Wenn dem Berliner Schloss und seinen Bewohnern Ungemach drohte, tauchte in seinen Mauern die so genannte Weiße Frau auf, ein Schloss-gespenst der besonderen Art. Es soll sich um die schöne Spandauer Gießerin Anna Sydow gehandelt haben, die aus Rache herumspukte, weil sie vom Kurfürsten Joachim dem Zweiten zu Unrecht eingesperrt worden war.
Ob sich die Zahnärztinnen und Zahnärzte, von denen manche zu Recht als "Traum in Weiß" adoriert werden könnten, auch an die herumgeisternde Anna gedacht haben, als sie jetzt beschlossen, in den Berliner Zahnarztpraxen Sammelbüchsen für den Wiederaufbau der Schlossfassade hinzustellen? In Fassadenkosmetik hat das Gewerbe einen soliden Ruf - welcher Brücken- und Kronenträger wüsste es nicht zu rühmen? Und ist es nicht besonders nett von den Dentisten, helfend einzuspringen, wo die Berliner Finanzen sowieso auf dem Zahnfleisch gehen?
Während die Berliner Zahnklempner gemeinsam mit ihren Patienten die Zähne zusammenbeißen wollen, um das Stadtschloss zu retten, das der Kommunist Ulbricht im Kampf gegen den preußischen Adel (Auge um Auge, Zahn um Zahn) einst brutal abreißen ließ, hat der BDI seine Jahrestagung im Skelett des Palastes der Republik angekündigt. Begründung: Nur dort gebe es Platz für die erwarteten 1.500 Teilnehmer. Unternehmer in die Volkskammer! Währenddessen wachen die chinesischen Tonkrieger im Palast, dass alles seine Ordnung hat. Weshalb der BDI nur nachts vorbereiten darf, damit zur Tagung technisch alles klar geht. Ob man bei der Arbeit schon mal die Weiße Frau gesichtet hat? Ein Gespenst geht um in Europa, oder so?
Der Ort scheint seine Tücken zu haben. Einerseits wird gesammelt, um aus den Fundamenten wieder das alte Schloss in die Höhe zu kriegen. Andererseits ist genug Geld da, um eine Ruine an der Spree mit neuem Leben zu erfüllen. Oder wollten die Ausbeuter, wie sie von den Erben Marxens genannt wurden, bloß einen symbolischen Sieg über die einstigen roten Herrschaften des Palastes feiern? Talkshows, erbarmt euch dieses Themas, das das ganze Land interessiert.
Stehen eigentlich schon Sammelbüchsen in den Praxen der HNO-Ärzte, um den von der Schließung bedrohten Flughafen Tempelhof zu retten? Wer bittet uns um Geld für die Sanierung der von Schlaglöchern übersäten Straßen der Hauptstadt? Auch die Intendanten der Opernhäuser sollten sich um originelle Geldbeschaffungsaktionen kümmern. Überteuerte Eintrittskarten reichen nicht. Und wie sieht es bei Hertha BSC aus? Sportärzte, greift zu den Blechbehältern!
Als Kurt von Burgdorff 1651 der Weißen Dame im Stadtschloss begegnete, rief er tapfer: "Du alte sakramentische Hure, hast du noch nicht genug Fürstenblut gesoffen, willst du noch mehr haben?" Die so Angesprochene nahm ihn am Schlafittchen und warf ihn die Treppe runter, dass ihm laut die Rippen krachten. Gespenstische Überraschungen in Berlin, damals wie heute. Detlev Lücke