Recht, das vorhanden, ist nützen und ich denke, dass das heute auch sehr deutlich geworden ist. Wir sollten, wenn es möglich ist, dieses Angebot auch wissenschaftlich begleiten. Sie fragen mich, Frau Eichhorn, ob wir eine Beratungspflicht machen oder mit einer Beratung dieses unser Angebot, unser Notruf verbunden ist. Nein. Die Frau soll nur auf einen ganz kompetenten Träger treffen, der Auskunft geben kann, wenn die Frau die Beratung wünscht. Die Beratung ist ein Angebot. Ein Angebot, und jetzt muss ich sagen, dass die Frauen dann, wenn sie wissen, es wird nichts davon nach außen getragen, es ist absolut anonym, sich gerne öffnen, das ist ja das Interessante an dieser Sache. Ich kann nur sagen, einmal hat eine Frau gesagt, dies ist so schön zu reden. Man darf nicht vergessen, die Frauen haben alles für sich bisher gehalten. Nun stoßen sie auf jemand, der sie versteht, der sie annimmt einfach in der Situation, in der sie sind. Dann, denke ich, sollten ganz kompetente Berater da sein, die.die Frau dort antrifft. Ein Angebot, nie eine Pflicht, und die Not der Frau einfach ernst nehmen und mit dem Hilfsangebot, was sie erwartet einfach antworten. Wir möchten, und das ist das Interessante, und da möchte ich an Ihre Ausführungen anschließen, dadurch, dass wir dieses anbieten, kommen jetzt die Frauen frühzeitig und das ist uns wichtig, dass sie frühzeitig kommen. Jetzt kann ich diese Frage gerne beantworten, Frau Eichhorn, die sie gestellt haben. Da kann ich mit dem Anonymitätsrecht und Zeugnisverweigerungsrecht gut arbeiten, denn im Schwangerenberatungsgesetz § 6 steht, dass "die staatlich anerkannte Schwangerenberatung zum Lebensschutz unter den sicherlich die Vorsorgeuntersuchung Personen einbeziehen kann, wenn die Frau damit einverstanden ist", das heißt wenn die Frau also eine Untersuchung will, die wäre schon richtig, wenn das anonym ist, dann mache ich das. Und dann macht die Frau diese Untersuchung vorher. Dann geht sie also. Dann darf ich ihnen auch ein Erlebnis sagen: Eine Frau mit einer verdrängten Schwangerschaft hat bei einer Untersuchung dann plötzlich gesagt, ich habe ja wirklich ein Kind. Sehen Sie, und das sind diese Dinge, die uns mit dem Anonymitätsrecht möglich werden, weil wir nämlich dieses Anonymitätsrecht, wenn sie einbezogen sind in dieses Recht, das Frankreich nicht hat, haben sie auch das Zeugnisverweigerungsrecht in diesem Falle haben. Das ist sehr eindeutig geklärt. Von daher denke ich ist es ganz wichtig, dass dieses Zeugnisverweigerungsrecht vorhanden ist. Dazu kommt, wenn man der Frau in dieser Beratung und dieses Anonymitätsrecht der Frau und da möchte ich auch noch antworten auf etwas - auf Frau Thoma, die sagte: "Dies gilt nur für die Konfliktberatung." Es hat der Professor Mittenzwei in einem großen Artikel sehr eindeutig gesagt, dass dieses Anonymitätsrecht der Frau auch noch trägt in der Nachbetreuung, denn Sie haben als Abgeordnete die Nachbetreuung mit einbezogen in die Schwangerenberatungsgesetze. Es trägt also. Wir können das nachher auch noch machen, so dass wir in der Schwangerschaftskonfliktberatung die Rechte haben, die wir auf alle ausweiten können, die in diesen Lebensschutz einbezogen sind. Selbstverständlich ist die Vorsorgeuntersuchung lebendschützend und dient auch zur Identitätsfindung, wenn die Mutter dann sagt, das ist ja wirklich ein Kind, das möchte ich vielleicht auch haben. Dann, denke ich, ist die anonyme Geburt mit dem Anonymitätsrecht und mit dem Hinausschieben der Meldepflicht eine gute Lösung zu einem vorsichtigen Weg, und jetzt schließe ich den Kreis: Wenn wir es wissenschaftlich begleiten, werden wir sicherlich einen Weg finden, um diese große Not, um die Tötung der Kinder, um dies sozusagen, um die Aussetzung der Kinder in Zukunft zu verhindern.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank. Herr Prof. Hepting.
Herr Prof. Dr. Reinhard Hepting:
Ja, vielen Dank. Es geht um die Frage:: Kann man auf der Grundlage des geltenden Rechts die Anonymität praktisch schon herbeiführen dadurch, dass man die an der anonymen Geburt Beteiligten von ihrer Anzeigepflicht befreit und ihnen ein Zeugnisverweigerungsrecht gibt? Da muss man verschiedene Stufen und Bescheide unterscheiden. Zunächst einmal ist es ist klar: Arzt, Schwangerenschaftsberatungsstelle, Hebamme, die dass Berufsgeheimnis wahren müssen. Die dürfen nicht ausplaudern. Die müssen Dinge, die sie von Berufs wegen zur Kenntnis nehmen, einhalten. Wenn es nun im Gesetz eine spezielle Vorschrift gibt, die ihnen hinsichtlich einzelner Fakten aus dem, was sie zur Kennntnis bekommen, eine Auskunftspflicht, wie es nun in dem § 17 ff. Personenschutzstandsgesetz mit der Geburt, dann geht diese konkrete Schweigepflicht der allgemeinen Schweigepflicht vor. Wenn allerdings eine Frau konkret mit der Bitte um Anonymität an den Arzt oder an die Schwangerenberatungsstelle herangetreten ist, dann ist praktisch die Zusage der Anonymität Grundlage für das Vertrauensverhältnis, ohne das eine sinnvolle Beratung oder eine problemlose Geburt nicht möglich ist. Dann geht dieses Vertrauensverhältnis meiner Meinung wieder nach der Pflicht §17 PStGB vor, das heißt man kann in der Tat ohne weiteres rechtfertigen, dass die Vertrauenspersonen der Frau, Arzt, Hebamme, Schwangerenberatung letztlich rechtmäßig handeln. Bei der Klinikdirektion wird es schon schwieriger, und nach § 18 Personenstandsgesetz ist sogar der Klinikdirektor in erster Linie verpflichtet, die Anzeige zu machen, und zum Klinikdirektor besteht überlicherweise das persönliche Vertrauensverhältnis nicht. Die Frage ist, kann man es dem Klinikdirektor zumuten, sich auf dem Verwaltungswege um die Personenstandsdaten der Mutter zu bemühen? Kann der sich darauf hinausreden, dass seine Ärzte nicht arbeiten können? Das sind Fragen, die offen bleiben, und damit möchte ich zum Resümee kommen. Dieses Diskutieren um das Schweigerecht ist irgendwie ein Umgehungsmanöver. Man versucht auf diese Weise auf der Grundlage des geltenden Rechts einen Zustand, den man als wünschenswert ansieht, irgendwie durch ein paar Konstruktionen herbeizuführen. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass der ganze Vorgang sich letztlich nach wie vor im objektiv rechtswidrigen oder zumindest grauen oder rechtsfreien und nicht ganz legalen Bereich bewegt. Und deswegen eben die Überlegung, ob man nicht den ganzen Vorgang legalisieren sollte, denn dann würden sich diese ganzen Probleme nicht mehr stellen.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Ja. Vielen Dank. Frau Kollegin Brandt-Elsweier von der SPD-Fraktion bitte.
Abg. Anni Brandt-Elsweier:
Ich habe eine Frage an Herrn Prof. Hepting. Fast alle Sachverständigen sind jedenfalls der Auffassung, dass bei einer gesretzlichen Regelung einer anonymen Geburt - faktisch haben wir sie ja schon - das Recht des Kindes auf Abstammung beachtet werden muß und dadurch gewährleistet sein kann, wenn man ihm dann später die Daten seiner Abstammung übergeben kann. Frau Thoma sprach von einer Datenbank und Herr Pompe von treuhändlerischer Hinterlegung von Dokumenten. Daraus ergeben sich für mich einige Fragen an Sie, Herr Prof. Hepting. Soll diese Abgabe der Daten durch die Mutter freigestellt bleiben - dann wäre es ja auch anonym - oder soll sie in irgendeiner Weise verpflichtet werden, dann wäre natürlich die Frage der Anonymität noch zu diskutieren? Und wenn sie dann eine Dokumentation hinterläßt, soll deren Richtigkeit überprüft werden können - wenn ja, wie? Wo sollte diese Dokumentation oder Datenbank angesiedelt werden? Sollte die Aushändigung der Daten an das Kind mit 16 bzw. 18 Jahren erfolgen? Und zwar auf jeden Fall? Oder soll dann nochmals die Einwilligung der Mutter eingeholt werden, wenn sie dann überhaupt noch lebt oder auffindbar ist? Das wären die Fragen, die sich eventuell für eine praktische gesetzliche Regelung noch ergeben würden.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Ja, vielen Dank. Herr Professor Dr. Hepting bitte.
Herr Prof. Dr. Reinhard Hepting:
Vielen Dank. Das waren ein bißchen viel Fragen auf einmal. Ich habe sie mir nicht alle merken können. Ich bitte Sie unter Umständen, wenn ich dann nicht mehr weiter weiß, die eine oder andere Frage zu wiederholen. Die Frage, soll man sich auf Freiwilligkeit der Mutter verlassen oder soll man die Daten zwangsweise erheben. Freiwilligkeit der Mutter hinsichtlich der Angabe ihres Personenstandes - also ihre Identitätsdaten ? ist, glaube ich, deswegen die beste Lösung, weil man ja nicht weiß, ob die Daten, die die Mutter angibt, richtig sind. Ob man es überprüfen sollte, da würde ich glauben, würde bei der Mutter letztlich wieder so eine Unsicherheit hinsichtlich der Wahrung der Anonymität entstehen, wenn man von ihr verlangt, dass sie den Personalausweis vorlegt. Also, ob man überprüfen kann, was sie in den verschlossenen Umschlag rein geschrieben hat, ob das stimmt, das geht nicht. Das hat keinen Entlastungseffekt, das heißt, wenn man nicht verhindern kann, dass die Mutter sowieso was Falsches rein schreibt, dann kann man es gleich freiwillig machen. Ich denke auch, dass hier den beratenden Personen eine ganze wichtige Aufgabe zufällt, weil die einfach durch das in Aussichtstellen der Anonymität, durch das in Aussichtstellen der Geschütztheit, die Bereitschaft fördern können, sich dann diesen beratenden Personen anzuvertrauen: Ja, Euch sage ich es, wenn Ihr mir versprecht, dass Ihr es nicht weiter erzählt. Und auf dieser Grundlage könnte ich mir vorstellen, dass man durchaus auf der Basis der Freiwilligkeit nun eben konkrete Identitätsdaten der Mutter bekommt. Das andere sind die Begleitdaten. Ich denke, dass die Schwangerenberatung, oder sagen wir es allgemein, die beratende Person, die sich um die Mutter unmittelbar davor und nach der Geburt kümmert und mit ihr spricht, ganz automatisch einen solchen Schatz von allgemeinen Informationen über den Lebensweg, Herkunft etc. dieser Mutter erfährt, woraus man dann ein kleines Personenbild zusammensetzen kann, das man später dem Kind zur Verfügung stellen kann. Sie sehen also, bei meiner Argumentation schwingt das französische Modell mit: Im verschlossenen Umschlag eindeutig anonymisiert, die konkreten Identitätsdaten der Mutter und das, was man so als Randinformation bekommt, was die Mutter auch gar nicht sagen muss ausdrücklich, weil die Beratende im Gespräch das automatisch mitkriegt. Das ist dann sozusagen Material geringerer Geheimhaltungsstufe, da muss man, glaube ich, die Mutter nicht zwingen, irgendwelche Angaben zu machen. Das ergibt sich in der Beratung ganz automatisch. Später stellt sich natürlich dann die Frage: Wie soll man die Anonymität durchbrechen? Wie soll man die Identität der Mutter offenlegen? Ich denke, dass hier dann sehr schnell das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung ganz stark dominieren wird. Wir müssen bedenken, wir sind am Anfang von dieser Interessenabwägung ausgegangen: Persönlichkeitsrecht der Mutter, Recht des Kindes auf Leben, Recht des Kindes nach seiner Abstammung. In dem Moment, wo das Kind geboren ist, lebt es, dann fällt das Recht auf Leben weg, denn das hat es dann. Das heißt, ab diesem Augenblick, wo das Kind lebend geboren ist, reduziert sich die Güterabwägung auf das Persönlichkeitsrecht der Mutter einerseits, auf das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner biologischen Abstammung andererseits. Das Recht auf Leben ist außen vor. Und dann muß man eben bedenken, dass die Abwägung immer situationsbezogen zu erfolgen hat. Im Zeitpunkt der Geburt geht, wie ich vorhin vorgeschlagen habe, und wie einige auch zugestimmt haben - die Mehrheit glaube ich mir zugestimmt hat - das Recht auf Leben in diesem Fall vor. Das ist das Vorrangigste. Wenn dann aber das Kind geboren wird und die Zeit vergeht, dann ändert sich natürlich auch die Wertigkeit dieser involvierten Interessen und ich würde sagen, in dem Maße, in dem das Kind älter wird, bekommt das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung ein immer größeres Gewicht. In dem Maße, in dem die Mutter Distanz bekommt von diesen traumatischen Erfahrungen der Schwangerschaft und der anonymen Geburt, nimmt der Wert des Interesses, dass sie an der Geheimhaltung hat, ab und irgendwann einmal, würde ich sagen, ist der Punkt erreicht, wo man sagen kann, liebe Mutter, du mußt dich deiner Vergangenheit stellen, jetzt irgendwann geht das Recht des Kindes vor. Die einzige Gegenüberlegung, die man dann noch anstellen könnte, ist natürlich die, dass man sagt, wenn die Mutter im Zeitpunkt der Geburt weiß, dass sie vielleicht einmal in 20 Jahren gezwungen werden kann, sich zu offenbaren, hat sie vielleicht dann doch wieder soviel Angst, dass sie lieber in Aussetzung und in heimliche Geburt und Babyklappenlösung ausweicht. Aber das ist sozusagen auch wieder eine Spekulation auf einen psychologischen Zusammenhang, den ich nicht beurteilen kann, weil ich kein Psychologe bin, aber vom Juristischen her, von der Wertung her, würde ich meinen , sobald das Recht des Kindes auf Leben aus der Abwägung draußen bleibt, weil es ja lebt, dass dann doch irgendwann einmal eindeutig das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung überwiegt. Die Frage ist dann, wie man das regelungstechnisch ausgestaltet, wie man diese Daten aufbewahrt, ob bei einer Zentralstelle oder in den Sammelakten des Standesamtes. Das ist eben nur Regelungstechnik. Die Frage ist, wie man dann, wenn das Kind irgendwann einmal nach seinen Ursprüngen forscht, den Konflikt auflösen kann. Eine kinderfreundliche Lösung wäre, ganz hart zu sagen mit 16 oder 18, oder ich würde auch sagen, da sollten die Psychologen das Alter angeben. Ich glaube nicht, dass eine so formale Parallelität zur Volljährigkeit, so sinnvoll ist, und das müßte psychologisch begründet sein, dass man dann dem Kind das Recht, auf die Mutter zuzugehen, gibt dass man gegen den Willen der Mutter die Anonymität aufhebt. Die mutterfreundliche Lösung ist die, in Frankreich, wo selbst, wenn das Kind dann irgendwann einmal den Antrag stellt, nach Jahr und Tag und langer Zeit die Mutter immer noch entscheiden kann, ob wirklich der letzte Schleier gelüftet wird. Man könnte vermittelnde Lösungen entwickeln, wo man sagt, dass wird nicht vom Gesetz vorgeschrieben, ob das Kind oder die Mutter darf, sondern das wird sozusagen von einer beratenden und entscheidenden Stelle irgendwie beurteilt, ob das Recht der Mutter noch schutzwürdig ist oder vielleicht nicht, und es käme dann zu einer Ad-hoc-Entscheidung. Ob eine Entscheidung möglich ist, würde ich als Jurist auch wieder mir nicht anmaßen zu beurteilen, aber es gibt natürlich differenzierte Möglichkeiten, um mit dieser Güterabwägung irgendwie zu Rande zu kommen. Ich weiß nicht, wie viele Ihrer Fragen ich damit abgedeckt habe; sollte noch eine offen sein, bin ich gerne bereit nachzulegen.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Gut, dann herzlichen Dank. Frau Kollegin Diemers von der CDU-Fraktion.
Abg. Renate Diemers:
Ich habe eine Frage an Frau Prof. Swienteck und eine kurze Nachfrage an Herrn Pompe. Die Gegner der gesetzlich geregelten anonymen Geburt nennen ja unter anderem als Argument die bestehende konkrete Gefahr eines Kinderhandels. Jetzt hat allerdings Frau Geiss-Wittmann schon eine Antwort darauf gegeben. Ich würde doch ganz gerne die Meinung auch von Frau Prof. Swienteck zu diesem Thema wissen. Könnte es nicht sogar sein, dass durch die allgemeine Registrierung und Meldung einer Geburt - einer anonymen Geburt - im Krankenhaus der Kinderhandel sogar eingedämmt wird?. Ja, das ist mir klar, aber ich wollte es von Frau Prof. Swienteck hören, wird leicht schwierig werden. Und an Herrn Pompe, welche Erkenntnisse oder sogar Zahlen liegen bei nicht intakten Adoptiveltern (also Adoptivkind-Beziehung) vor und wieweit könnte eine gesetzliche Regelung zur anonymen Geburt in der Tat die Ursache sein, dass die Beziehungen nicht intakt sind.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Frau Prof. Swienteck bitte.
Frau Prof. Dr. Christine Swienteck:
Zum Kinderhandel in Deutschland wäre das die Frage. Ich habe vorhin ganz deutlich gesagt, ich nehme die großen kirchlichen Träger und Vermittler hier aus, aber wenn ein Gesetz geändert wird, dann kann ich nicht sagen, Ihr dürft und Ihr dürft nicht. Oder ich muss es tatsächlich einführen, dass ich sage, nur die großen konfessionellen Verbände dürfen, alle anderen nicht als Beispiel. Ich stamme noch aus der Adoptionsvermittlergeneration der 60er Jahre, die Kinderhandel in Deutschland erlebt hat. Genau dieses Problem kriegen wir wieder rein. Wir hatten damals noch nicht das Adoptionsvermittlungsgesetz, das heißt jeder der ein Kind hatte, z.B. ein Gynäkologe, Hebamme konnte es vermitteln, es wurde auch gemacht. Moment, es war korrekt, solange kein Geld im Spiel war. Es war dann aber im Spiel. Ich sehe da wirklich Probleme, denn ich glaube nicht nur an das Gute im Menschen, sondern auch an das Böse, und ich glaube auch an seine Geldgier. Ich weiß, dass Eltern in Deutschland bis zu 50.000 DM für ein neugeborenes weißes Kind zu zahlen bereit sind und es auch tun. Sie tun es im Ausland, um so lieber auch in Deutschland, wenn es einfacher und die Herkunft gesichert ist. Das müssen wir einfach wissen, und wenn Sie sich darüber empören, dass ich solche bösen Sachen sage, es sind Fakten. Ich stelle mir vor, dass, wenn wir die anonyme Geburt freigeben, die Regeln nicht in dem Sinne, wie Frau Geiss-Wittmann sie geschildert hat, dass zum Beispiel Gynäkologen in einer freien Praxis durchaus so eine Entbindung machen können, genauso einen Kinderhandel betreiben können, ebenfalls Hebammen, ebenfalls andere Leute, wie wir sie in den 60er Jahren hatten. Das ist nicht meine schmutzige Phantasie, das sind Fakten, die kann ich ihnen auch belegen.
Abg. Renate Diemers:
"Wir haben doch das Adoptionsrecht, das ist bei uns sehr streng, und wenn man mal an die vielen adoptionswilligen Eltern denkt oder an die, die zunächst ein Kind zur Pflege bekommen haben, welchen Weg die gehen mussten, ich glaube nicht, wir wollen ja nicht das Adoptionsrecht irgendwie verbessern."
Frau Prof. Dr. Christine Swienteck:
Nein, das hat auch nichts mit dem Adoptionsrecht zu tun. Kinder sind sozusagen, wenn sie anonym geboren und nicht augenblicklich gemeldet werden, sind sie verkäuflich. Ich kann das nicht, wir machen das hier fest am SKF, am Caritasverband, an der inneren Mission, das ist ja alles okay, aber wenn ich grundsätzlich sage, anonyme Geburt ist gestattet und die Kinder brauchen erst nach 8 oder 10 Wochen gemeldet zu werden, dann hole ich mir diese Gefahr ins Haus.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank. Dann war Herr Pompe noch angefragt.
Herr Dipl.Psych. Christoph Pompe:
Kurze Antwort. Beziehung zwischen Eltern und Kindern, egal ob biologisch oder adoptiv, können für die Kinder gründlich mißlingen. Das nur vorweg. Wenn hier Adoptierte im Saal sind, die werden mir sonst kräftig widersprechen. Also das sagt der Erziehungsberater. Ich wollte unterscheiden zwischen den betroffenen Organisationen, die Sie jetzt hören und die Sie in den Medien hören. Und das war uns eben aufgefallen in der therapeutischen Arbeit mit Menschen, die verzweifeln an den Mauern des Nichtwissens ihrer eigenen Herkunft. Wir kennen auch andere, wir kennen, die aus afrikanischen Ländern, die heil froh sind, dass Kinder aus Ätophien heil froh und dankbar sind, dass sie gerettet worden sind, auch um den Preis der Unkenntnis. Wir sollten daran erinnern, die machen natürlich keine Betroffenenorganisationen, keine Medienarbeit. Wir versuchen als Berater zu beantworten, warum geht es den einen so und den anderen so dramatisch anders. Dies scheint mit den Eltern zusammenzuhängen, die kinderlosen, die das nicht verarbeitet haben, die sozusagen aus neurotischen Gründen ein Kind adoptieren. Das wird sich rächen, das werden später die Selbsthilfegruppen von Adoptierten werden - das wird schwierig - und die, die belogen sind. Es gibt walisische Untersuchungen, dass wir alle zu 30 v.H. mit irrigen Angaben zumindest über unsere Väter leben. Da müssen wir nochmals den wissenschaftlichen Dienst bemühen.
(Gelächter)
Es ist Alltag, dass wir in erlebbaren und allerdings nicht seelischen schädigenden Illusionen über unsere Herkunft leben, auch in genetischer und biologischer Hinsicht. Das wird leicht vergessen. So genau wissen wir alle das nicht, und empirisch ist es eben in einer Studie in Wales erhoben worden.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank. Als nächstes der Herr Kollege Friese von der SPD.
Abg. Harald Friese:
Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren, vielleicht um bei Frau Professor Swienteck ein Missverständnis zu nehmen: Wir sind alle der Überzeugung und der Auffassung, dass ein Kind, auch wenn es anonym geboren wird, nach der Geburt sofort registriert werden muss. Und damit sind die ganzen Überlegungen mit Menschenhandel, Kindeshandel alle vom Tisch. Das sage ich nur, damit es nicht Diskussionen, Mißverständnisse gibt. Ich habe zwei Fragen. Ich will noch einmal aufnehmen die Frage, welche Behörde die richtige ist, bei der die Angaben der Mutter hinterlegt werden können. Ich glaube, es kann bei uns in Deutschland nicht geschehen wie in Frankreich, dass wir eine nationale Behörde nehmen. Da haben wir eine andere Verwaltungstradition. Es kann in meinen Augen auch keine Landesbehörde sein. Es wäre schlimm, wenn wir dafür eine neue Behörde schaffen müssten. Deshalb meine ich, es wäre immer noch das Richtige das Standesamt. Und zwar müssen die Angaben der Mutter nicht im Geburtsregister geführt werden, sondern außerhalb des Registers, außerhalb der wie beim Geburtsregister möglichen Einsichtnahme, wenn sie das Interesse nachweisen können. Frage an Sie Herr Professor Hepting. Es gibt auch kleine Standesämter, das hat Frau Kollegin Philipp gerade gesagt. Bei kleinen Standesämtern kann sozusagen vielleicht die Anonymität der hinterlegten Daten in Gefahr sein. Wenn ich mir aber den Weg richtig vorstelle ? auch das kleine Standesamt: Die Mutter ist im Krankenhaus. Es kommt ein Umschlag, der ja nichts über die Mutter sagt, sondern dieser Umschlag wird in einem eigenständigen Register im Standesamt neben dem Geburtsregister geführt und bezieht sich nur auf das Kind. Es gibt also keinen Hinweis auf die Mutter. Frage an Sie, ist diese Überlegung weltfremd oder kann man diese Überlegung teilen, dass tatsächlich im Standesamt ein neben dem Geburtsregister ein Register geführt wird, mit den anonym gelieferten Daten über die Mutter, die Herkunft, was sie reinschreibt. Es kann ja auch ein Brief sein. Es müssen ja nicht Daten sein. Kann dieses so organisiert werden, dass tatsächlich die Anonymität gewahrt bleibt? Die zweite Frage, die ich noch an Herrn Ackermann stellen möchte. Dr. Ackermann, haben Sie in Ihrer Klinik innerhalb der geburtshilflichen Abteilung jetzt bestimmte Zimmer für Mütter, die anonym gebären wollen? Ja oder nein? Halten Sie es für notwendig, dass es überhaupt der Fall sein muss und haben Sie es bei Ihren Mitarbeitern, Ihren Schwestern in Person bestimmter Schwestern, die eine besondere Qualifikation haben oder ausgebildet sind, um diese Mütter, die bei Ihnen im Krankenhaus gebären, besonders zu betreuen, oder wollen Sie da auch allgemeine Normalität herstellen, dass alles ganz normal abgeht? Wie läuft es in der Praxis und was hielten Sie für richtig, wenn bei Ihnen die Praxis vielleicht eine andere ist als das, was Sie für richtig halten?
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Danke. Herr Professor Hepting:
Herr Prof. Dr. Reinhard Hepting:
Die Anonymität im Standesamt. Man muss zum einen die Regelungsgrundsätze und zum anderen das praktische Funktionieren auseinander halten. Von den Regelungsgrundsätzen sehe ich auch kein Problem. Ich meine, die zentrale Behörde, das hat ein bisschen etwas mit französischem Zentralismus zu tun, die können sich eine Regionalisierung einer solchen Verwaltung, glaube ich, auch gar nicht vorstellen. Bei uns gibt es im Grunde genommen die dafür erforderlichen Einrichtungen im Personenstandswesen bereits. Es gibt nämlich die nicht im Gesetz vorgeschriebenen, aber doch von der Dienstanweisung für Standesbeamte angeordneten sogenannten Sammelakten. Das sind Akten, in denen alle Unterlagen gesammelt werden, die beim Personenstandsfall anfallen und die sind von Hause aus unter Verschluss. Die Personenstandsbücher, die sind offener, die sind gefährlicher. Deswegen würde ich auch eine Lösung, wie wir sie im Adoptionsgeheimnis haben, wo die leiblichen Eltern drin stehen und nur das Einsichtsrecht beschränkt wird, bei der anonymen Geburt nicht für so günstig halten. Aber wenn man die Unterlagen zu den Sammelakten nimmt, die typischerweise nicht angeschaut werden, dann ist im Standesamt ein sehr hoher Grad von Sicherheit erreichbar. Es gibt auch einschlägige Erfahrungen, die liegen zwar weit zurück. Aber wir hatten vor 1970 vor dem Inkrafttreten des mittlerweile ja schon wieder außer Kraft gesetzten nicht ehelichen Gesetzes zu einer Zeit, als die Väter nur bloße Zahlväter und mit ihren Kindern nicht verwandt waren, damals das Phänomen des sogenannten anonymen Vaterschaftsanerkenntnis. Die geheimen Vaterschaftsanerkenntnisse liefen im Grunde genommen genauso. Der Vater, der sich sozusagen für die Zukunft zur Zahlung verpflichtete, den Zahlungansprüchen des Kindes aussetzen wollte, aber seine Anonymität wahren wollte, gab die Vaterschaftsanerkennungserklärung ab vor einem Notar, dann kam sie in ein versiegeltes Kuvert und in die Standesämter und in die Sammelakten, und da blieb sie verschwunden. Es war absolute Anonymität gewährleistet. Auf der Grundlage eines solches Regelungsmodells wäre das in der Praxis ohne weiteres durchführbar, wenn man Bedenken hat, und das ist jetzt die zweite Frage nach dem praktischen Funktionieren. Die kleinen Standesämter können entweder zu der Gefahr führen, dass die Mutter wieder Angst hat vor der Wahrung der Anonymität und wieder ausweicht, oder aber sie können auch dazu führen, dass ein Kind das merkt, dass dort in den Sammelakten die Daten seiner Mutter ruhen, bei dem armen Standesamt ständig Tür und Tor einrennen und versuchen, da irgendwie die Standesbeamten unter Druck zu setzen. Es wäre aber ohne weiteres möglich, sagen wir einmal Sonderstandesämter einzurichten, für die es in anderen Zusammenhängen im Personenstandswesen durchaus Beispiele gibt, die vielleicht irgendwo zentral zu lozieren, das wäre ein bisschen Rückfall in den Zentralismus, aber man müsste keine neue Strukturen aufbauen. Man könnte im Grunde genommen auf bewährte Vorbilder zurückgreifen.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Ja, vielen Dank. Frau Schewe-Gerigk für die Grünen.
Abg. Irmingard Schewe-Gerigk:
(Unruhe)
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Halt, Herr Dr. Ackermann.
Herr Dr. Ralf Ackermann:
Zuerst eine Bemerkung zu meiner lieben Nachbarin. Ich möchte die Geldgierigkeit der Gynäkologen relativieren. Gynäkologen sind genauso Menschen wie alle anderen, und sie sind genauso geldgierig wie alle anderen Menschen.
(Gelächter)
Dann aber zu ihrer Frage, inwieweit wir besonders geschultes Personal einsetzen. Es ist bei uns üblich im Kreißsaal, wir über 1300 Geburten und über 20 Hebammen, dass alle Hebammen eingesetzt werden. Alle Hebammen, auch das Pflegepersonal sind in einem Vorgespräch darauf hingewiesen worden, dass diese Frauen in Not nicht bedrängt werden wegen ihrer Namensgebung, sondern lediglich so angesprochen werden, wie sie es angeben. In der Regel war es so, dass lediglich Vornamen dann angegeben worden sind. Nun sind die mit Christina oder Elena angeredet worden, aber behandelt wie jede andere schwangere Frau in der Klinik. Nach den Geburten war es in der Regel so, dass bei normalen Spontangeburten die Frauen rasch die Klinik wieder verlassen haben im Sinne einer ambulanten Entbindung, das heißt sie kamen gar nicht auf eine Station. Sie haben den Kreißsaal wieder verlassen mit dem Kind, oder das Kind hatte eine Vertrauensperson von dieser Entbindenden übernommen und sie zum SterniPark gebracht - wir arbeiten eng mit dem SterniPark zusammen, was wir sehr begrüßen und das sich auch sehr bewährt hat. In den Fällen, wo ein stationärer Aufenthalt allerdings auf der Station notwendig wurde, kommt das Kind in unsere Kinderklinik. Parallel dazu sind die Frauen nicht auf der Wochenstation aufgenommen, sondern auf einer normalen gynäkologischen Station, hatten allerdings die Möglichkeit selbstverständlich, wenn sie hinterher das Kind sehen wollten, da hin zu gehen. Das haben wir immer offengelassen, weil wir wissen, dass die Meinung der Frauen sich stark ändern kann, so dass Ihre Frage insgesamt so beantwortet werden kann: Wir lassen alles offen und versuchen, das so normal wie möglich ablaufen zu lassen.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Danke. Frau Kollegin Schewe-Gerigk.
Abg. Irmingard Schewe-Gerigk:
Ja, noch einmal eine Frage an Herrn Prof. Hepting von der Debatte, die wir vor einer halben Stunde geführt haben, als ich mich gemeldet habe. Das Recht auf Leben und Recht auf Kenntnis der Abstammung: Da haben Sie gesagt, wenn das Kind geboren ist, spielt das Recht auf Leben keine Rolle mehr. Wir gehen davon aus - interfraktionell gehen wir davon aus, dass wir eine Möglichkeit eröffnen, eine ambulante Geburt vorzusehen, dass wir dadurch das Leben von Kindern auch schützen können. Insofern ist das dieser andere Konflikt. Würden Sie denn das anders bewerten? Und dann möchte ich zu einem zweiten Thema noch etwas sagen. Ich möchte mich nochmals mit dem Argument von Frau Swienteck auseinandersetzen, dass wir hier unter dem Titel "Hilfe für Frauen in Not" einem immer größer werdenden Adoptionsmarkt Befriedigung bieten, der immer neue makellose Produkte bevorzugt - nämlich deutsch und west- oder nordeuropäisch. In dem Zusammenhang würde ich gerne Frau Thoma fragen, ob sie denn glaubt, dass durch die Schaffung der Möglichkeiten der anonymen Geburten in der Tat Anreize geschaffen werden, dass mehr Mütter als bisher ihre Kinder anonym gebären. Frau Swienteck, die ja mit Zahlen immer sehr kritisch ist, geht von 1000 Findelkindern pro Jahr aus, habe ich in ihrer Stellungnahme gelesen. Wie sehen Sie das, Frau Thoma?
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Herr Prof. Hepting bitte.
Herr Prof. Dr. Reinhard Hepting:
Ich muss da ein Missverständnis ausräumen. Wenn der Eindruck einstanden sein sollte, ich würde das Recht des Kindes auf Leben nicht mehr hoch schätzen, dann war das so nicht gemeint. Ich denke nur, wir haben am Anfang vor der Geburt den Konflikt, dass das Recht des Kindes auf Leben geschützt werden muss, konkurriert bzw. teilweise parallel läuft mit der Mutter und dem Recht auf Abstammung. Wir haben einen Konflikt von drei Gruppenrechten, in dem Moment wo das Kind geboren ist und das Leben hat, fällt der Konflikt mit dem Leben natürlich weg, weil es ja lebt. Nur das.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank. Da war noch Frau Thoma gefragt.
Frau Maria Elisabeth Thoma:
SV Maria Elisabeth Thoma: Die Frage ging dahin, dass Sie mich fragen, ob ich denke, dass mehr Kinder als vorher anonym geboren werden und ob es mehr Missbrauch gibt oder mehr Missbrauchsmöglichkeiten. Also, ob mehr Kinder als vorher geboren sind, ist genauso Spekulation wie die Zahl, die wir im Grunde jetzt haben im Bezug darauf, was es jetzt an Gefährdung für den Ansatz der Regelung von anonymer Geburt gibt. Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass, wenn man eine solche Regelung hat, man dann eben innerhalb dieser Regelung mehr anonyme Geburten hat. Da muss ich auch ganz einfach sagen, ich finde, das würde mich auch an der Stelle nicht stören, wenn diese Regelung angemessen wäre. Die andere Frage, die dann mitschwang, ob wir damit Erfahrung gemacht haben, dass eben Kinder mit ganz bestimmter Unerwünschtheit abgegeben werden oder dass das vorkommt, dass eben solche Art von Missbrauch irgendwo auftaucht im Hintergrund, diese Fälle sind in keinem mir bekannten Fall bis jetzt, also es ist kein einziges mal vorgekommen. Wir haben natürlich, wenn ich mir hier so die Liste angucke, bis jetzt nur über Beispiele geredet und nicht so richtig über Zahlen, was auch schwierig ist, aber wenn man sich die Zahlen anguckt, sind illegal lebende ausländische Frauen, das sind minderjährige Frauen, das sind alleinerziehende Frauen, es sind Musliminnen, die ungewollt schwanger geworden sind mit dem ganz spezifischen Problem, die eben im Islam vorkommen. Dann sind es obdachlose Frauen mit und ohne Drogenproblematik und so weiter. Aber wir haben nicht das Gefühl, dass die Entscheidung für eine Abgabe, die eben in meinen Augen auch immer eine sicherlich in vielen Punkten von Panik geprägte Entscheidung ist, dass diese Entscheidung etwas damit zu tun hat, ob ein Kind gesund oder krank ist, ob ein Kind in irgendeiner Form nicht gewollt ist. Wir haben auch noch nie erlebt dieses Szenario, dass Frauen kommen und ein Kind abgeben, weil sie sagen, ich werde vom Vater des Kindes bedrängt oder habe andere Situationen, in denen diese Erpressbarkeit da ist. Man kann das natürlich in der Tat nicht ausschließen. Das will ich überhaupt nicht bestreiten, aber die Frage ist dann natürlich auch, in welcher Situation diese Frauen leben und ob man eben dann, wenn man die anonyme Geburt anbietet, im Rahmen der Beratung gerade dieses Problem behandeln und bearbeiten kann.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank, dann waren die Kollegin Widman-Mauz von der CDU-Fraktion.
Abg. Annette Widmann-Mauz:
Ich habe zunächst eine Frage an Prof. Hepting. Sie haben schön dargestellt die Rechtsgüterabwägung, wenn das Kind auf der Welt ist, was den Anspruch auf Kenntnis der Identität anbelangt, und es gibt die zwei Richtungen an Informationsbestreben, das Informationsbedürfnis des Kindes, aber unter Umständen das vorhandene oder nicht vorhandene oder entstehende Bedürfnis der Mutter, dem Kind Informationen zu geben oder sie zu verweigern. Halten Sie in der Regelung, die Sie gerade vorgeschlagen haben, oder in der Möglichkeit, auf dem Standesamt in Sammelakten solche Informationen zu geben, das dann auch für praktikabel, wenn den Frauen kontinuierlich die Möglichkeit nicht nur des Hereingebens der Information, sondern unter Umständen auch des Wiederzurückziehens der Information gegeben wird? Es kann ja sein, dass die Mutter kurz nach der Geburt durchaus bereit ist, dem Kind ein Stück Information über sich preiszugeben, sich aber einige Jahre dazu entschließt oder der Meinung ist, diese Information doch nicht mehr geben zu wollen. Ich gehe jetzt einmal den umgekehrten Fall an, den Sie geschildert haben, dass also das Bedürfnis der Mutter, Informationen zu geben, nicht steigt, sondern vielleicht auch zurückgehen könnte. Wäre das aus Ihrer Sicht auch eine praktikable Lösung oder wäre eine Art notarielle Lösung, die der Mutter ein Stück weit mehr Anonymität auch im Zugang auf das Standesamt über eine Mittlerperson vielleicht die Hürde, von der wir sprechen, die nicht so hoch sein sollte, damit die Frau am Schluss auch das Angebot der anonymen Geburt überhaupt wahrnimmt, nicht unter Umständen eine bessere Lösung? Vielleicht könnten Sie dazu ein paar Ausführungen machen. Dann würde ich gerne von Frau Thoma wissen: Wenn wir davon ausgehen, dass die Mutter unter Umständen eine längere Zeit benötigt, um sich endgültig zu entschließen, ob sie die Geburt anonym durchführt oder nicht bzw. nach der Geburt, wie in unserem Antrag vorgesehen, eine längere Zeit zur Verfügung hat, ob sie sich das Kind mit der vollen Identität im Personenstandsregister eintragen lassen will oder nicht, würden Sie dann die Regelung vorgesehen oder für sinnvoll halten, die der Frau auch ermöglicht, das Kind aus dem Krankenhaus mitzunehmen, oder sind Sie in dieser verlängerten Überlegungsfrist der Meinung, dass dieses unbedingt mit Beratung oder unter einer Betreuung oder auch einer rechtlichen Klarstellung, was die Rechte des Kindes anbelangt, nur erfolgen kann?
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank. Herr Professor Hepting.
Herr Prof. Dr. Reinhard Hepting:
Zunächst zu der Frage, ob die Mutter nach einiger Zeit ihre Informationen wieder zurückziehen können soll. Ich denke, dass ist gar keine eigenständige Lösungsalternative, sondern geht praktisch auf in der Lösung, die der Mutter dann später, wenn das Kind mit dem Wunsch nach Aufdeckung der Identität an sie herantritt, die Möglichkeit gibt zu sagen ?Nein?, denn der Konflikt wird aktuell in dem Augenblick, in dem das Kind kommt, und man sollte dann entscheiden, denn sonst haben sie die Situation, dass eine Mutter erst die Daten gibt, dann nach zwei Jahren kriegt sie Angst und holt sie sich wieder. Und fünf Jahre später sagt sie, ach, jetzt gebe ich sie doch wieder, denn mittlerweile habe ich Sehnsucht nach meinem Kind, und dann lernt sie einen Mann kennen und verschweigt ihm die Vorgeschichte und sagt, jetzt hole ich es mir doch wieder ab, denn der sollte es später einmal nie erfahren. Sie haben die Gefahr eines ständigen Hin und Her und ich meine, es ist dann, wenn sie das für wünschenswert halten, von der Wertung her, dass man dann wartet bis zu dem Moment, wo es wirklich zum Konflikt kommt zwischen Mutter- und Kindesinteresse, und dass man dann entscheidet, je nach dem, wie man eben die Abwägung vornimmt. Aber Zwischenlösungen halte ich nicht für praktikabel, nicht für sehr zweckmäßig. Ansonsten würde ich sagen, in jedem Fall finde ich das französische Modell insofern sympathisch, als es hier nicht so ist, wie wir es momentan im Adoptionsgeheimnis haben, mit der Kenntnis des Kindes von seiner leiblichen Herkunft, was man einfach ins Standesamt gibt und schaut. Diese psychologische Vorbereitung und Vermittlung, wie sie das französische Modell vorsieht, halte ich durchaus für nachahmenswert.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Frau Thoma.
Frau Maria Elisabeth Thoma:
Ich bin eigentlich nicht dafür, dass eine Mutter, die eine anonyme Geburt in einem Krankenhaus oder in einem Geburtshaus hat, wo nach unserer Vorstellung dann eben eine unmittelbarer Meldepflicht von Seiten dieser Geburtshilfseinrichtung vorliegt und sie diese Meldung auch abgibt, dass eine Mutter ein Kind mit nach Hause nehmen kann. Ich finde, entweder eine anonyme Geburt, wo eigentlich meiner Ansicht nach sofort eine vorübergehende Sorgerechtsregelung erforderlich ist, oder eben die Anonymität wird aufgehoben, weil man sonst den Schutz des Kindes in meinen Augen nicht sicherstellen kann und das ist ein Problem, wo auch Regelungsbedarf ist.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Jetzt Frau Lenke für die F.D.P.
Abg. Ina Lenke:
Herr Dr. Ackermann, Sie haben sich mit Adoptionsbehörden, mit Jugendbehörden, mit der Staatsanwaltschaft zusammengesetzt und sind jetzt nicht mehr im rechtsfreien Raum. Habe ich das jetzt richtig verstanden oder haben Sie einfach ein Egreement mit Ihren örtlichen Stellen gefasst, dass Sie also nicht belangt werden können? Das ist meine ganz konkrete Frage. Die zweite Frage ist die, in einem Nebensatz haben Sie gesagt, oftmals sei die anonyme Geburt auch eine ambulante Geburt und die Frauen würden ihr Kind mitnehmen. Habe ich das richtig verstanden? Denn wir haben gerade festgestellt, dass eines nur geht. Also entweder man nennt den Namen als Mutter und nimmt sein Kind mit oder das Kind muss einen anderen Sorgeberechtigten haben. Können Sie mir vielleicht Ihren Nebensatz erklären? Vielleicht habe ich den auch mißverstanden.
Herr Dr. Ralf Ackermann:
Nein, Sie haben den schon richtig verstanden, aber zu der ersten Frage: Die Diskussion mit den verschiedenen Ämtern und den Juristen war im Vorfeld, bevor wir diese Geburten überhaupt angegangen sind, um festzustellen, welche Fußangeln bestehen im juristischen Recht. Wir haben dargelegt, wie wir uns das vorstellen, dass wir der Meinung sind, dass eigentlich die Geburt als solche ist nichts unmoralisches, nicht heimlich ist. Sie wird im Kreißsaal gemacht, das ist Punkt 1. Das Zweite ist die Personenstandsgesetzgebung für die größten Probleme, und das Dritte war die Kostenregelung. Die Kostenregelung, das habe ich schon angedeutet, wurde dann geregelt, in dem die Organisation des SterniParks diesen Part übernommen hat, und bei der Personenstandsregelung wurde eben das Verfahren, was wir dort momentan anwenden, akzeptiert und wurde von Seiten der Staatsanwaltschaft, also wirklich in lax ausgedrückt, gesagt, sie würde nicht mit Handschellen kommen, sondern sie müsse sagen, dass man dieses akzeptieren könnte, wie wir es machen würden, weil die Kinder gemeldet werden, nur mit den Daten, die wir hatten. Das heißt, es ist ein Junge, dann und dann geboren, so und so groß, Mutter unbekannt, Vorname Christina oder zu dem und dem Zeitpunkt. Das wurde akzeptiert, und wenn Sie so wollen, ist somit der Schwarze Peter an die Standesbeamten weitergegeben worden, und die haben sich dann natürlich mit dem Land in Verbindung gesetzt und da ist, wie ich schon gesagt habe, die Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen, inwieweit das Ganze jetzt irgendwo landesspezifisch umgesetzt werden soll, in dem jetzt auch, es gibt solche Überlegungen, solchen Kindern dann von Seiten des Landes irgendwelche Namen gegeben werden sollten. Es gibt viele Möglichkeiten, die da offen sind. Das zu dem Teil. Zu dem zweiten Part, den ich im Nebensatz gesagt habe, möchte ich auch noch einmal betonen, dass wir mit dem SterniPark zusammenarbeiten. Der SterniPark, und deshalb ist das auch eine sehr gute Zusammenarbeit, betreut die Frauen vor und nach den Geburten. Das ist wichtig. Und was auch ganz wichtig ist, was vielleicht hier auch zu kurz gekommen ist, was vielleicht auch für die standesbeamtliche Registrierung wichtig ist, in einem kleinen Ort, und da lassen sich anonyme Geburten gar nicht verheimlichen, wenn da eine Geburt ist, das ist der Nachbar oder wie oder was, dann ist es sicherlich notwendig, und das ist auch vom SterniPark so ein bisschen in der Art und Weise organisiert, dass die anonyme Geburt ortsfern durchgeführt wird, so dass das nicht im Lokalkolorit auffällig wird. Der SterniPark betreut die Frauen vorher, hat auch dadurch Gespräche, die haben auch Hebammen dort, und die Möglichkeiten, die Frauen zu beraten, auch zu beeinflussen, vielleicht anderen Sinnes zu werden. Genauso ist es nach der Geburt, wo die Kinder dort hingehen, und da müsste die Frage weitergehen an Herrn Moysich, dass dort in diesem Rahmen das Sorgerecht und all diese Dinge vom eingetragenen Verein vernünftig gehandhabt werden.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Dann dürfte ich Sie noch bitten einfach noch ergänzend dazu Stellung zu nehmen.
Herr Dr. Jürgen Moysich:
Dazu muss man sagen, dass wir nicht Frauen übernehmen, die dann in der Klinik ankommen, gebären und dann werden wir angerufen aus der Klinik und dann heißt das, kann ich zu euch kommen. Diesen Fall haben wir noch nicht gehabt. Es gab aber Frauen, die waren unterschiedlich lange vorher da und haben dann einen unterschiedlich langen Zeitraum danach dort verbracht, in dem, was eine ganz normale Mutter-Kind-Maßnahme nach § 19 StGB, ist, nur dass sie nicht bezahlt ist. Das ist der kleine Nachteil. Bis diese Entscheidungsphase also abgeschlossen ist. Wenn die dann sagen, die wollen mit ihrem Kind leben, was natürlich die häufigste Antwort ist, dann werden die Daten beim Standesamt ergänzt und dann gibt es auch gar keine Bedenken mehr, dass die Mütter dann mit ihrem Kind dahin gehen, wo sie gewohnt haben.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Für die PDS Frau Jelpke bitte.
Abg. Ulla Jelpke:
Das ist genau das Thema, wo ich dann noch einmal nachhaken möchte. Erst einmal zur Entlastung für Frau Swienteck, es ist uns auch von Terre des Hommes eine Stellungnahme zugegangen, wo sehr deutlich gemacht wird, dass Anonymität den Missbrauch begünstigt. Und hier wird genau das Thema aufgegriffen, dass hier nämlich davor gewarnt wird. Man weiß, dass diese Organisation seit 30 Jahren mit anonymen Geburten bzw. ausgesetzten Kindern zu tun hat, und hier ist genau das Problem beschrieben. Wenn sozusagen private Träger diese Organisation in die Hand bekommen, dann kann dieser Missbrauch auch in besonderem Maße bestehen oder entstehen. Es wird auf Erfahrungen verwiesen. Jetzt hätte ich erst einmal die Frage an Frau Thoma und auch noch einmal an Herrn Wilms, sind Sie auch der Meinung, dass beispielsweise Einrichtungen, die private Träger sind, ausschließlich an die Standesämter Meldung machen sollten. Warum eigentlich nicht an die Adoptionsstellen und warum nicht an die Jugendämter? Das würde mich einfach einmal interessieren auch wegen der Kontrolle, die besonders auch privaten Einrichtungen weiterhin obliegen muss. Und wenn ich mir jetzt noch einmal vorstelle, was Herr Moysich eben gesagt hat, was ist denn, wenn eine Mutter sich lange nicht entscheiden kann? Jetzt die Frage an Sie ,Herr Moysich. Was ist mit einer Mutter, die sich lange nicht entscheiden kann, ihre Anonymität aufzugeben, aber trotzdem mit dem Kind zusammenleben will? Aber es kann ja auch sein, dass sie Ihre Einrichtung verlassen will. Es gibt doch keinen Zwang, in dieser Einrichtung weiterhin zu sein. Wo ist eigentlich da die Grenze zu sagen, ich kann anonym bleiben, mein Kind aber behalten und mitnehmen und irgendwo gehen. Wo ist da die Grenze? Das würde ich gerne wissen. Dann hatte ich noch einmal an Frau Swientek einfach noch einmal die Nachfrage, was überhaupt bisher bekannt ist in den Adoptionsstellen, wie viele Einrichtungen diese Rechte haben? Sozusagen über private Träger. Dieses, ich sage einmal, Verfahren von der Babyklappe hin bis zur Adoption durchzuführen, ist das wirklich sinnvoll und wie weit gibt es da eine staatliche Kontrolle? Also nicht nur Standesämter, sondern für mich ist staatliche Kontrolle wirklich etwas, wo Jugendämter und Adoptionsbehörden, die staatliche Einrichtungen sind, mit beteiligt sind.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Frau Thoma.
Frau Maria Elisabeth Thoma:
Zunächst die Frage der Meldepflicht an Standesämter. Ich denke, Standesämter sind zunächst einmal für die Annahme von diesen Meldungen zuständig. Die Frage ist, die verstehe ich jetzt einmal so, wie man sicherstellen kann, dass diejenigen, die Begleitung und die Beratung dieser Frauen und anonym geborenen Kinder übernehmen wollen, wie man also sicherstellen kann, dass das nicht in einem ausschließlich privaten Rahmen abläuft. Habe ich das so richtig verstanden? Da denke ich, dass es ganz wichtig ist, das habe ich eben schon einmal angesprochen, dass man da ganz bestimmte Kriterien hat, nach denen man sagt, also hier diese Stellen sind zu dieser Arbeit, ich will nicht sagen, befugt, das wäre mir zu viel, aber sie machen ein ganz bestimmtes Angebot. Dazu gehört zunächst einmal, so wie Herr Pompe eben gesagt hat, natürlich, dass sie sich selbst verpflichten, unmittelbar bei entsprechender Nachricht eine Beratung zu leisten. Dazu gehört Zweitens meiner Ansicht nach, dass sie ein Netzwerk vorhalten, dass sie eben selbst als Träger Vereinbarungen getroffen haben, wie das auch Frau Geiss-Wittmann völlig zu Recht sagt, mit dem Jugendamt, mit Adoptionsvermittlungsstellen, wenn sie nicht selber eine haben und mit entsprechenden Krankenhäusern, Kostenträgern und so weiter. Ich finde, diese Voraussetzungen müssen schon einfach fachlich gegeben sein,um das zu sichern und dann sehe ich von Seiten dieser Einrichtungen eigentlich nicht eine große Missbrauchsgefahr. Wenn Sie mir erlauben, noch eine einzige Anmerkung zu machen zu der Zweiten Frage, die gerade an Herrn Moysich geht, nämlich zu der Frage, wie lange kann so etwas offen bleiben? Wir haben im Moment einen konkreten Fall, wo das im Moment ziemlich lange offen bleibt, aber es bleibt lange offen im Zusammenwirken mit dem Jugendamt. Da wird also versucht, eine Adoptionsvermittlungsstelle ist eingeschaltet, es ist sogar für die Mutter eine sozialpädagogische Familienhilfe installiert. Sie schwankt ständig hin und her, ob sie nun will oder nicht will. Nimmt Termine nicht wahr, aber das ganze läuft nicht irgendwo im geheimen ab, sondern das läuft insgesamt mit dem Jugendamt ab.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Danke. Herr Wilms.
Herr Reinhard Wilms:
Das war die Frage, warum private Träger, in denen Kinder betreut werden, die anonym geboren wurden, nach meiner Auffassung keine Verbindung zu Adoptionsstellen haben sollten. Das sollten sie besser nicht haben, um das Risiko zu minimieren, dass da solange keine Registrierung stattgefunden hat. Dass auf ein Adoptionsverfahren Einfluss genommen wird. Dass also versucht wird, über großzügige Spenden, oder wie auch immer, Einfluss auszuüben. Von daher halte ich es für sinnvoll, da nach Möglichkeit die Verbindung zu unterbinden. Was die Kontakte zum Jugendamt angeht, habe ich da keine Bedenken.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank, dann war Herr Dr. Moysich noch einmal gefragt.
Herr Dr. Jürgen Moysich:
Wir wissen ja, dass die Jugendhilfe im großen Umfang von dem lebt, was terre des hommes private Initiativen oder Vereine nennt, sonst könnten wir die Jugendhilfe in Deutschland zumachen, wenn es die nicht gäbe. Insoweit ist die Frage, die Tatsache, dass private Vereine das machen, gemeinnützig oder sonst wie, als anerkannte Träger der Jugendhilfe überhaupt kein Vorwurf und kein Unwerturteil, das irgendwelche Bedenken rechtfertigt. Was diesen Bereich also angeht, ist es natürlich in der Tat immer so, es bleibt auch mal ein Kind übrig nach einer anonymen Geburt. Nicht alle Mütter entscheiden sich für das Kind und dann verfahren wir so, wie mit Babyklappenkindern, da gibt es dann natürlich ganz klare vertragliche Vereinbarungen mit den Jugendämtern. Es ist völlig klar, wer eingeschaltet wird, wer zu welchem Zeitpunkt eingeschaltet wird. Ich denke, das ist selbstverständlich. Aber wichtig ist meiner Meinung nach, dass innerhalb einer gewissen Frist, die wir mit acht Wochen bemessen, es für die Frauen wirklich so privat wie möglich bleibt, damit die Hemmschwelle, sich an irgendjemanden zu wenden, sich zurückzumelden, geringer wird. Wenn es nicht gleich mit der Befürchtung verbunden ist, ich muss jetzt durch drei, vier, fünf oder sechs Ämter, um mein Kind wieder zurück zu kriegen bzw. überhaupt in Kontakt zu treten. Das ist vielleicht auch der Grund dafür, dass Angebote wie die Babyklappe intensiver in Anspruch genommen worden sind als andere Angebote, die man auch für die Lösung des Problems hätte in Anspruch nehmen können.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Frau Prof. Swienteck.
Frau Prof. Dr. Christine Swienteck:
Frau Jelpke, Sie haben mich nach privaten Trägern gefragt. Wenn Sie privat jetzt meinen, im Unterschied zu kommunal, dann würden unter privat zum Beispiel auch die kirchlichen Träger fallen. Ich weiß jetzt nicht genau, was Sie wissen wollten. Es ist so, Herr Moysich hat es eben angedeutet, jeder private, also auch kirchliche Träger, der eine neue Aufgabe übernimmt, in dem Fall wäre das jetzt Babyklappe oder anonyme Geburt, das ist was völlig neues, muss mit der Kommune entsprechende Verträge abschließen. Das heißt, die Kommune sichert sich, sie gibt im Grunde Aufgaben ab und diese Aufgaben müssen kontrolliert werden, es sei denn, man hat eine so gute Zusammenarbeit, dass man sich vertraut. Das könnte man auch voraussetzen. Die Kommune muss allerdings diese Aufgabe auch wahrnehmen und sie muss sie auch wahrnehmen können und sie muss sie auch wahrnehmen dürfen und das bedeutet, dass die Verträge sehr exakt sind und da, wo es Unstimmigkeiten gibt, auch eingegriffen wird. Das halte ich für ganz wichtig. Sie fragten nach der Zahl. Wir haben im Moment so um die 20 Babyklappen und wir haben die Diskussion, wirklich flächendeckend anonyme Geburt einzuführen, wobei ich aus Diskussionen weiß, dass manche Krankenhäuser wirklich nicht wissen, um was geht, inhaltlich nicht wissen, um was es geht. Sie haben das Gefühl, da ist etwas, das müssen wir jetzt auch anbieten, um die Palette unserer Angebote zu erweitern, aber sie wissen inhaltlich nicht, und ziehen zum Beispiel auch keine Pädagogen hinzu, wie sie damit umgehen. Diese Diskussion war am Montag zum Beispiel gerade in der ARD beispielhaft von einem Krankenhaus gezeigt.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank. Frau Kollegin Brandt-Elsweier von der SPD-Fraktion.
Abg. Anni Brandt-Elsweier:
Ich habe noch eine Frage an Frau Kurek-Bender. Sie schreiben in Ihrer schriftlichen Stellungnahme, dass Adoptiveltern, die anonym geborene Kinder aufnehmen, für die besondere Situation geschult werden sollen oder müssen. Nun haben wir gehört von Herrn Pompe, dass es bereits auch jetzt schon Adoptiveltern gibt, die zum Beispiel anonym geborene Kinder auf dem Ausland aufnehmen. Wie sieht diese Schulung aus? Oder findet die zur Zeit nicht statt? Und wenn nicht, wie sollte das denn gemacht werden? Sie sprechen von einer bundesweiten Kontaktmöglichkeit, die angeboten werden sollte. Und noch eine kurze Frage an Frau Professor Swienteck, Sie sind der Auffassung, dass offensichtlich die Zahl der anonymen Geburten schwunghaft ansteigen wird, wenn wir das dann gesetzlich regeln wollen. Wie erklären Sie sich denn den Rückgang in Frankreich, wo es schon seit 70 Jahren die anonymen Geburten gibt, von 1991 von ca. 780 Kindern, auf 1999 ca. 560 Kinder. Das ist sicherlich ein nicht unerheblicher Rückgang.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Frau Kurek-Bender.
Frau Indes Kurek-Bender:
Vielen Dank. Zu den Auslandsadoptionen: Ich denke, es sind zwei ganz verschiedene Dinge. Ein Kind, das im Ausland geboren wird und hier her vermittelt wird, weil es da drüben überhaupt keine Chance hatte, weil es überhaupt keine Jugendhilfe gibt - und hier die erwachsenen Adoptierten, also die hier aus Kindern Erwachsene wurden und wissen, welches System hier vorherrscht, verstehen überhaupt ganz schwierig, warum sich niemand zu ihnen bekennt. Das darf man nicht vermischen. Unsere Situation hier und Kinder, die aus dem Ausland herkommen. Die Schulung für Adoptiveltern sieht so aus, dass es teilweise überhaupt keine gibt. Es ist nicht verbindlich geregelt, dass Adoptiveltern geschult werden müssen und ich denke, dass ist eine ganz wichtige Voraussetzung, dass Kurse angeboten werden, dass Gruppenbildung gefördert wird, dass Selbsthilfegruppen gefördert werden. Im Pflegekinderwesen ist es etwas anderes, da ist es gesetzlich geregelt, dass Gruppen unterstützt werden. So etwas gibt es im Adoptivwesen überhaupt nicht. Ich denke, es ist ganz wichtig, dass Adoptiveltern begleitet werden, wenn die Kinder in die Pubertät kommen, wird es schwierig. Es gibt gut funktionierende Adoptivverhältnisse, wo Kinder ganz klar sagen, sie lieben ihre Eltern. Ihre Adoptiveltern, und das sind ihre Eltern, und trotzdem knallt es fürchterlich, weil sie nicht damit fertig werden, ihre Eltern nicht kennenzulernen. Nämlich ihre Herkunftseltern. Das kann man sich nicht vorstellen, wenn man nicht adoptiert ist. Sie lieben ihre Herkunftseltern. Sie wollen sie eigentlich nur sehen. Sie wollen Kontakt und sie verstehen dann auch, wenn Herkunftseltern sagen, wir wollen diesen Kontakt nicht, wir sehen, wir gucken uns einmal an und sagen dann, nie wieder. Das wird verstanden, aber dieses nicht öffnen dürfen dieses Briefes oder überhaupt nichts zu erfahren über Herkunft, das ist ganz schwierig für Adoptierte und da denke ich, müssen Adoptiveltern ganz früh anfangen andere Signale zu finden. Wir empfehlen Adoptiveltern, ganz früh in die Krankenhäuser zu gehen. Den Arzt, der das Kind auf die Welt geholt hat, wenn es eine Geburt war im Krankenhaus, zu fotografieren. Die Umgebung des Kindes zu fotografieren, Leute zu befragen, Bereitschaftspflegestellen oder andere Einrichtungen, wo die Kinder zwischendurch deponiert waren. Also eine Geschichte für das Kind zu finden. Also alles mögliche aus der Geschichte zu finden, wenn es schon keine Herkunftseltern hat. Und das machen normale Adoptivbewerber, die nicht darauf hingewiesen werden, nicht, weil sie denken, wir bilden eine ganz normale Familie und stellen dann fest, was sie 15 Jahre versäumt haben und das ist ganz schwierig, das hinterher aufzudröseln. Das meinten wir mit einer anderen Begleitung und Vorbereitung.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Frau Professor Swienteck.
Frau Prof. Dr. Christine Swienteck:
Es waren zwei Fragen an mich, die Frankreich betreffen. Die eine Antwort ist, es ist eine Prognose, die natürlich ungesichert ist, so wie es Prognosen immer sind. Ich gehe von französischen Verhältnissen aus und von französischen Zahlen und rechne die hoch auf deutsche Verhältnisse. Das heißt, auf die deutsche Bevölkerungszahl und komme von daher auf eine hohe Zahl von anonymen Geburten. Wir werden abwarten müssen, ob das zutrifft oder nicht, aber wir machen den Frauen ein Angebot. Die zweite Frage war, warum wir eine Abnahme in Frankreich feststellen können? Ich vermute, weil wir seit Anfang der 90iger Jahre bereits juristische Veränderungen haben. Das heißt, was hier mehrfach von den Juristen auch dargestellt wurde. Frankreich bekommt eine neue juristische Regelung, die läutet sich langsam seit Anfang der 90iger Jahre ein. Das heißt, dass Mütter schon Unterlagen hinterlegen sollen, dass sie schon dazu angeregt werden. Das heißt, diese komplette Anonymität wird in Frankreich auf Drängen der Adoptierten und einer sehr starken Adoptierten-Bewegung bereits gelockert und das könnte, das ist eine Deutung, der Grund sein, weshalb die anonymen Geburten zurückgehen. Weil sie eben nicht mehr ganz so anonym ist, weil eben nicht mehr diese 100 %ige Garantie gegeben ist. Das ist eine Vermutung, Gründe kennen wir nicht.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim):
Ich habe jetzt noch drei Wortmeldungen für Fragen. Ich schlage Ihnen vor, dass wir dann auch abschließen. Ich glaube, dann kommen wir auch einigermaßen zielgenau zum Ende. Dann habe ich jetzt noch die Kollegin Philipp, CDU-Fraktion.
Abg. Beatrix Philipp:
Nur eine ganz kurze Frage, weil eben da nachgefragt wird, und an Frau Weiß wegen der Hausgeburt. So im Vorfeld dieser Anhörung, da habe ich schon darüber nachgedacht und gebe zu, dass ich die Sache sehr praktisch angegangen habe, weil ich aus der eigenen Familie damit befasst worden bin. Sie müssen doch, wenn ich das richtig weiß, die Schwangere darauf hinweisen, dass Sie in schwierigen Fällen, also wenn es gefährlich wird, sie sofort ins Krankenhaus fahren müssen. Ich könnte mir schon vorstellen, wenn ich mir nur die Umsetzung vorstelle, bei einer anonymen Geburt müssen sie den Säugling unter den Arm nehmen, sie müssen den mitnehmen. Ich frage jetzt, sonst kriege ich das nicht hintereinander. Und vor diesem Hintergrund habe ich doch die Frage, ob es eine Lösung wäre, den Begriff, die Hausgeburt auszuschließen und zu sagen, man muss im Zweifelsfall sowieso ins Krankenhaus. Mit dem Gedanken muss die Schwangere sich im Zweifelsfall auseinandersetzen. Auch bei einer anonymen Geburt und mit dem Hinweis darauf, Sie bleiben zurück und ich nehme das Kind mit, ist die Situation eine andere, als wenn das alles im Krankenhaus passieren würde, wo es, wie wir eben gehört haben, geregelt würde. Wie stellen Sie sich den Ablauf vor oder haben Sie Lösungsmöglichkeiten? Zweitens: Herr Professor Hepting oder vielleicht auch Herr Pomp, ich kann das nicht so genau sagen. Ich habe irgendwann gelernt, immer wenn wir nicht genau wissen, wo wir mit einer Aufgabe hin sollen, dann fällt uns das Bundesverwaltungsamt ein. Und da habe ich immer noch das Gefühl, dass dieses Standesamt, da schwebt mir so ein kleiner Ort vor, da ist die Befürchtung, ähnlich wie bei kleinen Krankenhäusern, da tratscht es sich herum, das ist die Sorge der werdenden Mutter, die Anonymität ist nicht gewahrt. Frage: könnten Sie sich vorstellen, dass man so etwas, weil das die einzige Einrichtung ist, die ich kenne, beim Bundesverwaltungsamt tatsächlich anonym und zentral und so weiter speichern würde. Das geht so ein bisschen in die Richtung, was Frau Thoma gesagt hat. Vielleicht über so ein Register, das dann da angelegt würde als Alternative zum Standesamt. Um das weiter von da wegzubringen. Die Dritte Frage: Vielleicht kann das Herr Wilms noch einmal beantworten oder auch Herr Pompe - wir haben im Zusammenhang mit der Organtransplantation uns auch befassen müssen mit der Notwendigkeit, eine Regelung zu finden, die den Missbrauch Organhandel ausschließt. Da sind wir auf die Idee gekommen und haben die auch ins Gesetz geschrieben. Diejenigen, die an einer Organentnahme beteiligt sind, können bei der Vergabe nicht beteiligt sein. Sehen Sie eine Möglichkeit, so etwas hier einzuführen? Dass man einfach sagt, diejenigen, die bei der Geburt beteiligt sind, können dann nicht bei der Adoptionsvermittlung beteiligt sein. Missbrauch kann man nie ausschließen. Aber dass man einfach eine andere Stelle damit befasst, um wenigstens die Möglichkeit des Handelns zu reduzieren. Wäre das eine Möglichkeit?
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Danke. Dann war die Frau Weiss als erste gefragt.
Frau Magdalena Weiss:
Insgeheim habe ich auf die Frage gewartet und ich muss Ihnen aber auch sagen, mir ist kein Fall bekannt von einer anonymen Geburt zu Hause. Das einmal im Vorspann und ich habe es auch nicht bis ins letzte durchgespielt, wie es dann tatsächlich aussehen könnte oder müsste. Es ist so, ich würde es als absolut nicht richtig ansehen, dass Hausgeburten ausgeschlossen werden, wenn wir ein Konzept aufstellen für anonyme Geburten. Weil ich erstens sehr viel halte von der Wahlfreiheit von Frauen für den Geburtsort, und da ich mir vorstellen kann, dass gerade auch eine Frau, die Gründe hat, anonym zu gebären, vielleicht auch Gründe hat, sich nicht ins geburtsmedizinische Ambiente von einem Krankenhaus zu begeben. Insofern würde ich ihr die Wahl offenlassen, würde aber, wie ich das bei jeder Frau mache, die eine Hausgeburt möchte, sie gründlich aufklären und in diesem Fall wäre es sicher notwendig, im Vorfeld schon eine gute Vernetzung zu schaffen mit entsprechenden Stellen, die einbezogen werden müssten in diesem Fall. Zum Beispiel, weil es die Mitnahme oder Versorgung des Kindes angeht. Ich denke, so kann man, wie eine andere Hausgeburt mit eben dem bestimmten Schwerpunkt, auch die Versorgung des Kindes gut vorbereiten, dass man also in dem Fall dann wirklich eine Person von einer entsprechenden Stelle hat, die das Kind abholt, und so für Eventualitäten vorsorgt.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Danke. Herr Pompe war gefragt.
Herr Dipl. Psych. Christoph Pompe:
Wenn ich auf die erste Frage antworten darf, mir fällt neben dem Bundesverwaltungsamt noch ein vertrauenswürdiges Institut der deutschen Rechtspflege ein, das normale Notariat,das auch in der Diskussion auftaucht. Auch ohne entsprechende Rechtskunde, nur als Bürger, der dort ab und zu auftritt, dies ist eine Einrichtung, die hat Bestand. Sie genießt ein Vertrauen und sie bedarf auch keiner neuen Bürokratienbehörde. Dies fällt mir nur noch ein. Zu der Frage der Interessenkollision. Es gibt eine ähnliche Regelung im Schwangerschaftskonflliktgesetz. Der schwangerschaftsfeststellende Arzt darf nicht der sein, der den Abbruch durchführt. Ähnliches ist hier denkbar. Von der Art der beteiligten Berufsgruppen her ist es sowieso, eine Hebamme, der Ärztin, die in der Regel nicht Mitarbeiterin eines Jugendamtes ist, es sei denn, sie hat einen gewerblichen Adoptionsvermittlungsbetrieb nebenbei, dann müsste man vom Standesrecht her, dies tatsächlich ausschließen, denn die Rechtsfigur ist im Schwangerschaftskonfliktgesetz vorgegeben, falls das vorkommen sollte. Insofern habe ich da eigentlich keine Sorge von Interessenkollision und Missbrauch. Das ist natürlich bei den Jugendhilfeeinrichtungen, die selber Jugendhilfe leisten und Obhutnahme machen, ein Problem. Wenn die klein, gemeinnützig und in ihrer Existenz bedroht sind, jetzt hören, dass tatsächlich kommerzielle Vermittler an der Adoption wahnsinnige Gelder verdienen und das werden durch unsere sinkende Fruchtbarkeit immer mehr werden, werde ich mir doch als kleiner Jugendhilfeträger überlegen, ob nicht diese gewinnträchtige Adoptionsvermittlung noch mit ins Boot nehme. Dies ist allerdings ist eine Frage an uns und Herrn Wilms, ob das dann in unseren Fachgremien zur Sicherung der Qualitätsstandards für Jugendhilfe unter dem Stichwort der Kommerzialisierung der Jugendhilfe irgendwie zu regeln ist. Die Probleme gibt es auch im Bereich stationärer Jugendhilfe. Das ist ein ganz anderes Rechtsgebiet, da haben Sie Recht. Da ist Missbrauch auch in der Jugendhilfe denkbar unter der Überschrift Kommerzialisierung und der größte Kommerz ist tatsächlich der Handel mit Adressen von adoptionsfähigen Eltern und deren Kindern. Das ist richtig, aber ist ein ganz anderes Rechtsgebiet. Das steckt in der Jugendhilfe. Darüber müssen wir noch einmal neu diskutieren.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Herr Professor Hepting, noch einmal zur Frage der Archivierung.
Herr Professor Dr. Reinhard Hepting:
Man muss zunächst einmal unterscheiden: den Geburtseintrag - der wird wohl immer am Geburtsort des Kindes geführt werden müssen, weil das einfach die Systematik des deutschen Personenstandsrechts erfordert, mit diesen ganzen auf einander abgestimmten verschiedenen Personenstandsbüchern. Es muss der Geburtsort des Kindes bekannt sein. Dort müssen dann die Personenstandsdaten eingetragen werden. Eben nicht der Name der Mutter. Das Feld mit dem Namen der Mutter wäre dann im Geburtseintrag frei. Davon zu unterscheiden ist die Frage, wo die Unterlagen verwahrt werden. Da sehe ich allerdings nur ein sekundäres Problem. Das ist wirklich reine Regelungstechnik. Das Bundesverwaltungsamt kommt in Betracht. Man könnte unter Umständen an einer Sonderstandesamt denken, Standesamt I in Berlin, was auch ein Sonderstandesamt ist für Personenstandsfälle im Ausland. Man könnte eventuell auch daran denken, dass man das jetzt lokalisiert bei der neu einzurichtenden zentralen Behörde im Rahmen der Einführung des Haager Adoptionsübereinkommens. Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe, das hat auch ein bisschen was mit Adoption zu tun, wäre vielleicht dort auch unterzubringen. Das ist allerdings nur eine Frage der Regelungstechnik. Da sehe ich kein Problem.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Dann war noch der Herr Wilms.
Herr Reinhard Wilms:
Das war die Frage, wie Missbrauch vermieden werden kann bei der Adoptionsvermittlung. Die Adoptionsvermittlung bedarf der Genehmigung. Es kann nicht jeder eine Adoptionsvermittlungsstelle betreiben, sondern da braucht er eine Genehmigung und man braucht eine Genehmigung, wenn ich ein Kind, auch wenn es nur eins ist, wenn ich das betreuen möchte, obwohl es nicht meins ist. Das heißt, das lässt sich genehmigungsrechtlich auseinanderhalten. Das kann man machen. Es steht nicht ausdrücklich im Gesetz, ob das unbedingt nötig wäre, das noch in SGB VIII reinzuschreiben, weiß ich nicht. Ich denke, das kann man auch, das lässt sich auch anders regeln. Aber aktuell jedenfalls ist es so, dass die Gefahr, dass das beides gemeinsam betrieben wird, wohl eher nicht besteht.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank. Herr Kollege Friese.
Abg. Harald Friese:
Frau Vorsitzende, ich habe noch zwei Fragen, aber vielleicht eine Vorbemerkung zu dieser Behörde, die man da gegebenenfalls schaffen muss oder welche man nimmt für das Hinterlegen der Daten. Lassen Sie mich spöttisch sagen, das ist vielleicht wieder eine typisch deutsche Diskussion, jetzt führen wir eine Diskussion, welche Behörde das ist. Es gibt wichtigeres. Es gibt keine neue. Ich meine auch beim Notariat, um das anzumerken, es ist keine Frage, es gibt auch Notariate in kleinen Gemeinden. Da stellt sich genau das gleiche Problem wie beim Standesamt in einer kleinen Gemeinde. Mir scheint Ihr Vorschlag aber richtiger zu sein. Standesamt, das hat eine logische Beziehung und dann macht man ein Sonderstandesamt und dann gibt es in einem Bundesland zwei oder drei Standesämter, wo diese Daten zentral verwaltet werden und ich glaube, damit ist die Frage der Anonymität sichergestellt und wir haben keine neue Behörde und es läuft im Prinzip wie im selben Geschäftslauf einfach weiter. Meine Frage, die ich noch einmal habe zur Diskussion über die Schwangerschaftsberatungsstellen. Ob diese nun die Beratung vornehmen dürfen bei anonymen Müttern oder nicht. Frau Geiss-Wittmann hatte eine sehr pointierte Stellungnahme abgegeben. Wenn man wissen will, warum es nicht geht, muss man nur die Stellungnahme von Frau Thoma lesen. Deshalb will ich dazu gar nichts mehr sagen, weil es ihre Stellungnahme ist, glaube ich, rechtlich überzeugend. Aber ich habe an Sie beide die Frage, um vielleicht hier ein Denkmodell zu entwickeln: wäre es nicht denkbar, die Mitarbeiter in Schwangerschaftsberatungsstellen, die die fachliche Kompetenz haben, die Beratung vornehmen zu lassen, aber nicht in ihrer Eigenschaft als Angehörige der Schwangerschaftsberatungsstelle. Sondern sozusagen die fachliche Kompetenz der Mitarbeiter zu nutzen, aber einer eigenständigen Funktion, das kann man dann, das wird man dann noch regeln müssen, welche Institutionen diese Beratung vornehmen dürfen. Vielleicht müssen wir das noch regeln. Aber dann hätten wir die ganze Frage mit Zeugnisverweigerungsrecht oder ob das die richtige Stelle ist, damit erledigt. Und wir nehmen die Menschen, die beraten, aber in einer anderen Funktion, in einer anderen Eigenschaft. Zweite Frage, wobei ich noch nicht genau weiß, an wen ich die richten soll. Wir wollen die anonymen Geburten legalisieren. Einmal aus dem Interesse des Kindes heraus, um ihm die Chance auf Leben zu geben, aber auch im Interesse der Mutter, um ihr eine humane Geburt zu ermöglichen. Was dahintersteckt ist eine weitergehende Überlegung, weil die anonyme Geburt sicher nur die zweitbeste Lösung ist. Auch die Chancen zu vergrößern, dass Mütter, die anonym gebären wollen, ihr Kind annehmen und die Zahlen, die Sie genannt haben, Herr Dr. Moysich. Herr Pompe, das ist zwar keine große statistische Größe, aber es entspricht der Zahl, die ich immer in Gesprächen nannte. Einfach gefühlsmäßig. Ich gehe davon aus, um das begründen zu können, dass 50 % der Mütter ihr Kind, wenn sie unter humanen Bedingungen ihr Kind zur Welt bringen können, wenn Beratungsgespräche stattfinden, dann ihr Kind annehmen. Bei Ihnen stimmt es exakt, 2 von 4 und bei Ihnen sogar noch mehr, 5 von 9. Das heißt doch, dass die ganze Überlegung ambulante Geburt, das wir die eigentlich verwerfen müssen, denn wenn die Mutter ihr Kind annehmen will, dann braucht sie dazu Zeit. Das kann man nicht quantifizieren, ob das eine Woche ist, ob das zwei Wochen sind oder ob das acht Wochen sind. Acht Wochen sage ich jetzt bewußt - Adoptionsfrist. Aber ich muss den Müttern Zeit geben, damit sie sich dem Kind annehmen und vielleicht durch die Gespräche der Beratungsinstitutionen für sich und ihr Kind eine neue Perspektive bekommen. Also müsste man, ich weiß nicht, ob man das regeln kann, man müsste eigentlich fast vorschreiben, dass eine anonym gebärende Mutter mindestens eine Woche im Krankenhaus bleiben muss. Nicht muss, das kann man ja nicht. Aber die Möglichkeit zu geben, wenn sie es will, dass sie eine Woche im Krankenhaus bleiben kann, damit dort Beratungsgespräche geführt werden, denn ob es so viele Einrichtungen gibt, wie Sie sie vorhaben Herr Dr. Moysich, das weiß ich nicht. Aber es wäre doch schon einmal schön, wenn man die Möglichkeit gibt und sagt, du kannst bleiben. Jetzt weiß ich nicht, an wen ich die Frage richten soll, aber sonst ist dieses ganze gesetzliche Konzept, was wir haben, hat diesen Zweck, und das ist vielleicht der wichtigste Zweck, dass wir eine Organisationsform finden, dass Mütter ihre Kinder annehmen. Insoweit auch noch einmal auf den Hinweis Frau Kurek-Binder, was Sie geschrieben haben auf Seite 4 des Gutachtens. Sie haben geschrieben, dass Kindern nicht mehrere Beziehungsabbrüche zugemutet werden sollen. Also erst die Beziehung zur Mutter, dann wenn sie zur Adoption freigegeben werden, die Zwischenmütter oder Zwischeneltern und dann die Adoptionseltern. Wollen Sie es bei anonymen Geburten erreichen, dass die Mutter, wenn sie ihr Kind zur Adoption freigibt, das Kind acht Wochen behält und dann zur Adoption freigibt? Oder ist das eine Aussage, dass man das Adoptionsrecht ändern soll? Wenn ich das so richtig verstehe. Ich weiß nicht, worauf Sie beziehen. Auf das geltende Adoptionsrecht oder vielleicht auf die anonymen Geburten. Was Sie sagen ist richtig, aber es kann nicht sein, dass wir bei anonymen Geburten jetzt eine Regelung finden, die sozusagen besser wäre, sozusagen den Ausnahmefall besser stellt als den Regelfall. Dann müssen wir den Regelfall mit regeln. Sonst gäbe es eine unlogische gesetzliche Konsequenz. Vielleicht können Sie die Frage beantworten und wenn ich Frau Vorsitzende, fragen darf, die andere Frage, die ich gestellt habe, da weiß ich nicht, an wen ich sie richten soll, vielleicht sind Sie so nett und fragen, wer dazu etwas sagen möchte. Das wäre der einfachste Weg.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Dann war die erste Frage noch klar. Frau Geiss-Wittmann war angefragt.
Frau Maria Geiss-Wittmann:
Ich bedanke mich sehr für diese Fragen, weil ich noch einmal klarstellen kann, dass wir nicht in der Eigenschaft als Schwangerenberatungsstelle tätig werden. Deshalb haben wir dem Projekt auch einen ganz eigenen Namen gegeben. Nämlich das Projekt Moses. Damit also nach außen hin nicht die Schwangerenberatungsstelle bei den Frauen, die so bedrängt sind, vorherrscht, sondern ein ganz eigenes Angebot nach außen hin. Aber wenn die dann kommen, kommen sie aus einem kompetenten Träger, der auch die Staatsaufgaben erfüllt, wie ich schon sagte, und der sich auch der sonstigen Kontrollen des Staates unterzieht. Weil es wirklich, wie heute schon gesehen und gehört wurde, dass es eine ganz wichtige und gewissenhafte Arbeit ist, die hier zu leisten ist. Die zweite Frage, mehr Zeit. Das kann man absolut regeln. Erstens hat die Frau das Recht dazu im Adoptionsverfahren sich Zeit auszusparen, so lange sie es will. Das ist einmal ganz klar. Zum anderen haben wir, und da muss ich jetzt noch einmal auf den Paragraphen 26 zurückkommen, und noch einmal vielleicht noch etwas klären. Wir haben erstens keine Findelkinder nach einer anonymen Geburt. Das hat bei uns ganz eindeutig das Vormundschaftsgericht festgestellt. Das sind Kinder, wo nicht der gesamte Personenstand klar ist. Man hat etwas in § 26 geregelt, der sich auf den § 25 bezieht und dieser § 26 bietet schon eine Möglichkeit, die Zeit auszudehnen. Weil nämlich dort steht, dass auf Anordnung dann der Personenstand festgestellt werden kann, zum Beispiel wenn entweder die Mutter sich meldet, dann kann man diesen Personenstand feststellen oder aber man wartet noch längere Zeit, weil die Mutter sagt, ich weiß noch nicht, ob ich jetzt bei diesem Kind bleibe. Da hat man Regelungen, die weit über ein viertel Jahr hinaus reichen. Auch § 27 gibt uns noch Möglichkeiten dazu. Die Paragraphen 26, 27 und 28 geben uns die Möglichkeit, der Frau die Zeit zu geben, die sie braucht. Unser Recht hat also schon an vieles gedacht. Man muss eigentlich nur, wie in einer Fußgruppe, manchmal nach Regelungen suchen. Sie als Abgeordnete haben schon sehr viel geregelt, das muss ich schon einmal sagen. Es ist auch so, dass nach dem § 26, wenn diese beim Standesamt gemeldet wurde, das nicht beim Standesamt verbleibt. Wir wissen von der Mutter schon sehr viel, das ist für die Identitätssicherung so wichtig. Wir nehmen alles auf, was wir von der Mutter wissen und dann wird das im Standesamt in einem Protokoll festgelegt und das geht, und das haben die Länder unterschiedlich geregelt, ich weiß nicht, wie es in den anderen Ländern ist, aber bei uns war es früher so, dann regelt diese Anordnung der Bezirk und das ist jetzt, seit 1999, bei uns zu Beispiel, auf die Kreisverwaltungsbehörden übergeben worden. Ursprünglich hieß es im Gesetz von § 26 in den Kommentaren, es regelt die oberste Landesbehörde. Die gibt es aber nicht in allen Ländern und dann ist das so geregelt worden. Das regeln die Länder unterschiedlich. Bei uns ist es so, dass dann diese Protokolle zur Kreisverwaltungsbehörde, zur Aufsichtsbehörde, über die Standesämter kommen. Das nur aus meiner praktischen Erfahrung heraus. Ich bin kein Jurist, aber das weiß ich halt, weil ich es tue.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank. Frau Thoma.
Frau Maria Elisabeth Thoma:
Ich glaube nicht, dass wir hier eine Regelung brauchen, die uns von vorneherein wieder in diese ganze Auseinandersetzung bringt, die eigentlich im Grunde die augenblicklich geltende Gesetzeslage sozusagen versucht zu optimieren und aufgrund dieser optimalen Ausnutzung eben Umgehungstatbestände zu schaffen, wie Herr Heptin gesagt hat und deswegen kann ich nur dabei bleiben, dass ich sage, ich halte eben eine ganz andere und eine ganz neue Regelung in diesem Zusammenhang für notwendig.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank. Dann gab es die Frage ohne Adressaten mit der Frage wer sich berufen fühlt. Frau Professor Swienteck hatte sich dazu gemeldet.
Frau Prof. Dr. Christine Swienteck:
Ich möchte gerne ein scheinbares Mißverständnis ausräumen. Es geht immer wieder um diese Acht-Wochen-Frist. Ich glaube, es ist wichtig, einmal zu sagen, was die bedeutet. Das ist die Frist zu der allerfrühestens die Mutter überhaupt die Einwilligung geben kann. Das heißt acht Wochen nach der Geburt kann sie frühestens einwilligen und nicht spätestens, wie das immer so den Eindruck macht. Sie können auch genauso gut nach sechs Monaten einwilligen oder nach anderthalb Jahren oder wie auch immer. Das muss einfach einmal klar sein. Auch wenn es um diese 10- Wochen- Meldefrist geht. Diese acht Wochen haben gar keine andere Bedeutung. Die Frau muss soviel Zeit haben, wie sie braucht, und das hat mit den acht Wochen nichts zu tun. Die andere Frage war hier, wir müssen dem Kind ermöglichen, gleich in seine spätere Familie zu kommen. Das Risiko, das sage ich jetzt mit Anführungsstrichen, tragen in dem Fall die Adoptiveltern, damit nicht das Kind das Risiko trägt. Wir gehen davon aus, dass erwachsene Leute, die ein Kind adoptieren wollen und es erst einmal in Pflege nehmen, eher damit umgehen können, psychisch, dass sie sich eventuell noch von dem Kind trennen müssen, wenn die Mutter zurückzieht. Für das Kind ist es ungleich schwieriger. Für das Kind ist es wesentlich schwieriger, Beziehungsabbrüche hinzunehmen. Das heißt erst anonyme Geburt im Krankenhaus, dann Pflegestelle, dann Adoptionsfamilie, wenn die Mutter sich entschieden hat. Mein Vorschlag ist prinzipiell bei jeder Adoption, egal wie die vorherige Regelung ist, das Kind muss so schnell wie möglich in die potentielle Adoptivfamilie und diese Eltern wissen, dass sie eventuell, wenn die Mutter nicht einwilligen kann oder will, das Kind abgeben müssen. Das wissen sie aber vorher. Aber wenn die Mutter zustimmt und sagt, ich will dabei bleiben und das sind die Eltern, die ich akzeptieren kann, ist das Kind von vornherein in der richtigen Familie gewesen und kann bleiben ohne Beziehungsabbrüche.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Vielen Dank. Und dann war noch einmal angefragt die Frau Kurek-Bender.
Frau Ines Kurek-Bender:
Genau die Frage mit den acht Wochen hat die Frau Swienteck jetzt schon beantwortet. Adoptiveltern wissen, welches Risiko sie eingehen und es passiert ganz oft, dass abgebende Eltern sich das ganz klar gemacht haben, sie schaffen das nicht mit ihrem Kind. Stellen dann fest, wenn das Kind weg ist, wie schrecklich, ich schaffe es auf jeden Fall. Sie bekommen natürlich ihr Kind sofort zurück, wenn überprüft ist, ob die Zustände in Ordnung sind und entscheiden sich dann sehr oft acht Wochen später wieder anders, weil die Praxis sie lehrt, dass sie es doch nicht schaffen, was sie eigentlich vorher gewusst haben, das sie auch mit der Beratung verarbeitet haben und dann kommt das Kind wieder zurück in die Adoptivfamilie. Das erfahren wir ganz oft, dass das passiert.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Dann haben wir jetzt die letzte Frage von Dr. Stadler, FDP.
Abg. Dr. Max Stadler:
Auf die Gefahr hin, dass die Frage während meiner Abwesenheit schon erörtert worden ist, möchte ich Herrn Hepting noch einmal zur verfassungsrechtlichen Herleitung des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung fragen. Wird das wirklich nur aus Artikel 2, also aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht hergeleitet oder auch aus Artikel 1 des Grundgesetzes, aus der Menschenwürde? Nun ist dies deswegen von Bedeutung, weil wenn es Ausfluss der Menschenwürde ist, nicht so ohne weiteres im Wege der Abwägung mit anderen Gütern dieses Recht des Kindes auf seine Abstammung zu kennen, eingeschränkt werden kann.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Die Frage war nur in ähnlicher, aber nicht in gleicher Fragestellung bereits gestellt, deshalb Herr Professor Hepting.
Herr Prof. Dr. Reinhard Hepting:
Ich muss jetzt erneut bekennen, dass ich kein Verfassungsrechtler bin. Meines Wissens hat das Bundesverfassungsgericht sich ausschließlich auf das Persönlichkeitsrecht bezogen. Ich kann mich aber täuschen.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Die letzte juristische Meinung. Wollen Sie eine verbindlichere Auskunft geben?
Herr Prof. Dr. Gerhard Hohloch:
Sie können natürlich gestuft aufbauen, wenn Sie auf das Persönlichkeitsrecht aufbauen. Zunächst dieses gründet wiederum auf Artikel 2.1 wie 1.1.
Herr Prof. Dr. Reinhard Hepting:
Ja, ich habe es hier. Leitsatz: "Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Artikel 2, Absatz 1, in Verbindung mit Artikel 1, Absatz 1, umfasst auch das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstimmung.
Vors. Ute Vogt (Pforzheim): Dann ist angeregt, die Vertiefung im Gerichtsurteil zu suchen. Dann darf ich mich ganz herzlich bedanken. Insbesondere bei unseren Damen und Herren Sachverständigen. Auch bei den Kolleginnen und Kollegen und vor allem bei denen, die auch Interesse bekundet haben und auch bis zum Schluss der Anhörung gefolgt sind. Ich darf mich bedanken auch noch beim Sekretariat, das diese umfassende Anhörung vorbereitet hat und wünsche uns kluge Entscheidungen auf Grundlage dessen, was wir heute lernen durften und wünsche Ihnen allen einen schönen Nachhauseweg und denen von auswärts noch eine schöne Zeit in Berlin.