Der G-8-Gipfel stand im Schatten der Bombenanschläge von London, die von den mutmaßlich aus dem Umfeld des Al-Qaida-Netzwerks kommenden Attentätern exakt zum Zeitpunkt des Meetings in Gleneagles verübt wurden. Bei den Terrorangriffen in der U-Bahn und in einem Bus kamen über 50 Menschen ums Leben, rund 700 wurden teilweise schwer verletzt. Trotz der auf Hochdruck laufenden Ermittlungen gab es zunächst keine konkreten Hinweise auf die Täter. Das Innenministerium warnte, weitere Anschläge seien nicht völlig auszuschließen. In vielen Staaten und auch in Deutschland wurden die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt.
Wegen der Attentate in London verließ Blair vorübergehend das Treffen in Schottland. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte, natürlich sei die ganze Stimmung bei der Begegnung beeinträchtigt worden. Ein Abbruch der Gespräche stand jedoch nie zur Debatte: Die Staats- und Regierungschefs von Großbritannien, den USA, Russland, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan und Kanada wollten politisch unterstreichen, dass sie vor dem Terrorismus nicht in die Knie gehen. Zeitweilig waren bei dem Gipfel auch Schwellenländer wie China, Indien, Mexiko und Brasilien sowie mehrere afrikanische Nationen präsent. In einer Erklärung von Gleneagles zu den Attentaten von London heißt es: "Es ist nicht ein Angriff auf eine Nation, sondern auf alle Länder und zivilisierte Menschen überall."
Die wichtigste Entscheidung von Schottland dürfte ohne Zweifel der Beschluss zur verstärkten Bekämpfung der Armut in der Welt sein. Dieses Thema war zuvor auf internationaler Bühne bereits intensiv diskutiert worden, wobei besonders Tony Blair auf Fortschritte gedrungen hatte. Die Terroranschläge ebneten nun den Weg zu recht weitreichenden Hilfszusagen: Bessere Lebenschancen für die Menschen in der Dritten Welt sollen auch dem Terrorismus das Wasser abgraben und so die Stabilität fördern.
Die reichsten Länder der Erde wollen nun bis 2010 die Entwicklungshilfe um jährlich 50 Milliarden Dollar erhöhen. Die 25 EU-Staaten würden 80 Prozent dieser Summe aufbringen, so EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Allein 25 Milliarden Dollar zusätzlich pro Jahr sollen Afrika zugute kommen. Zudem hießen die G-8-Repräsentanten die Entscheidung ihrer Finanzminister vom Juni gut, den 18 ärmsten Nationen auf dem Globus Schulden in Höhe von 40 Milliarden Dollar zu erlassen, mit denen sie bei internationalen Organisationen in der Kreide stehen. Insgesamt 37 Länder kommen in den Genuss des Programms von Gleneagles. Bei diesem Tagesordnungspunkt waren auch UN-Generalsekretär Kofi Annan sowie Vertreter der Weltbank und des Währungsfonds zugegen.
In der G-8-Erklärung heißt es, nun gebe es eine "historische Gelegenheit für Afrika". Dessen Staatenlenker hätten "eine neue Vision für die Zukunft des Kontinents". Blair sagte, der Aktionsplan markiere "nicht das Ende der Armut in Afrika, aber es ist die Hoffnung, dass die Armut beendet werden kann". Olusegun Obasanjo, nigerianischer Präsident und Vorsitzender der Afrikanischen Union, würdigte die Beschlüsse von Schottland als großen Erfolg. Allerdings dringen die acht Regierungschefs gegenüber jenen Ländern, die von den deutlich aufgestockten Finanzströmen profitieren, auf eine verstärkte Demokratisierung sowie auf ein energischeres Vorgehen gegen Korruption und auf mehr politische Transparenz.
Zum Konzept der auf dem Gipfel verkündeten Bekämpfung der Armut gehört auch das Bekenntnis zu fairen Handelsbeziehungen, um so die wirtschaftliche Entwicklung in der Dritten Welt voranzubringen. Die G-8-Nationen sagten im Prinzip einen Abbau von Importhindernissen zu. Ins Visier genommen werden soll auch die Abschaffung von Subventionen des Agrarexports, wenn auch vage "zu einem glaubwürdigen Zeitpunkt", der nicht näher präzisiert wird. Auf einer Welthandelskonferenz in Hongkong werden die Handelsbeziehungen im Dezember näher erörtert.
Zur Stabilisierung der von Gewalt erschütterten Nahostregion beitragen soll ein Hilfspaket von drei Milliarden Dollar, die der palästinensischen Autonomiebehörde in den nächsten Jahren zufließen sollen. Auf diese Weise, so Blair, wolle man das friedliche Zusammenleben der beiden Staaten Israel und Palästina, von zwei Völkern und zwei Religionen unterstützen.
Anders als bei den Programmen für Entwicklungsländer und Nahost konnten sich die Teilnehmer des G-8-Gipfels beim Klimaschutz nicht auf konkrete Beschlüsse einigen. Diverse Umweltorganisationen, die in Gleneagles ihren Forderungen mit Demonstrationen Nachdruck verliehen hatten, äußerten sich denn auch enttäuscht und kritisierten die Klima-Resolution. US-Präsident George W. Bush will weiterhin nicht dem von den anderen sieben Ländern und insgesamt rund 150 Nationen unterzeichneten Kyoto-Protokoll beitreten. Diese Übereinkunft verpflichtet die Indus-triestaaten, bis 2012 den Ausstoß der Treibhausgase um mindestens fünf Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren.
Immerhin erkennen in der Erklärung von Gleneagles nun auch die USA an, dass die Klimaerwärmung ein von Menschen zu verantwortendes Problem ist. Kanzler Schröder wertete es als Erfolg, dass Washington in dem Dokument jetzt den Begriff Kyoto akzeptiert hat, der für die USA lange Zeit ein "Unwort" gewesen sei. Der französische Präsident Jacques Chirac sprach von einem "Teilerfolg".
Die G-8-Repräsentanten betonten in allgemeiner Form ihren Willen, die Emissionen von Treibhausgasen zu senken. Hervorgehoben wird dabei die Bedeutung moderner Umwelttechniken, die verstärkt auch in den industriell aufholenden Schwellenländern eingesetzt werden sollen.
In diesem Bereich winkt ein riesiger neuer Markt für Investitionen, von denen gerade auch Unternehmen in den reichen Nationen profitieren können. Schröder erklärte, für Deutschland mit seinen entwickelten Technologien bei erneuerbaren Energien böten sich große Chancen.