Die bayerische Staatsregierung hat ihr ehrgeiziges Ziel verwirklicht, für 2006 einen Etat ohne neue Schulden vorzulegen. Finanzminister Kurt Faltlhauser sprach bei der Einbringung im Landtag am 8. März von einem bedeutenden Tag. Bayern läute damit eine neue Ära ein - seit mehr als 30 Jahren habe kein Land in Deutschland einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt. In einer scharf geführten Debatte warf die Opposition dem Minister Täuschung und Tricks vor.
Der SPD-Haushaltsexperte Heinz Kaiser meinte, 2006 sei das "allerdümmste Jahr", das sich die Staatsregierung für die "Schwarze Null" habe aussuchen können. Sie bremse damit Wachstum und Steuereinnahmen und tue nichts zum Abbau der Arbeitslosigkeit und für mehr Beschäftigung. Thomas Mütze von den Grünen nannte den Entwurf einen "großen Bluff". Beide Oppositionsfraktionen hielten dem Minister vor, um eine Neuverschuldung nur herumzukommen, weil er frühere Kreditermächtigungen, Privatisierungserlöse und Darlehensrückforderungen einplane. "Das Haushaltsdefizit ist nur übertüncht", so Mütze.
Faltlhauser wandte sich scharf gegen solches "Mäkeln" an seinem "bis auf den letzten Euro durchgerechneten lupenrein ausgeglichenen Haushalt aus eigener Kraft". Der Etat sei sauber, klar und ehrlich - "wir setzen ausschließlich eigene Mittel ein und gehen nicht zur Bank". An die Opposition richtete er die rhetorische Frage, ob er vielleicht die Privatisierungserlöse ausgeben und zusätzliche Schulden aufnehmen solle, wie das der Bund in den vergangenen zehn Jahren gemacht habe.
Für die Schwierigkeiten, den rund 35-Milliarden-Euro-Haushalt (plus 1,3 Prozent im Vorjahrsvergleich) auszugleichen, machte der Minister vor allem die seit den Schätzungen 2002 um fünf Milliarden Euro gesunkenen Steuereinnahmen verantwortlich. Angesichts solcher dramatischen Ausfälle sei es legitim, "in vertretbarem Umfang" auch Privatisierungserlöse einzusetzen. Um eine Finanzierungslücke von 821 Millionen Euro im Nachtragsetat zu decken, erhöht Faltlhauser die so genannte "rückzahlbare Grundstocksablieferung", also die Anleihen beim Staatsvermögen, um rund 155 Millionen Euro.
Einsparungen von zusammen 90 Millionen Euro müssen noch einmal alle Ressorts aufbringen. Weitere Millionen kommen unter anderem aus Rückzahlungen von Darlehen, die der Freistaat Beteiligungsunternehmen gewährt hat, aus gestiegenen Gewinnen der staatlichen Banken und durch eine Sonderdividende aus der Eon-Beteiligung.
Faltlhauser rühmte, dass die Pro-Kopf-Verschuldung mit lediglich 1.851 Euro weiterhin mit großem Abstand die niedrigste aller Länder (Durchschnitt der Flächenländer-West: 5.512 Euro) sei. Mit einer Investitionsquote von 12,8 Prozent gebe der Freistaat in diesem Jahr rund eine Milliarde Euro mehr für Investitionen aus als der Durchschnitt der westlichen Flächenländer.
Schwerpunkte setzt der Haushalt in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Innere Sicherheit, wo die Etats überproportional steigen. Im Bildungsbereich stehen Mittel für insgesamt 500 zusätzliche Lehrer zur Verfügung. Für die Innere Sicherheit weist der Nachtragsetat wegen der besonderen Anforderungen während der Fußballweltmeisterschaft 24 Millionen Euro mehr als ursprünglich vorgesehen aus.
Faltlhauser nannte den Etat ein "Dokument der Solidität und der Verantwortung für zukünftige Generationen". Bayern wolle auch in Zukunft am Ziel des ausgeglichenen Haushalts festhalten. Denn nur so bleibe der finanzielle und politische Gestaltungsspielraum für die Investitionen erhalten, die zur Zukunftssicherung des Landes erforderlich seien.
Der SPD-Abgeordnete Kaiser warf Faltlhauser einen "Tanz um den schuldenfreien Haushalt wie ums Goldene Kalb" vor. Für die "Schwarze Null" gerade in diesem Jahr gebe es überhaupt keine finanzpolitische Notwendigkeit. Ganz Bayern leide unter den "Kürzungsmarotten" seines Ministerpräsidenten und seines Finanzministers. Dabei sei dieser 2006 von einem tatsächlich ausgeglichenen Haushalt weiter entfernt denn je: Insgesamt müsse er mehr als 2,1 Milliarden Euro aus Rücklagen, Fonds, Verschuldung am Grundstock und Darlehensrückflüssen zusammenkratzen.
Insbesondere vermisste der Oppositionspolitiker eine klare bildungspolitische Schwerpunktsetzung. Innerhalb von 13 Jahren habe sich der Anteil der Ausgaben für die Schulen im Haushalt nur um 0,08 Prozent erhöht. Die seit 2004 eingeschlagene Kürzungspolitik zeige bereits in allen Bereichen der Landespolitik negative Folgen.
Der Haushaltsexperte der Grünen, Mütze, meinte, tatsächlich habe die Staatsregierung ihr finanzpolitisches Ziel, die Neuverschuldung kontinuierlich abzubauen, in den vergangenen Jahren verfehlt. Faltlhauser habe "ganz gemeine kleine Kniffe" anwenden müssen, um das Ziel überhaupt ansatzweise zu erreichen. Die strukturellen Defizite seines Etats habe er seit sechs Jahren nicht in den Griff bekommen. Er sei "nicht der Musterschüler in Deutschland", er sei der "Mustertäuscher". Als besonderen Verlierer des Nachtragshaushalts führte Mütze den Denkmalschutz an: Der Kulturstaat Bayern schicke sich an, die Mittel dafür auf das Niveau von vor 1973 - vor Einführung des Denkmalschutzgesetzes - zu kürzen.