Die Oppositionsfraktionen haben der Großen Koalition in der Rentenpolitik Schönfärberei vorgeworfen. Der FDP-Sozialexperte Heinrich Kolb sagte am 9. März in einer von der Fraktion Die Linke beantragten Aktuellen Stunde im Bundestag, der soeben von der Bundesregierung vorgelegte Rentenversicherungbericht verschleiere die wirkliche Lage. Die Annahme von jährlichen Lohnzuwächsen in Höhe von etwa 2,5 Prozent sei viel zu optimistisch. Zu befürchten sei, dass der Beitrag zur Rentenversicherung schon 2007 auf mehr als 20 Prozent steige. Bundessozialminister Franz Müntefering (SPD) widersprach den Vorwürfen.
In dem Bericht habe sich die Regierung "um Realismus bemüht", sagte Müntefering. Es komme deutlich zum Ausdruck, dass sich jeder um private Vorsorge etwa in Form der Riester-Rente oder einer betrieblichen Alterssicherung bemühen müsse. "Es hilft nicht, Lotto zu spielen, es hilft nicht, Balalaika zu spielen, und damit zu hoffen, dass man morgen Geld in der Tasche hat", betonte er. Der am 8. März vom Bundeskabinett gebilligte Rentenversicherungsbericht 2005 weist beispielsweise aus, dass das Rentenniveau vor Steuern im Jahr 2019 bis auf 46,3 Prozent des durchschnittlichen Arbeitseinkommens sinkt. Derzeit liegt es noch bei 52,7 Prozent.
Linkspartei-Fraktionschef Gregor Gysi warf der Großen Koalition "Feigheit" vor. "Sie wollen gar keine Reform, sie wollen nur Kürzungen", bemängelte er. Notwendig sei die Einführung einer Bürgerversicherung für die Rente, in die jeder Beiträge auch auf Miet- und Zinseinkünfte zu zahlen habe. Zudem müsse die Beitragsbemessungsgrenze für Gutverdiener fallen. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk, kreidete der Regierung falsche Weichenstellungen an. In der bestehenden Form werde die Rente "keinen zuverlässigen Schutz vor Altersarmut mehr darstellen", sagte sie.
Die Bundesregierung will die Bezüge der rund 20 Millionen Rentner in Deutschland in diesem Jahr stabil halten. Ihr Gesetzentwurf ( 16/794) sieht vor, dazu die Rentenanpassung auszusetzen. Damit sollen laut Bundesregierung Kürzungen bei der Rente verhindert werden, die aufgrund einer möglicherweise negativen Lohnentwicklung anstünden. Der FDP-Politiker Kolb warf der Regierung in der Debatte vor, mit dem Entwurf lediglich davon ablenken zu wollen, dass Rentner 2006 die dritte Nullrunde in Folge hinnehmen müssten, denn von einer negativen Lohnentwicklung und damit verbundenen Rentenkürzungen sei in diesem Jahr nicht auszugehen.
Der sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Ralf Brauksiepe (CDU), nannte die Nullrunden "alternativlos". Zudem würden aktuell unterbliebene Dämpfungen nach 2012 nachgeholt. Es gehe um Stabilisierung des Rentensystems und nicht darum, "haltlose Versprechungen zu machen". Der CSU-Abgeordnete Stefan Müller hielt der Opposition vor, ihr mangele es an handfesten Alternativen. Deshalb sei ihre Kritik "unredlich".
Aus Sicht der Linken dürfen die so genannten Ein-Euro-Jobs von Langzeitarbeitslosen nicht länger bei der Rentenberechnung berücksichtigt werden. In einem Antrag ( 16/826) argumentieren die Abgeordneten, diese Jobs seien keine regulären Beschäftigungsverhältnisse. Der Bundestag verwies den Regierungsentwurf und den Fraktionsantrag in die Ausschüsse.
Unterdessen sind die Politikerrenten wieder in die Kritik geraten. Der Sozialverband Volkssolidarität sprach sich für Rentenbeitragszahlungen von den Abgeordneten des Bundestages und der 16 Landtage aus. Der Bund der Steuerzahler wandte in einem Brief an die Mitglieder des Bundestages ein, es lasse sich nicht rechtfertigen, dass die Ruhestandsbezüge von Abgeordneten weit über den durchschnittlichen Ansprüchen der Bürger lägen, ohne dass dafür eigene Vorsorgeleistungen erbracht worden seien.