Vor bald zehn Jahren hat Berlin einen Freund zurückgewonnen, dessen Engagement der Stadt zur Ehre gereicht: Seit 1997 ist Werner Michael Blumenthal Direktor des Jüdischen Museums in Berlin, das seinerzeit noch nicht stand, um dessen Konzeption es heiße Auseinandersetzungen gab und dessen Entstehen irgendwie festgefahren war. Inzwischen steht und funktioniert das Museum und ist eines der meistbesuchten Museen Deutschlands. Anfang des Jahres wurde Blumenthal 80 Jahre alt. Jetzt haben ihm zahlreiche Freunde und Wegbegleiter gratuliert. Daraus ist, zusammen mit 70 Abbildungen, eine lebendige Festschrift geworden.
Beate Kosmala vom Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin richtet den Blick zurück auf das Jahr 1932, als die Eltern des Jubilars nach Berlin zogen. In Oranienburg, dessen Ehrenbürger Blumenthal seit Juni 2000 ist, hatte der Vater die traditionsreiche Privatbank der Blumenthals im Zuge der Weltwirtschaftskrise schließen müssen. Am Olivaer Platz eröffnete die Familie ein Bekleidungsgeschäft, die Wohnung lag unweit am Kurfürstendamm.
Der Junge besuchte die jüdische Waldschule Kaliski in Dahlem. Bald behinderten die SA und der Boykott die Geschäftstätigkeit; im November 1938 wurde der Vater ins KZ Buchenwald verschleppt, dann aber unter Aufbietung aller Mittel von seiner Frau freigekämpft. Sie hatte für die vierköpfige Familie Schiffspassagen nach Shanghai gebucht.
Stefanie Blumenthal Dreyfuss, die ältere Schwester, hat aus San Francisco Erinnerungen an das chinesische Exil geschrieben. William M. Roth erinnert sich in New Jersey an die Zusammenarbeit mit Blumenthal während der so genannten Kennedy-Runde von 1964 bis 1967 in Genf, in der es um faire Handelsbeziehungen zwischen den Industriestaaten untereinander und zu den Entwicklungsländern ging.
Blumenthal hatte eine glänzende Karriere begonnen, nachdem er 1952 die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen, in Berkeley und Princeton studiert und über die betriebliche Mitbestimmung in der Bundesrepublik promoviert hatte. Zehn Jahre lang war er Schatzmeister in Princeton, ehe er 1977 unter Jimmy Carter Finanzminister der USA wurde. Der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt erinnert sich an die nicht immer einfachen Auseinandersetzungen mit ihm. Als eingeschriebener Demokrat verließ Blumenthal diesen Posten beim Wechsel der Mehrheit, ging wieder in die Wirtschaft, war immer wieder in Deutschland und Berlin und wurde 1997 Direktor des Jüdischen Museums in Berlin.
Dessen Erbauer, der Architekt Daniel Libeskind, erzählt von dem ersten Besuch Blumenthals in seinem Berliner Atelier, der anfangs einer mündlichen Prüfung glich. Die Fragen Blumenthals schienen dann aber doch eher aus dem Talmud als aus Managerseminaren zu stammen, waren "more heartfelt than technical". Der frühere Staatsminister für Kultur, Michael Naumann, heute Herausgeber der "Zeit", leitet seinen "Der Überredungskünstler" überschriebenen Beitrag mit den Worten ein: "Der erstaunlichste Mann, dem ich meinem Leben begegnet bin, ist Michael Blumenthal."
Klaus Harpprecht, früherer Redenschreiber für Willy Brandt, nutzt seinen Beitrag zu einem etwas vorlauten Rundumschlag gegen die Stadt Berlin. Er hebt die Lichtgestalt Blumenthals vor diesem künstlich verdüsterten Hintergrund besonders heraus. Viele andere Beiträge aus allen Lebensstationen zeichnen das Bild eines kultivierten, sehr engagierten und mit diplomatischem Durchsetzungsvermögen gesegneten Mannes, dessen Lebenswerk mit der Leitung des Jüdischen Museums in Berlin in einem weiteren Höhepunkt gipfelt.
Berlin und die ganze Bundesrepublik können sich für sein Engagement nur bedanken - die Glückwünsche gehen zu gleichen Teilen an den Jubilar wie an die Stadt, die ihm und "seinem" Museum so viel neues Leben zu verdanken hat.
Die ersten achtzig Jahre.: W. Michael Blumenthal zum Geburtstag. Hrsg. von der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Stiftung Jüdisches Museum Berlin e.V. Jovis Verlag, Berlin 2006; 208 S., 19,80 Euro
Harald Loch arbeitet als freier Journalist in Berlin.