1949-89: Deutscher Bundestag
7.9.1949: Konstituierende Sitzung des ersten Deutschen Bundestages
© dpa
1945-1948: Getrennte Wege in Ost und West
Nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 wird ganz Deutschland von den vier Siegermächten besetzt, die auch die Staatsgewalt übernehmen.
Aus ideologischen Gründen entwickelt sich ein Ost-West-Konflikt, der zur Folge hat, dass die drei Westmächte einerseits und die Sowjetunion andererseits in ihrer Deutschlandpolitik getrennte Wege gehen.
Die Westmächte beginnen mit dem Aufbau eines deutschen (Teil-)Staates nach dem Leitbild einer parlamentarischen Demokratie. Die Sowjetunion errichtet in ihrer Besatzungszone hingegen einen Staat, der sich mehr und mehr an dem sowjetischen Leitbild einer sozialistisch-kommunistischen Diktatur orientiert.
1948/49: Parlamentarischer Rat und Grundgesetz
Endgültig trennen sich die Wege in Ost und West, als am 1. September 1948 im Auftrag der Westmächte erstmals der Parlamentarische Rat zusammentritt. Tagungsstätte ist die in Bonn gelegene Pädagogische Akademie, das spätere Bundeshaus.
Viele der 65 Mitglieder besitzen parlamentarische Erfahrungen aus der Weimarer Zeit. Ihre Aufgabe ist es nun, das Grundgesetz für die zukünftige Bundesrepublik Deutschland zu schaffen. Unter der Leitung ihres Präsidenten Konrad Adenauer beraten die Mitglieder des Rates einen zuvor erarbeiteten Verfassungsentwurf.
Im Mai 1949 ist es dann so weit: Das Grundgesetz wird beschlossen, ratifiziert und verkündet. Im Gegensatz zur Weimarer Verfassung liegen nun die politischen Entscheidungskompetenzen allein bei den durch freie Wahlen dazu legitimierten Parlamenten und den von diesen eingesetzten Regierungen.
1949: Erste Wahlperiode des Bundestages
Die ersten Wahlen zum Deutschen Bundestag finden am 14. August 1949 statt. Eine Vielzahl von Parteien und unabhängig kandidierenden Bewerbern kämpfen um die Stimmen der Wähler. Doch zeigt sich schon bei dieser ersten Wahl eine Stimmenkonzentration auf die drei Fraktionen CDU/CSU, SPD und FDP.
Am 7. September treten der Deutsche Bundestag sowie der Bundesrat zu ihren konstituierenden Sitzungen in Bonn zusammen. Der CDU-Politiker Erich Köhler wird zum Bundestagspräsidenten gewählt.
Am 12. September wählt die Bundesversammlung Theodor Heuss (FDP) zum Bundespräsidenten. Drei Tage danach wählt der Bundestag mit der denkbar knappsten Mehrheit von einer Stimme den 73jährigen bisherigen Präsidenten des Parlamentarischen Rates, Konrad Adenauer (CDU), zum Bundeskanzler. Er tritt an die Spitze einer aus den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und der Deutschen Partei (DP) gebildeten Koalitionsregierung.
Die 50er Jahre: Wichtige Grundsatzentscheidungen
Wiederholt tagt der Bundestag auch in West-Berlin, in der Aula der Technischen Universität oder der neuen Kongresshalle. Gerade im ersten Jahrzehnt ist der Bundestag als Gesetzgeber in besonders starkem Maße gefordert und in Anspruch genommen. Es geht um die Überwindung akuter Notstände und um die Bewältigung der Folgen des Krieges und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.
Darüber hinaus widmen sich zahlreiche Gesetze dem Aufbau von Justiz und Verwaltung sowie der Verwirklichung des Konzepts der sozialen Marktwirtschaft.
Mit großer Entschiedenheit verfolgt Bundeskanzler Konrad Adenauer die Westorientierung, die zu einer europäischen Integration, zur Mitgliedschaft in der NATO und zur Aufstellung eigener Streitkräfte der Bundesrepublik führen soll.
Während der ganzen Zeit steht die Deutschlandpolitik auf der Tagesordnung. Der Bundestag hält an dem Ziel der Wiedervereinigung Deutschlands fest.
Die 60er Jahre: Starke Willensbildung im Parlament
Bis 1963 bleibt Konrad Adenauer mit seinem autoritativen Führungsstil Bundeskanzler. Danach übernimmt Ludwig Erhard – ebenfalls CDU – das Amt. Der Bundestag gewinnt weiter an Gewicht.
In der Frage der Verjährungsfrist für die Ahndung von Nazi-Verbrechen liegt die Entscheidung in einer ergebnisoffenen Abstimmung allein beim Parlament; es beschließt am 25.3.1965 die Verlängerung der Verjährungsfrist. Ludwig Erhard, der am Ende in einer Haushaltskrise die Unterstützung seines Koalitionspartners FDP verliert, wird von seiner eigenen Fraktion zum Rücktritt veranlasst.
Auch die 1966 nachfolgende Regierung der Großen Koalition ist für die anstehenden Kurskorrekturen in der Wirtschaftspolitik und in den Beratungen über die Notstandsverfassung auf die Ergebnisse der parlamentarischen Willensbildung angewiesen. Der Bundestag beschließt, dass auch in einem Notstandsfall die parlamentarischen Mitwirkungs- und Kontrollrechte erhalten bleiben.
Die 70er Jahre: Ostpolitik und Misstrauensvotum
Nach den Parlamentswahlen 1969 bildet die SPD zusammen mit der FDP die Regierungskoalition. Willy Brandt wird Bundeskanzler.
Die neue Ostpolitik führt Anfang der 70er Jahre zu vertraglichen Vereinbarungen mit der Sowjetunion, Polen und der Tschechoslowakei und vor allem zum Abschluss eines Grundlagenvertrages mit der DDR.
Sie führt aber auch zu einem heftigen Ringen zwischen der Regierungskoalition und der Opposition. 1972 versucht die Union – auf dem Wege eines konstruktiven Misstrauensvotums – Willy Brandt zu stürzen und Rainer Barzel (CDU) zum Kanzler zu wählen. Doch der Versuch misslingt.
Anschließende Neuwahlen bestätigen die sozialliberale Koalition. Auf dem Programm stehen zahlreiche Reformen. Zudem werden die Regierung – ab 1974 unter der Führung von Helmut Schmidt (SPD) – und der Bundestag immer mehr durch Probleme wie Energiekrise und Terroranschläge in Anspruch genommen.
Die 80er Jahre: Neue Regierung und Opposition
Im Oktober 1982 kommt es erneut zu einem konstruktiven Misstrauensvotum – diesmal mit Erfolg: Helmut Kohl (CDU) wird zum Kanzler gewählt. Die neue Koalition aus CDU/CSU und FDP erhält in den herbeigeführten Neuwahlen Anfang 1983 die Bestätigung durch die Wähler.
Noch im gleichen Jahr gibt der Bundestag den Weg frei für die Nachrüstung mit neuen amerikanischen Mittelstreckenraketen auf deutschem Territorium.
Im Bundestag zeigen sich inzwischen neue Gesichter. Mit den Abgeordneten der Partei der Grünen gibt es eine zweite Oppositionsfraktion, die sich insbesondere den alternativen Bürgerinitiativen, den Kernkraftgegnern und der Friedensbewegung verbunden fühlt.
In den 80ern werden die Arbeitslosigkeit, die Energie- und Umweltpolitik, der Zustrom von Asylsuchenden und die Zukunft der Europäischen Gemeinschaft zu wichtigen Themen der Beratungen des Deutschen Bundestages.
1989/90: Vereinigung Deutschlands
Am 9.11.1989 erreicht die Nachricht von der Öffnung der Mauer den Bundestag. Von nun an überschlagen sich die Ereignisse:
Am 28.11.1989 stellt Helmut Kohl einen Zehn-Punkte-Plan über den möglichen Weg bis zu einer Vereinigung vor. Danach gelingt es, die Zustimmung der westlichen Verbündeten und der Sowjetunion zu einer Vereinigung zu erreichen. Die Präsidien des Bundestages und der DDR-Volkskammer vereinbaren eine enge Zusammenarbeit und bilden jeweils einen Einheitsausschuss.
Am 21.6.1990 billigen der Deutsche Bundestag und die Volkskammer den deutsch-deutschen Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion und drei Monate später den Einigungsvertrag.
Am 3.10.1990 tritt die DDR um Null Uhr der Bundesrepublik Deutschland bei. Am folgenden Tag kommt der gemeinsame Deutsche Bundestag im Reichstagsgebäude zu seiner ersten Sitzung zusammen.