Seine Memoiren unterscheiden sich von ähnlichen Erzeugnissen dadurch, dass sie angenehm kurz sind und dass der Verfasser ziemlich offenherzig über seine Schwächen, Fehler und Rückschläge berichtet - eine Eigenschaft, die Politikern im Allgemeinen abgeht und die bei Kiep erst jetzt, im hohen Alter durchschlägt. So bekennt er, seine Hoffnung, mit Hilfe des Amts des CDU-Schatzmeisters, das er 22 Jahre ausübte, für seine "politischen Überzeugungen zu wirken", habe sich nicht erfüllt - ein Eingeständnis, das offenbart, wie enttäuscht sich Kiep am Ende von der Politik abwandte.
Als er sich auf dem Parteitag 1971 zum Bundesschatzmeister wählen ließ, tat er das, wie er in den Memoiren schreibt, lediglich deshalb, weil der Inhaber dieses Amtes einen Platz im Parteipräsidium erhielt. Aber er unterschätzte wohl seine Fähigkeiten als Finanzgenie und überschätzte seine Einflussmöglichkeiten in der Partei. Als Außenpolitiker wurde er nie richtig ernst genommen und so musste er es geschehen lassen, dass seine Vision von einer weltoffenen und undogmatischen Außenpolitik nicht recht ernst genommen wurden.
Seine Anschauungen von Liberalismus, Toleranz und der Integration von Minderheiten haben sich wohl nicht in dem Maß in der Union durchgesetzt, in dem er sie verwirklichen wollte. Die Offenheit, mit der er über persönliche Rückschläge und Schicksalsschläge wie den Tod seines Sohnes Michael, der mit 24 Jahren starb, spricht, nehmen für ihn ein, zumal er daraus die Konsequenz zog, jungen Leuten, die weniger Chancen haben als sein Sohn sie gehabt hätte, mit finanzieller Unterstützung beruflich zu fördern. Er hat eine Familienstiftung gegründet, die jedes Jahr ein Stipendium an einen jungen Journalisten vergibt, der damit längere Zeit in Amerika studieren kann.
Außerdem leitet Kiep seit mehr als 15 Jahren die "Atlantik-Brücke". Von dieser privaten Vereinigung, die mit den Spenden ihrer Mitglieder und Förderer finanziert wird, übernahm Kiep den Titel seines Buches, das er als Teil eines "Brückenbaus" verstanden wissen will. Die "Atlantik-Brücke" hilft jungen Menschen diesseits und jenseits des Atlantiks, das jeweils andere Land kennen zu lernen.
Die Lektüre des Buches bestätigt dem Leser die Vermutung, dass mit den Taten, die im Stillen verrichtet werden, am meisten Gutes bewirkt wird, dass sie aber nur bekannt werden, wenn ihr Urheber sie publiziert. Im Selbstvermarkten war der einstige Autoverkäufer und Chef einer florierenden, weltweit agierenden Rückversicherungsfirma immer stark. Die unerfreuliche Seite seiner Erinnerungen ist, dass er sich bei einem Thema, das den Leser brennend interessiert - die dubiosen Spendenaktionen der CDU -, beharrlich ausschweigt.
Unter dem verharmlosenden Titel "Schatzmeisters Sorgen" trägt er auf knapp 23 Seiten wenig Erhellendes zur Aufklärung des Skandals bei, in den er Ende der 90er-Jahre maßgeblich verwickelt war. Die Spende des Waffen-Lobbyisten Karl-Heinz Schreiber brachte den Stein zu der Affäre überhaupt erst ins Rollen. Kiep schreibt nun, er und sein Helfer Horst Weyrauch hätten Schreiber 1991 in einem Lokal in der Schweiz getroffen, die Spende in Höhe von 1 Million Mark sei in einem großen, braunen Kuvert übergeben worden, Weyrauch habe sie nach Frankfurt gebracht und dort auf einer Reihe von Geheimkonten verteilt, von denen der Verfasser nichts gewusst haben will. Erst später habe er von der "überraschenden Höhe der Spende" erfahren.
Acht Jahre später, im Herbst 1999, wurde Kiep von der Staatsanwaltschaft vernommen und dabei wusste er immerhin so viel zu berichten, dass die Ermittlungen auf mehrere Beteiligte, Mitarbeiter, Mitwisser und Mitgestalter bis zum CDU-Vorsitzenden und Bundeskanzler Helmut Kohl ausgedehnt wurden. Kiep kam, wie die Mehrheit der Angeschuldigten, strafrechtlich mit Geldbußen davon. Alles, was er im Rückblick dazu zu sagen hat, ist, er sei sich stets bewusst gewesen, dass er sich in einer "Grauzone" bewegt habe; die Annahme der Spende von Schreiber sei eine "Dummheit" und die Annahme des Amtes des Schatzmeisters sei das "schlechteste Geschäft" seines Lebens gewesen.
Immerhin hielt er es mehr als zwei Jahrzehnte in diesem Amt aus, da es ihm auch, wie er bekennt, zu einem Dauerplatz im Parteipräsidium verhalf. Man nimmt ihm gern ab, dass er unter dem "Zwang" handelte, den ständig wachsenden Finanzbedarf der CDU in Einklang mit der staatlich gebotenen Transparenz der Parteienfinanzen zu bringen. Dennoch hätte man sich bei der sonstigen großen Ehrlichkeit, die diese Autobiografie auszeichnet, in diesem Punkt etwas mehr Einsicht und Offenheit gewünscht.
Walther Leisler Kiep: Brücken meines Lebens. Die Erinnerungen. E. A. Herbig Verlagsbuchhandlung, München 2006; 328 S., 24,90 Euro
Klaus Dreher verfolgte als Leiter des Bonner Redaktionsbüros der "Süddeutschen Zeitung" über viele Jahre die Politik in der damaligen Bundeshauptstadt aus der Nähe.