AKW-BETREIBER UND LANDESBEHÖRDEN BEFRAGT
Fehleinschätzung eines Störfalls in Brunsbüttel beschäftigt Ausschuss
(um) Nach Angaben der Regierung in der Sitzung des Umweltausschusses am 27. Februar sind die Siedewasserreaktoren der Atomkraftwerke (AKW) Grundremmingen 1 und 2, Philippsburg 1, Krümmel und Isar 1 möglicherweise von Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen betroffen, nachdem sich am 12. Dezember 2001 ein Störfall im AKW Brunsbüttel ereignet hat.
Die Regierung unterrichtete die Abgeordneten, nachdem die CDU/CSU schriftlich gefordert hatte, den Dingen nachzugehen, weil zwischen dem Zeitpunkt des Vorfalls und der Meldung der schleswig-holsteinischen Behörde an das Bundesumweltministerium (BMU) vom 18. Februar ein "unverständlich langer Zeitraum" vergangen sei.
Die Vertreter des AKW-Betreibers und der zuständigen Behörden erläuterten zunächst den Sachverhalt des Vorgangs, bei dem eine Kühlleitung vermutlich durch eine Wasserstoffexplosion zum Abriss gekommen sei. Dies hätte in keinem Fall zu einem "Größten anzunehmenden Unfall" (GAU) führen können, im schlimmsten Fall hätte die Decke des Kühlwasserturms bei einer Notabschaltung nicht gekühlt werden können.
Befremden löste jedoch im Ausschuss die Begründung des Betreibers aus, man habe auf Grund mehrerer früherer Analysen und Modellrechnungen eine Radiolyse, bei der es durch radioaktive Strahlung im Wasserkühlkreislauf zu einer Trennung von Wasserstoff und Sauerstoff und damit zu einem explosiven Wasserstoff/Sauerstoff-Gemisch (Knallgas) kommen kann, ausgeschlossen.
Auf Grund verschiedener Anzeigen und Rechnermeldungen über einen Druckanstieg und nach dem Ansprechen des Körperschallüberwachungssystems sei der fragliche Bereich über eine Fernbedienung abgesperrt worden. Man habe den Vorfall als Leckage an einer Flanschverbindung interpretiert und angenommen, das Problem bis zur nächsten Kontrolle beseitigt zu haben.
Erst nach wochenlanger Diskussion zwischen Landesbehörde und Betreiber über die Interpretation der Meldungen und Messwerte sei das AKW auf 10 Prozent der Leistung heruntergefahren worden, so dass eine Inspektion möglich gewesen sei. Dabei habe man festgestellt, dass eine Leitung von zehn Zentimeter Durchmesser über eine Länge von zwei bis drei Metern völlig zerborsten war. Von rund 25 Trümmerstücken im Umkreis der Bruchstelle hätten zwei bis drei Meter gänzlich gefehlt.
Ursache sei vermutlich eine Wasserstoffexplosion im Innern der Rohrleitung gewesen – genau das, was der Betreiber auf Grund seiner Analysen ausgeschlossen habe. Das BMU habe entschieden, die Anlage völlig herunterzufahren, um ungehinderten Zutritt und eine vollständige Klärung des Schadens zu erreichen. Die AKW mit Siedewasserreaktoren, bei denen es im Prinzip zu ähnlichen Vorgängen kommen könnte, seien entsprechend informiert worden. Beim Betreiber von Brunsbüttel sei zu klären, ob dessen Zuverlässigkeit noch gegeben sei, nachdem er dort trotz vorliegender Meldungen nur die harmloseste Variante eines Schadensfalls unterstellt habe und nicht bereit gewesen sei, unverzüglich eine Inspektion vorzunehmen, so die Regierung.