Das Regime hatte es diesmal besonders eilig: Nur wenige Stunden, nachdem der Volksgerichtshof unter Roland Freisler am 22. Februar 1943 die Todesurteile gegen Sophie und Hans Scholl und gegen Christoph Probst ausgesprochen hatte, wurden sie auch schon vollstreckt. Die drei Angehörigen der Widerstandsgruppe "Weiße Rose", die durch Flugblätteraktionen vor allem im süddeutschen Raum zum Ungehorsam gegen das NS-Regime aufgerufen hatten und dabei im Lichthof der Münchner Universität gefasst worden waren, wurden am Nachmittag im Vollstreckungsgefängnis München-Stadelheim durch das Fallbeil hingerichtet. Sophie Scholl war zu diesem Zeitpunkt 21 Jahre alt.
Ihr fester Freund und Verlobter Fritz Hartnagel (1917-2001) wusste zu diesem Zeitpunkt nichts von der Hinrichtung; wie durch ein Wunder war er mit einer der letzten Maschinen aus Stalingrad herausgekommen und lag danach in einem Lazarett im Osten. Hartnagel war vier Jahre älter als Sophie; die jungen Leute hatten sich 1937 in Ulm kennengelernt, aus der Freundschaft wurde Zuneigung und Liebe, die nach Kriegsende zur Vermählung führen sollte.
Hermann Vinke hat hier der "Weißen Rose" ein weiteres anrührendes Denkmal gesetzt. Hartnagel hatte nach dem Krieg Sophies Schwester Elisabeth geheiratet. Diese hat dem Autor für seine Biografie viele persönliche Briefe und Dokumente der Familie überlassen, und so verknüpft sich hier minutiöse historische Erzählung mit Zeugnissen über einen wachsenden Ekel vor dem Regime und zum fast wahnwitzigen Unterfangen, mittels Flugblättern einen Umsturz herbeizuführen. In ihrer moralischen Rigorosität, dass man ein Verbrecherregime ablehnen müsse und dass Grundlage für ein friedliches Zusamenleben der Menschen Gerechtigkeit und Freiheit seien, erreicht die Argumentation dieser jungen Menschen stellenweise ein Niveau großer Staasdenker. Hartnagel ist, auch das zeigt der Autor, dieser Rigorosität Zeit seines Lebens, sei es als Richter, sei es in der Friedensbewegung der 80er-Jahre, treu geblieben.
Hermann Vinke
Fritz Hartnagel. Der Freund von Sophie Scholl.
Arche Verlag, Zürich/Hamburg 2005; 268 S., 19,90 Euro