Interview
Spielen Sie gern mit dem politischen Gegner, Frau Bettin?
Grietje Bettin, Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, spielt in der Fußballmannschaft des Deutschen Bundestages. Schade findet sie nur, dass sie bisher die einzige Frau im Team ist.
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Die Fußball spielenden Bundestagsabgeordneten haben eine gute Tradition entwickelt, die "Dritte Halbzeit". Wenn sie eine gegnerische Mannschaft geschlagen haben, oder von ihr geschlagen wurden, trifft man sich danach noch in guter Runde, um sich näher kennen zu lernen und einen Wein miteinander zu trinken. Grietje Bettin meint, dass dies eine schöne Erfindung ist, fast so schön wie Fußball selbst.
Fußball spielende Frauen gehören ja zum Glück inzwischen zum Sportalltag. Wie sind Sie zu diesem Sport gekommen?
Ich hab seit meiner Schulzeit Judo und Leichtathletik gemacht. Und da haben wir immer zum Aufwärmen Fußball gespielt. In meiner kleinen Heimatstadt Eutin in Schleswig-Holstein wohnten wir damals direkt neben dem Fußballplatz. Am Wochenende bin ich also immer mit den Nachbarskindern Fußball spielen gegangen. Professionell habe ich Fußball aber nie gespielt.
Das heißt, Sie haben von Beginn an in gemischten Mannschaften Fußball gespielt?
Na klar. Wir haben auch meist nur auf ein Tor gespielt, weil das Spielfeld so groß war. Ich habe Fußball immer zum Aufwärmen gespielt. Leider habe ich nie wirklich professionell trainiert. Ich bin also keine ausgefeilte Technikerin. Es macht mir einfach Spaß, mich mal ein bisschen auszutoben.
Wo lagen denn Ihre Stärken – im Angriff, in der Verteidigung?
Dadurch, dass ich Judo gemacht habe, was ja ein sehr körperbetonter Sport ist, neigte ich schon dazu, etwas ruppiger zu spielen. Aber wenn ich jetzt mit den Männern im Bundestag spiele, bin ich etwas vorsichtiger. Hier spiele ich meist in der Verteidigung.
Befürchten Sie politische Verwicklungen?
Nein, eher habe ich Respekt vor dem Alter, außerdem müssen wir uns jenseits möglicher politischer Differenzen als Team begreifen. Wir wollen ja nicht jedes Spiel verlieren.
Also absolut Fair Play.
Na ja, bei meinem ersten Spiel in dieser Mannschaft habe ich einen gegnerischen Spieler am Trikot gezogen. Etwas heftig, glaube ich. Aber ich geb mir schon Mühe, fair zu spielen.
Und sind Sie denn ehrgeizig beim Spiel?
Ja schon, aber der Spaß steht im Vordergrund. Manchmal haben wir das Problem, dass wir gegen Mannschaften spielen, die sehr professionell sind. Betriebssportmannschaften zum Beispiel, die dann lauter junge Leute im Team haben. Dafür sind wir nicht so ganz gemacht.
Wie viel Frauen spielen denn außer Ihnen noch in der Mannschaft?
Bisher bin ich die einzige Frau, die mitspielen durfte. Ich bin ja im April 2000 in den Bundestag gekommen, als Nachrückerin, und wollte gern ein bisschen Sport nebenbei machen. Einmal ist das gut zur Kontaktpflege, so etwas parteiübergreifend miteinander zu machen. Dann hatte ich versucht, in die Mannschaft zu kommen, und es scheiterte am Anfang an den fehlenden Umkleidekabinen für Frauen. Zwei Kollegen aus dem Innenausschuss, die auch Fußball spielen, haben mich erneut motiviert, es noch einmal zu versuchen.
Und dann wurden Sie von den Männern mit Samthandschuhen angefasst?
Überhaupt nicht. Das erste Spiel, bei dem ich mitmachte, war gegen die Altherrenmannschaft des HSV. Da war schon harter Einsatz erforderlich. Ich hab in der Verteidigung gespielt. Stürmer haben wir ja sehr gute im Team.
Sie spielen in allen Sitzungswochen. Schaffen Sie das überhaupt zeitlich?
Gerade in so kleinen Fraktionen, wie wir es sind, ist es schwierig, das immer einzurichten. Ich muss den Sport schon öfter mal ausfallen lassen. Das ist bedauerlich, lässt sich aber nicht ändern.
Was macht die Mannschaft, wenn zu wenig Spieler auf dem Feld sind?
Dann holen wir uns Hilfe aus der Verwaltung des Bundestages. Wir haben einen Torwart, der richtig gut ist und in der Verwaltung arbeitet. Unser Schiedsrichter ist ein ehemaliger Bundesligaschiedsrichter.
Streiten sich auf dem Fußballfeld Opposition und Koalition genauso wie im Plenum?
Nein, das spielt auf dem Platz überhaupt keine Rolle. Man ärgert sich mal ein bisschen gegenseitig, aber das findet alles auf sehr freundschaftlicher Ebene statt.
Dabei eignet sich Fußball doch wunderbar, um Aggressionen abzubauen. Man könnte also nahtlos die politischen Auseinandersetzungen im Spiel weiterführen.
Das stimmt schon, aber es geht für mich zum Beispiel eher darum, mich körperlich zu bewegen. Unsere Arbeit hat ja doch viel mit Sitzen zu tun – im Plenum, in Ausschüssen, in Arbeitsgruppen, im Büro. Sport ist einfach ein wunderbarer Ausgleich zur Kopfarbeit. Wenn man den ganzen Tag denken muss, ist es schon gut, zweimal in der Woche Sport zu machen. Man könnte natürlich in der Stadt laufen gehen. Aber ich bin ein bisschen verwöhnt, was Natur angeht. Aus gesundheitspolitischer Sicht wäre Sport zum Ausgleich für alle Abgeordneten eine gute Sache.
Wirkt sich denn umgekehrt gemeinsame sportliche Betätigung auf das Miteinander im Parlament aus?
Auf jeden Fall. Man lernt sich beim Fußball auf einer ganz anderen Ebene kennen. Dadurch wird auch der Umgang in der politischen Arbeit unkomplizierter. Man kann sich in der Sache gut streiten, hat aber noch eine zusätzliche Ebene, die sonst in der politischen Arbeit oft ausgeblendet ist.
Aber warum sind Sie nun die einzige Frau in der Fußballmannschaft geblieben?
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Es gab ja mal Bestrebungen mit einer Kollegin von der CDU, eine Frauenfußballmannschaft zu gründen. Aber das ist immer wieder aus Zeitgründen gescheitert. Die Männermannschaft existiert halt schon lange. Ich bezweifle auch, dass wir wirklich elf Frauen zusammenkriegen würden. Ich gehöre ja zu einer Generation, Jahrgang 75, für die es ganz normal ist, dass Mädchen und Frauen Fußball spielen.