Trifft Amors Pfeil immer seltener? Laut Statistik gibt es 13,5 Millionen Einpersonenhaushalte in Deutschland. Rechnet man die Alten und Verwitweten heraus, kommt man nach Schätzung von Soziologen auf rund sieben Millionen Singles im heiratsfähigen Alter, von denen etwa zwei Drittel eine dauerhafte Partnerschaft anstreben. Diesen Suchenden versprechen zahlreiche Dienstleister, dem Liebesgott nachzuhelfen. Beispielsweise mit dem "Speed Blind Date", das die Hamburger Agentur "Blind-Date-Dinner" von Leah Schöne in mittlerweile 36 Städten ausrichtet.
Die Abkürzung zum Liebesglück soll dabei die magische Zahl sieben eröffnen: In einem Lokal treffen sich sieben Männer und ebenso viele Frauen. An sieben Tischen nimmt je ein Paar Platz. Nun sollen die Gesprächspartner in sieben Minuten möglichst viel über sich herausfinden und auf einer Stimmkarte notieren, ob sie einander wieder sehen möchten. Dann wechseln die Männer die Tische; nach sieben mal sieben Minuten ist das Bäumchen-wechsel-dich-Spiel vorbei. Am nächsten Tag erfahren die Teilnehmer per E-Mail von der Agentur, ob und bei wem ihre Sympathie auf Gegenliebe stößt sowie dessen Telefonnummer - gegen 25 Euro Gebühr. Wem das zu nüchtern zugeht, der kann auch von der Agentur organisierte "Blind Date"-Koch- oder -Golfkurse besuchen: Für bis zu 55 Euro pro "Event".
Der 35-jährige Unternehmensberater Ralph hat auf diese Weise schon einmal eine Partnerin gefunden. Allerdings ging die Beziehung bereits nach wenigen Wochen wieder auseinander. Ob es daran lag, dass er wegen seiner Arbeit kaum Freizeit hat? Auch nicht, um auf Partnersuche zu gehen, wie er erklärt? Die schöne Birgit lässt sich jedenfalls nicht dadurch entmutigen, dass bei dieser Runde niemand dabei war, der ihr wirklich gefallen hat: "Ich glaube nicht, dass gutes Aussehen oder Erfolg im Beruf etwas damit zu tun haben, ob man auch privat glücklich ist. Die Liebe kommt nicht von allein, dafür muss man etwas tun."
Größere Auswahl unter potenziellen Kandidaten hätte sie auf einer der so genannten "Fisch-sucht-Fahrrad"-Partys, die das "Tip"-Magazin seit einem Jahrzehnt in Berlin veranstaltet; das Konzept wird vielfach kopiert. Für acht Euro Eintritt kann man Unbekannten in der Menge anonym kurze Botschaften zukommen lassen. Indes funktioniert diese Partnersuche als Schnitzeljagd nicht wirklich. Die dreistellige Nummer als Erkennungsmarke, die am Eingang ausgegeben wird, heftet sich kaum jemand auf die Brust. So unterscheidet diese von Hunderten besuchte Party nur eines von einem ganz normalen Diskothekenabend: Wenn man jemanden anspricht, darf man davon ausgehen, dass derjenige noch zu haben ist. Die 34-jährige Beamtin Jeannette hat auf diese Weise tatsächlich ihren Liebsten getroffen. Nun kommen beide turtelnd auf die Party, weil sie "einer der wenigen Orte ist, wo wir uns nicht zu alt zum Ausgehen fühlen".
Wem es genauso geht, der kann auch vor dem heimischen Bildschirm nach seiner besseren Hälfte Ausschau halten. Internet-Kontaktbörsen haben sich laut einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung binnen weniger Jahre zur drittbeliebtesten Gelegenheit zum Flirten gemausert - nach Partys und dem Büro. Bekannte Anbieter wie match.com, parship.de oder neu.de zählen jeweils rund eine halbe Million eingeschriebener Mitglieder. Das Prinzip ist das gleiche wie bei einer herkömmlichen Partnervermittlung: Kunden müssen einen ausführlichen Fragebogen zu ihren Eigenschaften und Vorlieben ausfüllen. Dann werden sie informiert, sobald eine andere Person in ihrer Nähe ähnliche Neigungen angibt. Alles weitere ist beiden selbst anheim gestellt. Von Heiratsagenturen, die per Zeitungsannonce für sich werben, unterscheidet sie allein der Preis. Während auf traditionellem Wege mindestens 1000 Euro fällig werden, zahlt man bei Online-Börsen zwischen zehn und 25 Euro pro Kontaktaufnahme oder eine Monatsgebühr in vergleichbarer Höhe.
Wird damit das Geschäft mit der Kuppelei nur aldisiert? Oder drückt sich im Boom derartiger Angebote das Unbehagen an zunehmender Beziehungsunfähigkeit in unserer Gesellschaft aus? Manfred Hassebrauck, Professor für Sozialpsychologie in Wuppertal, hält diese Vermutung für Schwarzmalerei. Single-Partys und -Börsen seien nur das zeitgenössische Pendant der altehrwürdigen Eheanbahnung: "Die selbst arrangierte Ehe." Jedoch verführe die einfache Kontaktaufnahme auch dazu, die Verbindung rascher wieder abzubrechen: "Etwas, das mir in den Schoß gefallen ist, gebe ich leichter wieder auf." Die Bereitschaft, persönliche Bindungen aufrecht zu erhalten, nehme in der Tat ab, stellt auch der Hamburger Paartherapeut Friedhelm Schwiderski fest: "Die Ansprüche an eine Beziehung werden immer höher, die Schwelle, aus einer Beziehung herauszugehen, wird immer niedriger."
Die an der Universität Bielefeld lehrende Psychologin Beate Küpper warnt allerdings davor, die Zahl Alleinstehender mit grassierender Kontaktarmut gleichzusetzen. In ihrer Doktorarbeit "Sind Singles anders?" weist sie auf die schmale Datenbasis und kurzfristigen Vergleiche hin, die solchen Annahmen zugrunde lägen. Historisch habe sich der Anteil der Verheirateten an der Gesamtgesellschaft seit Anfang des 19. Jahrhunderts kaum verändert. Die Menschen feierten nur nach Kriegen jünger und häufiger Hochzeit, weil nach dieser Erfahrung ihr Sicherheitsbedürfnis gewachsen sei, betont Küpper. Dagegen sei es bis 1848 der großen Gruppe von Knechten, Mägden und Dienstmädchen sogar untersagt gewesen, zu heiraten, weil sie sich eine Familiengründung nicht leisten konnten. Das habe sie aber nicht daran gehindert, Nachwuchs zu zeugen, "der dann unter dem Küchentisch groß wurde", gibt die Psychologin zu bedenken.
Solche Verbote sind weggefallen. Dennoch würden Familie und Kinder weiterhin sehr geschätzt, hebt Küpper hervor. Von 300 für ihre Studie befragten Singles gaben 70 Prozent an, sie wünschten sich Nachkommen. Und 90 Prozent stimmten der Aussage zu: "Die Familie ist der Schlüssel zum Glück." Insofern sei die angebliche Vereinzelung ein "Medienkonstrukt, das empirisch nicht zu finden ist, an dem sich die Gesellschaft aber positiv wie negativ abarbeitet", beteuert die Psychologin. Ihre Forschungen hätten gezeigt: "Was als neue Lebensform des Singles definiert wird, ist nur eine Lebensphase." Die dehne sich zwar länger aus als früher, doch schließlich komme jeder, der dies wolle, unter die Haube.
Den Geburtenrückgang erklärt Küpper mit einem anderen Grund: Kinder und Karriere seien immer noch schlecht unter einen Hut zu bringen. Dabei spiele die weit verbreitete Auffassung eine Rolle, dass Kinder am besten bei der Mutter aufgehoben seien: "Wehe dem, der sie zu früh in den Kindergarten gibt!" Diese "konservative Grundhaltung" hindere die Deutschen daran, mit Hortplätzen und Ganztagsschulen soziale Strukturen aufzubauen, die jungen Frauen erlaubten, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren.
Dass dies möglich sei, zeige das Beispiel Frankreichs, wo ebenso viele Frauen erwerbstätig sind, aber die Geburtenquote fast doppelt so hoch liegt, hebt die Psychologin hervor. Ob die bindungswilligen und kinderwünschenden Singles aber psychisch in der Lage sind, Familienbande zu knüpfen, geht aus ihrer Statistik nicht hervor.