Nachlesen kann man das nicht in einer eng beschriebenen und für Außenstehende kaum lesbaren Drucksache, sondern auf Wallströms Website. Die Schwedin, die im Jahre 2004 den ersten Posten als Kommunikations-Kommissarin überhaupt antrat, nimmt ihren Job so wörtlich, dass sie persönlich mit den EU-Bürgern kommuniziert. In einem Weblog stellt sie öffentlich, was der Plan D ist und was sie sonst so treibt ("Ich arbeite an meinem Französisch"). Täglich bekommt sie dort von Chattern aus ganz Europa demonstriert, dass die Europäische Union in den 25 Mitgliedstaaten bisher mitnichten nur als demokratisch wahrgenommen wird. "Sie repräsentieren einen elitistischen und korrupten Haufen", heißt es dort; einer schreibt von einem "ungewählten Politbüro". Warum Wallström sich dem aussetzt? "Weil ich will, dass die Menschen sehen, dass die Kommission nicht aus gesichtslosen Bürokraten besteht."
Andererseits ist das Online-Stellen eines Weblogs für jemanden, der der EU kommunikatives Leben einhauchen soll, wohl noch einer der leichteren Aufträge. Seit Jahren kritisieren Experten das technokratische Denken der EU-Kommunikateure sowie das starre Festhalten an den immerselben Mitteln - Umfrageergebnisse, Analysen, Berichte Aktionspläne und Strategie - einer Abteilung, in der nur wenige überhaupt über kommunikative Kompetenzen verfügen. Wallström schilderte den Ist-Zustand bei einer Veranstaltung der Macher des EU-eigenen Informationsnetzwerks "Europe Direct" so: "Lange war die EU ein Projekt der politischen Elite. Wir waren schlecht im Zuhören, schlecht im Erklären und schlecht im Verankern unserer Agenda in den Mitgliedstaaten."
Damit sich das ändert, sitzt sie seit Herbst 2004 an einem Aktionsplan und einem Weißbuch zur Kommunikationsstrategie. Ersterer soll die Öffentlichkeitsarbeit in der Kommission umstrukturieren, effizienter und moderner machen; das zweite sich mit der Rolle anderer Akteure - nationale Regierungen, Europäisches Parlament, Medien - befassen. Auch wenn der Wortlaut noch unbekannt ist - der Plan soll im Juli, das Weißbuch im Herbst präsentiert werden - sind ein paar Grundlinien klar: Wallström will der EU "Ohren geben", damit sie den Bürgern besser zuhören und neue "Sprechwerkzeuge", damit sie sich besser vermitteln kann. "Kommunikation ist keine Einbahnstraße", sagt sie. Um herauszufinden, was die Bürger eigentlich wollten, brauche man bessere Umfrageinstrumente, mehr Mitsprache für Interessengruppen und Bürger in allen Ländern. Auch die Sprache der EU soll sich verändern: Weg von für den durchschnittlichen Bürger völlig wertlosen Verlautbarungen über "Bolkestein" "Laaken" oder "Lissabon" und hin zu einer Sprache, die benennt, worum es eigentlich geht. Die EU soll auch über andere Kanäle als über Mitteilungen und Broschüren sprechen lernen. Ma werde "eng mit nationalen Regierungen, der Zivilgesellschaft und den Medien zusammenarbeiten", hat Wallström erklärt. Und, siehe Weblog: "Das Internet ist DER neue Kanal für Diskussion und Kommunikation." Beigebracht haben ihr das nicht zuletzt ihre Gegner. "Auf jede pro-europäische kommen 20 Anti-Europa-Sites," stellte die kommunikations-Kommissarin fest. Als weiteren Aspekt soll jedes Land eine eigene Strategie entwick-eln: "Eine alte Frau in Estland hat andere Sorgen als ein junger Mann in Athen! Wir müssen weg von der Ein-Weg-für-alle-Strategie." "Go local" lautet das Motto.
Bei der Lokalisierung sind vor allem die Vertretungen der EU-Kommission gefragt. Bisher gibt es zwar in jedem Land eine Repräsentanz - aber längst nicht immer bekommt die Bevölkerung davon etwas mit. Eine der größten steht in Berlin nur wenige Meter vom Brandenburger Tor. Von 18 Mitarbeitern sind dort zehn für Presse- und Öffentlichkeit zuständig. Sie tun das, was derartige Abteilungen immer tun: die Website pflegen, Broschüren drucken, Fragen der Bürger und der Presse beantworten, Interviews der EU-Kommissare bei ihren - im Vergleich zu anderen EU-Staaten ziemlich häufigen - Berlin-Besuchen organisieren.
Ein Teil des Budgets fließt aber auch in politische Bildung, die nicht auf Interesse wartet, sondern auf den Bürger zugeht. Vor der Ost-Erweiterung bereiste über mehrere Monate ein von Kommission, Europäischem Parlament und Bundespresseamt gemeinsam bestück-ter Bus deutsche Marktplätze und stellte sich den Fragen. Nicht nur wegen der Bürgernähe, sondern auch wegen des gemeinsamen Handelns sei die Aktion gelungen, sagt der Pressesprecher der EU-Kommission in Berlin, Harald Händel: "Wenn wir alle an einem Strang ziehen, sind wir stark. Das hat sich bei der Erweiterung wie beim Euro gezeigt".
Als die Einigung über eine gemeinsame Verfassung für 25 Länder anstand, konnte man sich dazu in Brüssel nicht aufraffen: Weder gab es eine gemeinsame Strategie noch überhaupt spürbares Engagement der Kommission. Das Parlament habe ihnen "Zügel angelegt", rechtfertigt sich Händel: "Wir waren explizit aufgefordert, uns aus dem Ratifizierungsprozess herauszuhalten." Stattdessen überließ man die PR den nationalen Regierungen - was in den Niederlanden geradewegs in ein von der Haager Regierung selbst gemachtes Desaster und zur Ablehnung der Verfassung durch das Volk führte.
Nicht beschweren können sich die PR-Strategen in Brüssel über Euro-Skepsis derer, die über sie berichten. Zwar ist es nicht mehr so wie in den 1980er-Jahren, als die Brüsseler Korrespondentenschar sich fast bedingungslos dem "europäischen Projekt" - und nicht der unabhängigen Berichterstattung - verpflichtet fühlte. Der Ruch des massenhaften Lobbying und zu großer Nähe verblasste jedenfalls deutlich, als eine investigative Recherche österreichischer Journalisten 1999 einen Korruptions-Skandal aufdeckte, der zum Rücktritt der Santer-Kommission führte. Aber heute noch weisen Umfragen darauf hin, dass acht von zehn Brüsseler Korrespondenten einer politischen wie geografischen Ausweitung der EU wohl gesonnen sind - ganz im Gegenteil zu den Menschen, für die sie berichten.
Die Kommission fördert die Europanähe der ortsansässigen Berichterstatter, wo sie kann - und nicht nur mit unumstrittenen Mitteln. Der Presse werden Schnittplätze und Studios, Bilder, Töne und sogar Kamerateams zur Verfügung gestellt. Die EU-eigene Fernsehagentur "Europe by Satellite" (EbS) übersetzt ihre Liveberichterstattung inzwischen in 24 Sprachen. Und die Kommission zahlt sogar an ausstrahlungswillige Produzenten. Neun Millionen Euro fließen in jedem Jahr an öffentlich-rechtliche und private Sender; davon alleine eine Million nach Deutschland.
Wer über Europa berichten will, kann der Kommission einen Antrag auf finanzielle Förderung der eigenen journalistischen Arbeit vorlegen. Dass auf diesem Weg das Image der Europäischen Union verbessert werden soll, streitet die Kommission gar nicht ab. Den Vorwurf der unlauteren Vereinnahmung weist Wallström aber von sich: Man arbeite auf Basis des "gegenseitigen Respekts der verschiedenen Aufgaben" zusammen, erklärte die Kommissarin bei einer Tagung unter dem passenden Titel "Die EU ins Bild setzen!" Für das Jahr 2006 kündigte sie bei der Gelegenheit sogar eine Aufstockung der Mittel an. Im Fokus der finanziellen Aufmerksamkeit der Kommission stehen Programme, die "auf regionaler oder nationaler Ebene erklären, welche Auswirkungen europäische Politik auf ganz gewöhnliche Bürger hat".
So mancher Journalist will diese Aufmerksamkeit allerdings gar nicht. Die britische BBC erklärt, kein Geld von Objekten der Berichterstattung anzunehmen, weil, wer damit anfange, seine redaktionelle Integrität verliere. Auch der ARD-Korrespondent Rolf-Dieter Krause teilte Harald Händel im vergangenen Jahr auf einem Podium mit, er fände die TV-Subvention eine "schändliche Sache". "Lieber eine ehrliche Informationsarbeit als Informationspolitik", erboste sich Krause. Die meisten deutschen Medien sind da wesentlich weniger zimperlich - auch nicht die Öffentlich-Rechtlichen, die ohnehin schon aus Steuergeldern bezahlt werden, damit sie ihrem Informationsauftrag nachkommen. Sendungen bei MDR und WDR, SWR und ZDF, das Deutschlandradio und die Deutsche Welle wie auch einige private Sender profitierten bereits davon. Entschieden wird über die Anträge von einer dreiköpfigen Kommission, in der auch Harald Händel sitzt. Der findet an der Subvention von Beiträgen nichts zu beanstanden: "Europäische Politik allgemeinverständlich aufzubereiten ist komplex und kompliziert. Damit es überhaupt gemacht wird, sagen wir: Nehmt das Geld!".