Gesundheit. Der niederländische Gesundheitsminister Hans Hoogervorst hat Deutschland für eine grundlegende Reform des Gesundheitssystems Mut zugesprochen. Bei einem Arbeitsfrühstück des Gesundheitsausschusses stellte er am 17. Mai die Erfahrungen seines Landes mit dem Anfang 2006 in Kraft getretenen Krankenversicherungsgesetz vor und bilanzierte augenzwinkernd: "Die Tatsache, dass ich noch lebend vor Ihnen sitze, beweist doch, dass die Umsetzung ganz gut verlaufen ist." Im Vorfeld der Reform habe es massive Befürchtungen zu dem Vorhaben der Mitte-Rechts-Regierung gegeben. Diese hätten sich jedoch nicht bewahrheitet. Hoogervorst gehört der niederländischen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) an. Er ist seit 2003 Gesundheitsminister und gilt als Architekt der Gesundheitsreform.
Das neue niederländische System ist eine Mischung aus Bürgerversicherung und Prämienmodell und gilt bei Gesundheitsexperten als eine Möglichkeit, die Gesundheitskonzepte von Union und SPD zusammenzuführen. Hoogervorst erläuterte, in seinem Land seien gesetzliche und private Kassen zu einem Versicherungssystem verschmolzen worden. Alle Kassen seien nunmehr privat, müssten sich aber an staatliche Rahmenbedingungen halten. Dazu gehöre eine Annahmepflicht, ungeachtet von Alter, Geschlecht oder Gesundheitszustand des Versicherten. Für alle Bürger gelte zudem eine Krankenversicherungspflicht. Jeder Niederländer zahle eine Prämie von rund 1050 Euro pro Jahr. Dieser Betrag decke etwa die Hälfte der Kosten ab, so Hoogervorst. Die andere Hälfte werde von den Arbeitgebern einkommensabhängig finanziert.
Die Leistungen des niederländischen Gesundheitssystems beschränkten sich allerdings auf das Notwendigste wie Arztkosten, Krankenhausbehandlung und bestimmte Medikamente. Schon vor der Reform gehörten Zahnersatz und Physiotherapie nicht zum Leis-tungskatalog. Hoogervorst unterstrich, dass das gestiegene Kostenbewusstsein der Bürger "ein großer Erfolg" der Reform sei. So hätten von den 16 Millionen Einwohnern vier Millionen die Kasse gewechselt. Weitere positive Effekte seien ein höherer Servicewille der Leistungserbringer im Gesundheitswesen und niedrigere Kosten.
Die Koalitionsfraktionen erkundigten sich bei dem Minister nach den Sozialtransfers. Hoogervorst sagte, "unterm Strich" sei das Gesundheitssystem jetzt sozialer. Rund 60 Prozent der Niederländer erhielten Zuschüsse, um ihre Beiträge bezahlen zu können. Die Fraktion Die Linke zeigte sich skeptisch. So sei etwa die Entscheidung für die richtige Kasse für die Bürger schwierig, da für sie kaum absehen könnten, welche Kasse im Falle einer Erkrankung die besten Leistungen erbringe. Die Grünen fragten, wie die Arbeitgeber in den Niederlanden überzeugt worden wären, einen dynamischen Beitragssatz zum Gesundheitssystem zu akzeptieren. Der Minister erklärte, den Arbeitgebern sei einfach klar, dass sie, wenn sie sich nicht direkt an den Kosten beteiligten, diese indirekt doch zu tragen hätten. Da sei das jetzige System auch für die Arbeitgeber überschaubarer. Aus Sicht der FDP stellt die Reformfreudigkeit der Niederländer im Gesundheitswesen ein Vorbild für Deutschland dar.