Protokoll 14/77
14. Wahlperiode
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
77. Sitzung
Berlin, den 17. Oktober 2001, 13.30 Uhr
(Sitzungssaal: 2.200, Paul-Löbe-Haus)
Vorsitz: Christel Riemann-Hanewinckel (SPD)
77. Sitzung
Beginn: 13.30 UhrVorsitzende: Meine Damen und Herren, sehr geehrte Sachverständige, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir beginnen jetzt mit unserer Anhörung. Es ist gleichzeitig die 77. Sitzung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Wir haben im Ausschuss den Beschluss gefasst, was nicht unbedingt das Normale und das Übliche ist, dass wir uns mit der Thematik und Problematik der Pränatalen Diagnostik und Präimplantationsdiagnostik aus frauenspezifischer Sicht heute hier befassen wollen. Das ist deshalb etwas ungewöhnlich, weil diejenigen, die vielleicht schon öfter hier zu Anhörungen im Deutschen Bundestag waren, wissen, dass normaler Weise ein Antrag oder aber ein Gesetzentwurf vorliegt, zu dem wir dann die Sachverständigen bitten, Stellung zu beziehen und uns vielleicht Hilfestellung für Formulierungen zu geben oder aber ihre Erfahrungen mitzuteilen. Heute läuft es etwas anders, weil wir ein großes Interesse daran haben, als frauenpolitischer Ausschuss aus frauen-spezifischer Sicht, nicht aus medizinischer und nicht unbedingt aus wissenschaftsmedizinischer Sicht das eine oder andere zu hören, sondern wirklich aus der Sicht der vorrangig betroffenen Frauen.
Sie haben unseren Fragenkatalog bekommen, der interfraktionell, von allen Fraktionen, erarbeitet worden ist. Ebenso hat auch die Benennung von Expertinnen und Experten stattgefunden. Wir sind heute weniger Teilnehmer auf beiden Seiten, als ursprünglich einmal angenommen, sowohl bei den Expertinnen und Experten, als auch auf der Abgeordnetenseite. Sie kennen zum Teil den Ablauf. Hier wird es ein nicht ständiges, aber doch ab und an auch Kommen und Gehen geben, weil wir immer, wenn Anhörungen sind, parallel dazu im Plenum und an anderen Stellen noch Verpflichtungen haben. Nicht desto trotz müssen alle wissen, dass das Interesse an dem Thema sehr groß ist und dass die Abgeordneten alles, nicht nur das, was Sie uns als Stellungnahme vorab oder heute gegeben haben, sondern alles, was hier besprochen wird, festgehalten wird und dann auch im Protokoll schwarz auf weiß vorliegt. Auch wenn vielleicht zwischenzeitlich immer weniger Abgeordnete sitzen, sollen Sie wissen, dass das, was hier besprochen wird, was nachgefragt wird, dann allen für ihre Arbeit und Meinungsbildung zur Verfügung steht.
Zum Verlauf unserer Anhörung: Wir möchten in der ersten Runde die Sachverständigen bitten, uns kurze Statements zu geben, die Zuspitzung sein können auch über das hinaus, was Sie schriftlich fixiert haben. In der Regel sind die kurzen Statements nicht die Übergabe dessen, was schriftlich vorliegt, das können wir oder konnten wir zum Teil schon nachlesen.Wir werden Sie bitten, in fünf Minuten, maximal acht Minuten vorzutagen. Also, ich werde so nach sieben Minuten leicht meine Stimme erheben und Sie daran erinnern, dass die Vortragszeit zu Ende geht. Sie haben dann die Möglichkeit in den Fragerunden noch ganz speziell und detailliert auf Einzelnes einzugehen.
Wir werden es in den Fragerunden so halten, dass wir in der ersten Stunde nach Fraktionen mit Zeitvorgaben arbeiten wollen und in dieser Zeit, aber das sage ich dann noch einmal an, Fragen und Antworten zu stellen und zu geben sind. Wir werden dann vermutlich in eine offene Fragerunde eintreten. Wir haben also genügend Zeit, niemand muss sich irgendwie bedrängt fühlen, nun innerhalb kürzester Zeit sehr ausführlich zu reden, aber das, was notwendig ist, am Anfang zu tun.
Ich bitte Sie jetzt, die Sachverständigen, und zwar dem Alphabet nach. Ach, wir haben das geändert. Normaler Weise haben wir die Sitzordnung auch so. Dann machen wir das jetzt anders. Wir hatten heute etwas Sortierungsschwierigkeiten, wo wir wen nun plazieren. Ob unten oder aber in der Runde und Sie sehen, es geht hier sehr gut in der Runde.
Deshalb schlage ich vor: Fangen wir so an, die erste Runde von links nach rechts und dann können wir bei der Beantwortung sehen, wie es geht. Ich rufe Sie im einzelnen auf, bitte Sie auf das Knöpfchen zu drücken. Unsere Mikrophonanlage funktioniert, sie funktioniert allerdings nur dann, wenn immer nur ein Mikrophon an ist. Deshalb bitte ich Sie auch dann wieder draufzudrücken, damit es aus ist. Und noch ein kleiner technischer Hinweis, oder zwei technische Hinweise: Es ist manchmal etwas problematisch mit den Mikrophonen. Es passiert uns des öfteren, wenn man einen Aktenordner nach oben schiebt, ist plötzlich automatisch das Mikro an, selbst wenn man es nicht angemacht hat. Und noch ein anderer technischer Hinweis, den muss ich hier auch loswerden, die Toilettenbenutzung auf dieser Etage ist, jedenfalls für das weibliche Geschlecht, etwas kompliziert. Es gibt eine Toilette in diese Richtung hin zum Hauptausgang, die bitte ich Sie nicht zu benutzen, die ist nämlich noch nicht endgültig fertiggestellt, da fehlen noch wichtige Dinge. Es gibt hier nebenan eine behindertengerechte Toilette, und wenn Sie in diese Richtung weitergehen, kommen dann noch mehrere, da sind dann nur die Wege etwas länger. Wir sind hier noch taufrisch in diesem Gebäude und deshalb gibt es noch die eine oder andere Unannehmlichkeit.
Ab 16.00 Uhr oder kurz vorher wird meine Stellvertreterin Anke Eymer hier den Vorsitz bis zum Ende der Anhörung übernehmen.
Ich bitte Sie noch, dass Sie bei Ihrem Eingangsstatement nicht nur Ihren Namen nennen, das ist für das Protokoll wichtig, weil wir das dann nur im Ohr haben, sondern auch noch Ihren Verband, Ihre Behörde, Ihre Institution, woher Sie kommen.
Ein letzte, aber sehr wichtiger Hinweis, Handy ?s bitten wir auszuschalten. Telefone stehen im Zweifel auch draußen zur Verfügung, oder wenn mit Handy, dann bitte ich, sie erst vor dem Saal einzuschalten und zu telefonieren.
Dann können wir beginnen. Ich beginne jetzt mit der linken Seite und bitte als erste Sachverständige Frau Claudia Heinkel.
SV Claudia Heinkel, Diakonisches Werk der EKD:Vielen Dank für die Einladung. Claudia Heinkel, Referat Familienberatung im Diakonischen Werk. Ich spreche also für einen evangelischen Wohlfahrtsverband in Abstimmung allerdings mit dem Fachverband für Ehe- und Lebensberatung, Evangelische Konferenz, für Familien- und Lebensberatung, EKFuL, und mit der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland. Wir haben uns gemeinsam verständigt. Sie werden im Laufe des Nachmittags unsere ausführlichen Statements kriegen. Es hat mit dem Übermitteln per E-Mail nicht geklappt. Ich versuche mich jetzt ganz kurz zu fassen und einige Stichpunkte erstens zu Pränataldiagnostik als Regelangebot der Schwangerenvorsorge, zu sagen und zweitens darauf bezogen unsere Einschätzung zur Frage der Zulassung von PID.
Erstens: Pränataldiagnostik als Regelangebot der Schwangerenvorsorge. PD, ich kürze so ab, ist von einem begrenzten Angebot an einige Familien mit einem bekannten und genetischen Risiko zu einem Standardangebot an alle Frauen im Rahmen der allgemeinen Schwangerenvorsorge geworden. Mit PD meine ich jetzt die Verfahren, die ausdrücklich Fehlbildungen und Abweichungen erkennen, also selektive Verfahren. PD ist ein Beispiel dafür, wie das Angebot einer diagnostischen Maßnahme auch ihren Nutzen induziert.
Dazu will ich Ihnen drei Zahlen nennen: 1976 ist die Fruchtwasseruntersuchung als Kassenleistung zugelassen worden und etwa 1.800 mal durchgeführt worden. 10 Jahre später, 1986, waren es 33.000 Amniozentesen, wiederum 10 Jahre später, 1995, in den alten Bundesländern 62.000 invasive Verfahren. Also Fruchtwasserunter-suchungen und Koreostezotendiopsy mit einem Kostenumfang von 39 Millionen DM. Der Anteil der Eltern mit einem nachgewiesenen familiären Risiko an der Zahl der Nutzerinnen wird heute auf höchstens drei Prozent geschätzt. Die meisten Frauen, die Amniozentesen nutzen, tun das aufgrund eines sogenannten Altersrisikos. Zweiter Punkt: Dieses Standardangebot hat Auswirkungen auf das Schwangerenleben aller Frauen. Jede Frau sieht sich vor die Entscheidung für oder gegen PD gestellt, zumindest, seit 1996 auch der dritte Fehlbildungsultraschall als Kassenleistung einge-führt wurde. Frauen, die invasive Verfahren nutzen, erfahren eine sehr belastende Zeit des Wartens auf den Befund mit einer Schwangerschaft auf Abruf, das hat Frau Nippert schon lange beschrieben. Erst ein unauffälliger Befund erlaubt eine ?normale Schwangerschaft?. Bei einem auffälligen Befund stürzen die schwangeren Paare in ein emotionales Chaos, in eine fundamentale psychische Lebenskrise, weil es kaum Therapiemöglichkeiten gibt für das, was diagnostizierbar ist. Es bleiben zwei Handlungsoptionen: Der Abbruch der Schwangerschaft eines erwünschten Kindes oder die Entscheidung für ein Kind mit Behinderungen in einer Gesellschaft, in der Behinderungen zunehmend als vermeidbar gilt. Zwischen Diagnose und Abbruch bleiben meist nur wenige Tage, manchmal auch nur wenige Stunden. Es gibt kaum Zeit und Raum um in Ruhe abzuwägen und sich zu entscheiden.
Drittens: Schwangerschaft wird so zu einem risikobehafteten Zustand, der ständiger medizinischer Kontrolle bedarf. Angebote der Nutzung der Diagnostik machen Frauen abhängig von medizinischen Expertinnen und Experten von deren Urteil und Handeln, eigene Bewältigungs-strategien, zum Beispiel für die normalen Sorgen innerhalb einer Schwangerschaft, treten in den Hintergrund. Frauen erleben die Nutzung dieser Technik als ambivalent. Einerseits fürchten sie die Zumutung, möglicherweise über Leben oder Tod ihres Kindes entscheiden zu müssen, andererseits empfinden sie einen unauffälligen Befund als subjektiv beruhigend. Sie erleben aber zugleich, dass mehr Handlungsmöglichkeiten nicht unbedingt größere Entscheidungsfreiheit bedeutet.
Pränataldiagnostik beinhaltet einen Sog zur Anwendung, dem sich Frauen inzwischen nicht mehr leicht entziehen können. Besonders, wenn sie älter als 35 Jahre sind.
Vierter Punkt: Das Angebot und die Nutzung der Technik verändert zunehmend das Verständnis von Gesundheit des Kindes und elterlicher Verant-wortung. Beides konzentriert sich immer stärker auf die Frage nach der genetischen Ausstattung des Kindes, für die Eltern verantwortlich werden. Schwangerschaft erscheint verstärkt geprägt von der Angst vor einem behinderten Kind. Diese Angst, und das hat Monika Willenbrink in einer qualitativen Studie herausgearbeitet, ist so etwas wie eine Chiffre geworden für alle möglichen individuellen, familiären, biographischen, gesell-schaftlichen Ängste, die sich konvergieren mit dieser Angst vor einem behinderten Kind. Das Angebot der Technik macht diese Ängste dann scheinbar handhabbar und begrenzbar. Mit ihr verbindet sich die Hoffnung und Erwartung auf ein gesundes Kind. Eine Hoffnung, die Pränatal-diagnostik nicht einlösen kann, zumal die meisten Behinderungen bei der Geburt oder im Lauf des Lebens entstehen. Fünftens: Die Nutzung der Diagnostik in der gynäkologischen Praxis, das wissen wir alle, erfolgt in der Regel ohne oder nur mit mangelhafter Information oder Aufklärung oder genetischer Beratung. Mit der Nutzung von Pränataldiagnostik sind aber nicht nur medizinische Fragen verbunden, sondern sie hat im weitesten Sinne psychosoziale Auswirkungen und sie kann Entscheidungskonflikte, Ängste und psychische Krisen auslösen und in schwerwiegende ethische Konflikte stürzen.
Seit 1995 gibt es einen Rechtsanspruch auf Beratung nach § 2 Schwangerschaftskonfliktgesetz, der auch im Kontext von PD greift. In einem Bundesmodellprojekt wurde herausgearbeitet, dass neben der medizinischen Information und Aufklärung durch die Anwender der Diagnostik ein institutionelles psychosoziales Beratungsangebot nötig ist, das unabhängig vom medizinischen Kontext arbeitet und nötig ist vor, während und nach Pränataldiagnostik. Frauen und Paare brauchen Zeit und Raum zur Entscheidungsfindung vor der Nutzung zur Bearbeitung der damit verbundenen Ängste und Belastungen insbesondere in der Zeit des Wartens auf den Befund und zur Klärung und Bewältigung der Entscheidung nach einem auffälligen Befund.
Sechster Punkt: Maßnahmen zur Veränderung der Situation aus unserer Perspektive. Wir halten eine Trennung der allgemeinen Schwangerenvorsorge und pränataldiagnostische Maßnahmen, die nach nicht therapierbaren Fehlbildungen suchen, für nötig. Es müsste ausdrücklich in den Kassenleistungen erwähnt werden. Damit müssten dann auch andere Abrechnungsmodalitäten verbunden sein, die die Möglichkeit auch Einzelleistungen in Anspruch zu nehmen und nicht das ganze komplette Vorsorgepaket erlauben. Der Rechtsanspruch auf Beratung nach § 2 muss flächendeckend umgesetzt werden. Das ist nicht so. Er ist der Öffentlichkeit viel zu wenig bekannt. Auch nicht den Ärztinnen und Ärzten. Wir plädieren dafür, dass er im Mutterpass ausdrücklich genannt wird und dass Ärzte eine Hinweispflicht auf diesen Beratungsanspruch und auf psychosoziale Beratungsangebote bekommen. Das Modellprojekt hat gezeigt, dass eine freiwillige Bitte, dieses Beratungsangebot doch bekannt zu machen und die Frauen darauf hinzuweisen, nicht ausreicht, weil die Zusammenarbeit zwischen Ärztinnen und Beratung ausgesprochen konfliktreich - wenn sie denn funktioniert - ist. Natürlich gehört grundsätzlich dazu, dass die Rahmenbedingungen verändert werden für ein Leben mit Kindern überhaupt und im besonderen für ein Leben mit behinderten Kindern. Nötig ist eine gesellschaftliche Übereinkunft, dass Vielfalt erwünscht ist und jedes Kind willkommen ist ? unabhängig von seiner symetrischen Ausstattung. So viel die Stichworte zur Pränataldiagnostik, jetzt habe ich noch vier zu PID. Darf ich noch?
Vorsitzende: Ja, noch zwei Minuten.
SV Claudia Heinkel: Wir sprechen uns grundsätzlich gegen die Zulassung von PID aus aufgrund der folgenden Überlegungen: Erstens, die Erfahrungen mit Pränataldiagnostik als Standardangebot von einer ursprünglich ganz eingegrenzten Gruppe von Personen lassen nicht erwarten, dass PID nur auf sogenannte ?Risikopaare? begrenzt werden kann. Das zeigen auch internationale Erfahrungen, die die Ausweitung mindestens auf die IAF-Paare belegen, also Paare, die in IAF-Behandlungen sind. Zweitens, mit PID sind erhebliche psychische und physische Belastungen für Frauen verbunden, insbesondere natürlich im Hinblick auf die Behandlung im Rahmen der Reduktionsmedizin. Aufgrund der Fehleranfälligkeit wird noch zusätzlich zu PID eine Abklärung durch Pränataldiagnostik vorgeschlagen mit den bekannten und damit verbundenen Belastungen. Drittens, und das ist unser Hauptargument, PID ist eine intensionale selektive Technik, die bewusst die Erzeugung von Embryonen auf Probe in Kauf nimmt. Sie zielt bewusst auf eine Qualitätsprüfung des Embyros, auf eine Auswahl anhand genetischer Merkmale. Sie geht also sehenden Auges einen Konflikt um das Lebensrecht von Embryonen ein, wobei die Handlungsoption schon vorab entschieden ist. Das bedeutet, die Geburt eines Kindes wird von der Qualität seiner genetischen Ausstattung abhängig gemacht. Dadurch werden bestimmte genetische Eigenschaften bewertet und Menschen mit diesen Eigenschaften abgewertet. Dies halten wir nicht mit dem Nicht-Diskriminierungsgebot, Artikel 3 Grundgesetz, vereinbar. Viertens, es gibt kein Recht auf ein leibliches Kind und auch nicht auf ein gesundes Kind. Es kann keinen Anspruch von Paaren geben, nach Bereitstellung einer selektiven Technik, deren Anwendungen Auswirkungen auf das soziale Klima in unserer Gesellschaft und insbesondere auf Menschen mit Behinderungen hätte, trotz der bedrückenden familiären Konstellation, in denen solche Wünsche entstehen. Die elterliche Verantwortung auf bestimmte genetische Merkmale auszudehnen, elterliche Fürsorge und Annahme an Bedingungen zu knüpfen, halten wir nicht für ethisch vertretbar. Um der Eltern selbst willen nicht und auch nicht um der Kinder willen. Wir befürchten hier Belastungen in der innerfamiliären Dynamik zwischen Eltern und Kindern, wie auch zwischen den Geschwistern, von denen eines gewünscht ist, weil es nicht die Behinderung seiner Schwester oder seines Bruders hat, und dies durch die Existenz seinem Geschwister täglich vorführt. Die Zulassung von PID würde aus unserer Sicht das verschärfen, was durch Pränataldiagnostik schon ausgelöst wird, und auch deswegen lehnen wir dies ab.
Vorsitzende: Vielen Dank Frau Heinkel. Frau Barbara Dennis bitte.
SV Dr. Barbara Dennis, Arbeitskreis Frauen-gesundheit in Medien, Psychotherapie und Gesellschaft e.V.: Zu meiner Person, ich bin Frauenärztin, ich bin niedergelassen seit 16 Jahren, bin außerdem auch noch Psychotherapeutin, ein bisschen nebenher, und ich bin seit 1995 im AKF. Der AKF nennt sich Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft und ist ein gemeinnütziger Verein, der die gesund-heitlichen Interessen der Frauen bundesweit vertreten möchte. Ich betrachte mich hier einmal als Mitglied des AKF und zweitens als praktizierende Frauenärztin, und ich betreue im Quartal ungefähr 100 Schwangere. Ich beobachte zunehmend in diesem Jahren, dass an Schwangerschaftsvorsorge ein sehr großer Perfektionsanspruch besteht, und dass unsere Vorsorge suggeriert, wer regelmäßig und möglichst oft kommt, der hat auch die Chance, ein gesundes Kind zu bekommen. Die Vorsorge ist zu einem regelrechten Ritus geworden, der vorbestimmt ist, und den die Schwangere eigentlich kaum noch beeinflussen kann. Höchstens durch Kommen oder Nichtkommen. Ich beobachte in meiner Praxis: eher mehr wollen als weniger. Wir haben 14 Untersuchungen, die im Mutterpass aufgezeichnet werden können. Das ist schon ziemlich viel. Die Tendenz geht nach immer mehr Kontrolle, immer mehr Blutüberprüfung, immer mehr Ultraschall, und die Schwangere denkt je mehr, desto sicherer. Wir haben die aufwendigste Schwangerschaftsvorsorge Europas. Wenn wir uns die Mutterschaftsrichtlinien angucken, ich lese das noch einmal vor, weil ich den Satz wirklich ganz bezeichnend finde, ?durch ärztliche Betreuung sollen mögliche Gefahren für Leben und Gesundheit von Mutter und Kind abgewendet, sowie Gesundheitsstörungen rechtzeitig erkannt und der Behandlung zugeführt werden. Vorrangiges Ziel der ärztlichen Vorsorge ist die frühzeitige Erkennung von Risikoschwangerschaften und Risikogeburten.? Bei diesem Blick auf das Risiko - die Frau kriegt das spätestens dann mit, wenn sie den Mutterpass ausgehändigt bekommt, und ich hoffe, Sie haben schon alle einmal dieses Werk gesehen - dann wird verständlich, dass die Schwangere dem eigenen Körperempfinden und ihrer eigenen Wahrnehmung von Schwangerschaft eigentlich wirklich nicht mehr vertrauen kann. Ich bin auch immer wieder erstaunt, wenn eine Schwangere kommt und sagt, mir ist übel, irgendwie habe ich auch schon einen Test gemacht, der ist positiv, aber ich glaube es nicht. Ich muss der Schwangeren bestätigen, dass sie schwanger ist und das möglichst durch einen Ultraschall. Das phantasierte Kind wird in der schwarz/grauen Realität des Ultraschalles erst real und daran kann man auch erkennen, wie weit entfremdet so ein Erleben manchmal schon auch durch unsere Vorsorge ist. Es besteht ein großer Glaube an die Erkennbarkeit aller Behinderungen und es gibt sehr wenig Wissen darüber, dass man die meisten Behinderungen eventuell noch entdecken, aber nicht therapieren kann. Der Blick auf die Pathologie ist für uns Frauenärzte eine ziemlich schizophrene Angelegenheit. Wir wollen auf der einen Seite die Frau in ihrer guten Hoffnung unterstützen. Wir freuen uns mit, wenn die Frau schwanger ist, die wir vielleicht schon lange kennen und auf der anderen Seite fangen wir bereits in der 12. Woche beim ersten planmäßigen Ultraschall an, nach speziellen Merkmalen zu suchen. Einen sogenannten Informkonsens, dass die Frau darüber aufgeklärt wird, nach was wir da forschen, gibt es eher selten. Ich habe mir da sehr viele Gedanken drüber gemacht und bin ehrlich gesagt auch davon abgekommen. Wer erzählt denn schon einer Schwangeren, die glücklich ist, gerade schwanger zu sein, dass ich jetzt nicht etwa nur das Baby angucke, sondern dass ich ganz gezielt danach gucke, ob ihr Kind vielleicht eine Behinderung hat. Das ist im dritten Monat meiner Meinung nach kaum zu machen. Wenn die Frau dann den Mutterpass hat, dann hat sie den Beweis, ich bin schwanger und den Beleg, dass alles in Ordnung ist. Dabei entdecke ich immer wieder, dass eigentlich die Frau umsorgt werden will, dass sie befürsorgt werden will und dass die Vorsorge alles dieses nicht schaffen kann. Die Vorsorge dient lediglich der Früherkennung von Symptomen, die bei den meisten Schwangeren nie eintreten. Aber eine sehr sensible Lebensphase der Frau wird pathologisiert, etwas, was wir dann auch weiterhin in der Medizin, gerade bei Frauen, beobachten können. Und es geht weiter mit der vorgeburtlichen Diagnostik, die allen Frauen bekannt ist, die von vielen gefordert wird und für die es eigentlich keinen festen Indikationskatalog gibt. Ich wünschte mir für uns Ärztinnen bindendere Maßstäbe wann und bei welcher Frau die Pränataldiagnostik gerechtfertigt ist. Realität ist, die PND hat sich eingeschlichen in unsere ganz normale Schwangerschaftsvorsorge und die ursprüngliche Bedeutung, dass die nämlich Frauen angeboten wird, die über 35 sind, die eine genetische Abweichung in der Familie haben, diese Bedeutung, die ist längst ausgehöhlt. Viele Frauen wünschen sich eine PND, weil sie eine diffuse Angst haben. Ängste sind in der Schwangerschaft normal und gehören auch zum normalen ambivalenten Schwangerschaftserleben. Dieser Art von Angst wäre eigentlich eher durch eine Beratung abzuhelfen als durch eine Amniozentese, bzw. es wäre eher eine Beratung nötig als ein Eingriff, der eher noch die Angst verstärkt. Wenn man guckt, wann die PND Vorteile hat, dann ist das extrem selten. Die meisten Gefahren in der Schwangerschaft, zum Beispiel die Gestose, die kann man durch eine PND überhaupt nicht erkennen. Es dient und also wirklich nur in wenigen Fällen, aber wir Ärzte sind immer unsicher, müssen wir es anbieten, wie ist die rechtliche Lage? Und es wird auch von der Presse induziert, dass ein gesundes Kind machbar ist und ein krankes Kind auf jeden Fall verhindert werden muss, und diese Angst und Verunsicherung erlebe ich bei den Frauen zum Beispiel auch ganz verstärkt nach einem sogenannten ?Triple-Test?. Den habe ich mittlerweile in meiner Praxis wirklich abgeschafft. Ich habe den Vorteil, ich komme aus Bremen, dass es da wirklich sehr wenig durchgeführt wird. Ich weiß aus anderen Bundesländern, wo es zum Standard gehört den Triple-Test durchzuführen, und eine Ärztin, die ihn nicht durchführen will, automatisch unter Beschuss gerät, weil die Schwangere sagt, meine Freundin, die ist bei dem und dem Arzt und der macht das. Aber trotz der vielen Untersuchungen, da möchte ich noch einmal drauf zurückkommen, gehen Frauen gerne zur Vorsorge. Ich möchte jetzt noch etwas zur Pränataldiagnostik sagen. Oh, noch eine Minute. Dann spare ich das aus und sage vielleicht noch etwas zur Präimplantationsdiagnostik, weil ich dazu auch keine Vorlage gegeben habe. Ich werde einfach nur einmal rekapitulieren, was der AKF in einer Tagung für sich beschlossen hat, nämlich, dass auf lange Sicht gesehen, alle vorgeburtlichen Diagnosetechniken durch die Möglichkeit der negativen und positiven Selektion, die sie bedingen, die gesellschaftlichen Grundwerte in nicht wünschenswerter Weise verändern werden. Die Selektion von gewünschtem und lebenswertem Leben und die Ausgrenzung von unerwünschtem und behindertem Leben geschieht dabei nicht auf dem Weg institutioneller Richtlinien, sondern über die individuelle Entscheidung von Fragen im Sinne einer Eugenik im Sinne von unten. Das ist unser Hauptproblem, dass der Frau Entscheidung aufgedrängt wird. Das Verfahren der PID setzt eine Befruchtung außerhalb des Körpers der Frau voraus. Also auch bei Leuten, die an sich ganz normal empfangen können. Der zu erwartende Gebrauch der PID kann außerdem nicht absehbare Folgeentwicklungen, unter anderem in der Versicherungswirtschaft und im Arbeitsleben haben, wie wir das zum Teil schon in den USA sehen und PID hat eine Türöffnerfunktion für Embryonenforschung, Forschung an embryonalen Stammzellen und Keimmanntherapie. Der Verbrauch von Embryonen bei der PID kann zu einer gesellschaftlichen Gewöhnung und Enttabuisierung des Gebrauchs von Embryonen führen. Deswegen lehnt der AKF jede Förderung dieser Forschung ab.
Vorsitzende: Vielen Dank. Ich bitte jetzt Frau Dr. Bühren um ihr Statement.
SV Dr. Astrid Bühren, Vorsitzende des Deutschen Ärztinnenbundes: Eine kurze Vorstellung meiner Person: Mein Name ist Astrid Bühren. Ich bin beruflich tätig als Fachärztin für psychotherapeutische Medizin und als solche niedergelassen, habe fünf Jahre lang als humangenetische Beraterin gearbeitet und dort die Weiterbildung zur medizinischen Genetik absolviert, und ich bin außerdem mit diversen berufspolitischen Gremien tätig, für die ich hier jetzt aber nicht spreche, sondern als Ärztinnenbund-Vorsitzende. Ich werde auch nicht zum Embryonenschutz sprechen, ich werde auch nicht vorrangig zur PND sprechen, obwohl diese Erfahrung, die ich als genetische Beraterin gemacht habe, mich sehr beeinflussen in Bezug auf die Prognose der PID, wie sie weitergehen wird. Ich spreche jetzt hauptsächlich aus patientinnen-spezifischer Sicht, und einige Zahlen und Daten wurden schon genannt. Sie hören meine Stellungnahme in ähnlicher Hinsicht. Ich beziehe mich auf zwei verschiedene Unterlagen, und zwar einmal auf die Stellungnahme zur Präimplan-tationsdiagnostik des Ausschusses für Ethikfragen des Deutschen Ärztinnenbundes und auf die Ausführungen des Diskussionentwurfes zu einer Richtlinie zur Durchführung der Präimplan-tatinsdiagnostik der Bundesärztekammer. Ich muss mir eine Vorbemerkung hier erlauben, und zwar worüber reden wir eigentlich? Es fehlt mir in allen Diskussionen, dass immer nicht ganz klar ist, worüber reden wir eigentlich? Zum Beispiel im Diskussionsentwurf der Bundesärztekammer reden wir wirklich von dem hohen Risiko einer schweren genetischen Erkrankung und offiziell wird davon auch meistens geredet. Ich bin mir überhaupt nicht sicher, ob wirklich davon geredet wird. In der Öffentlichkeit ist dieser Unterschied überhaupt nicht klar, in Gynäkologen- und Reproduktions-medizinerkreisen ist schon völlig klar, dass es doch unlogisch sei, nur diesen das gewähren zu wollen und allen anderen, die IVF sowieso schon haben, dass sind etwa ca., ich habe die Zahlen genau auf meinem Zettel, etwa 36.000 Frauen, sowieso schon. Das ginge doch gar nicht, dass man denen, die schon eine IVF haben, dann die Präimplan-tationsdiagnostik nicht mehr zukommen lasse. Ich denke, da werden wir ganz klar hinkommen und da stecken auch noch ganz andere Gesichtspunkte dahinter. Jedes Institut hat das Interesse, die Baby-take-home-Rate zu erhöhen, und die erhöhe ich ganz ungemein mit der PID, indem ich nämlich schon einmal die aussortiere, die das Risiko hätten, in der Schwangerschaft verloren zu gehen. Das ist einfach ein ganz großer Gesichtspunkt und der nächste Gesichtspunkt ist, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass es wirklich dabei bleiben soll, genau nur dieses schwere genetische Risiko rauszusuchen, wenn ich doch die Chromosomen, wenn ich sie darstelle, doch schon sehe und sogar zählen kann. Das Down-Syndrom ist zählbar, das Ulrich-Turner-Syndrom ist zählbar, das Kleinfelter-Syndrom - ist alles zählbar. Ich kann es mir nicht vorstellen. Das wollte ich zur Vorbemerkung machen.
Dann ? was sind denn die Belastungsfaktoren für die Frau, für den Mann, für das Paar? Das ist ein wesentlicher Punkt, den ich wegen der kurzen Zeit vorziehen möchte. Für die Frau: Trotz Befruchtbarkeit Beginn einer medizinischen Behandlung finanzieller, zeitlicher und terminlicher Beanspruchung wegen Einstieg in eine gezielte hormonelle Überstimulierung zur Erzeugung einer vermehrten Anzahl von befruchtungsfähigen Eizellen mit somatischen Risiken. Die können in 1,2 % auch nach der Reproduktion der Medizinerdatenlage bis zur Intensivstation wegen diverser Thrombosen oder anderer Gesichtspunkte landen. Also gehen Frauen dieses Risiko ein. Von diesem umstrittenen Ovarialkarzinom-Risiko will ich jetzt hier gar nicht sprechen, weil das noch umstritten ist. Dann muss sie noch eine Punktion der reifen Eizellen aus dem Eierstock hinnehmen bevor die PID überhaupt gemacht werden kann. Für den Mann ? die Samenspende muss durch Masturbation geschehen. Für das Paar ? die Empfängnis wird aus der Intimität der Zweisamkeit heraus genommen. Mann und Frau liegen getrennt von einander. Ihre Samen- bzw. Eizelle, die Befruchtung findet im Glas statt. Aus einem prinzipiell fruchtbaren Paar wird ein in ein Infertilitätsprogramm eingeschleustes Paar mit allen emotionalen, somatischen und psychosomatischen Risiken. Der Schwangerschaftserfolg ist deutlich geringer als bei der ganz normalen Befruchtung. Zur Absicherung der Diagnose und weil das Paar, das entsprechend der notwendig Vorgeschichte, natürlich auch schon etwas älter ist - es wird sich nicht um ein 22jähriges Paar handeln - wollen sie natürlich vermutlich auch nicht das Risiko eingehen, dann ein Kind mit Down-Syndrom, zum Beispiel, zu bekommen. Aber das ist nicht der einzige Grund, sondern zur Absicherung der Methode der PID wird gängiger Weise sowieso noch nachfolgend eine PND gemacht, so dass dieses ganz gängige Argument: man muss doch der Frau die Schwangerschaft auf Probe ersparen, das ist kein Argument, weil die wird ihr nicht erspart. Bis zum Ende des Ergebnisses der Pränatal-diagnostik ist dieses Paar in dieser Ungewissheit und grundsätzlich: das PND-Risiko von 1 % haben wir in beiden Fällen. Ich denke, das ist etwas ganz wichtiges. Das ist eins der wesentlichen Argumente, dass immer gesagt wird, sie können doch a) den Frauen nicht zumuten, ein Kind mit einem schweren genetischen Risiko auszutragen. Das brauchen sie mit der PND nicht. Das Zweite ist, sie wollen doch den Frauen wohl nicht zumuten eine Schwangerschaft auf Probe zu machen. Die machen sie sowieso. Dann heißt es, die PID/PND sei psychisch viel leichter zu ertragen. Ich denke, das mag sie in der Oberfläche auch sein, aber unterbewußt denke ich das nicht. Unterbewußt ist auch diesem Mann und dieser Frau klar, dass mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle, auch wenn sie außerhalb des Körpers stattgefunden hat, ihre Verantwortung, die sie ja nach dem Diskussionsentwurf zur Richtlinie der von der Bundesärztekammer herausgegeben wurde und was ich gegebenenfalls auch absolut richtig finde, würde das Paar zu einer Entscheidung mit herangezogen, wie die Selektion verläuft, und die Selektion verläuft nicht nur ganz eindeutig krank/gesund. Was ist mit dem Heterozygotenstatus beispielsweise bei der zystischen Fibrose? Ist völlig ungeklärt. Wo läuft es hin? Wo läuft die Einschätzung hin? Ich glaube, ich höre einfach einmal auf.
Vorsitzende: Vielen Dank. Frau Marion Brüssel.
SV Marion Brüssel, Landesvorsitzende des Berliner Hebammenverbandes: Ich möchte mich auch recht herzlich für die Einladung bedanken. Ich bin Hebamme und Vorsitzende des Berliner Hebammenverbandes, das ist der Berufsverband der Hebammen, und ich spreche heute auch für den Bund Deutscher Hebammen, der Dachverband, in dem ca. 13.000 Hebammen in Deutschland organisiert sind. Ich habe auch ein Papier eingereicht und möchte jetzt eben auch wegen der Zeitknappheit nicht alles noch einmal wiederholen, sondern kurze Stichpunkte wiedergeben, zumal meine Vorrednerin im wesentlichen eigentlich unsere Meinung auch schon wiedergeben haben. Ich möchte außerdem noch kurz im Anschluss ein paar Zahlen bringen von einer Untersuchung, einer Magisterarbeit einer Kollegin im Public-Health-Studiengang in Hannover, die ich für sehr eindrucksvoll halte. Ich möchte mich noch einmal konzentrieren auf das Schwangerschaftserleben, nach dem Sie auch gefragt haben. Inwiefern sich das verändert hat. Ich würde so als Stichpunkt sagen, die Gesundheit des Ungeborenen wird als Zustand angesehen, der durch verantwortliches Handeln und entsprechende Selbstlosigkeit der werdenden Mutter machbar geworden ist. Daraus resultiert auch eine Schuldzuweisung an die Frau. Sie kann ja irgend etwas nicht richtig gemacht haben im Falle der Geburt eines kranken oder behinderten Kindes. Wir stellen auch fest, dass Frauen relativ uninformiert in ihre erste Schwangerschaft gehen. In ihrem Umfeld haben sie oft Schwangerschaft und Geburt in erster Linie als riskiobelasteten Zustand, den eine Frau häufig nicht unbeschadet übersteht, kennengelernt, und wir sehen da auch einen Grund für den Trend zum Wunschkaiserschnitt, der sicherlich nicht nur von der Presse groß gemacht wird, sondern das ist ein tatsächlicher Trend. Wir haben jetzt eine Kaiserschnittrate in Deutschland von 20 %, die damit eben sehr hoch liegt. Die meisten Frauen begeben sich zur Feststellung der Schwangerschaft in eine gynäkologische Praxis und lernen damit sofort den Ultraschall kennen und die Vorteile des Ultraschalls. Der Blick nämlich ins Innere des Körpers bestätigt erst einmal die Beobachtung oder Vermutung der Frau, bringt aber oft bereits die ersten Verunsicherungen. In der Folge müssen wiederholte Ultraschalluntersuchungen, ohne Frage auch oft auf Wunsch der Frauen, die Intaktheit der Schwangerschaft immer wieder beweisen. Obwohl die Mutterschaftsrichtlinien mittlerweile nur drei Ultraschalluntersuchungen empfehlen oder vorsehen, findet eigentlich selten eine Vorsorgeuntersuchung ohne Ultraschall statt. Das ist einfach unsere Erfahrung. Oft werden die Untersuchungen auch gar nicht mehr dokumentiert. Und dass diese Ultraschalluntersuchung oder auch zum Beispiel die Blutabnahme zum Triple-Test. Wie gesagt, der wird Gott sei Dank nicht mehr häufig durchgeführt, aber auch die Bestimmung vom AFP, das ist dieses Alpha-Feto-Protein, das seine Aussage treffen soll, ob eventuell ein offener Rücken beim ungeborenen Kind vorliegt. Dass das bereits die Suche nach Abweichungen von der Norm ist, wird vielen Frauen erst bei einem auffälligen Befund bewußt. Bis dahin sehen sie das alles eigentlich, die ganze Untersuchung nur als Bestätigung der Gesundheit des Ungeborenen. Wir Hebammen werden dann oft nach entsprechenden Untersuchungsergebnissen kontaktiert und treffen meistens auf schlecht informierte, nicht informierte und von den Ereignissen völlig überrollte Frauen. Oft ziehen diese Befunde dann weitere invasive Untersuchungen nach sich, die wiederum mit Verunsicherung, Angst und Risiken einhergehen. Auch aus unserer Sicht ist die Pränataldiagnostik nicht dazu geeignet, oder nur sehr bedingt dazu geeignet, Ängste zu nehmen. Sie erzeugt neue Ängste. Zur Beratung ist schon einiges gesagt worden. Ich sehe auch die Problematik, dass es schwierig ist, vor dem ersten Ultraschall bereits über die gesamte Palette der Pränataldiagnostik zu informieren. Aber auch Versuche unsererseits, entsprechende Hinweise auf Beratung oder auch Hebammenhilfe im Mutterpass zu veröffentlichen, damit sie einfach allen Frauen zugänglich sind, werden von den Ärzteverbänden abgelehnt. So ist davon auszugehen, dass viele Frauen die Angebote sowohl der Hebammenhilfe als auch der unabhängigen psychosozialen Beratungsstellen nicht kennen. Zum Vergleich ? also Berlin ist noch relativ gut repräsentiert, was die Hebammenhilfe angeht, aber auch in Berlin nehmen nur zwei Drittel aller Schwangeren Hebammenhilfe in der Schwangerschaft in Anspruch und meistens erst im letzten Drittel, das heißt, wenn die gesamte Pränataldiagnostik eigentlich bereits gelaufen ist.
Zur PID möchte ich noch kurz sagen, also zur Präimplantationsdiagnostik, dass wir eigentlich, genau wie meine Vorrednerinnen, die Eingrenzung angesichts der Erfahrungen mit Pränataldiagnostik, auf diese 150 Risikopaare pro Jahr für völlig illusorisch halten. Wir haben auch die Reproduktionsmediziner im Blick, die laut darüber nachdenken, inwiefern die Erfolgsquote von IVF und IXI durch PID erhöht werden könnte. Wir sehen dadurch aber nicht nur einen Vorteil für die Frauen, die bereits in der Steriliätsbehandlung sind, sondern wir sehen ganz klar auch, dass sich dadurch IVF und IXI bei fruchtbaren Frauen, die eigentlich nicht in die Sterilitätsbehandlung gehören, erhöhen könnten. Einfach, weil dieser Gen-check, der außerhalb des Körpers stattfindet, eine spätere Abtreibung vermeiden könnte. Bisher noch nicht, wie Frau Bühren gesagt hat, aber vielleicht irgendwann einmal.
Vorsitzende: Frau Brüssel, ich möchte Sie einmal kurz unterbrechen. Ich habe den Eindruck oder die Vermutung, dass es gut wäre, wenn Sie, außerhalb Ihrer Zeit, noch ein paar Sätze über IXI und IVF, also die Invitrofertisilitation verlieren, damit alle wissen, worum es bei den Abkürzungen geht. Ich vermute einmal, wir können nicht 100 % voraussetzen, dass das für die Kollegen und Kolleginnen gängige Abkürzungen sind.
SV Brüssel: Also bei IVF und IXI handelt es sich um Maßnahmen der künstlichen Befruchtung. IVF steht für Invitrofertilisation und IXI steht für ... oh, das kann ich jetzt gar nicht sagen.
SV Dr. Dennis: ... Ein Spermium entnommen, und wenn sonst nicht genug befruchtungsfähige Spermien für den Befruchtungsvorgang auf dem normalen Wege vorhanden sind, wird es operativ entnommen und in die Eizelle hineingespritzt. Das ist die Injektion, das I in dem IXI.
SV Brüssel: IXI ist im Moment die erfolgversprechendste Methode der künstlichen Befruchtung und wird allerdings in erster Linie bei männlicher Sterilität angewandt. Im Zusammen-hang mit der Präimplantationsdiagnostik ist uns noch wichtig, dass über diese Selektion hinaus, also über die Embryonenselektion hinaus, die wir natürlich auch ablehnen, Frauen zu Rohstoff-lieferantinnen werden. Das heißt, wenn Embryonen selektiert werden sollen, dann müssen auch eigentlich mehrere, als an die Frau zurückgegeben werden sollen, produziert werden. Das heißt, es fallen einfach Embryonen an, die nicht wie bisher, an die Frau zurückgegeben werden müssen, sondern die eventuellen Forschungsinteressen zur Verfügung stehen.
Jetzt möchte ich noch ein paar sehr prägnante Zahlen nennen aus dieser Magisterarbeit aus Hannover. Da hat eine Kollegin die niedersächsische Pränatalstatistik von 1992 bis 1996 einfach daraufhin untersucht, inwiefern die Medikalisierung der Schwangerschaft vorange-trieben wird. Es ist sehr eindrucksvoll. Es sind nur vier Jahre, aber von 1992 bis 1996 hat sich diesbezüglich eine Menge getan. 1992 wurde bei 68,8 % aller schwangeren Frauen ein Risiko festgestellt, 1996 waren es schon 72,7 %. Laut WHO weisen 70 ? 80 % aller Schwangeren aber bei Geburtsbeginn ein niedriges Risiko auf, wobei die WHO gar nicht zwischen niedrig und keinem unterscheidet. Auch kein Risiko ist bei der WHO schon ein niedriges Risiko. Es gibt empirisch keine Anhaltspunkte dafür, dass schwangere Frauen wirklich kränker geworden sind. Dazu kommt, dass sozial schlechter gestellte Frauen, wie zum Beispiel Schwangere unter 18 Jahren, Frauen mit niedrigem Berufsstatus oder Immigrantinnen, alleinerziehende Frauen oder Vielgebärende von dem Schwangeren-vorsorgeprogramm, das ansonsten eine hohe Akzeptanz bei den Frauen erfährt, schlecht erreicht werden.
Noch etwas zur Durchführung von Pränataldiagnostik. Die steigt insgesamt, wobei erstaunlich ist, dass sie immer mehr von jüngeren Frauen in Anspruch genommen wird. Bei Frauen über 35 Jahre ist die Durchführung von Pränataldiagnostik dagegen rückläufig (zwischen 1992 und 1996), und ich gehe davon aus, dass sich der Trend fortgesetzt hat. Das heißt, die eigentliche Intention von Pränataldiagnostik, nämlich dem erhöhten Risiko bei älteren Frauen zu entsprechen, wird in diesem Falle gar nicht mehr entsprochen. Noch kurz, warum lassen schwangere Frauen immer häufiger zusätzliche medizinische Voruntersuchungen vornehmen? Da hat es eine Eigendynamik gegeben, die hier auch schon teilweise angesprochen wurde. Das ist aus unserer Sicht ein komplexes Zusammenspiel von verschiedenen gesundheitspolitischen Interessen, gesellschaftlichen Anforderungen und individuellen Beweggründen. Durch die Risikoorientierung des Schwangerenvorsorgeprogramms, die rasant fortschreitende Technisierung und das seit Beginn der 80iger Jahre zunehmende Angebot der Pränataldiagnostik erhielt eine präventive Medizin Eingang in die Allgemeinversorgung, die dazu führte, dass sich die gesunde schwangere Frau im steigenden Maße zur Patientin wandelte. Der Risikokatalog im Mutterpass wurde deutlich erweitert. Waren 1980 noch 17 Punkte für die Klassifizierung einer Risikoschwangerschaft vorgegeben, so sind es in der aktuellen Fassung 52 Punkte. Es liegt nahe, dass die Darstellung der Schwangerschaft als überwachungsbedürftiger Risikozustand zur Verunsicherung und mittlerweile bei 30 % der gesunden Schwangeren zur Inanspruchnahme von zusätzlichen Vorsorge-untersuchungen führt. Inwiefern dies mit den Zielen eines Präventionsprogrammes zu vereinbaren ist, das müsste dringend diskutiert werden. Dann gibt es bei den als Screening eingesetzten pränataldiagnostischen Untersuchungen, also beim Ultraschall oder bei diesem AFP, Alphafetaprotein, diese Bestimmungen, die aus dem mütterlichen Blut gemacht werden können, häufig falsch positive Ergebnisse, so dass es auch wiederum eine Verunsicherung gibt. Und letztendlich wird bei diesen Screeninguntersuchungen der Grundsatz eines Screenings verletzt, nämlich dass nur nach Störungen gesucht wird, die therapeutisch beinflussbar sind, und ein Großteil der Störungen sind, wie wir wissen, ausschließlich durch eine Abtreibung beeinflussbar. Was wir auch noch als sehr problematisch sehen, ist, dass mit dem Hinweis auf das Selbstbestimmungsrecht der werdenden Mutter oder der werdenden Eltern, eine die gesamte Gesellschaft betreffende ethische Problematik höchster Brisanz auf die individuelle Ebene verschoben wird und viele Eltern in unlösbare Entscheidungskonflikte kommen. Soweit das. Ich habe einfach, um noch einmal zu zeigen, welchen Druck auch die Medien machen, einen aktuellen Artikel aus der ?Berliner Morgenpost? mitgebracht, wo wirklich vermittelt wird, ein gesundes Kind ist machbar. Wie richtige Vorsorge in der Schwangerschaft aussehen sollte. Noch nie war das Kinderkriegen so sicher wie heute. Dafür gibt es keine Belege. Das ist einfach unglaublich, wie aufgezählt wird, was die Frauen alles tun müssen, damit sie ein gesundes Kind bekommen. Danke.
Vorsitzende: Herr Prof. Zerres bitte, Sie haben jetzt das Wort.
Prof. Dr. Klaus Zerres, Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums RWTH Aachen: Mein Name ist Klaus Zerres, ich komme vom Institut für Humangenetik in Aachen und habe natürlich im Grunde einiges zu dem zu sagen, was ich jetzt im Vorfeld gehört habe, möchte das aber eigentlich aus einer ganz anderen Sicht machen. Zunächst einmal, vielleicht mit einem Statement von Frau Fischer, in dieser Diskussionsdebatte am 31.5., die gesagt hat, man soll sich doch durch die Argumente der anderen verunsichern lassen, und ich denke, um das vorweg zu sagen, auch hinsichtlich unserer Stellungnahme zur Präimplantationsdiagnostik. Es gibt sicher keine konfliktfreie Lösung. Egal was wir tun, und jetzt möchte ich sozusagen in die Rolle des humangenetischen Beraters schlüpfen, der natürlich dann eine etwas anderes Sicht hat. Zunächst einmal ? im Vorfeld wurde sehr viel zur Pränataldiagnostik gesagt. Es kommt mir so vor, als würden wir jetzt eine Diskussion führen, die eigentlich vor 10 Jahren hätte geführt werden müssen. Plötzlich kommt die Diskussion Präimplantationsdiagnostik und uns wird sozusagen die Wirklichkeit klar, an die wir uns längst gewöhnt haben. Das mag man kritisieren, aber wer das kritisiert, muss natürlich Antworten geben wie wir aus dieser Wirklichkeit in irgendeiner Form vernünftig herauskommen. Was können wir machen? Und da kann ich auf unsere Äußerung der Gesellschaft für Humangenetik verweisen. Wir haben immer wieder gesagt, wir kritisieren massiv, dass eine Diagnostik ohne Qualifikation abläuft. Pränataldiagnostik ist heute ein Markt, es ist ein Postgeschäft. Sie können viel Geld mit Fruchtwässern verdienen. Die werden durch die Republik geschickt und jeder hat sich dran gewöhnt. Es finden keine Beratungen statt. Es driftet sozusagen ein Automatismus in einen unüberschaubaren Bereich, der sich natürlich beliebig weiter fortsetzen lässt. Das neueste sind Chips, die ihnen jetzt als Frauenarzt zur Verfügung gestellt werden, wo sie alles mögliche untersuchen lassen können. Das heißt, wir fordern sehr strikt, dass genetische Diagnostik, und das bezieht sich jetzt nicht ausschließlich auf die Pränataldiagnostik, ganz bestimmte Rahmenbedingungen braucht. Nämlich qualifizierte Information durch qualifizierte Personen, die es machen können. Das selbe gilt für die Laborseite. Das zunächst einmal vorneweg. Was mich ein kleines bisschen wundert, und im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik werden natürlich Befürchtungen artikuliert, denen kann man eigentlich natürlich nur zustimmen, aber der genetische Berater hat ein anderes Gegenüber. Zu uns in die Beratung kommen eben gerade nicht - und das habe ich eben auch reklamiert - die Frauen, die sozusagen lediglich auf Grund ihres Alters ein scheinbar erhöhtes Risiko haben, was in der Regel doch sehr klein ist. Die Risiken werden maßlos überschätzt. Die reinen Altersrisiken.
Zu uns kommen vielmehr und viel häufiger Familien, in denen erkrankte Personen sind und speziell Eltern, die ein erkranktes Kind haben oder ein erkranktes Kind hatten, das letztlich nicht selten an dieser Erkrankung verstorben ist. Wir haben heutzutage die Praxis; wenn es eine genetisch bedingte Erkrankung ist, und sie kann pränatal diagnostiziert werden, dass das im Rahmen der üblichen Pränataldiagnostik geschieht für eine ganze Palette von, dann im einzelnen sehr seltenen und schwerwiegenden Erkrankungen. Da sehen wir im allgemeinen gar kein Problem, denn diese Familie weiß sehr genau, worauf sie sich einlässt. Sie hat die Erfahrung in ihrer Anamnese, in ihrer Vorgeschichte gemacht und weiß, was diese Erkrankung bedeutet. Es wird dann immer gesagt, es heißt, wir sprechen dem Kind das Lebensrecht, den Lebenswert, ab. Wenn Sie mit dieser Familie sprechen, werden Sie eines anderen belehrt. Das ist diese tiefe Tragik zwischen dem Erlebnis einerseits und der Frage, wie können wir in der Zukunft weitermachen? Das ist der Hintergrund für die Frage der Präimplantationsdiagnostik. So wie sie sich zunächst einmal aus unserer Sicht stellt, und ein kleiner Einschub ist unsere Stellungnahme, die auch verteilt wird zur Präimplantationsdiagnostik der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik. Die schon aus dem Jahre 1995 stammt, über die wir uns aber jetzt ganz aktuell wieder verständigt haben. Sie bleibt im vollen Wortlaut gültig. Die GfH, Gesellschaft für Humangenetik, heißt es da, ist der Auffassung, dass im Rahmen der berufsrechtlichen Regelung zulässige Präimplantationsdiagnostik grundsätzlich allen Frauen zur Verfügung stehen sollte, die ein spezielles genetisches Risiko für ein schwerwiegende, kindliche Erkrankung oder Entwicklungsstörung tragen und diese mit der Methode abklären lassen möchten. Das heißt nicht, dass wir sagen, wir wünschen das morgen zu tun. 1995 konnten wir das auch nicht sagen, sondern wir sagen, wenn die rechtlichen Regelungen existieren, dann solle die PID in dieser geordneten Form Frauen zur Verfügung stehen. Es folgen dann Punkte, Sie werden sehen: unter welchen Bedingungen, Einbindung in die Beratung; Indikationsstellung nur durch genetische Beratung; Fachkunde für die, die beraten und die, die die Diagnostik machen müsse nachgewiesen werden. Dann sagen wir, genau wie der Ärzte-kammerentwurf: kein Screening im Rahmen der IVF, keine routinemäßige Durchführung und wir sagen, diese Praxen müssen zunächst einmal die Voraussetzungen erfüllen, eh sie das können. Jetzt die Frage, wie verhalten wir uns diesen Familien gegenüber, die irgendwann kommen und natürlich auch eine Vorgeschichte hinsichtlich der Pränataldiagnostik haben? Wenn sie fragen gibt es keine andere Möglichkeit, ein nicht betroffenes Kind zu bekommen, ohne sozusagen, erst eine Schwangerschaft, ich zitiere, ?Schwangerschaft auf Probe?, einzugehen, beim hohen genetischen Risiko von 25 % sich dann sagen lassen zu müssen, ihr Kind ist wieder betroffen und den Abbruch zu machen. Da kommt natürlich zwangsläufig die Frage, warum kann das nicht im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik geschehen? Und da fällt mir jede Antwort schwer, wenn ich die gängige Praxis sehe. Nein, machen Sie doch eine normale Pränataldiagnostik, dann wird der Abbruch in der 20. Woche gemacht, denn dann haben wir das Ergebnis bzw. nach einer CFS in der 14. Woche, je nach dem, was es ist. Ich lasse das im Raume. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da nicht ein massiver Wertewiderspruch besteht. Und diese Familie, so wie sie jetzt vor mir sitzt, kann ich nicht mit einem allgemeinpolitischen Argument vertrösten. Es ist aber für uns als Gesellschaft besser, wenn wir diese Möglichkeit nicht eröffnen. Klammer auf: Ich würde das in Aachen sagen, und 30 Kilometer von Aachen ist Maastricht, das Zentrum der Präimplantationstik in den Niederlanden. Wenn ich das aber sage, mache ich mich nach geltendem Recht jetzt schon strafbar. Das ist also Teil einer nicht akzeptablen und auch nicht vermittelbaren und dann auch nicht von den Bürgern, die es betrifft, akzeptierbaren Wirklichkeit. Was wird denn eigentlich gemacht? Es wird gelesen, man liest in der Presse: Präimplantationsdiagnostik öffnet den Weg für alles - blonde Haare, Sie können alles unter-suchen. Es gibt nur eine zusammenfassende Studie der European Society of Humany Reproduction- embryology, die ihre Daten bis Mai 2000 zusammengefasst hat, und da können Sie lesen, wer die Präimplantationsdiagnostik weltweit in Anspruch nimmt.
Das sind bislang 886 Paare gewesen und es wurden 162 Kinder geboren. Was waren das für Paare? Es waren Paare, da hatten 285 Paare bereits kranke Kinder, 41 Paare hatten Totgeburten, 276 Paare hatten Fehlgeburten - bis zu sechs Fehlgeburten - und 253 Paare hatten Schwangerschaftsabbrüche hinter sich. Das geht bis zu mehr als sechs Schwangerschaftsabbrüchen. Das sind die Familien die fragen, warum diese Präimplan-tationsdiagnostik, und das muss dazu gesagt werden, die mit einer IVF, mit einer Invitroferilisation, verbunden ist... Das ist nichts, was man mal eben macht. Das ist eine enorm hohe Hürde. Frau Reich sprach von der Tortur in dieser Bundestagsdebatte. Der Tortur einer IVF unterziehen sich die Frauen, weil sie hier keinen anderen Weg sehen. Das ist sozusagen das klassische Dilemma, aus dem wir, denke ich, nur herauskommen, wenn man der Wirklichkeit in die Augen sieht. Ich sage es jetzt einmal sehr direkt: unseren Rat suchen und sagen, wir müssen, auch wenn es uns schwer fällt, Rahmenbedingungen schaffen, die das möglich macht. Sonst leben wir in einer Insel für fünf Jahre und werden uns dann doch umentscheiden müssen, denn diese Paare haben gute Argumente auf ihrer Seite. Ich denke der Ärztekammerentwurf hat einen Weg versucht, Kriterien zu definieren, die natürlich Sollbruchstellen haben. Das ist mir völlig klar, aber Frau Bühren, Sie sagen mit der linken Hand: wenn die ihre Raten erhöhen wollten, machen die eine Präimplantationsdiagnostik um letale Tresomien. Tresomien, die nicht lebensfähig sind. Das wollen wir verhindern. Sagen Sie das einmal den Frauen, sucht nicht nach einer Tresomie 16, dann ist zwar eure Rate schlechter, aber das ist ethisch sozusagen die klarere Ebene. Auch das wird nicht durchzuhalten sein. Tribut an die Wirklichkeit ? wir müssen Wege finden, die pragmatisch sind, auch mit einem vielleicht unguten Geschmack, der zurück bleibt. Danke sehr.
Vorsitzende: Vielen Dank. Frau Dr. Stellmach bitte.
SV Dr. Claudia Stellmach, Forschungsarbeits-gemeinschaft in NRW: ?Ethik im Spannungsfeld von Verantwortung und gesellschaftlicher Normierung im Gesundheitswesen?:
Vielen Dank für die Einladung in diesen Ausschuss und vor allem dafür, dass Sie diese Fragen, was alles andere als selbstverständlich ist, auch einmal unter frauenspezifischen Blickwinkeln beraten lassen. Das finde ich außerordentlich erfreulich. Eine Information noch: Der Zusatz, den sie in der Namensliste zu meinem Namen finden, dient nur der Information. Ich spreche nicht für die Forschungsarbeitsgemeinschaft NRW ?Ethik im Spannungsfeld von Verantwortung und gesellschaftlicher Normierung?, das dient Ihnen nur als Information. Ich spreche als Parteiunabhängige und für mich. Mein Hintergrund dafür ist sozialwissenschaftlicher Art.
Ich habe mich in einer intellektuellen Spätgeburt in meiner Promotion vor ganz wenigen Jahren mit der Auseinandersetzung, die die Frauenorganisationen und die Frauenbewegung, vor allem der Bundesrepublik, der westlichen Bundesrepublik, mit den technischen Angeboten der Revolutionsmedizin unter Pränataldiagnostik geführt haben, befasst. Ich habe mich seit vor allem den 70iger Jahren ein bisschen auseinandergesetzt und befasst mit der Diskussion zur Humangenetik, sofern sie überhaupt stattfand, bei Frauen in der DDR und über die Diskussion etwa bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts. Ich greife daher auf die Analyse von Dokumenten und Literatur vornehmlich aus der Frauenbewegung und Frauengesundheitsbewegung zurück, die die historische Entwicklung dieser Diskussion widerspiegelt und außerdem darauf, dass ich im Zusammenhang mit dieser Arbeit mit Frauenverbänden und den Frauenabteilungen wichtiger Verbände gesprochen habe, und zwar den verantwortlichen, die jeweils in der entsprechenden Zeit diese Fragen betreut haben. Es waren der Deutsche Frauenrat als große Vereinigung und übergreifende Organisation. Darin die Evangelische Frauenarbeit, zwei katholische Frauenverbände, die Frauenbeauftragte des Zentralrats der Muslime in Deutschland, auch die jüdischen Gemeinden, die allerdings damals noch nicht auf den Wohlfahrtsverband verwiesen haben, die Gewerkschaftsfrauen, BGB und auch einzelne, die damals in der Debatte bei der IG Metall und IG Chemie eine wesentliche Rolle spielten, mehrere Frauengesundheitszentren und die pränataldiag-nostikspezialisierte Beratungsstelle Carra in Bremen. Nicht zuletzt auch den Zusammenschluss, der sich inzwischen seit Jahren mit dem Zusammenhang von Pränataldiagnostik und Abbruch beschäftigt, nämlich das Netzwerk gegen Selektion, gegen Pränataldiagnostik. Das zur Vorstellung.
Zunächst einmal zu meiner Wahrnehmung Ihrer Fragen. Es war fürchterlich viel an einzelnen Fragen, die für mich jedenfalls in kurzer Zeit und Nachtarbeit durchzuarbeiten waren. Zum Zweiten will ich den Eindruck nicht verhehlen, ich hatte bei den Fragen zu PID so etwas das Gefühl: ich bin in einem anderen Film. Ich hatte das Gefühl, da wird gefragt, als wären wir schon mitten drin. Dabei wissen wir, wir sind nicht mitten drin und Sie, die Abgeordneten, haben noch nicht einmal die Entscheidung darüber vor sich, über PID zu entscheiden, sondern überhaupt erst einmal auch unter frauenspezifischen Aspekten zu überlegen, ob es überhaupt einen neuen Entscheidungsbedarf gibt. Mir sind als Kontrastfilm zu den Fragen ganz viele Beispiele aus meinem persönlichen Umfeld und auch aus der Literatur vor Augen gekommen von Frauen, die sehr aktiv und offensiv beispielsweise mit der überall fokusierten Frage nach dem Down-Syndrom, nach dem ein furchtbares Gesuche stattfindet, all über all, vor Augen gekommen, ob Beispiele aus der Arbeit mit Down-Menschen selber, die man sich auch im Internet angucken kann. Aus all dem will ich zwei Eindrücke vorab einmal zusammenfassen.
Der erste Eindruck, den ich aus meiner Arbeit gewonnen habe und der mir wichtig scheint ist, alles das, was die Sachverständigen bisher gesagt haben, die aus frauenspezifischer Perspektive berichteten, dieser Eindruck wird auch durch meine Arbeit aus historischer Perspektive bestätigt. Frauen sind vorher niemals, niemals vorher, nach dem Angebot und danach, ob sie es eigentlich wollen, gefragt worden - bei der Durchsetzung, bei dem Angebot, bei der Institutionalisierung, bei der kassenärztlichen Abrechenbarkeit von dieser oder jener Maßnahme pränataler Diagnostik. Es ist eine Sache der beteiligten Professionen gewesen und was ich Frauen als Verantwortung zurechne, sie haben sich damals, in den 70iger Jahren, auch nicht darum gekümmert. Sie hatten damals nämlich ein anderes Problem. Die Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, die erst nach einer riesigen Auseinandersetzung möglich wurde. Aber ich möchte betonen, dass was heute als individueller Kompetenzverlust in den Praxen erlebt wird, vor allem in den gynäkologischen Praxen, das ist historisch insgesamt auch vor sich gegangen bei der schleichenden Durchsetzung von Angeboten pränataler Diagnostik. Frauen sind niemals gefragt worden, und es hat sich erst im letzten Jahrzehnt offenbar - auch nicht zuletzt aus dem Hintergrund frauenspezifischer Unter-suchungen zu diesen Fragestellungen - begrüßens-werter Weise etwas geändert. Das Angebot ist also von professioneller Seite gekommen. Niemals aber von Frauen oder ihren Vertretungen gefordert worden. Von all den von mir befragten Verbänden gibt es keine einzige befürwortende Stellungnahme beispielsweise zu Pränataldiagnostik. Im Besten, wenn sie so wollen, resignativ kritische Stellungnahmen, etwa zu Such-Ultraschall oder genetischer Pränataldiagnostik insgesamt. Resignative Stellungnahme, die eher davon zeugen, dass man sich nicht lächerlich machen will, nachdem es schon massenhaft in Anspruch genommen wird, sich mit dem Papier dagegen zu stellen. Bleibt die breite Inanspruchnahme zu erklären, von der wir alle wissen. Ich erkläre mir die Differenz zwischen der klaren Ablehnung bis im extremsten Fall skeptisch verhaltenen Stellungnahme aller Frauenverbände, soweit mir überhaupt ersichtlich, einerseits und der massiven Inanspruchnahme durch Frauen dadurch, dass es erstensNiederschwelligkeit und die eindeutige Angebotsinduktion gibt. Es ist zweitens aber natürlich auch nach wie vor angesichts der Aufbürdung des Großteils an reproduktiven Aufgaben auf die Schultern der Frauen und einer Erschwerung der Lebensplanung und der Biographien von Frauen dann, wenn sie sich zusätzliche Arbeit der Betreuung eines behinderten Kindes übernehmen müssen. Ich erkläre mir das aufgrund auch diesen zweiten Faktors.
Ein letzter Blick aus meiner Sicht zeigt, dass wir mit diesen Angeboten offenbar wieder einmal eines bzw. mehrere soziale Probleme mit technischen Lösungen aufzuheben und zu lösen versuchen und auf dem Rücken von Frauen das soziale Problem der Ausgrenzung, Diskrimierung behinderter Menschen. Das Problem kennen wir alle, dass es eine Art gesellschaftlichen Selektionskonsens gibt, der sich auch darin ausdrückt, dass wir kaum ein wertfreies, neutrales Wort haben für das, worüber wir reden. Abweichung, Defekte, Behinderung sind alle negativ besetzt und das soziale Problem des höheren Frauenanteils an reproduktiven Arbeiten. Wir haben das soziale Problem einer Technik-gläubigkeit, die auch da um sich gegriffen hat, wo derzeit sicher gravierendere Beispiele dafür bestehen.
Aber auch hier schlägt es sich nieder im Glauben, dass Technik Sicherheit vermitteln könne, was sie in diesem Fall nicht tut. Daraus resultiert in der Tat, Herr Zerres hat darauf hingewiesen, das Draufsatteln von immer mehr Technik. Pränataldiagnostik plus IVF wird zur scheinbar logischen Induktion von PID. Ich denke, genau diese Sicherheitsillusion, den Sicherheitsmythos zu hinterfragen, ist die gemeinsame Verantwortung von Fachleuten, Fachfrauen, und die Entscheidung darüber zu fällen, ob wir in dieser Art von Sicherheitslogik bleiben, diesen Mythos auf dem Rücken von Frauen austragen lassen und auch weiter austragen lassen. Das ist eine Verantwortung, die sicher nicht zuletzt das Parlament hat, und worauf es sich verlassen kann, ist die hier auch schon deutliche Unterstützung durch ganz viele Fachfrauen. Danke.
Vorsitzende: Frau Professor Hellferich bitte, sie haben jetzt das Wort.
Professor Dr. Cornelia Hellferich, Sozialwissen-schaftliches Frauenforschungsinstitut:
Vielen Dank für die Einladung. Mein Name ist Cornelia Hellferich, ich bin Professorin für Soziologie an der evangelischen Fachhochschule in Freiburg und Leiterin eines sozialwissen-schaftlichen Frauenforschungsinstitutes in Freiburg. Wir haben dort eine Studie durchgeführt im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. ?Frauen leben Lebensläufe und Familienplanung von Frauen?. In dieser Studie haben wir 1.500 Frauen in der Allgemeinbevölkerung befragt, und ich möchte hier unter anderem darauf eingehen. Wir haben in einer Teilerhebung Frauen in Variationen gefragt, nach ihrer Einstellung zur Planbarkeit und Machbarkeit von Kindern und unter anderem Bezug genommen auf Pränataldiagnostik. Interessant ist, dass unsere Ergebnisse, die ein differenziertes Vorstellungs-muster abgeben, von Frauen ist, die in relevanten Teilergebnissen sehr gut übereinstimmen, zum Beispiel mit den Studien von Frau Lippert über die Frauen, die genetische Beratung gesucht haben. Ich möchte einige wenige Sätze zu der Ausgangs-situation verlieren, und dann möchte ich darauf eingehen, in welchem gesellschaftlichen Kontext pränatale Diagnostik ihre positiven Möglichkeiten entfalten kann.
Zur Ausgangssituation: Wir haben bei uns zu dieser Sonderauswertung, zur Einstellung von Frauen zu Fragen der Planbarkeit und Machbarkeit ganz deutlich gesehen, dass der Übergang in die Elternschaft und das Leben mit Kindern insgesamt nicht nur bei Schwangeren, sondern generell als ein Risiko gesehen wird. Die zentralen Begriffe, um die Auswertung für uns schlüssig zu machen, vor welchem Hintergrund entstehen diese Einstellungen, waren ein hoher Bedarf an biographischer Absicherung, um sich auf das Risiko Kinder einzulassen und viele Ängste, Optionen im Leben zu verlieren. Optionen, wie zum Beispiel wieder berufstätig werden zu können, oder sich, wenn die Kinder größer werden, wieder anderen Dingen widmen zu können. Die Einstellung von Frauen allgemein, generell zu Fragen von Planbarkeit und Machbarkeit war auf eine sehr charakteristische Art und Weise gespalten. Auf der einen Seite wurden Argumente für die Notwendigkeit vorgebracht sich durch Planung abzusichern und nicht alles dem Zufall und dem Schicksal zu überlassen. Auf der anderen Seite haben Frauen dezidiert Grenzen gezogen, zum Beispiel wann Planung gar nicht möglich sei, wann sie überflüssig sei oder auch eine wichtige Grenze, eine Grenze, die durch den ethischen Anspruch gegeben ist, dass das Geplante auch so wie es geplant wird, eintreten soll. Diese Erwartung ist an die Planung gebunden und das ethische Argument, wenn das Kind anders ist als geplant, zu einem anderen Zeitpunkt kommt, wenn es andere Eigenschaften hat, dann ist die Enttäuschung groß, und das Kind wird abgelehnt.
Wir hatten auch konkret bezogen auf Behinderungen gefragt. Generelle Antworten wurden strikt abgelehnt. Die Frauen sagten unisono: Es kommt auf den Einzelfall an. Das Dilemma, das dahinter steckt, ist den Frauen sehr präsent. Der Druck, sich über diagnostische Verfahren abzusichern ist sehr groß. Auf der anderen Seite wird aber auch die Legitimität dieser Absicherung, ihre Effektivität und ihre Alternativlosigkeit zumindest zum Teil hinterfragt. Welche Punkte sind es, unter denen man sagen kann, ein positiver Kontext für Vorsorge, allgemein pränatale Diagnostik? Ein Anspruch wäre, Frauen sollen informiert sein, informiert werden, sie sollten realistische Vorstellungen haben über Behinderungen, über das Leben mit einem behinderten Kind, sie sollten realistische Vorstellungen haben von der Leistungsfähigkeit medizinischer Verfahren, und wir sehen in unserer Studie, dass das nicht der Fall ist. Es existieren weitgehend verzerrte Vorstellungen von Behinderung und von Unterstützung für ein Leben mit einem behinderten Kind, und diese Verzerrungen rühren daher, dass es sich um andere Ängste handelt, die auf das Thema behindertes Kind projeziert werden. Diese Ängste, die sehr stark geäußert werden, erscheinen in einer sehr dramatischen Form von Frauen, die allgemein und nicht betroffen ihre Meinung äußern. Das eigene Leben schaffen zu können, was übrigens auch beinhaltet, gut für ein Kind zu sorgen, das ist kein Interessengegensatz, sondern Frauen sehen das wechselseitige Angewiesensein von Mutter und Kind, was das Wohlergehen angeht. Dieses eigene Leben zu schaffen mit einem behinderten Kind, wird als eine extreme Zuspitzung der Zumutung gesehen, das eigene Leben gut zu schaffen - mit einem Kind sowieso. Frauen haben dramatische Vorstellungen geliefert, wie von einer doppelten Marginalisierung, bei der die Behinderung des Kindes ihnen als eine weitere Marginalisierung zugerechnet wird, einer Verausgabung, jede Minute lebenslang; der Vater verlässt sie, sie wird von der Erwerbstätigkeit abgeschnitten und die Familie zerbricht. Fremdunterbringung wurde kein einziges Mal positiv geäußert, sondern als Abschieben des Kindes. Es existieren zweitens weitgehend unrealistische Vorstellungen von der Leistungs-fähigkeit medizinischer Diagnostik. Den Frauen ist das Dilemma sehr präsent, was sich stellt, und sie entwickeln die Vorstellung, dass die Medizin ihnen ein Kriterium geben könnte, wie sie jeweils im Einzelfall und gemessen an der Kraft, die eine Frau aufbringen muss, um das Leben mit einem behinderten Kind zu meistern, das Dilemma entscheiden soll. Für oder gegen einen Schwangerschafsabbruch, und es gibt die Vorstellung, die Medizin sieht, die Medizin weiß, die Medizin kann Behinderung als einen Zustand des ungeborenen Kindes beschreiben, sie kann sagen wie schwer die Behinderung ist und damit das entscheidende Kriterium für die Entscheidung liefern. Das ist natürlich auch unrealistisch angesichts der prognostischen Unschärfe.
Das Dritte, pränatale Diagnostik könnte einen positiven Kontext haben, wenn den Frauen klar ist, dass sie, die Männer natürlich auch, dass sie in jedem Schritt eines Diagnoseprozesses informierte Entscheidungen treffen können, und dass es ein Recht auf Nichtwissen gibt. Die Befragten fokussierten überwiegend ausschließlich auf den Schlusspunkt des Diagnoseprozesses, nämlich auf die Entscheidung für oder gegen einen Abbruch. Es waren wenige Alternativen in dem gesamten Entscheidungsprozess präsent. Es wurden wenige Optionen genannt, wie sich Frauen einer Eigendynamik, die eine Risikoetikettierung oder auffällige Befunde auslösen, entziehen können. Der Vierte Punkt, wann könnte pränatale Diagnostik einen positiven Kontext haben? Wenn Beratung, die Entscheidungsprozesse begleiten kann. Die Beratung, die die Entscheidungsprozesse begleiten kann, ist defizitär. Andere Ansatzpunkte, wie zum Beispiel der Einbezug des Themas in die Familienplanung, fehlen ganz. Ich will auf die Defizite der Beratung nicht eingehen, das ist Ihnen bekannt. Es ist bekannt, dass die psychosoziale Beratung ihre Klientel nicht erreicht, und die humangenetische Beratung selbst in diesem Risikodiskurs natürlich ein Teil ist. Ich möchte nur auf zwei Punkte hinweisen: Zum einen, das Beratungsziel scheint mir nicht ganz klar zu sein. Die Vermittlung von Kompetenz könnte zum Beispiel ein Beratungsziel sein, Unsicherheit auszuhalten und die Grenzen von Machbarkeit zu akzeptieren. Ein solches Beratungsziel sollte professionsübergreifend diskutiert werden und da stehen aber die fehlenden Kooperationen im Wege. Die Frage, die sich mir stellt ist auch die, ob Beratung nicht zu spät ansetzt. Es kommen Frauen und Paare, die - jetzt will ich wieder von dem medizinischen Indikationen absehen - aufgrund von sozialen Ängsten eine vorher bestimmte und vorher festliegende Einstellung haben, wenn sie in die Beratung kommen. Das heißt subjektiv sind längst nicht mehr alle Optionen offen, und ich denke auch, dass die Optionen sich nicht durch Hinweise auf die Realitäten von Behinderungen oder auf die prognostische Unschärfe von Diagnostik wieder im Beratungsgespräch öffnen lassen.
Fazit insgesamt: Die möglichen positiven Effekte von pränataler Diagnostik werden dort nicht entfaltet und kehren sich in eine sozial problematische Entwicklung um, wo soziale Ängste einer medizinischen Lösung zugeführt werden. Diese Lösung, und das ist, glaube ich ein schwieriger Punkt, greift vorhandene Ängste auf, die in der Bevölkerung, und nicht nur in dem Moment, wenn eine Frau schwanger wird, da sind, die vorher da sind. Sie trägt aber selbst dazu bei, diese Ängste fortzuführen. Insgesamt nicht nur aus diesem Bereich, wir haben es an dem Zeitungsartikel gesehen, existieren heute, im Gegenzug zu diesen Ängsten, Phantasmen von Machbarkeit von Kindern und von der möglichen Vermeidung von Behinderung und alternative Möglichkeiten, damit umzugehen mit dem existenziellen Faktum, dass es keine Garantie auf Gesundheit für Nichts und Niemanden gibt. Mit diesen Ängsten umzugehen, dazu brauchen wir noch andere Alternativen, die ein Stück weit außerhalb des engen Kontextes liegen, den wir hier besprechen.
Vorsitzende: Vielen Dank Frau Professor Helfferich.
Wir sind jetzt bei unserer ersten Fragerunde, und interfraktionell haben wir besprochen, dass wir es so handhaben wollen, dass in der ersten Runde die SPD-Fraktion beginnt, dann die CDU/CSU-Fraktion. Beide Fraktionen haben jeweils 15 Minuten für Fragen und Antworten. Das nötigt den einen und die andere manchmal, die Fragen kurz zu stellen, und um so präziser bekommt man dann auch die Anworten. Wenn dann noch die Fraktionen von Bündnis 90/DIE GRÜNEN, FDP und PDS mit jeweils 8 Minuten ihre ersten Fragen gestellt haben, wird die erste Fragestunde um sein, und dann werden wir sehen wie es weitergeht, ob wir in diesem Modus weiter verfahren, oder ob wir die Fragerunden freigeben. Da haben sich die Fraktionen noch nicht ganz festgelegt. Jetzt die erste viertel Stunde für die SPD-Fraktion.
Frau Wolf, bitte.
Abg. Hanna Wolf (SPD):
Vielen Dank. Zunächst möchte ich mich recht herzlich bedanken für ihre Statements und auch für das, was sie uns schriftlich an die Hand gegeben haben, auch dass sie es betont haben, ?aus frauenspezifischer Sicht?. Dafür schon einmal herzlichen Dank. Noch eine Vorbemerkung: Ich könnte mir vorstellen, Herr Professor Zerres, dass damals die Einführung von PND so ähnlich argumentiert wurde, wie jetzt für PID. Irgendwo beginnt alles klein und ganz unbedeutend, aber ganz engagiert und landet dann, wie PND zeigt, doch in der Dimension, die so eigentlich nicht gedacht war. Aber was in der Welt ist, wird dann auch weiter ausgetragen und vermehrt sich merkwürdigerweise. Man fragt sich natürlich dann nach den Interessen dahinter.
Jetzt meine Frage, zunächst an Frau Dr. Bühren, und es ist ein Replik auf das, was Frau Dr. Dennis gesagt hat. Aus Diskussionen zum Thema PND hört man immer wieder das Argument, es wird den Frauen nicht Mut gemacht auch zu sagen: ?nein, ich möchte das Recht auf Nichtwissen haben?, sondern es gibt die Ärzteschaft, die sozusagen diesen Katalog der Möglichkeiten anbietet. Frauen berichten, dass sie sich geradezu wehren müssen gegen das alles, was ihnen angeboten wird. Wenn sie das also versäumen, wäre das eine Art Unterlassung.
Wie beurteilen Sie das aus diesen zwei Sichten? Frau Dr. Dennis sagt, die Frauen kommen von sich mit dem Wunsch und sie müsste als Ärztin dagegen halten. Deswegen frage ich Sie gleichzeitig: Wie ermutigen Sie Frauen auf dieses Recht auf Nichtwissen oder wie grenzen Sie ein, damit sich selber auch den Frauen ihre Selbstbestimmung ausdrückt? Denn es breitet sich wohl hier eine ganz starke Entmündigung von Frauen aus, denen man es nicht mehr überlässt, allein für sich, für ihren Körper, für das, was sie eigentlich für richtig halten, zu entscheiden, sondern der Druck ist so groß. Woher kommt der Druck? Kommt er auch von den Ärzten? Hat es auch damit zu tun, Frau Dr. Bühren, dass Sie dann Regress gegen Ärzte erwarten können? Welche Rolle spielt diese Regressmöglichkeit? Das sind die Fragen, die ich gerne von ihnen beiden ein bisschen beleuchtet sehen möchten, wie weit bei Ärzten die Entscheidung auf diesen Katalog ist.
Dann hätte ich gerne Frau Professor Helfferich gefragt. Sie sagen in ihrer Untersuchung in der Frage 12 bis 14 zum Schluss: Nach der Geburt des Kindes werden in der Konkurrenz der Rechte des Vaters, des Kindes und der Mutter die mütterlichen Rechte zurückgenommen und die Rechte des Kindes und des Vaters gestärkt. Insgesamt ist zu beobachten, dass Frauen als Schwangere stärker in die Pflicht genommen werden, zugleich nach der Geburt Rechte als Mutter verlieren. Können Sie das noch einmal vertiefen, auch den Prozess der Entmündigung der Frauen in dieser Frage, wie Sie dazu kommen, das zu beurteilen? Danke schön.
Vorsitzende: Bitte schön Frau Dr. Bühren.
SV Dr. Astrid Bühren: Diesen einen Punkt, den sie so herausgestellt haben, den der juristischen Frage, der ist ganz wesentlich, das ist überhaupt keine Frage. Das Recht auf Nichtwissen ist wirklich ein großes Recht, nur das wird den Ärztinnen und Ärzten sehr schwer gemacht. Wenn ich hier auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1984 hinweisen darf, nach dem ein Arzt einen Pflichtverstoß begeht, wenn er eine Schwangere mit einem erhöhten Risiko nicht auf die Möglichkeit einer Fruchtwasseruntersuchung auf Morbis-Down hinweist. Wobei wir auch von anderen Untersuchungen wissen, was gesagt wurde und was jemand tatsächlich verstanden hat. Da klaffen Welten. Es kann etwas gesagt sein, aber es kann emotional überhaupt nicht angekommen sein, und deswegen muss tatsächlich ein so vehementer Druck dahinter gemacht werden, einfach damit auch nicht mehr gesagt werden kann, ihr habt es mir nicht erzählt, auch wenn eine Unterschrift irgendwo ist.
Einen kleinen Punkt möchte ich noch bestätigen, und das ist das, was Herr Zerres gesagt hat. Dieses Leid, der tatsächlich vor einem Sitzenden ist unglaublich groß. Ich hatte es in meinem Fazit auch nur wegen der Kürze der Zeit nicht. Das ist das - und das muss man manchmal unterscheiden von dem was theoretisch gesagt wird -, was praktisch wirklich da ist. Und trotzdem habe ich mich dazu entschlossen, trotz des Leides dieser etwa 80 bis 100, dazu zu sagen, dass das, was hier sonst auf uns zukäme, das was Frau Wolf im Vorwort gesagt hat, so existenziell groß wäre, dass trotzdem leider das Leid der Wenigen zurückstehen müsste. Jetzt möchte ich an Frau Dennis für die praktische Seite übergeben.
Vorsitzende: Frau Dennis bitte.
SV Dr. Barbara Dennis: Ich bin mir dessen bewusst, dass die Frau in dem Moment, wo sie als Schwangere meine Praxis betritt, eine Patientin geworden ist. Das kann ich nicht ganz aufheben. Ich denke mir, ich versuche es in meinem Rahmen in der Praxis dadurch zu mildern, dass ich mir die Schwangerschaftsvorsorge mit einer Hebamme, die in meiner Praxis arbeitet, teile. Ich wünsche mir, dass es mehr Richtlinien dafür gibt, was ist für eine Schwangere gut, was ist für einen normalen Schwangerschaftsablauf gut?
Solche Untersuchungen gibt es nicht. Es gibt lediglich Untersuchungen, was gefährlich ist in einer Schwangerschaft. Ansonsten habe ich Mut zur Lücke. Ich denke wir haben alle immer mal wieder Angst vor rechtlichen Konsequenzen. Wenn die aber entstehen, dann kommen sie meistens an Stellen, die wirklich unvorhersehbar sind und nicht da, wo wir auch mal etwas weglassen. Ich überfrachte nicht jede Schwangere mit allen Möglichkeiten, die sie haben könnte, wenn ...
Vorsitzende: Frau Professor Helfferich an sie war noch eine Frage gestellt.
SV Professor Dr. Cornelia Helfferich: Der erste Teil ist sehr einfach zu beantworten. Ich denke, dass gerade die Überwachung der Schwangerschaft natürlich auch eine Überwachung des mütterlichen Verhaltens ist. Das liegt nahe und der Artikel zeigt das auch sehr schön. Es geht um medizinische Überwachung, aber natürlich steht auch unten drunter, wieviel Sport gut für die Entwicklung des Kindes ist, und das heißt, wir bewegen uns in einen Trend hinein, wo Mütter mit ihrem Verhalten in der Schwangerschaft in die Pflicht genommen werden, für das Wohlergehen des Kindes zu sorgen. Man muss beobachten, wie sich diese Diskussion weiterentwickelt. Heißt dass, das während der Schwangerschaft eine Reglementierung eintritt? Wie wird das im einzelnen gehandhabt? Da sind uns die Vereinigten Staaten ein Stück voraus. Gut, wir müssen nicht alles übernehmen, was es dort gibt, aber ich denke, das ist etwas, was wir im Auge behalten sollten. Hier konkurrieren zwei gegeneinander: Das Recht der Mutter und das Recht des Kindes. Der zweite Bereich ist insofern komplizierter, als es eine sehr langfristige und in den letzten 40 Jahren eine sehr dramatische Änderung auch im Familienrecht gehabt hat. Wenn man zum Beispiel die Stellung von nichtehelichen Kindern ansieht. Wir haben noch bis 1957 die Konstruktion gehabt, dass, wenn ein Mann eine Familie hat und ein Kind im Seitensprung nebenbei zeugt, dieses dann rechtlich mit ihm nicht verwandt ist und die Frau damals auch keine Rechte hatte. Dann kann man sehen, wie entwickeln sich die Rechte, die die Frau hat, die Entscheidungs-möglichkeiten, die sie hat und wie entwickeln sich die Rechte, die der Vater hat. Wir haben eigentlich erst sehr spät den Status gehabt, dass Frauen dann auch die elterliche Gewalt bzw. die elterliche Sorge über das Kind bekommen haben. Lange Zeit gab es noch die Amtsvormundschaft, und die sieht man jetzt kommen. Die Frauen haben die Rechte noch gar nicht und jetzt ist schon in der Diskussion, dass die Väter Rechte bekommen. Das sind nicht mehr dieselben Väter wie damals in den 50iger Jahren, die eben das Kind nebenbei machen. Die kümmern sich heute auch um die Kinder. Deswegen will ich das jetzt auch gar nicht bewerten, ob das nun gut oder schlecht ist, aber man sieht, dass Verschiebungen stattfinden.
Ein anderes Beispiel ist, ist die Mutter verpflichtet den Namen des Vaters des Kindes zu nennen oder nicht? Auch da haben wir eine Konkurrenz von Rechten, auch da müssen wir sehen, wie sich diese Entwicklung fortsetzt. Wo sind die Rechte, die Frauen haben? Einfach neutral benannt: Es sind Rechte, die Frauen haben, wie verändern die sich? Wo sind die Rechte, die Väter haben, Männer haben, und wo sind die Rechte von Kindern? Und wie wird das untereinander ausgewogen an den vielen Stellen, wo Konkurrenzen bestehen.
Ich sehe eher die Tendenz, auch insbesondere, wenn man Alleinerziehende betrachtet, dass wir nicht die Situation bekommen werden, dass Frauen in einem großen Maß mit Rechten ausgestattet werden.
Vorsitzende: Vielen Dank. Bitte schön Frau Humme.
Abg. Christel Humme (SPD): Von Statements der Sachverständigen zieht sich der roter Faden, dass insgesamt beklagt wird, dass die Beratung und der Informationsgrad der Betroffenen sehr schlecht sind. So habe ich das zumindest herausgehört. Frau Helfferich, Sie schreiben, dass nicht schwangere Frauen in erschreckendem Maße über pränatale Diagnostik uninformiert sind.
Wer sollte ihrer Meinung nach dieses Defizit und wann bevorzugt verringern helfen? Das ist die eine Frage. Meine zweite Frage richtet sich an Frau Brüssel. Es ist oft die Idee entwickelt worden, Hinweise auf Beratung und Hebammenhilfe im Mutterpass zu veröffentlichen und wir wissen, dass bisher seitens des Ärzteverbandes eine ablehnende Haltung festgestellt wurde. Deshalb die Frage, welche konkreten Versuche hat es bisher gegeben, diese Eintragung nach vorne zu bringen und welche Unterstützung könnten wir als Politiker, denn darum geht es auch bei einer solchen Befragung, dort geben?
Last not least eine Frage an Frau Dennis. Den Ärzten kommt, was auch die Beratungssituation betrifft, eine ganz wichtige Rolle zu, und sie wünschen sich für die Ärztinnen und Ärzte bindendere Maßstäbe, wann und bei welcher Frau die PND gerechtfertigt ist. Frage ist, wer müsste diese bindenderen Maßstäbe eigentlich erarbeiten? Reicht das, was die Bundesärztekammer entwickelt hat nicht aus? Das ist die letzte Frage, schönen Dank.
Vorsitzende: Frau Helfferich, Sie waren die erste.
SV Prof. Dr. Cornelia Helfferich: Ich kann versuchen es ganz kurz zu halten. Was uns Sorgen bereitet hat, als wir das ausgewertet haben, ist zum einen die starke Gebundenheit an soziale Ängste allgemein und dann die Tatsache, dass die Diskussion um Behinderung und pränatale Diagnostik ganz stark emotional ist. Das schien uns schwierig, weil es sinnvoll wäre, eben auch Informationen zu haben, zum Beispiel über die prognostische Unschärfe von dem, was Medizin leisten kann. Das ist sozusagen eine Vision: ?Dann wird alles wieder in Ordnung kommen?.
Unsere Vorstellung war die, einfach auszuprobieren wie es ist, wenn man etwas bereits auf eine neutrale Art und Weise im Zusammenhang mit Familien-planung anspricht, und man sagt: Es gibt natürlich immer die Möglichkeit, dass man ein behindertes Kind hat, und zwar nicht nur durch eine früher erkennbare, sondern auch sonst durch einen Geburtsschaden, durch etwas anderes, durch einen Unfall. Die Schwierigkeit ist auch schon genannt worden. Wenn eine Frau schwanger ist und guter Hoffnung, dann geht man nicht gerne hin und sagt, wie ist es denn jetzt mit einer Behinderung möglicher Weise? Ich glaube, dass ist wirklich zu spät und ich denke, es wäre einen Versuch wert, die Ebene zu ent-emotionalisieren, zu benennen, was sind das eigentlich für Ängste? Sind das Ängste, die sich tatsächlich an der Behinderung festmachen oder an etwas anderem und wie kann man mit dieser Unsicherheit, dass man immer ein behindertes Kind bekommen kann - wie kann man damit als Frau und in der Gesellschaft umgehen. Einen Versuch wäre es wert zu sagen, was würde es bedeuten, wenn man das bereits vorher im Rahmen von Familienplanung anspricht, als eine möglichst sachliche Auseinandersetzung?
Vorsitzende: Frau Brüssel bitte.
SV Marion Brüssel: Der Mutterpass ist meines Wissens ein Dokument, das von der Selbstverwaltung der Ärzte erstellt wird. Es gibt, dazu könnte vielleicht Frau Dennis gleich noch etwas sagen, kein Mitspracherecht unsererseits. Der Mutterpass spiegelt im wesentlichen die Mutterschaftsrichtlinien wider. Die Mutterschafts-richtlinien werden ebenfalls ohne Mitarbeit von Frauen, also Betroffenen, Beratungsstellen oder auch Hebammenverbänden ausgehandelt, sondern die werden ausschließlich zwischen Ärzten und Krankenkassen verhandelt. Wir haben ganz konkret hier in Berlin einen Versuch gemacht, ein Einlegeblatt in den Mutterpass, der zentral hergestellt wird. Also, für die 30.000 Geburten, die es in Berlin pro Jahr gibt, haben wir ein Einlegeblatt erstellt, auf dem eigentlich lediglich Informationen über Hebammenhilfe steht. Wir haben das dann durch eine Unachtsamkeit der KV hier in Berlin tatsächlich geschafft, 30.000 Mutterpässe mit diesem Einlegeblatt auszustatten. Erst als es der Ärzteverband, der Gynäkologen-verband, bemerkt hat, hat es einen riesen Krach in der KV gegeben. Uns wurde gedroht, dass diese 30.000 Mutterpässe einstampft werden. Es war unglaublich. Mittlerweile sind sie aber unter die Frauen gekommen weil es keine Neuauflage gegeben hat, aber wir haben natürlich sofort uns ein Jahr später gemeldet und gesagt, die müssten doch jetzt alle sein und wir würden das gerne wiederholen. Da wurde uns mehrheitlich vom Gynäkologenverband gesagt, dass daran kein Interesse bestehe, obwohl wirklich deutlich mehr Anrufe, auch aufgrund dieses Einlegeblattes, gekommen sind. Wir haben das auch schon dokumentiert.
Vorsitzende: Vielen Dank. Frau Professor Dennis bitte.
SV Dr. Barbara Dennis: Sie haben mich nach den bindenden Maßstäben gefragt. Die gibt es selbstverständlich, bloß sie sind augenscheinlich nicht bindend. Als die Verfahren eingeführt waren, da war überhaupt keine gesellschaftliche Diskussion möglich, und es hat sich so langsam eingeschlichen, was auch hier so ein paar Mal kam. Wenn mir eine Frau gegenüber sitzt, die soviel Angst hat und die so ein Leid hat, dann kann ich mich dem nicht entziehen. Wenn mich also eine Frau ?bekniet?, eine Amniozentese machen zu lassen, obwohl sie erst 25 ist, dann habe ich die Indikation, die Frau hat Angst und kriegt ein psychisches Trauma. Das ist also sehr leicht zu machen, und von daher wünsche ich mir schon bindendere und auch politisch festere Maßstäbe, an denen ich mich etwas anlehnen kann.
Ich kann mir natürlich sehr viel Zeit nehmen, diese Frau zu beraten, und vielleicht kann ich sie davon überzeugen, dass ihr das nicht helfen wird, aber das ist natürlich wieder aus anderen Gründen nicht möglich. Sie müssen sich vorstellen, eine Amniozentese durchzuführen, bringt finanziell genauso viel wie die Schwangerschaftsbetreuung einer Frau in einem Quartal. Das muss ich dazu jetzt einmal sagen. Ich denke, es geht immer wieder um das individuelle Leid. Wie wichtig ist uns das individuelle Leid?
Vorsitzende: Dann bitte ich jetzt die Kolleginnen von der CDU/CSU, Frau Eichhorn und dann Frau Falk.
Abg. Maria Eichhorn (CDU/CSU): Ich habe zunächst einmal eine Frage an Frau Dr. Dennis. Sie haben von der Aufklärung über PND gesprochen. Wann würde denn ihrer Meinung nach diese Aufklärung angebracht sein? Denn Sie haben gesagt, zu dem Zeitpunkt kann ich das noch nicht. Wann wäre denn der richtige Zeitpunkt?
Dann eine Frage an Frau Dr. Bühren: Welche Ausgangsüberlegungen gab es denn seinerzeit für die Einführung der Pränataldiagnostik? Seit wann wird diese grundsätzlich angewandt und warum kam es dann zu dieser sprunghaften Entwicklung, die nachzuvollziehen ist und die heute schon angeführt worden ist?
Wenn wir den Vergleich zur PID ziehen, dann sagen Sie in ihrem heutigen Statement, nicht wörtlich gesagt, aber es ist nachzulesen bei Ihnen, sie befürchten, dass es bei der PID zu einer genau so sprunghaften Entwicklung kommt wie bei der PND, und ich bitte Sie, dies noch einmal zu begründen.
Vorsitzende: Vielen Dank. Frau Dr. Dennis bitte.
SV Dr. Barbara Dennis: Sie haben nach dem richtigen Zeitpunkt zur Aufklärung über pränatale Diagnostik gefragt. Meiner Meinung nach wäre der richtige Zeitpunkt vor einer Schwangerschaft. Das heißt in dem Moment, wo eine breite gesellschaftliche Öffentlichkeit und Diskussion entstehen würde, so wie sie jetzt zum Teil mit PID entstanden ist, wären auch mehr Dinge den Frauen schon bekannt. Ansonsten, da das nun nicht der Fall ist und viele Frauen uninformiert sind, ist für mich persönlich bei meiner Beratung der Zeitpunkt zwischen dem dritten und fünften Monat. Praktisch, nachdem das größte Abortrisiko vorbei ist, die Schwangere sich etwas etabliert hat mit ihrem Wissen um die Schwangerschaft und sich etwas wohler fühlt, und ich quasi noch vier Wochen Zeit habe, um das vorzubereiten. Das ist individuell immer ein bisschen unterschiedlich.
SV Dr. Astrid Bühren: Zu Ihrer Frage, Frau Eichhorn, ich habe die Zahlen vorliegen. In den Jahren 1970 bis 1973 wurden 171 Fruchtwasser-untersuchungen vorgenommen. 1986 waren es 31.000 und zusätzlich bereits 2.000 CVS. Das waren Zahlen aus einem Buch von Frau Professor Schröder-Kurth entnommen, und laut Professor Nippert waren es 1998 75.000. Das ist wirklich so: von 171 zu 75.000.
Ich denke, Herr Professor Zerres kann vielleicht noch eine andere Antwort geben. Ich gebe einfach einmal eine Antwort, die nicht auf ein Buch gestützt ist. Zwar denke ich, es ist eingeführt worden, weil die Wissenschaft so weit war, eine Methode zu haben. In den 50iger Jahren wurden die Chromosomen gefunden für die diversen Krankheiten: Für das Ulrich-Turner-Syndrom wurde in den 50iger Jahren jedenfalls festgestellt, dass ein X zu wenig ist.
Ich denke, der Bedarf kam nach dem Angebot. Das denke ich, ist ein ganz wichtiger Punkt. Und weswegen ich denke, dass es bei der PID wie bei der PND wird, hat bei mir wirklich diesen Hintergrund, den beruflichen Hintergrund, dass ich es in den Jahren ?85 bis ?90 selber erlebt habe, wie sich allein in diesen Jahren in der genentischen Beratung die Gründe für die Nachfrage schon sehr verändert haben. Ich selber habe Ende der 70iger Jahre auch Kinder bekommen und es zweimal abgelehnt, das durchführen zu lassen, und danach wurde es immer mehr auf die psychosoziale Schiene geschoben, wobei ich als Psycho-therapeutin diese nicht unterschätze und auch wesentlich finde.
Aber es ist diese allgemeine Angst und ich denke, es gehört in ihrem Ausschuss in einem anderen Punkt noch dazu, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, der familienfeindliche Rahmen und die Nachteile für die Frauen ein ganz wesentlicher Hintergrund sind, was hier auch schon gesagt wurde, mit der Zuschreibung. Sie haben es so schön ausgedrückt, Frau Helfferich: die sozialen Ängste werden einer medizinischen Lösung zugeführt, und es ist die Projektion anderer Ängste.
Vorsitzende: Frau Kollegin Falk bitte.
Abg. Ilse Falk (CDU/CSU): Ich habe zunächst eine Frage an Frau Heinkel, weil Sie nicht nur Schwangerschaftsberatung machen, sondern auch Lebensberatung und deswegen vielleicht meine Frage beantworten können. Ich weiß aber nicht, ob es da schon Erfahrungen gibt. Ich denke mit Wehmut an die Zeit, als Mütter noch über 9 Monate Mutter werden konnten, um es dann mit der Geburt zu sein und nicht mit all diesen Fragen belastet wurden, die sich heute stellen. Hier ist von Trennung des körperlichen und die verstärkte Inanspruchnahme von Technik, um bestimmte Dinge abzuklären, gesprochen worden, die sich immer stärker mit Schwangerschaft verbinden. Mich interessiert, welche Auswirkungen hat diese neue Wirklichkeit eigentlich auf das Mutter-Kind-Verhältnis, welche Rolle spielt der Vater noch dabei? Kann man dazu schon etwas sagen? Denn ich könnte mir vorstellen, dass durch diese neuen Möglichkeiten wirklich von einem sehr natürlichen und hoffentlich auch noch mit Instinkten behafteten Verhältnis zwischen Eltern und ihrem Kind immer mehr abgerückt wird.
Das ist die eine Frage und die andere an Herrn Zerres. Sie haben sehr einleuchtend gesagt, es hat weltweit bisher nur sehr wenige PID-Paare gegeben und noch weniger Kinder, die dann geboren sind. Ich glaube, keiner ist hier, der sich dem verschließen würde, dass man in diesen wenigen dramatischen Fällen das auch zugestehen wollen würde. Aber wie schätzen Sie nun tatsächlich die Entwicklung ein? Das ist unsere Furcht, angeknüpft an das, was Frau Dr. Bühren auch gerade gesagt hat, Bedarf nach dem Angebot.
Sicher, bei PID ist es immer noch nicht so leicht, weil das mit sehr viel mehr Vorarbeiten verbunden ist: Eispende, Samenspende und vielerlei Belastung für das Paar. Aber ich könnte mir vorstellen, noch haben wir nicht so viele Möglichkeiten, aber so dramatisch wie die Entwicklung zur Zeit ist, und ich glaube, es gibt keine Zeichen, dass sich das vielleicht wieder verlangsamen könnte.
Vorsitzende: Frau Heinkel bitte.
SV Claudia Heinkel: Es gibt tatsächlich nicht viele Untersuchungen zu diesem Themenfeld. Auch nicht viele, die jetzt aus der Beratung die Erfahrungen zusammenfassen. Ich will versuchen die Frage zu beantworten im Hinblick auf das, was vorliegt aus der Erfahrung mit IVF-Paaren. Weil da in besonderer Weise dieses Thema technisch unterstütze Fortpflanzung auch im Bezug auf die Kinder da ist. Da beobachten wir, sowohl in der Beratung als auch in der Arbeit mit diesen Paaren - Eltern und den Kindern in der Familienbildung -, in den Geburtsvorbereitungskursen und nachher in den Mutter-Kind-Kursen, dass die Eltern unter dem ganz enormen Perfektionsdruck stehen, gute, perfekte Eltern zu sein, dass der Leistungsdruck wirklich beobachtbar ist.
Die Familienbildungsmitarbeiterinnen beobachten tatsächlich bei diesen Paaren einen besonderen Leistungsdruck im Vergleich zu den anderen, die in den Gruppen sind. Und auch aus der Beratung wissen wir, dass der Leistungsdruck bei diesen Paaren ganz besonders auf sich selbst als gute Eltern, aber natürlich auch auf dieses, unter so großen Mühen entstandene und Belastungen entstandene Kind sich auswirkt. Auch dieses Kind muss in besonderer Weise perfekt sein und leistungsfähig und leistungskräftig und muss alles das erfüllen, was die Eltern mit Unterstützung der Technik im Voraus auf dieses Kind projiziert haben, und das ändert natürlich ein Verhältnis zwischen Eltern und Kind.
Das fürchten wir auch im Prospektiven, was PID betrifft, dass die Qualitätsprüfung dann auch das Verhältnis ändert, wenn Kinder wissen, sie sind ausgewählt aufgrund einer bestimmten genetischen Ausstattung. Das wird sich ändern. Wie diese Kinder sich dann gegenüber den Eltern verhalten können, die sie so gewählt haben, die Ablösung und die Auseinandersetzung wird anders sein als in unserer Kindheit, Jugend und Pubertät. Die Dynamik wird sich natürlich auch unter den Geschwisterpaaren ändern. Wenn man jetzt phantasiert, was es bedeutet, ein behindertes Kind in einer Familie zu haben, das lebt und eine Behinderung hat, und es wird ein Geschwisterkind bekommen, das ausgewählt wurde, weil es diese Behinderung nicht hat.
Was es auch für das Kind bedeutet, das ausgewählt ist mit diesem besonderen Qualitätsmerkmal, und das das behinderte Kind in seiner Familie gegenüber hat, kann die Beziehung zwischen den Geschwistern auch ganz enorm prägen.
Vorsitzende: Vielen Dank. Herr Professor Zerres bitte.
SV Prof. Dr. Klaus Zerres: Es ist eine schwierige Frage, wie es sich entwickeln wird, weil es natürlich sehr von dem Modell abhängt, unter dem es dann angewandt werden dürfte, wenn man es will. Wenn es jetzt um die Paare geht, die sich normaler Weise einer IVF nicht unterzögen, da sehe ich gar kein Missbrauchspotential, denn das machen die nicht mal so eben, und das hat eine relativ niedrige Erfolgsrate. Es ist im wesentlichen pro Zyklus unter 20 %. Wer also zum Zwecke der Pränataldiagnostik ein solches Verfahren wählt, da sehe ich nicht die Problematik.
Die Problematik ist da, wo man sagt, bei allen IVF-Ehepaaren haben wir eben auch die Möglichkeit nachzusehen, und deshalb haben wir in unserer Stellungnahme gesagt: Da ist ein höheres Missbrauchspotential und dem muss man mit sehr viel strikteren Regelungen entgegenwirken. Ich denke, das Modell, wie es die Ärztekammer vorschlägt, löst diesen Konflikt, weil sie es technisch aus den IVF-Praxen herausnimmt, wobei - und da müssen wir uns auch sehr klar sein -, es wird heute schon selektioniert.
Man guckt nämlich unter dem Mikroskop, welche der befruchteten Eizellen sehen denn gut aus oder nicht und die, die mikroskopisch nicht gut aussehen, die werden nicht zurück gepflanzt. Das ist schon Wirklichkeit. Und ob man ein Screening gegen letale, nicht lebensfähige Chromosomen-störungen, die dann die Rate erhöhen, auf Dauer verhindern kann, das wird die Praxis zeigen. Ich finde aber das Argument sehr problematisch, dass man sagt, das nehmen wir in Kauf, die Rate lassen wir niedrig, mit all der Problematik für die Frauen, obwohl wir es könnten. Das muss man diskutieren, aber in einem anderen Rahmen. Sie haben zu Anfang gesagt: das waren die gleichen Argumente wie bei der Pränataldiagnostik. Jetzt gibt es die Möglichkeit, die Fehler zu vermeiden. Die Fehler des unregulierten und des immer weiter um sich greifenden Marktes, der sich selbst bedient. Da könnte man ansetzen. Ich sehe das gar nicht so, dass wir da völlig hilflos sind.
Vorsitzende: Ich hoffe gerade den letzten Punkt sehr. Nur eine kurze Bemerkung: Mir fällt wieder ein, es gibt von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, eine nette Broschüre zum Thema Schwangerschaft. Und darin steht unter anderem zu den Vorsorgeuntersuchungen: Frau solle diese bitte unbedingt, so wie vorgeschrieben, auch im gesamten Umfang, wahrnehmen. Und dann folgt der Text: ?damit sie vor unliebsamen Überraschungen sicher ist?. Das können sie nachlesen. Da wird aber genau das deutlich, was jetzt hier im Gespräch war, wohin der Trend geht, der sehr viel tiefer in der Gesellschaft vorhanden ist, als nur in dieser Einstellung.
Aber jetzt hatte sich Herr Kollege Hüppe gemeldet. Die eine Minute eben wird ihnen natürlich dazu gerechnet. Entschuldigung. Bitte schön Herr Hüppe.
Abg. Hubert Hüppe (CDU/CSU): Eine direkte Anfrage noch einmal an Professor Zerres: Die von ihnen zitierte Zahlensammlung von Eschre sagt auch, dass sich die Anzahl der Indikationen gegenüber der davor liegenden Studie oder Zahlensammlung, die nicht auf ein hohes genetisches Risiko der Eltern zurückzuführen sind, verdoppelt hat. Deutet das nicht darauf hin, dass der Trend der PND bei der PID auch kommt, und wie wollen Sie sicherstellen, dass wenn das Auslandsargument, was Sie vorgetragen haben, gelten soll? Wie wollen Sie die Einschränkung durchsetzen, die Sie hier national schaffen, wenn es dann im Ausland auch darüber hinaus möglich ist? Wird das nicht bedeuten, wenn man das Auslandsargument zugrunde legt, dass jede Einschränkung, die über das Ausland hinaus geht, praktisch wieder zum Tourismus führt?
Dann noch eine Frage an Frau Dr. Bühren: Sie sprachen von den Ergebnissen, die bekannt geworden sind, dass man auch mehrere erkennt. Zum Beispiel bei CF würde man auch den Merkmalsträger, der niemals erkrankt, heraus-finden. Müsste man so etwas der Mutter mitteilen? Ist das eine Informationspflicht?
Und wie sieht es aus, wenn ich richtig bin, dass sowohl bei PND als auch PID private Versicherungen schon heute Ergebnisse erfragen dürfen, wenn danach das Kind versichert werden soll, weil zum Beispiel die Mutter von der gesetzlichen Versicherung in eine private Versicherung bei den Krankenkassen übergehen würde?
Und die letzte Frage, zu dieser Studie, die eben erwähnt worden ist, die Eschre-Studie. Die Frage würde ich gerne an Frau Heinkel stellen. Haben Sie Erfahrungen, vielleicht aus dem IVF-Bereich, wie das mit den vielen Frauen aussieht, die in der Mehrheit keinen Erfolg haben, in dem sie ein Take-Home-Kind haben, beziehungsweise dann sogar ein behindertes Kind trotzdem bekommen? Durch die Mehrlingsschwangerschaften sind perinatale Schäden eher erhöht als geringer anzunehmen, und wenn eine von sieben Frauen überhaupt noch ein Kind bekommt, trotz mehrmaliger Versuche zum Teil, sind diese Frauen dann in einer besseren oder vielleicht noch wesentlich schlechteren seelischen Lage?
Vorsitzende: Herr Kollege Hüppe noch einmal eine Nachfrage. Das erste war auch eine Frage an Professor Zerres? Nicht nur eine Feststellung. Gut. Bitte schön Herr Professor Zerres.
SV Prof. Dr. Klaus Zerres: Sie deuten es, dass nach anderen Gesichtspunkten in anderen Ländern vorgegangen wird, ist kein Argument, sich um eine Regelung Gedanken zu machen.
Es waren in der Tat 48 Paare darunter, die altersbedingte Chromosomstörungen ausschließen wollten. Wie ich erfahren habe, haben die aber auch eine spezifische Vorgeschichte gehabt. Insofern würde der Ärztekammerentwurf gerade diese Gruppe ausnehmen. Da muss man natürlich Kompromisse machen. Wenn es jetzt in einem europäischen Ausland anders gehandhabt wird, heißt das nicht automatisch: dann geht es bei uns auch nicht anders. Wir haben da völlig andere Regelungen. Zum Teil gar keine. Das zur Frage des Tourismus.
Vorsitzende: Frau Bühren.
SV Dr. Astrid Bühren: Sie haben mich einmal zum Heterozygotenstatus und zum Zweiten auch im Bezug auf die anderen Störungen, die man ggf. feststellen kann, angesprochen. Ich beziehe mich jetzt hier auf die Durchführungsbestimmungen des Diskussionsentwurfs der Bundesärztekammer, der auch der einzige wirklich komplett vorliegende Entwurf ist, und da wird der Beratung eine ganze Seite gewidmet. Und das, was vorhin schon angesprochen wurde, ist hier sehr ausführlich. Wenn das nachvollzogen wird, ist das eine ausführliche Beratung und speziell zu diesem Punkt wird gesagt, dass das immer erst in einzelnen Schritten gemacht wird, und zwar wenn der Embryo da ist. Nach PGD ist in einem erneuten Aufklärungs- und Beratungsgespräch mit dem Paar zu klären, ob und ggf. welcher der Embryonen transferiert werden soll. Das heißt, das müsste dann zumindest danach ganz klar besprochen werden. Jetzt ist der Heterozygotenstatus ein Punkt, weil in diesem Fall etwas verworfen werden würde, was genauso ist wie die Elternteile, wenn man einen Heterozygotenstatus verwirft. Dann zu dem anderen: Aufklärung auch im Bezug auf die anderen Dinge, die man vielleicht durch andere Untersuchen genauso feststellen kann. Da greift wieder das Juristische, was Frau Wolf gesagt hat. Ich kann mir langfristig nicht vorstellen, dass man etwas untersuchen könnte, feststellen könnte, und es den Eltern nicht erzählt, die dann darauf klagen könnten, dass der Umgang mit diesem schwerbehinderten Kind ein Schaden für ihr Leben sein könnte. Wir hatten auch schon einmal so ein Urteil. Ich denke, da greift alles ineinander. Ich weiß selber zu der versicherungsrechtlichen Frage - ich habe die Deutsche Ulrich-Turner-Syndrom-Vereinigung aufgebaut ? dass es dort bei Kindern, wo die Eltern in Privatversicherungen waren, größere Probleme bis gar keine Aufnahme in die private Versicherung der Eltern dieser Kinder gab. Das waren Riesenprobleme mit dauernden Stellungnahmen, weil da Wachstumshormone und andere Sachen eine Rolle spielten. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das jetzt konkret anders geworden ist.
Vorsitzende: Vielen Dank. Frau Heinkel bitte.
SV Claudia Heinkel: Sie haben nach dem Beratungsverfahren mit ungewollt kinderlosen Paaren, die es auch nach IVF, geblieben sind, gefragt wenn ich es recht verstanden habe. Ich war etwas abgelenkt.
Ungewollte Kinderlosigkeit hat im Grunde umfassende psychosoziale Dimensionen, und das ist wieder vergleichbar mit dem Thema, was wir jetzt auch haben. Das technische Angebot reduziert diesen psychodynamischen Konflikt des Paares und der Frau auf einen behebbaren Störfall, der dann mittels der Technik aus der Welt geschafft wird und das Kind, so phantasieren die Paare, wird dann in der Familie sein. Nun wissen wir, dass die Erfolgsraten außerordentlich gering sind und das heißt, dass Frauen und Paare durch diesen Wunsch am Ende dieser lange belastenden Verhandlungen immer noch alleine sind. Sie haben weder während dieser Zeit ordentliche qualifizierte Beratung, denn auch die Zeit der Behandlung ist belastend. Sie haben vorher kein Beratungsangebot, oder nehmen es nicht wahr in dem zum Beispiel geklärt wird, was hat der Kinderwunsch für eine Bedeutung für sie, für ihre Lebensplanung. Warum steht das so im Zentrum, dass alles eingeengt wird? Und warum werden alle soziale Bezüge diesem einen Wunsch in der Weise geopfert, wie es dann passiert? Vor allen Dingen sind sie natürlich hinterher, wenn der Wunsch nicht erfüllt wird, wie bei der Mehrheit der Paare, psychisch vollkommen in einer Krise, die sich auch manifestiert in psychosomatischen Krankheiten und Depressionen. Wirklich als psychische Krise, und auch da sind sie dann vollkommen allein gelassen, weil die Reproduktionsmedizin beendet ist und der Kontext dann nicht mehr zur Verfügung steht.
Das will ich jetzt noch grundsätzlich sagen: Mir fällt auf, dass Beratung auch in unseren Reihen hier fast ausschließlich mit Beratung im medizinischen Kontext verknüpft wird und genau die IVF-Paare machen deutlich, dass diese Beratung nicht ausreicht. Es braucht eine umfassende Information, Aufklärung und Beratung aus medizinischer Perspektive über das, was überhaupt leistbar ist und was erwartbar ist. Aber genau beim Kinderwunsch und bei dieser ungewollten Kinderlosigkeit und diesen enormen Leiden daran braucht es einen ganz anderen Beratungskontext, um diesen Paaren zu helfen. Genauso wie Pränataldiagnostik auch - und diesen Beratungskontext gibt es -, aber der Rechtsanspruch ist insofern noch nicht umgesetzt als dieser Beratungsanspruch den Paaren noch nicht vor Augen steht. Wir wissen jetzt aus dem Modellprojekt über diese drei Jahre, dass, wenn dieser Beratungsanspruch umgesetzt und auch entsprechend finanziert wird, dass dann tatsächlich die Frauen und Paare in die Beratungsstellen kommen. Da wird dann angerufen werden, werden Informationen abgeholt, da werden diese Konflikte sogar vor und auch während und auch nach Pränataldiagnostik in Beratung bearbeitet. Aber das setzt voraus, dass der Anspruch tatsächlich umgesetzt wird, und wenn Sachsen-Anhalt, jetzt zum Beispiel ganz aktuell, die Zahl der Stellen, der Fachkräfte in den Beratungsstellen, Schwanger-schaftskonfliktberatungsstellen begrenzen will mit der Begründung, der Personalschlüssel sei schon überfüllt, dann macht es natürlich genau den Punkt deutlich, wo es auch hängt.
Vorsitzende: Vielen Dank. Jetzt ist die FDP-Fraktion dran. Frau Schwaetzer bitte.
Abg. Dr. Irmgard Schwaetzer (FDP): Vielen Dank Frau Vorsitzende. Meine erste Frage richtet sich an Herrn Zerres. Sie haben eben mehrfach darauf hingewiesen, dass nach ihrer Einschätzung eine Entwicklung, wie sie auch bei der PND dargestellt worden ist, bei PID dann nicht zu erwarten wäre, wenn es von Anfang an sehr klare gesetzliche einschränkende Normierungen, oder positiv ausgedrückt, wirklich auch präzise Vorgaben, wann, unter welchen Umständen PID überhaupt durchgeführt werden darf, gebe. Das, würde ich Sie bitten, noch einmal kurz auszuführen, ob es da auch präzise Vorstellungen gibt. Wie das zu machen wäre? Ob sie an einen Katalog denken oder ob sie an Kriterien denken und daran schließt sich gleich die Frage an - über PND und die Ausweitung der Anwendung der PND ist wirklich viel gesagt worden: Halten Sie es im gegenwärtigen Stadium für notwendig, auch stärker normierende Regelungen für die Anwendung von PND vorzugeben? Zum Beispiel in einem Schwangerenvorsorgegesetz, so wie es in anderen Teilen des Parlamentes diskutiert wird.
Vorsitzende: Bitte schön, Herr Professor Zerres.
SV Prof. Dr. Klaus Zerres: Zur Frage der Gestaltung solcher schärferen Richtlinien ? ich muss dazu sagen, ich vertrete hier nicht die Meinung der Gesellschaft für Humangenetik. Die hat in diesem Punkt ihre Stellungnahme, die glaube ich auch kursiert, formuliert, die zu dieser konkreten Fragestellung nicht Stellung genommen hat. Ich könnte mir denken, dass der Ärztekammerentwurf ?Diskussionsentwurf zu einer Richtlinie zur Präimplantationsdiagnostik? zwei Arten von Kommissionen vorgesehen hat. Einmal auf Bundesärztekammerebene und einmal auf einer regionalen Ebene durchaus geeignet, die Instrumente zu schaffen, zu sagen was ist letztlich eine schwere Behinderung und ein hohes genetisches Risiko. Sie müssen diese Art von Untersuchung durch diese Kommission gewissermaßen genehmigen lassen. Wir warnen dramatisch vor der Veröffentlichung von Katalogen, weil das funktioniert nicht, und ich meine, die Zumutbarkeit in dem individuellen Kontext muss dann natürlich einen extrem hohen Stellenwert haben. Ich denke, es ist natürlich, und da sind sich auch die Urheber dieser Stellungnahme einig, eine schwierige Aufgabe, aber ich muss noch einmal sagen: Wir müssen das für die Pränataldiagnostik immer auf dem Hintergrund der existierenden Regelung § 218 überhaupt sehen. Wenn sie unter der medizinischen Indikation die Bedingungen für die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruches lesen und sehen, dann sind natürlich diese Hürden mindestens ebenso hoch und es funktioniert in irgendeiner Form. Ich denke, der Ärztekammerentwurf ist da letztlich eine gute Möglichkeit.
Zur Frage Regelungsbedarf der klassischen Pränataldiagnostik. Das würden wir hier natürlich auch sehen. Wir würden sagen, qualifizierte Beratung und qualifizierte Qualifikation derer, die diese dann durchführen. Auch auf der labortechnischen Seite, müsste es gefordert werden, ob im Sinne eines Schwangerschaftsvorsorge-Gesetzes oder eines Gentest-Gesetzes, wie es die Grünen jetzt als Entwurf vorgelegt haben, das ist eine Frage. Aber wer hat Zugang zu solchen Sachen, wer darf es machen? Da würden wir, denke ich, sehr deutlich sagen, wir müssen die Qualifikation derer, die diese Art von Beratung und von Diagnostik machen, unbedingt einfordern.
Abg. Dr. Schwaetzer (FDP): Ich hätte noch eine Frage an Frau Dr. Dennis, und zwar in Bezug auf die Beratung. Frau Dennis, Sie haben in ihrer Stellungnahme geschrieben, dass die Gemeinschaft, in der Sie auch tätig sind, seit langer Zeit für eine räumliche und zeitliche Trennung von Beratung und Schwangerenbegleitung eintritt. Ich würde Sie einfach bitten, dies noch einmal zu begründen. Die Beratung hat heute Nachmittag eine sehr große Rolle gespielt, aber so klar ist noch nicht geworden, wo sie ansetzen muss und was dazu führt oder was Sie dazu führt zu sagen, dass die Durchführung von PND und Schwangerenbetreuung in unterschied-liche Hände gelegt werden sollte.
SV Dr. Dennis: Ich glaube, andeutungsweise habe ich es schon gesagt, und zwar betrachte ich mich in der Schwangerschaftsvorsorge als jemanden, der die gute Hoffnung dieser Frau teilt und ein Stückchen beiträgt, dass die Schwangerschaft erfolgreich und positiv verläuft.
Pränataldiagnostik dient aber nicht der Erhaltung der Schwangerschaft. Pränataldiagnostik dient der Selektion, und ich befinde mich dann in einem Interessenkonflikt, den ich auch nicht verheimlichen kann. Das heißt, in dem Moment, wo ich der Frau eine Beratung über Pränataldiagnostik gebe, bin ich befangen, bin ich nicht objektiv, und die Frau wird auch von mir beeinflusst. Ich denke, eine Trennung dieser beiden Pakete, nämlich einmal die normale Schwanger-schaft und einmal die Schwangerschaft mit dem Risikoansatz Pränataldiagnostik würde der Schwangeren auch eine andere Möglichkeit geben, sich damit zu befassen. Sie müssen davon ausgehen, dass ich die Schwangeren zum Teil schon 10 Jahre kenne, dass ich schon relativ viel mit denen durchgestanden habe, und die natürlich von meiner Meinung oder von meinem Stirnrunzeln beeinflusst sind. Ich kann das nicht raushalten. Ich kann es einfach nicht objektiv machen und bisher besteht lediglich die Möglichkeit, die Frauen an ein humangenetisches Institut, zum Beispiel bei uns in Bremen, zu überweisen. Da habe ich dann aber die Erfahrung gemacht, dass die Frau überfrachtet wird mit Statistiken, die sie überhaupt nicht einschätzen kann. Da kriegt sie dann irgendwelche Prozentzahlen gesagt. Das ist auch sehr schwierig. Ich plädiere also für eine unabhängige Beratungsstelle. Wir haben übrigens in Bremen eine. Die nennt sich Cara, bundesweit glaube ich die einzige, die in der Lage ist, die Frau wirklich unabhängig zu beraten und ihr auch die psychosoziale Betreuung gibt, die geschult sind in psychosozialer Beratung. Ich finde, das ist ausgesprochen nötig. Und dann muss ich natürlich auch noch sagen, es ist ein unglaublicher zeitlicher Aufwand. Auch das spielt sicherlich mit eine Rolle, warum ich denke, es muss ausgegliedert werden, weil die Zeit darf kein Maßstab sein darf.
Vorsitzende: Frau Schwaetzer bitte.
Abg. Dr. Irmgard Schwaetzer (FDP): Dann würde ich gerne zu dem Themenkomplex Beratung auch Frau Professor Helfferich noch einmal fragen.
Sie haben in ihrer Stellungnahme geschrieben und haben da auch noch einmal darauf hingewiesen in dem, was sie mündlich ausgeführt haben, dass sie es für wichtig halten, dass nicht PND sozusagen den Frauen aufgenötigt werden, sondern dass wir in einen Prozess kommen, wo Frauen sich dann aktiv für PND entscheiden müssen, anstatt sich dafür zu rechtfertigen, warum sie es ablehnen. Da würde ich auch gerne noch einmal nach ihren Vorstellungen fragen, wie man so etwas umsetzen kann. Das heißt, was erwarten Sie von der Politik, um in einen solchen Prozess hinein zu kommen?
SV Professor Dr. Cornelia Helfferich: Was mir dabei vorgeschwebt hat war, Frau Stellmach, Sie kennen es auch, war eine Auseinandersetzung mit dem niederländischen Modell, wo Frauen nachsuchen und sagen, ich möchte gerne, und nicht diejenigen sind, deren Aktivität darin besteht zu sagen, etwas wird an mich herangetragen, ich sage aktiv nein. Das ist meine Aktivität. Alle diese Modelle haben immer ihre eigenen Geschichten, eine bestimmte Entwicklung vom Verhältnis zwischen Ärzten und Patientinnen und deswegen weiß ich nicht, ob sich das so 1:1 übertragen lässt, aber die Idee, denke ich, fördert auf jeden Fall dieses Bewusstsein, dass Entscheidungen zu treffen sind. Das war ein ganz wichtiger Punkt, den ich dabei hatte.
Vorsitzende Anke Eymer (CDU/CSU): Wir hatten auch darauf hingewiesen, dass man sehr früh ansetzen müsste und da war die Frage, was erwarten Sie von der Politik, um tatsächlich einen Prozess in Gang zu setzen, nach dem diese Art von Bearbeitung all dieser Fragen möglich erscheint.
SV Professor Dr. Cornelia Helfferich: Meine Vorstellung wäre die, dass man über die konkrete Beratungspraxis von Schwangeren hinaus und in andere Kontexte hinein geht und, wenn es um Beratung geht, Frauen informiert und ermuntert, dass sie die Entscheidungen treffen.
Aber nicht die Situation, die in den Beiträgen auch beschrieben worden ist, dieses Aufschaukeln von Beunruhigung, die sie dann am Stirnrunzeln festmachen, auf die hin dann wieder neue Maßnahmen gesucht werden, neue Bestätigungen gesucht werden zur Beruhigung. Aber wer viel sieht, der sieht viel, sagen die Mediziner und das heißt, es ist nicht so, dass die Folgeuntersuchungen dann in jedem Fall die Beruhigung auch schaffen können.
Um aus diesem Zyklus auszusteigen muss man vorher ansetzen und muss vorher mit Frauen eine Möglichkeit, zum Beispiel die einer unabhängigen Beratungsstelle, finden. Ich würde es dann auch gar nicht Beratungsstelle nennen, ich würde es dann vielleicht Informationsstelle nennen, weil die Frauen sich nicht als psychosozial belastet definieren sollten, um dort einfach das an Information zu bekommen, was sie doch vielleicht auch gerne hätten, so eine Zwischenlösung zu finden.
Was mir wichtiger erscheint, was aber vielleicht nicht so realistisch ist, ich hätte gerne, dass die beteiligten Professionen, wie Humangenetiker, psychosoziale Beratung, Gynäkologen, dass die das Beratungsziel festlegen, weil ein Problem darin besteht, dass offensichtlich unterschiedliche Beratungsziele und unterschiedliches von ihrer Profession her, ein unterschiedliches Beratungs-verständis als Ziel haben. Nicht das Vorgehen. ?Ergebnis offen?, sagen alle. Aber von dem Ziel her, und diese Kooperation in Bezug auf einvernehmliches Beratungsziel würde den Frauen auch sehr viel helfen.
Vorsitzende Anke Eymer: Keine Fragen mehr? Dann hat die PDS das Wort. Frau Bläss bitte.
Abg. Petra Bläss (PDS): Ich schließe unmittelbar an und habe meine erste Frage an Frau Dr. Dennis. Sie haben aus praktischer Erfahrung davon gesprochen wie wichtig Ihnen das Anliegen ist, Beratung einem Eingriff vorzuziehen, was die Tests betrifft, und plädieren ganz klar und deutlich für mehr Selbstkompetenz für Frauen. Sie sprachen davon, dass es notwendig wäre, neue Richtlinien für Schwangere zu entwickeln. Das heißt, ich will mich jetzt nicht festklammern an dem Begriff der Richtlinie, was ist gut und was ist nicht gut für sie. Könnten Sie vielleicht auch das aufnehmen, was Frau Professor Helfferich jetzt eben aufgenommen hatte, was diese interdisziplinäre Verständigung betrifft, damit wir so eine Art Rahmenkatalog für entsprechend adäquate Beratungsangebote bekom-men?
SV Dr. Barbara Dennis: Ich gehe jetzt erst einmal darauf ein, was ich damit meine, es müssten Richtlinien erstellt werden. Was ist für eine Schwangere gut? Das war der Kernpunkt. Ich kann das vielleicht noch einmal ausführen. Wir haben in Deutschland zum Beispiel diese drei Ultraschalle, die es, soweit ich weiß, in keinem anderen Land gibt. Wir wissen alle, dass die drei Ultraschalle meistens verdoppelt werden in der Schwanger-schaft. Es gibt aber trotzdem keinen besseren Outcome im Endeffekt. Wir haben deswegen keine bessere Perinatalstudie oder sonst etwas. Das heißt, Ultraschall scheint nicht dazu beizutragen, dass eine Schwangerschaft sicherer ist und besser verläuft. Genauso ist es mit vielen anderen Untersuchungen im Mutterpass. Es wird einfach immer davon ausgegangen, wir machen ganz viel und dann wird es ganz gut. Es gibt selbstverständlich Studien darüber, was bei bestimmten Risiken wichtig ist zu machen. Darüber gibt es gute Sachen, aber es gibt nichts darüber, wie kommt eine Schwangere gut durch die Schwangerschaft? Was ist normal in einer Schwangerschaft? Was tut ihr gut? Der Ansatz von der anderen Seite als der von der Krankheit, der fehlt, und es ist eben auch sehr wenig Evidence Base Medicine Dominance. Wir haben etwas im Kopf und wir machen es.
Vorsitzende Anke Eymer: Vielen Dank. Sie haben eine weitere Frage, bitte.
Abg. Petra Bläss (PDS): Das ist eine Frage, die ich gleichermaßen an Frau Dr. Stellmach und Frau Dr. Bühren habe. Es betrifft die Chancen, die scheinbare Logik, die wir jetzt im gesellschaft-lichen Klima haben, die durch Medien auch transportiert wird, überhaupt noch durchbrechen zu können. Das heißt, welche Chancen haben wir, diesen Druck, der auf Frauen lastet, überhaupt wieder abzubauen? Frau Dr. Bühren spricht in ihrem Gutachten von dem Weg der sogenannten ?Entkörperung?. Das merken wir auch, weil das embryonale Umfeld in Diskussionen, die in den Zeitungen geführt werden, in den Medien, so gut wie gar nicht mehr vorkommen. Wie sehen Sie beide die Strategie, diesem Zirkel irgendwie zu entgehen? Ich denke, dass auch wir als PolitikerInnen hier ganz stark gefragt sind und deshalb auch den Rat bei ihnen suchen.
Vorsitzende Anke Eymer: Wer von ihnen möchte zu erst? Frau Dr. Bühren, das hatten wir Sie vorhin schon gefragt: Wann sollte Beratung ansetzen? Ich denke das passt zu diesem Punkt ganz gut.
SV Dr. Astrid Bühren: Ich denke, sie kann gar nicht früh genug ansetzen, und ich plädiere dafür, dass in der Schule schon ein Klima der Diskussion und Aufklärung und auch Bildung und Unterricht erfolgt, die sich mit dem ureigensten beschäftigt, was jeder von uns garantiert in seinem Leben dabei hat. Alles andere können wir verlieren. Aber unseren Körper nicht, und es ist wichtig, dass wir uns in dem wohlfühlen, und dass wir mit unserem Körper auch leben und dazu gehören bei der Frau nun mal auch die Fruchtbarkeitsphase und die Schwangerschaft und das alles dazu. Da wäre es wunderbar, wenn wir da eine Diskussionskultur, auch eine Anerkennung hätten: ?Das muss einfach cool sein und das muss toll sein und hammerhart? - diese Argumentationsebene. Da müssten wir hinkommen,und dass das wirklich wichtig ist, was wir sind, was auch mit der Ernährung zu tun hat. Davon einmal ganz abgesehen.
Diese Entkörperung, das ist sehr schwierig, da hinzukommen, dass wir wieder zu diesem Körper kommen. Aber ich muss jetzt einfach einmal ein Lob an Sie richten. Vorhin sagte meine Nachbarin zu mir, das ist doch sehr ungewöhnlich, hier sitzen so viele Frauen. Das ist wohl meistens umgekehrt. Ich habe gesagt, ich denke das ist fast immer umgekehrt. Und ich denke sie haben einfach schon etwas angefangen ? die Politikerinnen, die jetzt hier im Bundestag sind, und das würde ich jetzt einfach einmal herausstellen als eine Chance und ein Beginn. Wir können Ihnen auch sagen, wir Medizinierinnen haben es in unserer eigenen Disziplin nicht immer ganz so einfach, wenn wir auf diese Dinge hinweisen und diese frauenspezifischen Dinge auch machen. Wenn ich an diese Anhörung am 07. März denke, das sind alles Dinge, die wir noch nicht gerade als sehr positiv in unserer Umgebung erleben. Aber das ist ein Beginn und das Lob möchte ich einfach geben und ich denke, das hier ist eine große Chance.
Vorsitzende Anke Eymer: So etwas hören wir natürlich immer gern. Vielen Dank.
Frau Dr. Stellmach bitte.
SV Dr. Claudia Stellmach: Soweit die Frage die Einschätzung der Chancen, es durchzusetzen betrifft, bin ich natürlich hier ziemlich überfragt, weil es von sehr vielen Faktoren abhängt und davon, dass sehr viele Professionsgruppen und sehr viele politischen Kräfte auch positionsübergreifend zusammenarbeiten. Zu Strategien oder Schritten, die Logik zu durchbrechen, ist es für mich sicher etwas einfacher, etwas zu sagen. Ich würde generell alles unterstützen, was hier an einem konkreten Beispiel auch schon erwähnt wurde. Was beispielsweise dazu beitragen könnte, dass die beteiligten Professionen, Gynäkologie, Human-genetik, sich ihrerseits verständigen sollten über das, was sie derzeit auch immer an Auseinandersetzung und in zusätzlicher Verwirrungs- oder Verunsicherungsfunktion in Bezug auf das, was Schwangere bzw. Frauen, die eine Schwangerschaft planen, zu erwarten haben. Um auch ein klareres Adressatenbild zu haben seitens derer, die sich kritisch mit der bisherigen Praxis gynäkologischer Beratung, auch humangenetischer, dieser Sackgasse der humangenetischen Verunsicherungs- und Risiko-abschätzungszirkel, befassen, Klareres dort zu haben, für all die anderen Professionsgruppen, die sich auch damit befassen. Das wäre eines. Das zweite wäre, das würde für mich über ganz vielen anderen Zielen schweben und sich in dem Satz zusammenfassen lassen: ?Frauen sollten Frauen und ihre bisherigen Erkenntnisse und Wahr-nehmungen auch unterstützen?.
So konkret gesagt hieße es für mich beispielsweise, in Bildungspolitik, in Gesundheitspolitik, in der Frauenpolitik, positive Beispiele des selbstbewußten Umgangs gegenüber dem medizinischen und humangenetischen Risiko, Taxonomien und Einschätzungen, herauszustellen und anderen sichtbar zu machen. Es gibt darüber Beispiele aus der Literatur, mit Problemen behaftet, aber Erfahrungen beispielsweise am Bostoner Zentrum in den USA, wie man auf andere Art beispielsweise von professioneller Seite bei pränataldiagnostischen Down-Befunden mit den Frauen und mit der Zukunft der Frauen umgehen kann von, wenn auch die verschiedenen Professionsbereiche sich selbstkritisch mit ihren Bildern im Kopf auseinandersetzen. Es gibt wunderbare Beispiele darüber, wie Frauen, unterstützt von eigenen Netzen und Zusammenschlüssen, sich selber behaupten können gegenüber der Verunsicherungskaskade innerhalb ihrer eigenen Schwangerschaft. Es gibt wunderbare Beispiele darüber, wie Netze, Gruppierungen, Zusammenschlüsse, beispielsweise die European Down Association, sich selber als Verbindung von Menschen mit dem überall gesuchten Syndrom, damit zu leben und aktiv zu leben, beruflich aktiv tätig zu sein, sehen und damit die Bewertungen, innerhalb derer wir alle leben, und die uns sozusagen von überall entgegengespiegelt werden, dann auch in der Gewichtung, die sie für unsere Köpfe und Verhaltensweise haben, mindern und senken können. Das wären diese drei Bereiche: Gesundheits-, Bildungs- und Frauenpolitik, sie wären für mich erst einmal die sichtbarsten Politikbereiche, in denen ich etwas von Politik erwarte in Bezug auf Unterstützung sich auseinandersetzender Frauen und Unterstützung von aktiven Gegenbeispielen zur systematisch produzierten Verunsicherung durch Pränatal-diagnostik. Dabei will ich es erst einmal belassen.
Vorsitzende Anke Eymer: Herzlichen Dank. Damit beenden wir die zweite Fragerunde. Meine Frage jetzt an Sie, wollen wir die nächste Runde offen gestalten oder wieder systematisch vorgehen wie bisher? Also offen? Gut, wer möchte offen beginnen? Die CDU/CSU. Maria Eichhorn.
Abg. Maria Eichhorn (CDU/CSU): Frau Heinkel, sie hatten gemeint, dass die psychosoziale Beratung von uns nicht so in den Vordergrund gerückt würde. Dem möchte ich widersprechen. Ich persönlich halte sie für dringend erforderlich vor der PND und auf jeden Fall nach PND, und ich würde sowohl Sie als auch Frau Professor Helfferich fragen wollen, wie Sie zu den folgendem Argument stehen, das hier immer entgegengesetzt wird. Wenn wir davon reden, dass psychosoziale Beratung bei PND notwendig ist, dann heißt es oft, die armen Frauen, die sowieso schon so viel Ängste haben, denen kann man doch nicht zumuten, zusätzlich noch einmal eine Beratung aufzusuchen, weil sie sowieso schon von den Ärzten mit einer Situation oder durch die Ärzte mit einer Situation konfrontiert werden, die ihnen Sorge macht. Außerdem müsste dann eine sehr schnelle Entscheidung getroffen werden, und da wäre es nicht zumutbar, noch eine zusätzliche Stelle aufzusuchen. Das geht an beide.
Dann habe ich noch eine Frage an Frau Heinkel. Wie bewerten Sie gegenwärtig die Situation von Familien mit behinderten Kindern? Auch insbesondere von Alleinerziehenden, die mit behinderten Kindern leben? Und wie würde sich, sie haben es andeutungsweise schon angesprochen, wie würde sich oder könnte sich gegebenenfalls diese Situation bei der Zulassung der Präimplan-tationsdiagnostik ändern?
Vorsitzende Anke Eymer: Vielen Dank. Frau Heinkel bitte.
SV Claudia Heinkel: Das sind zwei große Fragenkomplexe. Ich habe vorher gemeint, einfach zur Erläuterung, dass mir auffällt: Wir sprechen alle von Beratung und es wird nicht differenziert, welche Art von Beratung wir meinen. In unserer Stellungnahme haben wir versucht, das deutlich zu machen, dass wir von Beratung der Anwender sprechen, also anwendungsbezogene Beratung und von anwendungsunabhängiger Beratung. Damit meinen wir Beratung außerhalb des medizinischen Kontextes, nämlich psychosoziale Beratung. Ich bin vorher auch etwas zusammengezuckt, als Frau Helfferich sagte, wir müssten ein gemeinsames Beratungsziel all derer, die da beteiligt sind, formulieren. Das finde ich nicht. Ich finde, die psychosoziale Beratung hat einen klaren Auftrag und den möchte ich nicht vermischt haben mit der Beratung derer, die die Diagnostik dann anwenden. Deswegen will ich das noch einmal kurz sagen. Wir haben es versucht, in unserer Stellungnahme zu schreiben: Psychosoziale Beratung zeichnet sich dadurch aus, dass ihr Ziel ist, die Entscheidungs-fähigkeit und die Handlungskompetenz derer, die da sind, zu stärken, zu begleiten bei der Bewältigung der Konflikte, die die Ratsuchenden einbringen. Die geben den Auftrag, klärend zu helfen bei der Wahrnehmung der Ängste und bearbeiten zu helfen dessen, was da an Ängsten und Verunsicherung da ist. Natürlich auch beizustehen bei der Suche nach der Lösung, mit der die Ratsuchende leben kann und dann nachher beizustehen bei dem Ertragen dieser Lösung, die sie für sich gefunden hat.
Das sind für mich Grundsätze der psychsosozialen Beratung, und ich glaube nicht, dass wir da ein gemeinsames Ziel auf der Ebene finden können. Humangenetiker oder ÄrzteInnen, die haben einen anderen Fokus. Die haben nicht den Fokus der Risikospezifizierung. Wir haben einen anderen. Sie haben jetzt noch gefragt, ob das nicht eine Zumutung wäre, wenn die Frauen zusätzlich zu dem, was sie in der medizinischen Praxis erleben, in die Stelle kommen sollen. Wir betrachten natürlich Beratung nicht als eine zusätzliche Zumutung, sondern als einen Ort, wo genau das, was oft nicht möglich ist in dem Kontext der gynäkologischen Praxis, als einen Ort, an dem Zeit und Raum zur Verfügung steht um außerhalb der Handlungszwänge und auch der Handlungslogiken innerhalb des medizinischen Systems inne zu halten und Luft zu holen und zu gucken, was macht mir Angst, was tue ich da, will ich das, in was ich da hineingekommen bin? Wenn die Frauen dort sind, dann erleben sie das als einen außerordentlich hilfreiches und unterstützendes Angebot und nicht als eine Zumutung, die jetzt noch zusätzlich kommt. Das setzt allerdings voraus, dass es eine freiwillige Beratung ist, und da sind wir natürlich sehr dran, an diesem freiwilligen Beratungs-anspruch festzuhalten. Die Zumutung kann beginnen bei der Idee ?ich bin verpflichtet dahin zu gehen?.
Ihre zweite Frage ist die Situation von Familien mit behinderten Kindern. Wir haben in unserer Stellungnahme sowohl zu diesen sogenannten ?Schwangerschaftsabbrüchen nach Pränatal-diagnostik? vom Diakonischen Werk als auch für heute darauf hingewiesen, dass natürlich die ganze Diskussion im Grunde voraussetzt, wenn man es anders lösen will als über ein medizintechnisches Verfahren, dass die Rahmenbedingungen für ein Leben mit Kindern und für ein Leben mit behinderten Kindern wirklich verbessert werden müssen. Wir fordern seit langem ein Leistungs-gesetz, dass zum Beispiel Kinder, die mit Behinderungen auf die Welt kommen, und die, die im Lauf der Kindheit die Behinderung erwerben, dass die sozialrechtlich gleich gestellt werden. Das ist im Moment noch nicht der Fall. Das heißt auch, dass Frauen und Paare, die sich dafür entscheiden, ihr behindertes Kind auszutragen und nachher mit einem Kind mit Behinderungen zu leben, dann nicht sehenden Auges zur Sozialhilfe gedrängt werden und SozialhilfeempfängerInnen werden müssen mit dieser Entscheidung für das behinderte Kind. Das vielleicht erst einmal. Und es unterscheidet sich nicht, ob jemand alleinerziehend ist oder nicht, diese Forderung. Alle andere brauchen natürlich in besonderem Maße Unterstützung, wenn sie Kinder mit Behinderungen haben.
Vorsitzende Anke Eymer: Danke schön. Eine Nachfrage.
Abg. Maria Eichhorn (CDU/CSU): Die letzte Frage, die hatten sie jetzt nicht aufgegriffen. Wie sich das auswirken würde ihrer Meinung nach, wenn PID zugelassen würde? Ob sie hier Veränderungen sehen würden in der Einschätzung der Familien mit behinderten Kindern?
SV Claudia Heinkel: Wir befürchten das, und das ist auch eines unserer Argumente gegen die Zulassung von PID. Mit dem Hinweis, was auf Pränataldiagnostik zu beobachten ist. Und da ist zu beobachten, dass die Verantwortung, die Vorstellung, was verantwortliche Elternschaft ist, sich verändert. Die Verantwortung der Eltern bezieht sich immer stärker auch auf die genetische Ausstattung ihres Kindes, und PID ist eine Technik, die genau darauf hinzielt, der Auslese von Embryonen, die dann mit bestimmten genetisch gewünschten Merkmalen zur Welt kommen. Wie sich das nicht ändern soll und nicht verschärfen soll, dass kann man schlecht erklären.
Vorsitzende Anke Eymer: Das war alles an Frau Heinkel. Dann Frau Professor Helfferich bitte.
SV Prof. Dr. Cornelia Helfferich: Ich will es kurz machen. Ich glaube auch, dass die Kooperation schwierig ist. Für mich besteht die Herausforderung darin, wenn man jetzt tatsächlich die Frau ansieht, dann sieht man, sie hat eine Lebensgeschichte, sie hat eine Behandlungsgeschichte, sie hat eine Zeit vorher und nachher. Und die medizinische Behandlung ist, das haben wir auch sehr genau bei IVF gesehen, nur ein Teil davon und das würde dafür sprechen, wenn gesagt wird, man hat ein Konzept, wie in dem Leben dieser Frau, die Bewältigung dieser Ereignisse stattfindet. Dann könnte sich das im Prinzip in einem integrierten Beratungskonzept spiegeln, das einerseits beinhaltet Ungeplantes zu akzeptieren, die Grenzen der Machbarkeit zu sehen, mit Unsicherheit zu leben und es auf der anderen Seite auch einen Platz hat für medizinische Intervention. Das ist eine Herausforderung. Ich glaube auch, dass es nicht geht, aber die Herausforderung würde darin bestehen, dass Humangenetik sich mit diesen anderen Aspekten auseinandersetzt und psychosoziale Beratung sich mit der Bedeutung medizinischer Lösung auseinandersetzt.
Von daher würde ich das eher so begreifen, dass die Diskussion, die dabei entstehen würde, eine Herausforderung wäre. Alles andere stellen wir noch einmal zurück. Ich glaube auch, die Kooperation wird es so schnell nicht geben. Das war das, was dahinterstand, und wo ich denke, es macht auch keinen Sinn, die Frau zu der Beratung mit der Zielsetzung, zu der Beratung zu der Zielsetzung, zu der Beratung mit der Zielsetzung... und dann kriegt sie noch eine Case-managerin, die alle ihre Beratungskontakte organisiert.
Ich bilde selbst Sozialpädagoginnen aus und das Problem ist auch, dass viele schlicht und einfach nicht so sozialisiert sind, wie die Sozial-pädagoginnen, die ich ausbilde. Das heißt eine Kultur, sich auch zu problematisieren, die Probleme auch psychologisch zu sehen, die eigenen, sich als auch hilfebedürftig zu definieren. Insbesondere bei Frauen in einer Krisensituation, auch das ist bei IVF benannt worden. Die Klientinnen kommen nicht, sie fühlen sich, sie assoziieren etwas mit Beratung, wodurch sie sich noch stärker unter Druck gesetzt fühlen. Diejenigen, die kommen, haben schon einen Schritt der Bewältigung getan und für die anderen ist es unter Umständen zu weit, freiwillig dahin zu gehen. Und das ist ein Plädoyer dafür, andere Formen noch zu finden, Formen die weniger dieses Label psychosoziale Beratung haben. Es ist ein Erbe der Schwangerschafts-konfliktberatungsdiskussion, dass die Beratung ganz stark so gesehen wird: Da gehe ich hin und die nehmen sich dann meine Konflikte, und wenn ich dann sage ich habe keine, dann versuchen sie welche zu finden und beraten mich dann, wie ich am besten mit diesen Konflikten zurecht komme. Neutralere Formen von Information, eher von Dienstleistungen, gehören auch mit dazu und dieses Label, psychosoziale Beratung, ist für manche in dem Kontext abschreckend.
Vorsitzende Anke Eymer: Vielen Dank. Dann rufe ich Frau Humme auf.
Abg. Christel Humme (SPD): Ich möchte noch einmal anknüpfen an die erste Fragerunde, als wir darüber gesprochen haben, wie das mit den Eintragungen im Mutterpass ist. Ich fand das sehr interessant, was Sie dazu geäußert haben und würde diese Frage noch einmal an Frau Dr. Bühren richten, ob Sie eine Chance sehen. Es geht um die Frage, letztlich alle zu erreichen in dem, was die Information und Beratung angeht. In der Information sind wir vielleicht schon einen Schritt weiter, aber zumindest möchten wir alle Schwangeren erreichen, auch die, die vielleicht normaler Weise aufgrund ihres Bildungs-hintergrunds dieses Angebot nicht wahrnehmen. Die Eintragung scheint mir also eine mögliche Lösung zu sein.
Sehen Sie eine Chance, ich spreche Sie an als Vorsitzende der Ärztinnenbundes, auch bei der Ärzteschaft vielleicht auch ein Umdenken mit zu bewirken. Sie sagten gerade lobender Weise, was wir machen, ist schon ganz gut. Jetzt sind die Ärztinnen auf der anderen Seite auch gefragt, und wir sind natürlich gefragt, aus unserer Sicht, was können wir da unterstützend tun? Diese Frage möchte ich auch noch einmal an Sie richten.
Die zweite Frage, die ich habe, richtet sich noch einmal an Frau Helfferich. Sie haben vorhin von dem niederländischen Modell gesprochen und da ist die Frage, Information steht im Vordergrund, das heißt, die Frau kann selber aktiv werden und sich entscheiden, will sie informiert werden und wird nicht zwangsinformiert. Ich halte das für einen sehr guten Ansatz. Vielleicht könnten Sie dieses Konzept noch einmal etwas genauer vorstellen ? wenn sie es wissen.
Ich weiß nicht, wie das praktisch in Holland oder den Niederlanden läuft, und gibt es da vielleicht auch eine Kooperation, die besser ist als bei uns, zwischen Hebamme und Gynäkologen? Das würde mich interessieren, denn da scheint vielleicht auch noch etwas zu verändern zu sein, wenn wir uns Gedanken machen, was in Zukunft gemacht werden soll. Last not least. Die dritte Frage an Frau Dr. Dennis.
Sie empfehlen zum Beispiel solche Modelle von Kooperation von Hebammen und Frauenärzte. Vielleicht können Sie noch einmal erläutern, wie Sie sich das konkret vorstellen und ob es auch schon Modelle gibt, die ausgeführt werden, und welche Erfahrungen dazu vorliegen.
Vorsitzende Anke Eymer: Danke schön.
Frau Dr. Bühren. Wir sind ganz gespannt.
SV Dr. Astrid Bühren: Ich denke, dass ist leider nicht ganz so klar zu fassen. Es ist eine Sache, die im Schwange ist, und manche Mechanismen sind vermutlich ähnlich wie bei ihnen in der Politik. Das möchte ich jetzt unabhängig von Politikerinnen, Ärztinnen oder Physikerinnen oder sonst etwas sehen. Ich denke, es ist ein Weg der kleinen Schritte und es ist ein Weg der gegenseitigen Anerkennung, in dem auch wir Frauen - das hat auch etwas mit Sprache zu tun -, in dem wir nicht sagen, die Politiker, sondern Politikerinnen und die Politiker.
Lassen wir zum Beispiel die Frauen, die hier im Raum schon einmal präsent sein und umgekehrt ist das ganz genauso. Es heißt immer die Ärzte. Da kommen zum Beispiel die Ärztinnen, die in mancher Hinsicht vielleicht einen anderen Blickwinkel haben überhaupt nicht vor. Wie Sie wissen, gibt es den Berufsverband der Gynäkologen. In dem Vorstand ist nicht eine Frau. Oder bei den Allgemeinärzten oder bei den Internisten. Das sind allein schon die Dinge. In der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sitzt keine Frau im Vorstand. Ich habe mir extra noch einmal die Daten vom neuen Ausschuss Ärzte/Kranken-kassen, angesehen. Da ist nicht eine einzige Frau drin.
Das ist die grundsätzliche Problematik. Und ich bin im Vorstand der Bundesärztekammer. Ich habe auch mitbeschlossen, dass es einen Diskussions-entwurf wird und nicht ein Entwurf. Wir sind zwei von 19. Also mit Macht und Entscheidungs-mehrheiten hat das nicht so viel zu tun. Es ist noch wirklich ein Weg der kleinen Schritte, wenn ich das Thema Frauengesundheit in der Ärzteschaft sehe. Alle, die letzte Woche auch bei dieser Fachtagung vom Ministerium von Frau Dr. Bergmann waren, das waren überwiegend Frauen. Da sind wir uns einig. Da geht es einem auch gut, aber wenn man dieses Thema versucht woanders unterzubringen, dann wird die Sache extrem schwierig, und das sind die Punkte, wo es dann sehr wichtig wäre, sich gegenseitig zu unterstützen.
Was die Politikerinnen machen können, ist, in ihrem eigenen Bundesland beispielsweise die Ärztinnen oder die Frauen, die bestimmte Themen vertreten, einfach zu unterstützen. Frau Widmann-Mautz nickte eben. In einer anderen Situation, wo es um eine Professur ging. habe ich bei Politikerinnen auch, Frau Eichhorn, riesige Unterstützung finden können. Diese Netzwerke müssen funktionieren in beide Richtungen. Das war vielleicht nicht ganz genauso das, was sie wissen wollten. Sie haben gefragt, wie können wir unterstützen, und ich denke, darin können Sie unterstützen. Das ist einfach so. Wenn Sie einladen, nicht immer nur die Spitze oder die Vorstands-vorsitzenden oder den Vorstand, sondern fragen: ?Wer ist denn eigentlich bei Ihnen drin? Ach so, wenn sie Vorsitzende sind, vielleicht können Sie noch ein Mitglied einer Gruppierung, die vielleicht eine etwas andere Meinung hat, mitbringen?.
Solche kleinen Dinge sind es, um alle Frauen zu erreichen, das hat mit einer Diskussionskultur allgemein zu tun und ich möchte noch einmal auf die Schule zurückkommen. Wo es noch nicht darum geht, Angst in einer bestehenden Schwangerschaft zu haben, das ist der Punkt, wo es noch zu erreichen ist. Mit der Aids-Aufklärung war auch ganz vieles möglich, Jugendliche mit einer Thematik anzusprechen.
Vorsitzende Anke Eymer: Vielen Dank. Frau Professor Helfferich bitte.
SV Prof. Dr. Cornelia Helfferich: Ich kann Ihnen leider nicht so viel darüber sagen, wie ich sagen möchte. Ich war auf einer Tagung, da wurde eine Vergleichsstudie vorgestellt. Wir haben lange darüber diskutiert: Belgien, Niederlande, Deutschland. Und Deutschland war in der Mitte, in Belgien sind die Verhältnisse ein sehr patriarchales Verhältnis zwischen Ärzteschaft und den Frauen, in den Niederlanden waren die Hebammen sozusagen die zentralen Figuren einer sehr gut funktionie-renden Kooperation zwischen der Gynäkologie und den Hebammen, und das war der Punkt, weswegen das so ging. Die Frauen wurden hauptsächlich von den Hebammen betreut und gingen von dort aus in die gynäkologischen Praxen. Die Studie ist von der EK Schwille und vielleicht kann man die auch fragen, dass sie eine Kurzfassung für den Ausschuss abliefert. Ich selbst wollte im Januar in die Niederlande fahren und mir das dort auch einmal ansehen. Wie gesagt ? die Kooperation scheint auch eine große Rolle zu spielen. Mit Kooperation kann man diese Modelle auch anders umsetzen. Wenn das gewünscht ist, kann man gern die Frau Schwille auffordern, dass sie einen Bericht hierher schickt.
Vorsitzende Anke Eymer: Danke schön.
Frau Dr. Dennis bitte.
SV Dr. Barbara Dennis: Sie haben mich gefragt nach dem Modell Hebamme/Arzt. Ich kenne mittlerweile eine ganze Menge von Kolleginnen, die sich auf so ein Modell einlassen. Das ganze hat eine etwas fatale Geschichte. Zwischen Hebammen und Ärzten ist nicht gerade eine sehr gutes Auskommen. Hebammen und Ärzte haben eine etwas feindliche Tradition. Die einen denken immer, die anderen wollen ihnen etwas wegnehmen. Ich würde das sogar auf beiden Seiten so sehen. Auf der anderen Seite kenne ich mittlerweile eine Menge Modelle, wo eine gute Kooperation stattfindet. Ich selber mache das seit drei Jahren, und es ist nicht so, dass wir uns bestimmte Gebiete aufteilen, sondern wir machen beides gemeinsam. Von den Hebammen wird zum Teil gefordert, dass die gesunde Schwangere der Hebamme gehört und die kranke Schwangere dem Arzt. Ich sage das jetzt einmal etwas überspitzt. Es ist meiner Meinung nach für die Schwangere nicht förderlich, weil ich eine Krankheit nur erkennen kann, wenn ich die Schwangere auch als gesunde Schwangere kenne. Nur dann kann ich ein Gespür dafür entwickeln, wann sie etwas entwickelt. Was für die Schwangere von absolutem Vorteil ist, von einem kleinen Netz betreut zu werden und dass nicht alles auf diese eine Person Arzt hinzielt. Ich wünschte mir, dass das mehr der Fall sein könnte. Ich denke es greift um sich, und die Hebamme bringt auf jeden Fall wesentlich mehr gesunde Aspekte in die Schwangerschaftsbetreuung rein, so dass ich denke, dass man zum Beispiel auch dieses Projekt eines neuen Mutterpasses, dieses Risikomutterpasses vielleicht in einer Kooperation mal angehen könnte.
Vorsitzende Anke Eymer: Das war umfassend. Frau Dr. Schwaetzer bitte.
Abg. Dr. Irmgard Schwaetzer (FDP): Ich bin bei meinen Diskussionen über diese Fragen in den letzten Wochen auf etwas gestoßen, was mich doch ein bisschen verblüfft hat. Nämlich den Eindruck, dass diese Erkenntnisse, die in weiten Bereichen zwischen uns heute unstrittig erörtert worden sind, in der Ärzteschaft nicht so präsent sind. Ich habe zum Beispiel nicht feststellen können, dass Gynäkologen mit mir der Meinung wären, dass es einen zusätzlichen Beratungsbedarf gäbe und dass das anders gemacht werden soll, als es heute gemacht werden muss. Woraus erklärt sich das und was wird in der Ärzteschaft getan um das zu verändern? Die Frage ginge eigentlich jetzt natürlich an Professor Zerres und Frau Dr. Bühren, aber ich richte sie einmal an Professor Zerres als den einzigen Mann in der Runde und Frau Dr. Dennis.
SV Prof. Dr. Klaus Zerres: Vielen Dank, für mein Wohlbefinden ist das ganz gut als Risikotaxonom. Das ist ein schwieriges Zielkonflikt den wir haben. Man will natürlich genau sehen, zu uns kommen Schwangere, die vorher beim Gynäkologen waren, und oft, das gebe ich dann wieder zurück, aber nun auch überhaupt keine Ahnung haben, worum es geht. Die Beratung, die auch eine Auseinander-setzung mit Risiken beinhalten muss, kann nicht im Rahmen einer kurzen Praxiskontaktzeit erfolgen. Es wurde gesagt, die kommen dann verwirrt mit Risiken aus der humangenetischen Beratung. Machen Sie einmal ein Experiment, was ich immer mache, wenn Schulklassen kommen. Fragen Sie einmal, wie hoch ist das Risiko für die Geburt eines Kindes mit Down-Syndrom für eine 40jährige Frau? Sie werden immer, das Experiment blind geht immer auf, selbst wenn es durchgenommen worden ist, sie werden immer Zahlen hören 20, 30 Prozent. Automatisch. Es pendelt sich immer ein. Das wirkliche Risiko ist 1 Prozent, und Sie verwenden im Rahmen einer genetischen Beratung, die in der Regel eine Stunde dauert, viel Zeit damit, dieser Ratsuchenden klarzumachen, was das bedeuten kann: 1 Prozent. Das können Sie niemals im Rahmen einer relativ kurzen Kontaktzeit in der Frauenarztpraxis, und insofern ist das Dilemma schon angesprochen. Frau Bühren hat eigentlich genau einen Lösungsansatz gemacht. Wir müssen viel früher ansetzen. Sie haben das Alma-Projekt beschrieben. Alma heißt ja Aachen, Maastricht und Löhnen. Da wird dann keine Bestandsaufnahme gemacht, und die Holländer fangen in der Schule an, die haben ein ganz anderes Konzept Wissen zu vermitteln. Da sind nicht nur die Spezialisten, welche Beratung hätten sie denn gerne? Sondern wir müssen viel mehr aufklären über sogenannte Risiken. Über Genetik überhaupt. Da gibt es enorm viele Modelle, und da haben Gynäkologen als eine besondere Spezies besonderen Nachholbedarf, um das mal sehr deutlich zu sagen.
Deshalb fordern wir, ich komme noch einmal drauf, eine genetische Diagnostik soll nach einer humangenetischen Beratung erfolgen, die eine bestimmte Zeit in Anspruch nimmt. Ein Großteil der genetischen Beratung läuft derzeit in völlig luftleerem Raum ohne jede Beratung ab. Zur Frage der psychologischen Grundlage genetischer Beratung: Da macht sich unsere Fachgesellschaft seit vielen Jahren intensive Gedanken und Frau Bühren wird das bestätigen können, dass das keineswegs so ist, dass wir die reinen Risikotaxonomen sind. Wie sollten eine Stunde Risikotaxonomie den Ratsuchenden gegenüber dienen. Konzentrierte Aktionen brauchen wir, Bedingungen an jedwede Diagnostik knüpfen als erster Schritt und gesellschaftlich viel weiter ansetzen, viel mehr Information. Das sind genau die Dinge, die Sie gesagt haben.
Vorsitzende Anke Eymer: Vielen Dank. Frau Dr. Bühren. Auch noch dazu, Frau Dr. Schwaetzer?
SV Dr. Astrid Bühren: Ich habe Ihnen so intensiv zugehört, dass ich etwas den Faden verloren habe. Ich glaube, dass wir Gynäkologen genauso den Strömungen auferliegen wie unsere Patientinnen, nämlich dass wir denken, wenn wir ganz viel machen, dann geht auch ganz viel gut. Ich glaube, dass wir da nicht so viel anders denken und dass wir auch denken, wenn wir möglichst viel Technik machen, dann haben wir unser Möglichstes getan. Das hat jetzt nicht speziell etwas mit Gynäkologen zu tun, aber natürlich auch mit der Ärzteschaft selbstverständlich, weil wir gelernt haben, viel zu machen ist gut. Wie man das nun fördern kann, dass man da ein Umdenken herbeibringt, das sehe ich gerade im Moment als sehr schwierig an, weil es eben auch sehr um finanzielle Dinge geht, Beratung - das haben wir mehrfach gehört - auch wirklich sehr viel Zeit kostet und diese Zeit einfach auch nicht bezahlt wird. Und von daher wird da auch keine Fortbildung betrieben. Vielleicht ist es so einfach.
Vorsitzende Anke Eymer: Vielen Dank. Frau Wolf.
Abg. Hanna Wolf (SPD): Wir haben heute schon sehr viele umfassende Informationen gekriegt. Vor allem, dass sehr viel gemacht wird, was gar nicht gemacht werden müsste. Es geistert der Begriff ?Angst? durch die ganze Diskussion und auch die Projektion von anderen Ängsten. Also, auch die gesellschaftlichen Situationen, auf die Frauen treffen und besonders stark, wenn sie in der Schwangerschaft sind. Aber eine Frage muss ich hier jetzt doch stellen, weil ich glaube, es wäre sonst nicht ehrlich. Jetzt gebe ich Ihnen einmal diese Bürde auf, Frau Dr. Bühren.
Wir haben in dieser Frage gesehen, wir haben das teuerste Gesundheitssystem, aber wir sind deswegen nicht gesünder als die anderen, und das gilt auch für diesen Bereich. Wir machen am meisten Untersuchungen und bieten eine Riesen-palette von Servicesachen an. Da kann doch die Frage nach den Kosten nicht mehr außen vor bleiben.
Ist es nicht auch so, wenn es dabei überhaupt keine Kostenbegrenzung gibt, wenn es heißt, Sie machen statt drei Ultraschalle sechs, wo sind eigentlich noch die Begründungen auch von der Kostenfrage her, dass da nicht auch eine Grenze von den Kosten her gesetzt werden kann?
Ist es unter dem Begriff: der Kinderwunsch setzt überhaupt keine finanziellen Grenzen? Das sehe ich in vielen Bereichen. Das ist auch für mich der Kit oder die Schmierseife, auf dem heute etwas transportiert wird. Einmal ist es, dieser Kinderwunsch, wird wirklich auch benutzt, uns natürlich immer mehr auch an Technik zu verkaufen. Wie ist die Kosten-/Nutzenfrage? Wo spielt das überhaupt noch eine Rolle? Auch in den ärztlichen Praxen. Es ist natürlich Beratung wird weniger honoriert, als wenn ich jetzt eine Ultraschalluntersuchung mache oder andere Techniken einsetze. Das kann nicht ganz außen vor sein. Auch aus den Interessen einer Praxis. Wie bewerten Sie diese Kostenfrage auch in der Anwendung von diesen vielen Untersuchungen und auch bei PND, obwohl es eigentlich gar nicht nötig ist?
SV Dr. Astrid Bühren: Sie haben mich zu den Kosten gefragt. Da sitzen ganze runde Tische im Moment dran, das wissen wir alle, und dann wird aus den runden Tischen das Geld wieder herausgenommen. Dann kommt es aus der anderen Richtung durch Politik oder Gesetzesvorhaben wieder rein. Ich maße mir nicht an das jetzt lösen zu wollen, wo die ganzen runden Tische das nicht so richtig in die Reihe kriegen. Ich möchte bloß ein paar Stichworte dazu sagen. Sie haben auch gefragt was können Sie tun, und Sie haben die entsprechende Medizin eben genannt. Nur die Finanzierung wird leider nicht in der einzelnen Praxis entschieden. Das kann jede Ärztin oder jeder Arzt nur machen, indem sie/er noch ein paar kostenlose Stunden dran hängen. Okay, kann man auch machen. Jeder arbeitet ehrenamtlich.
Das teuerste Gesundheitssystem, ich glaube das zweitteuerste nach den USA, darauf kommt es nicht an. Dann kommt noch etwas ganz anderes hinzu. Selbst wenn Sie manche Dinge nicht tun und die Patienten und Patientinnen gehen zu den Kassen, das hat jede von uns erlebt, sagen die Kassen, und zwar mit dem neuausgeschriebenen Wettbewerb natürlich noch vielmehr: aber selbstverständlich bekommen Sie das. Einerseits haben wir die Gesetzgebung, dass der Vorsitzende dieser Kasse vor Ort eigentlich selber zahlen müsste, wenn er etwas bewilligt, was offiziell nicht zu zahlen ist, aber tatsächlich ist es nicht so. Das heißt jeder Arzt oder jede Ärztin steht pausenlos im Konflikt. Wenn sie wirklich so etwas sagen würde, mit drei Ultraschallen ist Schluss. Dann gehen die zur Kasse und dann kriegen sie das, weil das die Kasse vor Ort nicht auf sich sitzen lassen will, weil die Frauen dann drei Häuser weitergehen. Das ist ein unheimliches Geflecht und Verwirre.
Der Ausschuss Ärzte/Krankenkassen ist beispielsweise ein ganz großes Gebiet dafür, wo viele Dinge austariert werden, was soll bezahlt werden mit den diversen Untergruppen. Wie wir vorher schon sagten, da sitzt keine Frau drin. Mit Frau meine ich jetzt gar nicht nur eine weibliche Frau, sondern auch, da sitzen wenige Menschen, die diese weiblichen Dinge forcieren. Da sitzt garantiert auch kein Psychotherapeut drin, auch kein männlicher. Da bin ich jetzt nicht 100 Prozent sicher, aber 99,9 Prozent. In diesen ganzen Gremien sitzen nicht unbedingt die Menschen, die wir jetzt meinen, die diese Dinge forcieren würden. Aber nicht, weil diese Menschen das nicht vielleicht auch gut fänden, sondern weil der Trend anders ist und weil für die sprechende Medizin, hier komplex zwischen Beratung und wie machen wir Beratung, das nicht als messbar gilt. Es gilt nicht als statistisch nachweisbar. Es gilt nicht als etwas, wo man Rechnung in Euro aufmachen könne. Dies ist das Defizile, dass das die Dinge sind, die so ganz anders laufen, und das kann man immer wieder nur betonen und auch forcieren und nachfragen, aber unsere Gremien sind so, und das wissen Sie, wie die Kassenstruktur ist und auch die Ärzteschaft. Gerade im Bereich der KV?n. Im Kammerbereich ist es oft anders, aber ich weiß nicht. Ich könnte das noch ganz lange ausführen, aber die runden Tische beschäftigen sich intensiv mit den Finanzen, und das ist manchmal die Quadratur des Kreises, wobei ich sogar, aber das sage ich ganz persönlich nur, ich es trotzdem auch meine, dass wir auch selbst unter Unterstützung der Frauen, manche Kassen-beitragszahlungen beispielsweise auch der modernen Familienstruktur anpassen sollten. In- dem eben Frauen, die nicht berufstätig sind, für die auch bezahlt werden müsste, wenn sie nicht Familienangehörige oder kleine Kinder pflegen. Das sind ein paar Dinge. Es ist unglaublich komplex.
Vorsitzende Anke Eymer: Danke schön. Frau Bläss.
Abg. Petra Bläss (PDS): Ich habe noch zwei kurze Nachfragen zu den praktischen Fragen der Beratung an Frau Heinkel und Frau Brüssel.
Zunächst noch einmal an Frau Heinkel, Sie haben bereits darauf verwiesen, dass es ein Modellprojekt gab. Können Sie uns vielleicht einmal kurz umreißen, was der Inhalt dieses Modellprojekts war und was die notwendiger Weise übertragbaren Erfahrungen sind. Was eben die Trennung allgemeiner Schwangerschaftsvorsorge und der notwendigen speziellen Beratung betrifft. An Frau Brüssel die Frage angesichts ihrer konkreten Erfahrung, die Sie auch aus Berlin geschildert haben, was die notwendige Hinweispflicht für Ärzte und Ärztinnen auf die andere Beratung und vor allem auch die Arbeit der Hebammen insgesamt betrifft, und vor allem auch, was die Terminierung von Beratung betrifft. Sie hatten schon angedeutet, dass es wichtig ist, dass im Frühstadium der Schwangerschaft so eine Beratung erfolgt.
Vorsitzende Anke Eymer: Frau Heinkel zunächst.
SV Claudia Heinkel: Das Modellprojekt hat nach dreijähriger Laufzeit jetzt im Mai diesen Jahres seine Arbeit beendet. Der Abschlussbericht wird im Moment erstellt. Auch das Praxishandbuch, das ein Teil dieses Abschlussberichts sein soll beziehungsweise eine gesonderte Ausformung, als Ergebnis dieses Projektes. Das Projekt hieß ?Entwicklung von Beratungskriterien für die Beratung Schwangerer bei zu erwartender Behinderung des Kindes?. Das heißt, es war die Aufgabe zu sortieren, welche Beratungsanlässe, welcher Beratungsbedarf besteht, wie dieser Beratungsbedarf umgesetzt werden kann im Hinblick auf psychosoziale Beratung und was dazu an Netzwerk nötig ist. Und dann natürlich die Frage Fortbildungsbedarf, wie kann man den umsetzen? Da gibt es auch Ergebnisse. Das Modellprojekt war an vier Standorten in unterschiedlichen Regionen. Die evangelischen Beratungsstelle in Berlin-Mitte, und wir waren daran beteiligt. Soweit kann ich das sagen. Ein Ergebnis des Modellprojekts ist, was ich vorher kurz angedeutet habe, dass Beratungsbedarf zu den drei Anlässen besteht. Verkürzt gesagt, vor der Frage, nutze ich die Technik in der Zeit des Wartens auf den Befund und in dem Moment, in dem ein Befund auffällig ist und die Frage im Raum steht, was tue ich jetzt, was machen wir jetzt? Das wird auch Teil des Abschlussberichts sein. Ein wichtiger Punkt war die Frage, wie kann dieser Beratungsanspruch nach § 2 der Öffentlichkeit bekannt gemacht und umgesetzt werden? Das ist auch ein Punkt, den ich zu Frau Helfferich vorher noch einmal gern sagen will.
Es gibt diesen Beratungsanspruch, und die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, davon zu erfahren. Die Frage ist, wie das passieren kann. Im Modellprojekt sind verschiedene Möglichkeiten ausprobiert worden. Über Faltblätter, Einlage in Mutterpass und so weiter und natürlich ganz schwerpunktmäßig auch die Frage der Kooperation der verschiedenen Professionen, die mit dem Komplex befasst sind, und da war sehr deutlich, dass im Grunde der Dreh- und Angelpunkt ist wie es gelingt, respektvoll und gleichberechtigt zwischen psychosozialer Beratung und Gynäkologinnen und Gynäkologen zu arbeiten. Die Hebammen waren in diesem Kontext des Netzwerkes auch drin, aber die Kooperation ist da sehr gleichberechtigter und einfacher. Deswegen habe ich das so bezogen auf die Ärztinnen und Ärzte. Es war an jedem Modellstandort, unabhängig von der Ausrichtung einer Trägerschaft deutlich, dass hier der eigentliche Knackpunkt liegt, und wenn es gelingt, dass die Ärztinnen und Ärzte begreifen, die Beratung ist nicht etwas, was ihnen etwas wegnimmt oder was sie bedroht oder was ihnen Konkurrenz macht. Sondern wenn es ihnen gelingt zu begreifen, dass die psychosoziale Beratung im Interesse der Frauen und Paare etwas bietet, was sie nicht können, weil das ist eine andere Profession hat, einen anderen Rahmen und Zielsetzung. Wenn sie dann bereit sind, mit dieser Beratung zusammen zu arbeiten, dann ist im Interesse der Frauen etwas wirklich in Gang gekommen und da gibt es dann interdisziplinär Arbeitskreise, die sich regelmäßig treffen unter allen Professionen: die Hebammen, die Selbsthilfegruppen, Frühforderstellen, Beratungs-stellen, psychosoziale Beratung und Gynäkologen und Gynäkologinnen, die regelmäßig geregelt Zusammenarbeit verabreden, die den Austausch verabreden, die Form der Öffentlichkeit verabreden und die ein bisschen von dem, was nötig ist an respektvoller, gleichberechtigter Kooperation umsetzen können. Es ist ein außerordentlich mühseliger Weg. Ich muss Ihnen nicht sagen, wer diejenigen sind, die auf die Ärztinnen und Ärzte zugehen. Also, wer den ersten Schritt tut. Es sind die Beratungsstellen, die sehr lange in mühsamer Weise die Kontakte suchen, die hingehen, die darum bitten Faltblätter auslegen zu können, die Gespräche suchen, die sich und ihre Profession vermitteln wollen. Es gelingt, aber es ist wirklich ein sehr schwieriger Weg und an dem Punkt hängt es. Deswegen auch unsere große starke Forderung, dass die Ärztinnen und Ärzte verpflichtet werden müssen auf Beratungsstellen und diesen Beratungsanspruch hinzuweisen als Teil ihres Auftrags.
Vorsitzende Anke Eymer: Danke schön. Frau Brüssel.
SV Marion Brüssel: Da wird eigentlich nach den Ausführungen von Frau Heinkel ganz klar, dass wir ein noch komplizierteres Verhältnis, wie Frau Dennis es schon angedeutet hat, ein traditionell belastetes Verhältnis zu Ärzten und Ärztinnen der Gynäkologie und Geburtshilfe haben, weil wir eine reale Konkurrenz sind. Es ist noch nicht einmal so, dass wir jetzt konkurrenzlos daneben stehen, und wir sagen in den letzten Jahren auch vermehrt, wir wollen die Vorsorge machen. Nicht, uns gehört die gesunde Frau, sondern wir wollen gerne die gesunde Schwangere betreuen und begleiten. Auch deshalb, weil wir sagen, wir haben einen anderen Blick auf Schwangerschaft, wie es auch schon betont wurde. Wir bringen den gesunden Aspekt rein und suchen nicht nach Abweichungen. Von daher sehe ich ehrlich gesagt keinen Weg. Also, bei uns gibt es natürlich auch Versuche der Annäherung, aber die scheitern noch viel erheblicher, je mehr wir darauf bestehen, dass wir, eben was die Vorsorge angeht, uns nicht mehr zurückziehen wollen, sondern ganz klar sagen: Wir wollen Vorsorge machen und sämtliche Veröffentlichungen von uns, und so war es natürlich auch mit diesem Einlegeblatt, darauf hinweisen, dass Hebammen die Vorsorge machen könnten, weil unsere Gebührenordnung seit 1997 die Vorsorge enthält. Spätestens da ist seitens der Ärzteverbände vollkommen dicht gemacht worden, und es ist auch zu Kampfansagen gekommen. Muss man so sagen.
Vorsitzende Anke Eymer: Danke schön. Frau Falk.
Abg. Ilse Falk (CDU/CSU): Ich habe noch einmal an die beiden inzwischen geouteten gegnerischen Lager, Frau Dr. Dennis und Frau Brüssel, eine Frage. Obwohl sich jetzt alles konzentriert hat auf Beratung und Beratungsnotwendigkeit war am Anfang unserer Anhörung auch die Rede von dem Recht auf Nichtwissen und dem Wunsch, dass dieses auch häufiger zum Tragen kommen könne. Da stellt sich mir die Frage, ob es realistisch ist, dieses auch gewähren zu können, weil Recht auf Nichtwissen Wissen voraussetzt. Also Aufklärung darüber, was man denn nicht wissen will. Kann das funktionieren oder beißt sich da die Katze in den Schwanz? Es ist schon ein Wunsch von uns, den Müttern dieses Recht geben zu wollen, dass sie auch nicht jede Vorsorgeuntersuchung machen müssen, aber verzichten sie ganz blind darauf oder erst dann, wenn sie wissen, dass das was erkannt werden kann, nicht therapierbar ist?
SV Dr. Barbara Dennis: Bevor man das Recht auf Nichtwissen nutzen kann, braucht man natürlich eine Information. Man muss eine informierte Entscheidung treffen, das will ich nicht wissen. Was auch viele Frauen tun. Zum Beispiel, vorhin klang es an, dass viele Frauen über 35 die Amniozentese nicht in Anspruch nehmen. Viele Frauen, nachdem sie darüber aufgeklärt worden sind, was es bedeutet das zu machen, was erkannt werden kann und was nicht. Da es keinen Garantieschein gibt, was es für Risiken beinhaltet, lehnen diese Amniozentese ab und wollen nicht wissen, ob ihr Kind in unserem Sinne gesund oder krank ist. Das lässt sich natürlich auch mit anderen Methoden machen, zum Beispiel bei der ersten Ultraschalluntersuchung kann man natürlich auch vorher zählen. Wenn sie das gerne möchten, dann kann ich ihnen etwas über diese Nackenfalte erzählen, nach der ich da gucke. Wie gesagt, das habe ich vorhin schon ausgeführt, manchmal ist es schwer, diese Information zu machen, weil sie gleichzeitig Angst erzeugt, eben doch in einem bestimmten Zeitraum wirkt.
Vorsitzende Anke Eymer: Danke. Frau Brüssel noch einmal.
SV Marion Brüssel: Jetzt habe ich auch so konzentriert zugehört, dass ich erst einmal einen Moment überlegen muss. Ich würde auch sagen, es braucht erst einmal eine ziemlich gute Information, um dieses Recht auf Nichtwissen geltend zu machen. Häufig ist es bei Frauen, die einmal eine entsprechende Erfahrung gemacht haben in der ersten Schwangerschaft zum Beispiel, eine große Verunsicherung, die durch Pränataldiagnostik erfahren haben, und die dann aus der Erfahrung heraus sagen, ich nicht mehr, ich mache die Vorsorge schon gar nicht mehr beim Gynäkologen oder der Gynäkologin, ich mache es gleich bei einer Hebamme. Dann kommt dieser ganze Konflikt mit dem Ultraschall gar nicht auf mich zu und alles weitere kann ich dann auch ausklammern. Das ist nicht so als wenn wir überhaupt keine Risikofaktoren erkennen können. Die können wir natürlich auch erkennen und dann klären wir auch auf, ob eventuell eine weitergehende Abklärung gewünscht wird. Aber ich würde auch sagen, auf jeden Fall braucht Frau erst einmal ein gutes Grundwissen um sich auf dieses Nichtwissen einzulassen oder eine entsprechende Erfahrung.
Vorsitzende Anke Eymer: Vielen Dank. Maria Eichhorn.
Abg. Maria Eichhorn (CDU/CSU): Frau Heinkel, Sie hatten vorhin im Zusammenhang mit meiner Frage, als es um die psychosoziale Beratung ging gesagt, dass die Beratung im Zusammenhang mit der Pränataldiagnostik auf jeden Fall freiwillig sein sollte. Frage an Sie und auch an Frau Dr. Bühren oder an Frau Dr. Dennis, ich weiß nicht, wer es dann beantwortet.
Wenn ein Befund da ist, wenn also festgestellt worden ist, es ist möglicher Weise eine Behinderung da nach der Pränataldiagnostik, ist es dann sinnvoll zu sagen, auch diese Beratung soll freiwillig sein oder ist es nicht vielmehr so, was ich schon öfter gehört habe, dass dann sozusagen ein Schock wie ein Rolladen wirkt, das heißt, dass die Frauen dann gar nicht mehr fähig sind zu überlegen, was kann ich denn noch tun, sondern nur noch die Überlegung haben, jetzt muss ich abtreiben. Reicht dann ein Recht auf Beratung nach Pränataldiagnostik oder sollte man hier nicht, so wie es auch in anderen Fällen ist, es eine verpflichtende Schwangerschaftsberatung gibt, um den Frauen zu helfen, auch in dem Fall eine verpflichtende Hilfe ansetzen? Das ist die Frage, die zu klären ist. Sowohl bei Frau Heinkel als auch von der Ärzteschaft.
Vorsitzende Anke Eymer: Wer möchte? Ja, Frau Dr. Dennis.
SV Dr. Barbara Dennis: Es muss selbstverständlich so sein, dass die Beratung über das, was eine Frau nach einem schlechten Befund zu tun hat, vor dem Eingriff stattfinden muss. Das ist völlig selbstverständlich, denn viele Frauen lehnen es ab. Nein, es muss auch vorher die psychosoziale Seite klar sein. Wenn eine Frau sich für eine Amniozentese entscheidet, dann muss ihr klar sein, was auf sie zukommt bei dieser minimalen Wahrscheinlichkeit, dass wirklich etwas gefunden wird. Wenn Frau das weiß, entscheiden sich noch ganz viel dagegen. Und dazu gehört meiner Meinung auch eine Art von psychosozialer Betreuung. Natürlich nicht die, die im Endeffekt nachher nötig wäre, wenn sie wirklich die Abtreibung macht.
SV Dr. Astrid Bühren: Was ich für ganz wesentlich halte und was in der humangenetischen Szene oder in der humangenetischen Kultur ganz hohen Stellenwert hat, was ich ausgesprochen wichtig finde ist, diese Weiterleitung an Selbsthilfegruppen, auch wenn es sich um definierte Dinge handelt. Das ist auch beim Down-Syndrom der Fall. Diese Weiterleitung und dort die Möglichkeit zu besprechen eben mit Nicht-Medizinern oder Nicht-Sozialpädagoginnen, sondern einfach mit Eltern oder erwachsenen Betroffenen, die so ein Krankheitsbild haben, und das wollte ich vorhin auch noch hinzufügen zu den anderen Fragen und in diesem Punkt passt es gut. Viel mehr die Kultur der Einbeziehung von Patienten und Patientinnen auch in das gesamte Gesundheitswesen und dem tatsächlichen Wissen der Selbstbetroffenen profitieren.
Von der Bundesärztekammer und Kassenärztlichen Bundesvereinigung gibt es jetzt so einen. Wir haben uns jetzt schon ein paar mal getroffen, und da gibt es so etwas, dass die Patientenverbände mit einbe-zogen werden. Da hat die Humangenetik, denke ich, ich glaube einfach mal, die beste Kultur von allen Fachrichtungen - die Einbeziehung der Betroffenenverbände.
SV Dr. Astrid Bühren: Wenn wir in der humangenetischen Beratung landen, dann denke ich, ich weiß nicht, Verpflichtung gibt es nicht, aber es ist einfach die Kultur darauf hinzuweisen, und da wird überall darauf hingewiesen. Das Problem ist nur, landen sie in der humangenetischen Beratungsstelle. Wenn ich an früher denke, wenn mich eine Patientin dann erreicht hat, also Mütter, dann haben die gesagt, der hat gesagt sie würden ein ?Monstrum? bekommen. Nach dem Wort ?Monstrum? fällt bei jedem der Vorhang runter. Wobei ich nicht sagen will, dass das alle sagen. Das heißt, wie sie vorhin mit ihrem Augenzucken darauf hingewiesen hat, man kann Beratung auf sehr vielen Ebenen machen. Das ist nicht nur das, was ich sage. Ich kann sehr bedenklich sagen ?sie werden es erleben was...?
Vorsitzende Anke Eymer: Vielen Dank, Frau Dr. Bühren. Frau Heinkel.
SV Claudia Heinkel: Ich kann dem, was Frau Dr. Dennis gesagt hat zustimmen. Dann, wenn der Befund da ist, wenn die Frauen im Schock sind, dann ist das Kind schon ziemlich weit in den Brunnen gefallen und deswegen sagen wir auch, wir wollen dass die Beratung frühzeitig angeboten wird. Dass rechtzeitig, möglichst bevor überhaupt die Nutzung schon entschieden ist, psychosoziale Beratung als ein Angebot der Entscheidungshilfe zum Tragen kommt. Wir sprechen uns für ein Recht auf freiwillige Beratung aus, und bevor dieser Beratungsanspruch noch nicht nennenswert umgesetzt wird, ist es so, dass man sagen kann es bringt nichts. Das kann man im Moment noch nicht, weil das noch nicht flächendeckend umgesetzt ist. Solange ist unser Augenmerk drauf zu sagen, wir müssen diesen Beratungsanspruch umsetzen. Ich will noch etwas sagen: Wie kommt es, dass Frauen, die einen Befund haben am gleichen Tag, am nächsten Tag oder zwei Tage später, den Abbruchs-termin und das Bett haben? Das kann auch daran liegen, dass Ärztinnen und Ärzte, die den Befund mitteilen, ihnen das anbieten. Warum ist es nicht so, dass die Ärztinnen und Ärzte sagen ?da gibt es einen Ort, an dem haben sie jemanden als Gegenüber. Bitte nehmen sie das wahr. Sie haben einen Anspruch darauf, sie kriegen dort Hilfe bei der Frage, wie kann es jetzt weitergehen.? Automatismus, wie es dann weitergeht, der liegt nicht daran, dass es keine Zwangsberatung gibt, sondern das liegt an einem anderen Punkt. Wenn die verpflichtende Beratung eingeführt würde, und die Ärztinnen und Ärzte hätten die gleiche Situation geschaffen, dann würde da auch nicht viel anderes passieren. Es geht darum, in diesem Automatismus zwischen Befund und Abbruch einen Raum zu schaffen, in dem überhaupt Entscheidungen möglich sind. Man weiß einfach aus der Beratung, je freiwilliger ein Anspruch da ist, die freiwillige Beratung in Anspruch genommen werden kann, desto eher ist nicht einmal diese Hürde am Anfang - ich muss mich beraten lassen -, zu überwinden. Man kann direkt eingehen auf das, was die Frauen brauchen.
Vorsitzende Anke Eymer: Danke schön. Frau Dr. Schwaetzer hat eine Frage an Herr Professor Zerres. Liebe Frau Kollegin Wolf, wir haben bis 17.30 Uhr vorgesehen und es ist eine Frage gestellt worden von Frau Dr. Schwaetzer an Herrn Professor Zerres. Die wird gleich beantwortet, und dann können wir uns darüber unterhalten, ob es noch weitere Fragen gibt oder ob heute die Fragen so beantwortet sind. Bitte sehr Herr Professor Zerres.
SV Prof. Dr. Klaus Zerres: Es ist im Grunde gerade von meiner Vorrednerin schon gesagt worden. Die Situation bei Mitteilung eines ungünstigen pränataldiagnostischen Befundes ist dann im Grunde ganz schwierig, wenn sie vorher nicht drauf gefasst war und das hat natürlich direkt wieder mit der Vorinformation zu tun. Sie erreichen in aller Regel eine Schwangere nicht mehr, wenn das unerwartet über sie kommt und sie weiß, sie hat vorher gar keine Auseinandersetzung haben können, was könnte jetzt auf mich zukommen. Und wir machen genau die selbe Erfahrung: Je mehr Sie mit Frauen im Vorfeld sprechen, desto häufiger werden Sie erfahren, wenn das die Pränatal-diagnostik leistet oder nur leistet, dann will ich das gar nicht. Und umgekehrt können Sie in einem Gespräch vorher natürlich sehr genau sagen, wie ist die Situation im Falle eines ungünstigen Befundes? Wir machen immer genau die Erfahrung, die Sie geschildert haben. Irgendwer ruft an, hat einen Befund bekommen und weiß überhaupt gar nicht, was es richtig bedeutet. Dann suchen die Leute nach irgend jemanden, der ihnen das erklärt, weil das gar nicht geplant ist. Manchmal ist ein Wochenende. Da wird in Buchhandlungen nachgeschlagen, was es bedeuten könnte. Diese Frauen können Sie dann nicht mehr erreichen. Insofern würde ich sagen, da muss eine unbedingte Klammer sein: Vorinformation vor Pränatal-diagnostik, und wenn das sichergestellt ist, dann ist der nächste Schritt auch relativ logisch. Denn ein Befund in der Hand dieses Arztes oder wer diesen Befund hat - der hat natürlich den Zugang zu der Frau. Denn er kennt sie und sie wird nachher wieder zu ihm kommen. Das zeigt sich in der Praxis ganz klar. Je besser Sie im Vorfeld informieren, je logischer ist die Abfolge und Sie werden immer wieder erleben, dass viele Frauen sagen, wenn ich das so sehe, dann mache ich das nicht. Um noch ein Wort zu sagen: Es wird in der öffentlichen Diskussion immer ein für mich völliges Missverständnis boykottiert. Es heißt immer 96 % der Frauen würden nach einem auffälligen Befund einen Schwangerschaftsabbruch machen. Als wäre es ein Ziel, dass dieser Anteil niedriger ist. Die wollen gar keine Pränataldiagnostik machen, wenn für sie vorher klar wäre oder ist, sie machen keinen Schwangerschaftsabbruch. Das heißt wir sind immer sehr verdächtig wenn Frauen sich nachher sozusagen beliebig umstimmen lassen. Das deutet automatisch immer drauf hin, sie haben gar nicht gewusst, worauf sie sich im Zweifelsfall einlassen. Uns sind die Liebsten, die unsicher sind und nachher sagen ?so, ich weiß, was ich entweder danach mache oder ich nehme es gar nicht in Anspruch?. Das können sie in einem ausführlichen Gespräch immer sehen. Dann ist der Anteil derer, die einen Abbruch machen, nach einem ungünstigen Befund, sehr klein. Weil es in sich eine Logik hat. Information vorher/nachher. Es gibt Richtlinien der Ärztekammer zur pränatalen Diagnostik von Krankheiten und Krankheits-dispositionen. Da steht sehr genau drin: Information und Beratung der Schwangeren, da steht dann ?Die Schwangere soll vor Durchführung und nach pränataler Diagnostik auch noch einmal?. Das ist sehr klar formuliert. Die Wirklichkeit ist aber, dass es überhaupt nicht stattfindet.
Vorsitzende Anke Eymer: Herzlichen Dank. Gibt es weitere Fragen an die Sachverständigen? Die Frau Kollegin Wolf hat schon deutlich signalisiert, dass wohl kein weiterer Fragebedarf da ist. Dann danke ich allen sehr herzlich, die gekommen sind. Mein Dank richtet sich natürlich in erster Linie an die Sachverständigen. An Frau Dr. Bühren, an Frau Brüssel, Frau Dr. Dennis, Frau Heinkel, an Frau Dr. Stellmach und Herrn Professor Zerres. Frau Dr. Helfferich musste schon zum Zug, und ich habe ihr auch schon gedankt. Ich danke natürlich allen Kolleginnen, von Kollegen ist nicht so viel zu sehen, die so lange ausgeharrt haben und den Gästen auf der Galerie natürlich auch herzlichen Dank, dass sie da waren.
Ich möchte für das Protokoll vielleicht noch zwei Sätze sagen. Deutlich geworden ist sicherlich in dieser Anhörung zu dem Thema aus frauenspezifischer Sicht, dass die Beratung und die Informationen der Frauen verbessert werden müssen. Es war die Rede auch davon, dass es eine Trennung geben muss von der normalen Schwangerenbetreuung und PND. Dass es einen Leistungsdruck auf Frauen gibt, auch ein gesundes Kind zu bekommen und durch den Einsatz technischer Mittel dieser Leistungsdruck natürlich nicht geringer wird. Es war von dem Hebammen/Arzt-Konflikt die Rede und natürlich auch von den Kosten. Aber ich denke, eines ist auch noch sehr deutlich geworden, und zwar in allen Beiträgen, dass mit der Aufklärung sehr früh begonnen werden muss. Frau Dr. Bühren, Sie haben mehrfach gesprochen, nicht nur heute, auch auf früheren Veranstaltungen, dass wir uns alle überlegen müssen, wie schon in der Schule aufgeklärt werden kann. Sehr früh, und Sie wissen auch, dass in verschiedenen Fraktionen schon lange das Thema überlegt wird, sollte man nicht ein Fach in die Schulen einbringen, meinetwegen ?Family-Training, Lebenskunde? oder wie auch immer man das nennt. Also, eine Vorbereitung auf das Leben und dieser Hinweis heute von Ihnen und von anderen war noch einmal sehr deutlich, und wir sind ihnen sehr dankbar dafür. Schließen möchte ich diese Veranstaltung auch mit einem Wort, Frau Dr. Bühren, Sie haben heute wieder eins geprägt: Wenn wir Frauen es verstanden haben, alle Frauen, und es auch umgesetzt haben, uns gegenseitig zu unterstützen, dann sind wir über den Berg. Herzlichen Dank für ihr Kommen und einen guten Weg nach Hause.
Ende der Sitzung 17.30 Uhr
Christel Riemann-Hanewinckel, Vorsitzende
Anke Eymer, stellvertretende Vorsitzende