Die Autorin konnte dabei erstmals auf den umfangreichen Nachlass von Erwin Planck zurückgreifen. Sie wertete 460 unbekannte Briefe Max Plancks an seinen Sohn, Erwin Plancks über Jahrzehnte akribisch geführte Tagebücher sowie weitere Teile der umfangreichen Korrespondenz aus. Diese Biografie gewährt somit nicht nur private Einblicke in das Familienleben der Plancks - vor allem in die innige Vater-Sohn-Beziehung. Von Pufendorf veranschaulicht darüber hinaus auch, wie exemplarisch eng dieses Einzelschicksal mit den dramatischen Umbrüchen vom Kaiserreich über die Weimarer Republik bis zur NS-Diktatur verwoben war.
Erwin Planck, geboren 1893, war einer der profiliertesten politischen Beamten der Weimarer Republik. Er wurde 1930 Referent des Kanzlers Heinrich Brüning und bekleidete hernach in den Kabinetten Franz von Papen und Kurt von Schleicher den einflussreichen Posten des Staatsekretärs in der Reichskanzlei. Unter Papen war Planck maßgeblich an der Vorbereitung und Ausführung des Staatsstreichs gegen die preußische Regierung unter Otto Braun (SPD) beteiligt - ein Vorgang, der später Hitlers Machtergreifung begünstigen sollte.
Auch Schleicher, der letzte Kanzler der Republik, hatte keinerlei innere Bindung zur Demokratie und ihren Idealen. Er verabscheute zwar Hitler als Person und betrachtete den aufkommenden Nationalsozialismus mit größtem Unbehagen, doch verkannte er die fundamentale Bedrohung seines Vaterlandes. Planck unterstützte Schleichers "Zähmungskonzept". Er glaubte, dass man Hitler und seine Parteigänger unschädlich machen könne, indem "man sie richtig zum Arbeiten einspannt". Doch die Idee, Hitlers Demagogie durch Mitverantwortung an den Staatsgeschäften allmählich zum Schweigen zu bringen, erwies sich als verhängnisvoller Irrtum.
Zu spät erkannte Erwin Planck seine fatale Rolle beim Untergang der Weimarer Republik. Über Jahre war er als "Strippenzieher", so Pufendorf, an der systematischen Aushöhlung der Rechte des Parlaments und der Missachtung des Geistes der Verfassung beteiligt gewesen. Noch am 30. Januar 1933, wenige Stunden bevor die SA- und SS-Formationen ihrem "Führer" mit einem gespenstischen Fackelzug huldigten, schied Planck auf eigenen Wunsch aus dem Staatsdienst aus.
Rasch offenbarte das neue Regime seinen kriminellen Charakter. Doch erst im Juni 1934, als sein Mentor und Freund Schleicher ermordet wurde, entschied sich Planck zum aktiven Widerstand. Alle Hoffnungen, dass das Ausland zumindest sein Missfallen über die zahlreichen amtlichen Morde äußern und dadurch den Widerstand im Innern erleichtern würde, blieben indes unerfüllt. Das Spiel wiederholte sich: Diesmal ließ das Ausland Hitler gewähren - bis es zu spät war.
Während Planck einen Posten in der Firma Otto Wolff übernahm und seine vielen Kontakte und Reisen zur Intensivierung des Widerstands nutzte, versuchte sein Vater, die Wissenschaft von der Nazi-Ideologie frei zu halten. Max Planck litt unsäglich unter der nunmehr verstärkt einsetzenden Verfolgung jüdischer Kollegen und wurde schließlich als "Weißer Jude" und Mitglied des "Einstein-Klüngels" denunziert.
Über die Bereitschaft der Generäle, gegen Hitler aufzubegehren, gab sich Erwin Planck keinerlei Illusionen hin: Sie "haben wohl technisches Können und physischen Mut, aber wenig Zivilcourage, gar keinen Überblick oder Weitblick und keinerlei innere, auf wirklicher Kultur beruhende geistige Selbständigkeit und Widerstandskraft, daher sind sie einem Manne wie Hitler unterlegen und ausgeliefert". Resignierend konstatiert Planck bereits im März 1943: "Alle, auf die man gehofft hatte, versagen."
Am 23. Juli 1944, drei Tage nach Stauffenbergs Attentatsversuch, wurde Erwin Planck verhaftet und wie so viele seiner Freunde hernach gefoltert. In einem jener schändlichen Verfahren vor dem Volksgerichtshof wurde er zum Tode verurteilt. "Mein Sohn Erwin", schrieb der verzweifelte Vater in seinem Gnadengesuch an Hitler, "verkörpert an Charakter und Gaben alles, was unsere Familie in Generationen geworden ist". Doch der Appell des 87-Jährigen, das Leben seines Sohnes zu schonen, blieb unerhört. Erwin Planck wurde am 23. Januar 1945 in Plötzensee ermordet.
Ähnlich wie bei den Schilderungen jener komplexen Geschehnisse der Jahre zwischen 1932/33, die den dramatischen Höhepunkt dieses glänzend geschriebenen Buchs bilden, gelingt es von Pufendorf, auch diese dunkelste Stunde der Familie trotz ihrer sachlich-distanzierten Sprache zu einem aufwühlenden Kapitel zu gestalten. Geschickt eingewobene Zitate konfrontieren den Leser immer wieder mit der Unmittelbarkeit des "Originaltons" und sorgen so für eine durchweg lebendige Darstellung. Ein zentraler Bildteil sowie der umfangreiche Anhang helfen zudem, das umfangreiche und überaus sorgfältig recherchierte Material über die reine Lektüre hinaus zu nutzen.
Astrid von Pufendorfs lesenswerte Erinnerung an einen "leidenschaftlichen Patrioten" schildert einen Menschen, der einerseits in der "unseligen Endphase" der Weimarer Republik, "ohne es wirklich zu wollen", an der Zerstörung der demokratischen Strukturen beteiligt war, der andererseits aber auch Charakter und Mut besaß, seine politischen Irrtümer unter Einsatz seines Lebens zu korrigieren.
Der Anspruch, mit dem Lebensweg eines wohlbehüteten Sohns aus großbürgerlichem Hause, erzogen in preußisch-protestantisch-idealistischer Tradition, zugleich auch eine "verhängnisvolle Epoche und die sie prägenden Menschen" zu porträtieren, wird von der Biografin eindrucksvoll eingelöst.
Astrid von Pufendorf: Die Plancks. Eine Familie zwischen Patriotismus und Widerstand. Propyläen Verlag, Berlin, 2006; 512 S., 22,- Euro
Reinhard Lassek arbeitet als freier Journalist ebenso zu naturwissenschaftlichen wie kulturgeschichtlichen Fragen. Er lebt in Celle.