Wenn ihre Freunde auf Partys gehen, sitzen sie noch in irgendeinem Gremium oder im Ortsverein. Jede freie Minute widmen sie ihrer Organisation, ihrer Partei, setzen sich für ihre Überzeugungen ein. Der Weg ist lang. Ehrgeizige Talente gibt es in allen Parteien und Nichtregierungsorganisationen - trotz aller Nachwuchssorgen. "Das Parlament" stellt einige Jungpolitiker und Aktivisten vor:
Turnschuhe, ein T-Shirt und in den Haaren etwas Gel. Keine Krawatte, kein Anzug, ja noch nicht mal eine auffällige Armbanduhr. Kein äußeres Klischee, das er bedient. Auf dem Stuhl in einem Café in der Innenstadt von Bonn sitzt Johannes Vogel, Bundesvorsitzender der FDP-Jugendorganisation "Junge Liberale" (JuLi), und streckt bequem die Beine aus. Heute Nacht um drei Uhr sei er mit dem Zug aus Berlin angekommen, sagt er.
Der aus dem rheinisch-bergischen Wermelskirchen stammende Johannes Vogel ist seit Ende März diesen Jahres Bundesvorsitzender der nach eigenen Angaben 10.000 Mitglieder vereinenden Jugendparteiorganisation. Eigentlich sollte er beim Magdeburger Bundeskongress in seiner Position als Stellvertreter im Vorstand der Jungliberalen bestätigt werden. Doch nach der unrühmlichen Aussage seines Vorgängers Jan Dittrich in der Rentendebatte, die Älteren "sollten den Löffel abgeben", wurde plötzlich der Vorstandsposten vakant. "Ich hatte ein paar Minuten, um mein Rede-manuskript zu überarbeiten", sagt er heute. Drei oder vier Ergänzungen seien es gewesen, Schriftgröße 18 Arial. "Ich bin kein rhetorisches Ausnahmetalent wie etwa Gerhard Schröder", sagt Johannes Vogel bescheiden. Doch überzeugte er die Delegierten, die ihn kurz darauf mit 76,4 Prozent der Stimmen wählten.
So klar war der Karriereweg des heute 23-Jährigen, der sich selbst als eher "linksliberal" bezeichnet, nicht immer: Im Alter von 15 Jahren engagierte er sich zunächst bei den Grünen. Sein Elternhaus bezeichnet Vogel als liberal. Der Vater, ein Manager bei einem Nahrungsmittelkonzern, wähle eher SPD oder FDP, während seine Mutter nicht nur niedergelassene Psychologin, sondern auch überzeugte Wählerin der Grünen sei. "Ich habe 1998 gegen Helmut Kohl Plakate geklebt." Der Altkanzler war für ihn mit den Attributen des Stillstandes verbunden. Gesellschaftspolitik sei für einen jungen Menschen von gerade mal 15 Jahren natürlich interessanter als Steuermodelle oder gar Rentenpolitik, gibt Johannes Vogel zu. "Vor allem den ökologischen Blickwinkel der Grünen fand ich für mich sehr interessant", so Vogel. Doch genau diese ökologischen Grünen waren ihm schon bald zu wenig tolerant. "Die hatten als Altachtundsechziger so ihre Vorurteile gegen Yuppies in Zeiten der New Economy", resümiert Johannes Vogel. "Verblüffend" seien für ihn die Übereinstimmungen mit dem Programm der Jungliberalen schon damals gewesen. Und so lag ein Wechsel nahe, der schließlich einen Eintritt Vogels zu den Jungliberalen nach sich zog. "Ich sehe mich nicht unbedingt als Vertreter der Anzugträgerfraktion", schränkt er sein Toleranzargument ein, ergänzt aber schnell: "Als Liberaler muss man das auf jeden Fall akzeptieren." Überhaupt seien die JuLis "ein sehr heterogener Verband". Mehr als die Hälfte der Mitglieder passe nicht in das Klischeebild von den Anzug- oder Kostümträgern mit "Budapester"-Schuhen und Start-up-Unternehmen.
Johannes Vogel über Johannes Vogel: "Ich habe immer gerne programmatischen Input geliefert." Nicht unbedingt die dankbarste Aufgabe in einer Organisation, in der sich junge Funktionsträger auch schon mal mit einer Zigarre im Mund abbilden lassen. Doch man glaubte an seine Sacharbeit fernab jeder Profilierung und übertrug Johannes Vogel 2003 die Chefredaktion der Mitgliederzeitung "Jung und liberal", einem Blatt mit einer Auflage von etwa 12.000 Exemplaren. "Die Berichte sind natürlich nie so richtig investigativ über die eigene Organisation", gibt Johannes Vogel zu. Aber man könne "Denkanstöße" liefern. Medien im Allgemeinen hält er in der großen Politik für sehr einflussreich und scheut auch selbst keine medienwirksamen Aktionen. So setzte sich Johannes Vogel einst in einen wassergefüllten Holzbottich und ließ dazu den Slogan verbreiten: "Der Jugend steht das Wasser bis zum Hals." Doch das im Bundestagswahlkampf 2002 eingesetzte Guido-Mobil - ein teils bizarr eingerichtetes Wahlkampfvehikel auf Wohnmobil-Basis - geht ihm dann doch "einen Tick zu weit".
Johannes Vogel ist am 29. April 1982 geboren - genau vier Jahre früher und rund 400 Kilometer weiter westlich als Julia Bonk, die jüngste Landtagsabgeordnete der deutschen Parlamentsgeschichte. Der Wunsch in ein Parlament einzuziehen, liegt von außen betrachtet auch für den JuLi-Bundesvorsitzenden nahe. Doch der erteilt dem Gedanken eine Abfuhr: "Momentan fühle ich mich dazu noch zu jung." Auch habe er Angst, dass er endgültig in der Politik bleiben könnte. "Mit 40 merkt man dann, was einem im Gegensatz zu Gleichaltrigen verloren gegangen ist", sagt Johannes Vogel. Er sieht die Aufgabe, zum Volksvertreter gewählt zu werden, eher als Ehre denn als Pflicht. "Vielleicht ja in fünf Jahren oder später", lächelt Johannes Vogel und es macht den Eindruck, als sei seine Zurückhaltung nicht gespielt.