Die Zeit drängt: Am 18. Juni sollen im Kongo Wahlen stattfinden, aber bislang gibt es noch keine Entscheidung, wie die EU helfen kann, die Volksabstimmung in dem zentralafrikanischen Land abzusichern. Die Außenminister der EU haben bereits im Dezember anerkannt, dass die Union dafür eine besondere Verantwortung hat. Wie die Europäer dabei militärisch agieren sollen, entsprechend den Erwartungen der Vereinten Nationen, steht aber noch nicht fest. Denn die Risiken der Kongo-Mission sind groß, die Erfolgsaussichten gering - und es gibt noch viele offene Fragen. Auf ihrem Treffen in der vergangenen Woche in Innsbruck konnten sich die Europäischen Verteidigungsminister weder auf eine genaue Aufgabenbeschreibung noch auf eine mögliche Truppenanzahl einigen.
Der Kongo hat einen jahrelangen Bürgerkrieg hinter sich. Drei bis vier Millionen Menschen haben dabei ihr Leben verloren. Bereits 18.600 UNO-Soldaten befinden sich derzeit im Land. Trotzdem ist die Sicherheitslage prekär und der Friedensprozess gegenüber dem ursprünglichen Fahrplan ein Jahr im Verzug. Das größte Risiko für den Ablauf der Wahlen und die Anerkennung des Wahlergebnisses sind die nach wie vor bestehenden Milizen der einzelnen Warlords, die einen vorübergehenden Burgfrieden geschlossen und eine gemeinsame Übergangsregierung gebildet haben. Ein europäischer Militäreinsatz soll verhindern, dass sie den Urnengang stören oder putschen. Dieser politische Vorsatz muss aber noch in einen militärischen Auftrag umgesetzt werden. Die Militärs der EU trauen sich zu, den Flughafen der Hauptstadt Kinshasa zu schützen, internationale Wahlbeobachter bei Bedarf zu evakuieren und Kampftruppen bereitzuhalten, die die UN-Truppen unterstützen könnten, wenn es brenzlig wird. Das würde bedeuten, dass die Europäer rund 500 Mann mit Flugzeugen und Hubschraubern in Kinshasa stationieren müssten. Eine Eingreiftruppe von gut 1.000 Mann einschließlich Technik und Organisation würden dafür in angrenzenden Nachbarländern bereitgehalten, um mögliche Putschisten abzuschrecken.
Das Mandat für die Soldaten der EU, sagt der Europaabgeordnete Karl von Wogau, müsse klar formuliert und auf die "Sicherung der Wahlen beschränkt sein. Seine Dauer sollte vier Monate nicht überschreiten". Denn in Brüssel macht man sich zu Recht Sorgen, wie die EU im Ernstfall wieder aus dem Kongo herauskommt. Neben einem Auftrag aus Kinshasa muss auch der genaue Auftrag der Truppe noch formuliert werden. Darüber wollen die Europäer jetzt mit der Regierung im Kongo reden. Die EU selbst muss allerdings vor allem klären, wer den Einsatz führt und wer sich in welchem Umfang daran beteiligt. Um die Friedensmission im Kongo reißt sich niemand. Die Briten verweisen auf ihr Engagement im Irak, die Franzosen haben in der Elfenbeinküste alle Hände voll zu tun. Beim Kongo-Einsatz der EU soll daher Deutschland eine zentrale Rolle spielen. Eines der Szenarien wäre, dass bei der Präsidentenwahl rund 400 EU-Soldaten, darunter ein starkes Kontingent der Bundeswehr, zum Einsatz käme. Weitere 1.000 Soldaten könnten in der benachbarten Republik Kongo sowie in Gabun stationiert werden. Der Außenpolitische Beauftragte der EU Javier Solana hätte den Deutschen offenbar schon in Innsbruck gerne die Führungsrolle übertragen. In diesem Fall hätte die Bundesregierung dafür sorgen müssen, dass die anderen EU-Staaten zusätzliche Truppen stellen. Doch Solana behält vorerst den Schwarzen Peter und muss selber dafür sorgen, dass die Mitgliedstaaten ihrem politischen Anspruch, auf der Bühne der Weltpolitik eine Hauptrolle zu spielen, militärische Taten folgen lassen.