DIALOG
Streitgespräch über den Verbraucherschutz
Amerikanische Lobby als Vorbild
Seit der Rinderwahnsinn von den
Titelseiten verschwunden ist, ist es um den Verbraucherschutz
stiller geworden. Doch die Probleme bleiben. Wie gut ist es mit dem
Verbraucherschutz in Deutschland bestellt? Darüber debattierte
kürzlich der Bundestag. Auch für Blickpunkt Bundestag ist
der Verbraucherschutz Thema des Streitgesprächs.
Am 15. März, dem Weltverbrauchertag, kreuzten Ulrike
Höfken (Bündnis 90/Die Grünen) und Gudrun Kopp (FDP)
die Klingen. Sie sind die verbraucherpolitischen Sprecherinnen
ihrer Fraktion.
|
|||||||||
|
|||||||||
Blickpunkt Bundestag: Heute ist der Weltverbrauchertag. Ein Tag zum Feiern bei uns, Frau Höfken?
Ulrike Höfken: Nur zum Teil. Denn leider kommen noch immer Stoffe ins Futtermittel, die da nicht hineingehören und dem Verbraucher schaden. Auch auf anderen Gebieten bleibt noch viel zu tun. Trotzdem: Unsere Ministerin Renate Künast ist nun seit gut einem Jahr intensiv dabei, unsere drei Maximen umzusetzen: Schutz und Sicherheit für den Verbraucher, Wahlfreiheit und Information für den Verbraucher und Beteiligung für den Verbraucher. Da ist vieles auf den Weg gebracht.
Blickpunkt: Wie fällt Ihr Urteil aus, Frau Kopp?
Gudrun Kopp: Der Blick richtet sich zu oft auf die Skandale, die selbstverständlich energisch bekämpft werden müssen. Aber darüber dürfen wir nicht vergessen, dass Verbraucherpolitik erhebliche Fortschritte gemacht hat. So ist im internationalen Vergleich der Standard unserer Lebensmittel außerordentlich hoch. Kein Grund also, in Sack und Asche herumzulaufen.
Blickpunkt: Verbraucherschutz ist ja mehr als Lebensmittelsicherheit. Was ist mit den großen Bereichen Dienstleistungen, Bildung, Versicherungen, Altersvorsorge, Gesundheit?
Höfken: Völlig richtig: So elementar der gesundheitliche Lebensmittelschutz ist, dürfen die anderen Bereiche darüber nicht in den Hintergrund geraten. Das tun sie auch nicht. Mit der Organisationsreform im Ministerium, das jetzt zu Recht Verbraucherschutzministerium heißt, haben wir die Voraussetzung für einen effektiven Umgang mit allen Bereichen des Verbraucherschutzes geschaffen. Denken Sie nur an die Trennung von Risiko-Bewertung und Risiko-Management. Daneben sind viele Dinge thematisiert worden. Ich nenne nur die Stichworte Umwelt und Gesundheit, Altersvorsorge, Weiterbildung, Fahrgastrechte bei der Bahn, Schuldrecht, Liberalisierung des Strommarktes. Verbraucherschutz ist zu einer riesigen Querschnittsaufgabe geworden, der sich jetzt alle Ministerien verpflichtet fühlen müssen.
Kopp: Leider sieht die Praxis nicht so rosig aus, wie Sie sie beschreiben. In Wahrheit ist der Name Verbraucherschutzministerium ein Etikettenschwindel. Denn de facto ist das Ressort ein Landwirtschaftsministerium geblieben, in dem viele Verbraucherschutzthemen hoffnungslos untergehen. Zur Schuldrechtreform etwa hat Frau Künast keinerlei Beitrag geleistet, das Gleiche gilt für die Euro-Einführung. Auch fehlt es im Parlament an einem wirklichen Verbraucherschutzausschuss.
Blickpunkt: Verbraucherschutz ist ja mehr als eine politische Organisationsfrage. Liegt es auch an den Verbrauchern selbst, dass der Verbraucherschutz bei uns noch nicht den Stellenwert hat, der ihm gebührt?
Kopp: Nein, das sehe ich nicht so. Der Verbraucher ist mündig. Er schaut danach, was preisgünstig ist, was gut aussieht und was schmeckt. Das ist doch in Ordnung.
Höfken: Der Verbraucher muss in die Lage versetzt werden, mündig zu sein. Das kann man nur sein, wenn man die notwendigen Informationen bekommt. Deshalb haben wir ja gerade das Verbraucherinformationsgesetz auf den Weg gebracht. Das ist ein sehr wichtiger Schritt für den Verbraucher, damit er seine Wahlfreiheit wahrnehmen kann. Bisher lief jede Behörde, die versucht hat, in einem Unternehmen einen Missstand anzukreiden, Gefahr, auf der Anklagebank zu landen. Ich erinnere nur an den Nudel-skandal vor einigen Jahren in Baden-Württemberg. Das neue Gesetz gibt sowohl den Behörden gegenüber den Herstellern wie den Verbrauchern gegenüber den Behörden ein weitgehendes Informationsrecht.
Kopp: Für mich ist das ein Placebo-gesetz, in dem wenig Inhalt steckt. Nicht nur, weil der ursprüngliche Entwurf weitgehend abgespeckt wurde, sondern weil das Auskunftsrecht der Bürger in Wahrheit durchlässig ist wie ein Schweizer Käse. So sind die Behörden nicht verpflichtet, sich Informationen zu besorgen. Das ist der Knackpunkt, mit dem das ganze Gesetz steht oder fällt.
Höfken: Ich finde Ihre Haltung völlig unverständlich. Sie haben in Ihrer Regierungszeit 28 Jahre nichts oder kaum etwas für den Verbraucherschutz getan, und wir haben einen riesigen Missstand beseitigt. Das ist Ihnen auch wieder nicht Recht. Zur Sache: Behördenkontrolle im Bereich von Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen kann in Zukunft weit besser stattfinden als bisher. Das ist ein gewaltiger Fortschritt für den Verbraucher.
Blickpunkt: Warum kann der Verbraucher nicht selbst beim Hersteller Auskunft über Produkte verlangen? Stattdessen wird auf die Selbstverpflichtung der Wirtschaft abgestellt.
Kopp: Ich halte das durchaus für einen gangbaren Weg. Schon bald wird es im Lebensmittelhandel Datenstraßen für zusätzliche gesundheitsrelevante Informationen an die Verbraucher geben. Wenn Sie Allergiker sind und an den Terminal im Supermarkt gehen, legen Sie Ihr Produkt an den Scanner und Sie erhalten exakt die Informationen, die Sie für Ihre gesundheitliche Befindlichkeit brauchen. Diesen Weg, den die Industrie selber geht, finde ich viel vernünftiger als umständliche Gesetze zu verabschieden, die keinen wirklichen Gehalt haben.
|
||||||||||
Im Gespräch: Ulrike Höfken (Bündnis 90/Die Grünen) und ...
Höfken: Die
Selbstverpflichtung der Wirtschaft ist ein erster Schritt, dem
weitere folgen müssen. Wir sorgen gerade dafür, dass auch
in der Werbung die Informationen stimmen müssen. Wenn etwa
eine Spülmaschine laut Werbung zwölf Liter verbraucht,
kann diese Angabe nachgeprüft werden. Insgesamt gilt, dass in
den Köpfen des Managements der Verbraucherschutz viel zu wenig
als elementare Aufgabe verankert ist. Übrigens auch als
Wettbewerbsvorteil. Hier besteht noch ein riesiger Handlungsbedarf.
Außer-
dem ist der Umgang mit Verbraucherbeschwerden noch
äußerst mangelhaft.
Kopp: Trotzdem brauchen wir dieses Gesetz nicht. Gute Firmen haben längst erkannt, dass ihnen ein Zugehen auf die Verbraucher mit eigenen Informationen Vorteile schafft. Das ist das beste Mittel, um Verbraucherinteressen voranzubringen.
Höfken: Wenn ich an die Selbstverpflichtung bei den BSE-Tests denke, kommen mir doch einige Zweifel an der Effektivität und Transparenz solcher Verpflichtungen. Ich glaube, da muss man noch einiges tun, bis der Wunsch, den wir ja beide haben, auch Realität wird.
Blickpunkt: Wie mutig und effektiv kann staatlicher oder privater Verbraucherschutz sein, wenn die Industrie schnell mit Schadensersatzklagen droht?
|
||||||||||
... Gudrun Kopp (FDP).
Kopp: Das ist genau der Punkt. Die Behörden werden sehr vorsichtig sein mit den Informationen, die sie weitergeben. Vermutlich werden sie nur solche Informationen weitergeben, die absolut wasserdicht sind. Zu hohe Erwartungen sollte man also nicht haben.
Höfken: Die Furcht vor Schadensersatzklagen war bislang ein großes Hemmnis. Mit dem neuen Gesetz wird das Risiko für die Behörden erheblich gesenkt. Natürlich müssen die nach außen getragenen Informationen beweisfähig sein. Aber die Spielregeln haben sich zu Gunsten der Verbraucher geändert.
Blickpunkt: Ist Verbraucherschutz im nationalen Alleingang sinnvoll? Die Wirtschaft spricht gerne von drohenden Wettbewerbsverzerrungen.
Kopp: Da ist auch etwas dran. Wenn der deutsche Markt wieder einmal mit nationalen Gesetzen zugepflastert wird, kriegen wir tatsächlich Probleme. Gerade wenn wir wollen, dass der Verbraucherschutz europaweit wirksam wird, dürfen wir uns nicht mit Überregulierungen abkapseln, sondern müssen uns dem internationalen Wettbewerb stellen.
Höfken: Ich finde, die Globalisierung fordert verstärkt, dass wir Verantwortung hinsichtlich des Verbraucherschutzes wahrnehmen müssen. Das haben wir bei den gesundheitsgefährdenden Shrimps aus China gesehen. Nur durch die Importkontrollen haben wir erreicht, dass China nun dieses Antibiotikum Chloramphenicol nicht mehr einsetzt. Deshalb sind Kontrollen und Gesetze nötig.
Blickpunkt: Wann werden wir im Verbraucherschutz das strenge Niveau der Vereinigten Staaten erreicht haben?
Kopp: Es wäre schön, wenn wir bald auch so weit wären wie die Amerikaner, die ihren Verbraucherschutz allerdings völlig anders, nämlich privatwirtschaftlich und privatrechtlich organisiert und auch finanziert haben. Die Wirkung aber ist enorm. In den USA hat der Verbraucherschutz eine sehr starke Lobby.
Höfken: Auch wenn man Modelle nicht einfach übertragen kann: Auch ich wäre froh, wenn wir in Hinblick auf die Lobby bald so weit wären wie die Amerikaner.