Fünf Wochen war eine 13-jährige Schülerin aus Dresden in der Hand eines einschlägig vorbestraften Sexualverbrechers. Nachdem sie sich durch Zettel bemerkbar gemacht hatte, konnte sie von der Polizei befreit werden. Doch seither reißt die Kritik nicht ab. Wie konnte es passieren, dass der polizeibekannte Verbrecher nicht ins Visier der Ermittlungen geriet? Warum gingen drei Wochen ins Land, bis die Ermittler überhaupt auf die Idee kamen, gezielt in Richtung Sexualdelikt zu ermitteln? Warum holt der Einsatzleiter bei der Befreiungsaktion statt des Sondereinsatzkommandos der Polizei lieber einen Schlüsseldienst? Nachdem die Dresdner Polizei zunächst versucht hat, für die Fahndungspannen alle möglichen ungünstigen Umstände beim Abgleich von Daten der Meldebehörden mit den Polizeiregistern verantwortlich zu machen, sagt sie jetzt gar nichts mehr. Die letzten Erklärungsversuche lauteten, man habe drei Wochen lang eine Vermutung des Vaters zum Verschwinden seiner Tochter überprüft. Und dass man die Wohnung nicht gefunden habe, in der der Täter sich fünf Wochen lang an dem Mädchen verging, habe an einem Computerspezialisten gelegen. Der habe im polizeiinternen Meldesystem nur nach Sexualstraftätern gefahndet und es nicht unter dem Stichwort "Sexuell motivierte Straftaten" versucht; denn unter dieser Rubrik wäre der Täter mit gültiger Adresse mit wenigen Mausklicks zu finden gewesen.
Nicht nur eine zutiefst erschütterte Öffentlichkeit schüttelt den Kopf über diese Antworten. Im Sächsischen Landtag verlangte die Linke.PDS bis spätestens Juni Aufklärung über die Ermittlungspannen. Insbesondere solle geklärt werden, ob das Martyrium des Mädchens durch unprofessionelle Polizeiarbeit unnötig verlängert wurde. Außerdem will die Linksfraktion wissen, wie sich die Suche nach derzeit 52 vermissten Kindern und Jugendlichen im Freistaat gestaltet. Für die CDU-Fraktion forderte deren innenpolitischer Sprecher, Volker Bandmann, Sexualstraftäter künftig auf keinen Fall vorzeitig aus der Haft zu entlassen.
Doch mit Vorwürfen gegen die Polizei halten sich alle Fraktionen noch zurück. Schließlich sollen im Zuge der Verwaltungsreform in Sachsen aus Kostengründen auch Polizeibehörden umstrukturiert und Stellen abgebaut werden. Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) hatte prompt eine Überprüfung der Dresdner Polizeiarbeit durch Kollegen von der Polizeidirektion Chemnitz angeordnet. Dabei traten Schwächen bei der Nutzung der Polizeicomputer und Probleme mit der Software zutage. Inwieweit die Nutzung des Menschenverstandes bei den Ermittlungen Gegenstand der Untersuchungen war, wurde nicht bekannt. Dafür versicherte Buttolo aber, er werde zusammen mit Justizminister Gerd Mackenroth (CDU) erörtern, ob es eine Möglichkeit gibt, besonders gefährliche Straftäter auch nach deren Haftentlassung unter Beobachtung zu stellen.
Bei allem schonenden Umgang mit den Verantwortlichen bei der Polizei richtet sich das Augenmerk der Politik jetzt auf Versäumnisse gegenüber dem Opfer. Während Privatleute, die Eishockeymannschaft Dresdner Eislöwen und der Fußballclub Dynamo Dresden Geld für eine psychologische Betreuung des traumatisierten Mädchens spendeten, kritisiert der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Jürgen Martens, dass der Freistaat sich in dieser Hinsicht noch nicht gerührt hat. Der Opferschutz dürfe nicht auf der Strecke bleiben, deshalb solle sich das Land finanziell an der psychologischen Betreuung des Mädchens beteiligen.