Ernährung und Landwirtschaft. In großer Übereinstimmung lehnen Experten den von der EU-Kommission vorgelegten Vorschlag zur Änderung der Verordnung über den ökologischen Landbau und die entsprechende Kennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel (Rats-Dok. Nr. 5101/06) ab. Das wurde am 17. Mai in einer öffentlichen Anhörung des Agrarausschusses deutlich. Die Verfahrensweise und der nach Expertenansicht zu knappe Zeitplan der Totalrevision wurden dabei ebenso heftig kritisiert wie der sich aus der Verordnung ergebende Zuwachs an Bürokratie.
Mit der jetzigen EU-Öko-Verordnung habe man in den letzten 15 Jahren für alle Akteure ein hohes Maß an übereinstimmender Interpretation und Rechtssicherheit entwickelt, so der Vertreter des Deutschen Bauernverbandes. Dieser Rechtssicherheit stehe eine Totalrevision gegenüber, die neben vielen inhaltlichen und handwerklichen Fehlern über Jahre hinaus zu großer Planungs- und Rechtsunsicherheit führe. Die europäischen Erzeuger würden im Wettbewerb geschwächt und das Vertrauen der Verbraucher in Bioprodukte möglicherweise schwer geschädigt.
Alexander Gerber vom Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft bezeichnete den Entwurf als "völlig ungeeignet". Die Totalrevision der Verordnung wäre nur gerechtfertigt, wenn sie substanzielle Verbesserungen mit sich brächte. Angesichts des vorliegenden Entwurfs sei jedoch mit einer deutlichen Verschlechterung zu rechnen. Heftige Kritik äußerte auch der Bioland-Vertreter Thomas Dosch. Der Entwurf sei nicht geeignet, die Ziele zu erreichen, die er vorgebe. Es reiche nicht aus, hehre Ziele und Prinzipien zu propagieren, ohne konkrete Durchführungsbestimmungen zu erlassen, mit denen diese erreicht werden können. Er habe den Eindruck, so Dosch, dass die Eigeninitiative, die zur Entwicklung des Biosektors geführt habe, von Seiten der EU-Kommission nicht gewünscht sei.
Der Entwurf schaffe Unsicherheit auf dem Markt, so Jochen Neuendorff von der Konferenz der Kontrollstellen für den ökologischen Landbau. Für Betriebe, die auf ökologischen Landbau umstellen wollten, gebe es keine Aussagen, unter welchen Bedingungen sie ab 2009 produzieren könnten. Dies stelle ein klares In-vestitionshemmnis dar. Auch die Länder, so Wolfgang Neuerburg vom Landwirtschaftsministerium in Nord-rhein-Westfalen, lehnten den Entwurf ab. Zwar sei die aktuelle Verordnung verbesserungswürdig, doch erreiche man mit der Totalrevision das genaue Gegenteil. So solle beispielsweise auf den bisherigen umfassenden Schutz vor irreführender Kennzeichnung verzichtet werden. Damit werde der Verbraucherschutz nicht verbessert, sondern verwässert, kritisierte er und forderte die Beibehaltung des Biosiegels und anderer Zeichen der Öko-Verbände, die bei Inkrafttreten der Regelung abgewertet würden.