Forum Entwicklungspolitik
Der mühsame Kampf gegen die Armut
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Als die Terroristen die entführten Flugzeuge am 11. September in fliegende Bomben verwandelten und mit dem Tod Tausender von Menschen ein beispielloses Fanal setzten, fand UN-Generalsekretär Kofi Annan für die Empfindungen der Menschen ein prägnantes Bild: Die Welt habe das 21. Jahrhundert durch ein "Feuertor" betreten. Willy Brandt konnte diese schrecklichen Ereignisse nicht vorausahnen. Aber der Friedensnobelpreisträger und frühere deutsche Bundeskanzler sagte bereits vor einem Jahrzehnt voraus, welche Antwort nötig sein würde: "Entwicklungspolitik ist die Friedenspolitik des 21. Jahrhunderts." Worum geht es? Mit welchem Ziel? Und wie sind die Grundzüge der deutschen Entwicklungspolitik? Ein Überblick.
Das größte Klischee stimmt nicht. Das Vorurteil, dass alles nur noch schlimmer geworden sei, seit Deutschland 1952 erstmals Entwicklungshilfe leistete, seit mit Walter Scheel 1961 der erste Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit ernannt wurde. Ganz im Gegenteil: Vieles ist deutlich besser geworden. Die Wachstumsraten der Weltbevölkerung sind gesunken, die Lebenserwartung in den Entwicklungsländern ist um durchschnittlich 20 Jahre gestiegen, es gibt 50 Prozent weniger Analphabeten, mehr Einschulungen, weniger unfreie Staaten, mehr Demokratien. Kurz: Entwicklungshilfe wirkt. Und das Bewusstsein, dass alles global zusammenhängt, war lange vor dem 11. September 2001 in der Bevölkerung weit verbreitet.
Aber: Die Armutsbekämpfung bleibt das Problem Nummer eins. Nach Untersuchungen der Weltbank müssen zu Beginn des 21. Jahrhunderts 1,2 Milliarden Menschen – also jeder Fünfte – mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen. "Extrem arm", lautet die Weltbank-Einstufung dazu. Mit weniger als zwei Dollar pro Tag müssen sogar drei Milliarden zu überleben versuchen: die Hälfte der Menschheit. Die Entwicklung stimmt besorgt. Zwar ging die Zahl der Menschen mit weniger als einem Dollar von Mitte bis Ende der 90er Jahre von 1,3 auf 1,2 Milliarden zurück. Doch das lag fast ausschließlich am Rückgang der Armut in China. Diesen Aspekt herausgerechnet, gab es sogar einen Anstieg von 880 auf 990 Millionen, vornehmlich in Südasien und im südlichen Afrika.
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Kinder im Grenzgebiet zwischen Zaire und Ruanda.
Nur ein schwacher Trost ist, dass die Zahl der Armen langsamer wächst als die Weltbevölkerung insgesamt. Und sogar bedrückender wird die Bilanz im langfristigen weltweiten Vergleich. Hier ist die Kluft zwischen Armen und Reichen sogar noch größer geworden. Auch das Gegensteuern durch eine Ausweitung des prozentualen Anteils der Entwicklungshilfe am jeweiligen Bruttosozialprodukt kam nicht so recht voran. Erstmals 1968 formulierte die Welthandels- und Entwicklungskonferenz das Ziel, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zur öffentlichen Entwicklungshilfe zu verwenden. Zwei Jahre später wurde dieses Ziel auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen festgeschrieben. Die Zustimmung war einhellig – allerdings auch mit der Einschränkung verbunden, sich auf keinen Zeitpunkt festzulegen, an dem das Ziel erreicht werden muss.
Seit Beginn der 90er Jahre traten Serien von Konferenzen mit neuen Konzepten an die Stelle der früheren unverbindlichen Absichtserklärungen: Zunächst wurden auf vielen Gebieten Handlungsfelder der weltweiten Zusammenarbeit und Unterstützung identifiziert und Absichten entwickelt, zu deren Umsetzung Nachfolgekonferenzen dann immer detailliertere Vorgaben erarbeiten. So haben sich die Mitglieder der Europäischen Union beim Gipfeltreffen in Barcelona im März dieses Jahres parallel zur Weltkonferenz im mexikanischen Monterrey auf ein Zwischenziel verpflichtet: Bis 2006 soll die öffentliche Entwicklungshilfe wenigstens einen Anteil von 0,33 Prozent am Bruttosozialprodukt erreichen. In Deutschland schwankte dieser zuletzt zwischen 0,24 und 0,27 Prozent.
Aus der Fülle der Erkenntnisse, die bei den Weltkonferenzen gewonnen wurden, filterte der OECD-Entwicklungshilfeausschuss ein Strategiedokument heraus, aus dem sich sieben Kernziele ergaben:
• den Anteil der in absoluter Armut lebenden Menschen bis zum Jahr 2015 halbieren,
• allgemeine Grundschulbildung in allen Ländern bis zum Jahr 2015,
• nachweisliche Fortschritte auf dem Weg zur Gleichberechtigung von Mann und Frau, indem unter anderem das Gefälle von Jungen und Mädchen in der Primar- und Sekundarschulbildung bis zum Jahr 2005 beseitigt wird,
• die Sterblichkeitsraten bei Säuglingen und Kindern unter fünf Jahren bis 2015 um zwei Drittel senken,
• die Müttersterblichkeit bis 2015 um drei Viertel reduzieren,
• für alle Zugang zu einer gesundheitlichen Grundversorgung so bald wie möglich, spätestens bis 2015,
• nationale Strategien für eine nachhaltige Entwicklung bis 2005 umsetzen, damit der Trend, wonach die Umweltreserven schwinden, bis 2015 umgekehrt ist.
Das bedeutet nicht nur, international intensiv zusammenzuarbeiten, sondern auch national ehrgeizige Konzepte umzusetzen. So spiegelt sich der Vorsatz von 150 Staats- und Regierungschefs zur Halbierung der extremen Armut, gefasst beim Gipfel im September 2000, in einem deutschen Aktionsplan wider, der zehn vorrangige Ansatzpunkte mit 75 einzelnen Aktionen enthält.
Ein weiteres bemerkenswertes Datum in diesem Zusammenhang bildet der G-8-Gipfel im Juni 1999 in Köln, bei dem die wichtigsten Industrienationen ein anspruchsvolles Entschuldungsprogramm auflegten. Nach den Kölner Beschlüssen kommen nun alle Länder für eine Entschuldung in Frage, deren Schuldenstand größer ist als 150 Prozent der Exporterlöse oder 250 Prozent der Staatseinnahmen. Sie sollen am Ende des Prozesses nur noch zehn Prozent ihrer Exporteinnahmen für den Schuldendienst aufbringen müssen. Mit zehn Milliarden Mark übernimmt Deutschland einen erheblichen Teil der Entlastung. Daneben zahlt die Bundesrepublik 150 Millionen in einen Fonds ein, mit dem multilaterale Gläubiger unterstützt werden, und zusätzliche 500 Millionen beträgt der deutsche Anteil am EU-Beitrag zur Entschuldung.
Die deutsche Entwicklungshilfe steht generell unter fünf Leitkriterien:
• Menschenrechte,
• Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit,
• Beteiligung der Bevölkerung am politischen Prozess,
• Marktfreundliche und sozial orientierte Wirtschaftsordnung,
• Entwicklungsorientierung des staatlichen Handelns.
Regierungen, die gegen diese Prinzipien massiv verstoßen, scheiden als Partner deutscher Entwicklungszusammenarbeit aus. In der Vergangenheit betraf dies zum Beispiel Afghanistan, Burundi, Sudan, Liberia oder Sierra Leone. Doch die Menschen in diesen Staaten werden nicht im Stich gelassen. Sie sollen auf anderem Weg direkt erreicht werden – etwa über Kirchen oder Nichtregierungsorganisationen, die ganz nah an der Basis arbeiten.
Damit Entwicklungshilfe effektiver wird, entwirft Deutschland abgestimmte Konzepte für die Entwicklung einzelner Länder und Regionen und spricht sich mit anderen EU-Partnern ab und berücksichtigt deren Pläne. Grundsätzlich teilt sich die Hilfe in Finanzielle (FZ) und Technische Zusammenarbeit (TZ) auf. Die Finanzielle Zusammenarbeit geschieht vor allem in Form günstiger Kredite oder nicht rückzahlbarer Beiträge, mit denen Sachgüter und Anlagen in den Entwicklungsländern angeschafft werden. Seit Beginn der deutschen Entwicklungshilfe sagte die Bundesrepublik auf diesem Sektor rund 100 Milliarden Mark an Leistungen zu. Bei der Technischen Zusammenarbeit geht es um Leistungen, mit denen vorrangig die Grundbedürfnisse der armen und ärmsten Bevölkerungsschichten erfüllt werden sollen. Eine breite Palette der Angebote reicht von der Bereitstellung von Beratern, Ausbildern, Sachverständigen und anderen Fachkräften über die Förderung von Projektträgern, die Lieferung von Ausrüstung und Material für ausgesuchte Einrichtungen bis hin zur Aus- und Fortbildung einheimischer Fach- und Führungskräfte.
Die staatliche Entwicklungshilfe besteht nicht nur aus den Leistungen des Bundes. Auch die Länder wirken entsprechend ihrer besonderen fachlichen Zuständigkeiten mit – vor allem auf den Feldern Gesundheit, Bildung, Technologie, Verwaltungs- und Frauenförderung. Über 300 einzelne Projekte in gut 90 Entwicklungsländern werden von den Bundesländern betreut. Nicht zu vergessen sind auch die Aktivitäten der Städte und Gemeinden. Zwischen deutschen Kommunen und solchen in Entwicklungsländern sind über 260 Partnerschaften entstanden.
Zudem reicht die staatliche Entwicklungszusammenarbeit weit in die Gesellschaft hinein. In einem Public-Private-Partnership-Konzept beteiligt sich die Wirtschaft zunehmend und nicht zuletzt auch im eigenen Interesse an der Verantwortung für die Entwicklung ärmerer Länder zu Handelspartnern von morgen. Mit einer Milliarde Euro staatlicher Investitionen lässt sich auf diese Weise eine weitere Milliarde von interessierten Unternehmen aktivieren. Nicht nur wichtige Ansprechpartner, sondern auch unverzichtbare Projektträger und Umsetzer staatlicher Entwicklungskonzepte sind neben den Kirchen und ihrer eigenen umfangreichen Hilfe vor allem Nichtregierungsorganisationen, deren Zahl inzwischen in die Hunderte geht.
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Flüchtlingslager in Zentralafrika.
Die Auffassung von Entwicklungshilfe als Querschnittaufgabe findet sich in vielen Vorhaben von Parlament und Regierung wieder: Die Heranführung von Entwicklungsländern an die Welthandelsströme ist Aufgabe auch der Außen- und Wirtschaftspolitik. Die Verteidigungspolitik schafft in einer ganzen Reihe von Regionen erst die Voraussetzungen für einen stabilen Aufbau. Und zu den wichtigen Aspekten gehört auch eine Abstimmung der Rüstungsexporte. Deshalb hat die Entwicklungshilfe nun auch im Nationalen Sicherheitsrat Sitz und Stimme. So zeigt sich, dass der Anteil der offiziellen Hilfe am Bruttosozialprodukt beileibe nicht das Ende der Fahnenstange markiert, sondern die tatsächlich geleistete Entwicklungshilfe weit darüber hinausgeht.
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Armut nährt Hass und Gewalt
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Adelheid Tröscher, SPD
adelheid.troescher@bundestag.de,
www.troescher.de
Die zunehmende Armut, das immer noch anhaltende Bevölkerungswachstum, die Ausbreitung von HIV/AIDS sowie der Klimawandel und die Verknappung von Wasservorräten müssen als Bedrohung für uns alle begriffen werden. Sie sind wesentliche Ursachen für gesellschaftliche Spannungen, gewaltsame Konflikte, Flucht und Vertreibung. Diese Probleme entfalten eine globale Dynamik, die letztlich den Frieden und die Stabilität weltweit gefährden können. Denn Armut nährt den Sumpf von Hass und Gewalt, in dem Terroristen ihre Anhänger finden.
Sicherlich ist die Entwicklungspolitik kein Instrument zur direkten Terrorismusbekämpfung. Aber ihr kommt als Beitrag zur politischen, ökonomischen, ökologischen und sozialen Stabilität eine tragende Rolle zu. Armutsbekämpfung und Friedenssicherung sind eng miteinander verbunden. Wer Frieden will, muss Entwicklung fördern. Deshalb treten wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten für soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Frieden und Menschenrechte sowie den Erhalt natürlicher Ressourcen ein. Die Armutsbekämpfung selbst bleibt überwölbendes Ziel unserer Politik.
Eine nachhaltige, menschenwürdige Entwicklung und eine erfolgreiche Armutsbekämpfung machen es aber auch unabdingbar, dass sämtliche Quellen der Entwicklungsfinanzierung – von der Mobilisierung eigener Mittel in den Entwicklungsländern über private Kapitaltransfers, Handel, Entschuldung bis zur öffentlichen Finanzierung – zusammen betrachtet und bessere nationale wie internationale Rahmenbedingungen geschaffen werden. Oder wie es Bundespräsident Johannes Rau ausgedrückt hat: "Der beste Schutz gegen Terror, Gewalt und Krieg ist eine gerechte internationale Ordnung." Gerade deshalb brauchen wir eine weltweite Koalition für Gerechtigkeit und Solidarität.
Schritt zur Befriedung
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Klaus-Jürgen Hedrich,
CDU/CSU
klaus-juergen.hedrich@bundestag.de, www.bundestag.de/mdbhome/HedriKl0
Vor allem nach den Anschlägen vom 11. September hat sich die entwicklungspolitische Diskussion auf die Frage konzentriert, inwieweit Entwicklungszusammenarbeit eine Gewalt und Extremismus vorbeugende Wirkung haben kann. Klar ist, dass die Hauptverantwortlichkeit für die Verhinderung oder Beendigung von gewaltsamen Konflikten immer noch bei den jeweiligen Konfliktparteien liegt.
Die Entwicklungszusammenarbeit allein wird in den meisten Fällen gewaltsame Konflikte nicht verhindern oder beenden können. Entwicklungszusammenarbeit kann aber die Balance zwischen zivilen und gewaltsamen Formen der Konfliktaustragung verändern. Beispielsweise erwies sich ein Mitte der neunziger Jahre durchgeführtes Hilfs- und Entwicklungsprogramm im so genannten Tuareg-Konflikt in Nordmali als wichtiger Schritt zur Befriedung, da es zum Abbau der Konfliktursachen und zur Überwindung der Konfliktfolgen beitragen konnte.
Nach dem 11. September ist es einhellige Meinung, dass die Entwicklungszusammenarbeit sicher nicht direkt zur Bekämpfung terroristischer Gruppen und Aktivitäten herangezogen werden kann. Wohl aber kann sie in deren Umfeld nach Meinung vieler Fachleute positive Auswirkungen haben. Denn sie kann dazu beitragen, terroristischen Gruppen durch den Abbau struktureller Konfliktursachen den Nährboden zu entziehen. Von zentraler Bedeutung sind dabei Ansätze, die darauf abzielen, die Legitimität und Funktionsfähigkeit staatlicher Strukturen zu erhöhen. Dies dient einerseits der friedlichen Konfliktregulierung innerhalb von Staaten, andererseits einem gesicherten staatlichen Gewaltmonopol, das der Fusion von Gewalt und Existenz terroristischer Strukturen entgegentritt. Relevant ist dies vor allem im Hinblick auf das Problem der so genannten zerfallenden Staaten, wie zum Beispiel Afghanistan oder Somalia.
Konfliktursachen bekämpfen
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Angelika Köster-Loßack,
Bündnis 90/Die Grünen
angelika.koester-lossack@bundestag.de, www.bundestag.de/mdbhome/KoestAn0
Der 11. September hat vor allem eins gezeigt: dass wir alle verletzbar sind und dass kein Land sich abschotten kann.
Erfolgreiche Krisenprävention muss auf den Abbau von Armut und Ungerechtigkeit zielen. Und dies kann nur im Dialog mit den Menschen und Regierungen des Südens geschehen. Sie müssen an der internationalen Entscheidungsbildung (Global Governance) teilhaben können, damit Gefühle von Ausgeschlossenheit und Unterlegenheit, die den Boden für Gewalt bereiten, erst gar nicht aufkommen.
Wir brauchen die Entwicklungspolitik dafür nicht neu zu erfinden, sondern – wie es die Bundesregierung tut – ihre Leitlinien voll zur Geltung bringen. Das heißt: Armut bekämpfen, Globalisierung gestalten, nachhaltige Entwicklung fördern, Frieden sichern. Im Einzelnen bedeutet das zum Beispiel: Förderung des Zugangs zu natürlichen Ressourcen wie Land und Wasser, Aufbau demokratischer Strukturen (Rechts- und Verfassungsberatung), Demobilisierung von Streitkräften und deren Wiedereingliederung in die Zivilgesellschaft, unter anderem durch Ausbildungsmaßnahmen und Arbeitsplatzförderung nach Bürgerkriegen, Mitwirkung im Bereich der Rüstungskontrolle und Begrenzung des Waffenhandels.
Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit hat auf die Terrorismusbedrohung schnell reagiert. Für das Jahr 2002 wurden nach dem 11. September kurzfristig 102 Millionen Euro für entwicklungspolitische Maßnahmen im Rahmen der Terrorismusbekämpfung zur Verfügung gestellt. Mit diesen Geldern können auch Nichtregierungsorganisationen, Kirchen und politische Stiftungen zusätzliche Aufgaben übernehmen. In Afghanistan ist der deutsche Beitrag zu einer friedlichen Zukunft zu einem der tragenden Pfeiler des Wiederaufbaus geworden. Die Bundesregierung hat mit 320 Millionen Euro dafür den deutlichsten und größten Beitrag zur Unterstützung innerhalb der EU-Mitgliedstaaten langfristig angekündigt.
Globalisierung nutzen
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Joachim Günther, FDP
joachim.guenther@bundestag.de
Die Soziale Marktwirtschaft bietet das wirkungsvollste System für eine nachhaltige Entwicklung. Zusammen mit einer aktiven Bildungspolitik unter Einsatz neuer Kommunikationstechnologien ist sie ein Schlüssel zur Überwindung von Unterentwicklung und Armut. Gerade angesichts der terroristischen Bedrohungen muss die Staatengemeinschaft ihren Willen zur Festigung und Ausweitung des Freihandels deutlich machen. Mehr Handel und verbesserter Marktzugang für Entwicklungsländer sind die wirkungsvollsten Instrumente für Wohlstand in allen Ländern der Welt. Freier Handel ist die Lösung – nicht das Problem. Wir müssen die Entwicklungsländer dabei unterstützen, die Chancen der Globalisierung zu nutzen. Entwicklungspolitik darf jedoch nicht Welt-Sozialhilfe sein. Denn nur die Mobilisierung eigener Kräfte in den Entwicklungsländern bringt gesellschaftlichen Fortschritt.
Wir müssen die Entwicklungspolitik strategisch erneuern und durch die präventive Armutsbekämpfung einen Beitrag zur Beseitigung von sozialen, wirtschaftlichen und politischen Missständen leisten. Dies bedeutet neben zusätzlichen finanziellen Leistungen auch eine Zusammenführung der politischen Verantwortung für Außen- und Entwicklungspolitik. Die beste Entwicklungshilfe ist die Öffnung der europäischen Märkte für Produkte von Entwicklungsländern und die Mobilisierung von Investitionskapital. Eine globale entwicklungspolitische Strategie muss daher die Stärkung multilateraler Netzwerke vor allem im Rahmen der Europäischen Union und der Vereinten Nationen in den Vordergrund stellen. Es gilt, die Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten zu einer europäischen Entwicklungspolitik umzugestalten und die Vereinten Nationen zu einer Weltorganisation fortzuentwickeln, die die Koordinierung der internationalen Entwicklungszusammenarbeit übernimmt.
Differenzierte Antworten
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Carsten Hübner, PDS
carsten.huebner@bundestag.de
Die Frage, ob verstärktes entwicklungspolitisches Engagement dazu beitragen kann, Gewalt und Terror nachhaltig vorzubeugen, bedarf einer differenzierten Antwort. Zunächst einmal, was den Charakter der Akteure betrifft. Zweifellos ist es ein Unterschied, ob sich die Bevölkerung einer Region gegen soziale Missstände zur Wehr setzt oder ob eine ideologisch-religiöse Bewegung wie die Taliban soziale Ausgrenzung oder politische Fremdbestimmung zwar geschickt instrumentalisiert, im Kern aber keinerlei Interesse an einer Verbesserung der Lebensverhältnisse hat. Die Situation in Afghanistan steht dafür beispielhaft. Sie verweist aber auch darauf, dass der Wes-ten bereit ist, solche extremistischen Bewegungen zumindest zeitweise als strategische Partner zu begreifen. Gegenüber derartigen Konstellationen und ihren Hintermännern ist Entwicklungspolitik sicher machtlos.
Unbestreitbare Potenziale der Entwicklungszusammenarbeit liegen hingegen im Bereich des gesellschaftlichen Resonanzbodens derartiger Bewegungen. Wobei weniger die unterentwickelten und armen ländlichen Regionen das Gros des terroristischen Potenzials bilden als die entwurzelten Massen der Elendsquartiere großer Städte und eine Mittelschicht, deren Status unter anderem durch Globalisierungsprozesse in Gefahr geraten ist – Phänomene, die auch in Europa und den USA zu verzeichnen sind.
Hier lassen sich Empörung und Unzufriedenheit im Sinne reaktionärer und islamistischer Bewegungen kanalisieren. Gefragt sind deshalb Projekte, die in diesem Spannungsfeld ansetzen – Bildung, Gesundheit und elementare Lebensnotwendigkeiten wie Wasser oder Wohnung. Gefragt ist aber auch eine Entwicklungszusammenarbeit, die mit der Wirtschafts-, Militär- und Außenpolitik übereinstimmt. Wer Waffen liefert, darf sich nicht wundern, wenn sie auch eingesetzt werden.