Das Parlament: Wie bewerten Sie das Vorgehen der US-amerikanischen Regierung, die Erforschung von alternativen Endlagerstätten zu stoppen und nur noch das Yucca Mountain Projekt voranzutreiben?
Rainer Baake: Das Auswahlverfahren in den USA ist ein völlig anderes. In den 80er-Jahren hat man sich alternativlos auf Yucca Mountain festgelegt, man hat nur dort erkundet. Wir halten diesen Weg in der Bundesrepublik für nicht erfolgversprechend, wir wollen von einer weißen Landkarte ausgehen. Das heißt nicht, dass man überall sehr aufwendige Erkundungsarbeiten unter Tage durchführt. Aber wir müssen uns ernsthaft bemühen, den am ehest geeigneten Standort in der Bundesrepublik zu finden. Es müssen mehrere Standorte gegeneinander abgewogen werden. Nur auf diese Art und Weise wird man bei dem Standort, den man dann letztendlich festlegen wird, die notwendige Akzeptanz finden. Die Bevölkerung hat ein Anrecht darauf zu erfahren, dass die Regierung Alternativen ge-prüft hat, bevor sie sich festlegt.
Das Parlament: Aus einer durchgeführten Meinungsumfrage in der Bundesrepublik geht hervor, dass etwa 60 Prozent der Deutschen für den Atomausstieg sind. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist der Auffassung, dass die Lagerung radioaktiver Abfälle ein dringendes Problem darstellt. Große Einigkeit herrscht auch bei der Frage, wo das Endlager entstehen soll: Überall, nur nicht vor der eigenen Haustüre. Wie gehen Sie mit dieser Tatsache um?
Rainer Baake: Wir bemühen uns um maximale Transparenz und wollen mit allen Beteiligten im Dialog bleiben. Eine der wichtigsten Forderungen der Umweltgruppen ist erfüllt worden: Wir steigen aus der Kernenergie aus. Allen ist bewusst, dass die Abfälle, die entstanden sind und noch entsehen werden, entsorgt werden müssen. Aber die Atommüllmenge wird durch den Ausstieg erstmals begrenzt. Für diese Menge brauchen wir ein Endlager. Nach einem fairen Auswahlverfahren muss der am besten geeignete Standort ausgewählt werden. Wir werden dann um Akzeptanz für diesen Standort werben müssen. Anders wird es nicht gehen.
Das Parlament: Was halten Sie von der These, dass es in einigen Jahren möglich sein werde, den Atommüll ganz und gar risikolos zu entsorgen - beispielsweise durch die so genannte Transmutation, dem Unschädlichmachen von radioaktivem Material?
Rainer Baake: Solche Theorien höre ich immer wieder. "Transmutation" hochaktiver langlebiger Abfälle ist zur Zeit weder praktisch noch wirtschaftlich realisierbar. Sie wird deshalb auch manchmal in erster Linie vorgetragen, um die angebliche Vermeidbarkeit eines Endlagers zu begründen und das Wunschbild einer Atomenergie ohne die Probleme der atomaren Abfallbeseitigung zu zeichnen. Wissenschaftlich ist der Nutzen dieser Bemühungen stark umstritten. Die bislang diskutierten technischen Möglichkeiten setzen ihrerseits eine Wiederaufarbeitung voraus und damit eine Kernbrennstoffwirtschaft, die neue Risiken mit sich bringt und die wir nicht wollen. Wir haben diese radioaktiven Abfälle als Erblast und kommen gar nicht drum herum, dafür ein Endlager zu schaffen. Dazu haben wir keine Alternative. Das Interview führte Michael Marek.