Gerda Hasselfeldt gehört der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag an. Im Präsidium ist sie neu, mit dem politischen Geschäft gleichwohl seit Jahrzehnten bestens vertraut. Seit jeher setzt sie dabei auf Dialog und Interessenausgleich.
Wenn das Deutsche Historische Museum morgens um zehn seine Türen öffnet, strömt eine große Menge Neugieriger ins Haus. Viele nehmen geradewegs den Weg durch den großen, leeren, beeindruckend schönen Lichthof, um zu den Sonderausstellungen zu gelangen. Und wenn da in der Mitte auf einem Stuhl mit dem Namen Ponti 940 eine gut gekleidete, freundlich und entspannt wirkende Frau sitzt, um sich fotografieren zu lassen, dann reicht dies in einer Stadt wie Berlin nur für kurze Momente des Erstaunens. Hier ist, das wissen die Menschen, alles möglich. Gerda Hasselfeldt lächelt dem einen und der anderen zu, und die eine und der andere lächeln zurück. Es ist schließlich ein schöner Tag und ein schöner Ort, und wenn der gerade Weg nicht gehbar ist, weil dort zufällig jemand auf einem Stuhl sitzt und fotografiert wird, dann schlägt man halt einen kleinen Bogen.
Gerda Hasselfeldt hat schon viel in ihrem Leben gemacht und geleistet. Nun ist sie Vizepräsidentin des Bundestages — und sie mag die Verantwortung und die Arbeit, die damit verbunden sind. „In den vielen Jahren meiner politischen Tätigkeit war ich immer in Funktionen, in denen die Auseinandersetzung um Inhalte im Vordergrund stand, in denen gekämpft und gestritten werden musste. Nun habe ich als Vizepräsidentin die Aufgabe, zu vermitteln, auszugleichen, Prozesse zu moderieren. Das lag mir schon immer sehr.“
Die 1950 im bayerischen Straubing geborene und in Haibach/ Bayerischer Wald aufgewachsene Gerda Hasselfeldt kann sowohl das eine als auch das andere. Sie schätzt die Momente der Harmonie, aber sie ist nicht ausgewichen, wenn es konfrontativ wurde. Gerda Hasselfeldt rückte 1987 für Franz Josef Strauß, der auf sein Mandat verzichtete, in den Bundestag nach. Als Bundeskanzler Helmut Kohl 1989 sein Kabinett umbildete, wurde die damals 39-Jährige Bundesbauministerin. Zwei Jahre später übernahm sie das Gesundheitsministerium. Sie war finanzpolitische Sprecherin und wurde im Oktober 2002 stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, zuständig für die Bereiche Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Energiepolitik, Kommunalpolitik und Tourismus.
„Ich bin eine Teamspielerin. Mir geht es um das Gesamtergebnis in der Sache und einen fairen Umgang miteinander.“
Wenn man sie heute fragt, welche ihrer zahlreichen früheren Aufgaben ihr besonders viel Freude gemacht haben, fällt ihr die Entscheidung nicht leicht. Geprägt hat sie sicherlich die Arbeit im Vermittlungsausschuss: „Politik heißt für mich vor allem Dialog. Dabei geht es nicht nur um den Austausch von Meinungen. Genauso wichtig sind für mich das Zuhören, das Makeln, die Diskussion von Lösungsmöglichkeiten und gelegentlich auch das Ringen um Positionen, um schließlich zu einem guten Verhandlungsergebnis zu gelangen. Einen Interessenausgleich herbeizuführen, auch wenn am Anfang vielleicht die Zeichen auf Konfrontation standen, fand ich schon immer spannend.“
Nun ist sie eine Vizepräsidentin und darf in dieser Funktion, wie sie es selbst beschreibt, manchmal auch ein bisschen über den Dingen stehen, weil es nicht ihre und die Aufgabe ihrer Kolleginnen und Kollegen im Präsidium ist, sich in jeden tagespolitischen Streit einzumischen.
Die Geschichte, wie Gerda Hasselfeldt — deren Eltern eine Metzgerei, ein Gasthaus und Landwirtschaft betrieben — zu einer Politikerin wurde, hört sich vielleicht etwas skurril an. Oder aber ganz normal — das kommt auf den Blickwinkel an. In Biografien wird selten vergessen, darauf hinzuweisen, dass Gerda Hasselfeldt die Tochter eines einstigen Bundestagsabgeordneten ist. Alois Rainer war nicht nur Landwirt, Gastwirt und Metzger, sondern auch Bürgermeister und dann 18 Jahre lang Abgeordneter des Deutschen Bundestages.
Im Familienbetrieb mussten, wie der Name schon sagt, alle aus der Familie mithelfen. Auch die sechs Geschwister, fünf Mädchen und ein Junge. Freizeit war für die junge Gerda Hasselfeldt ein wirklicher Luxus, denn neben Schule und dem späteren Studium der Volkswirtschaft arbeitete sie meist in der Gastwirtschaft mit. Am liebsten half sie in der Gaststube aus. Dort wurde nicht selten und leidenschaftlich über Politik geredet: Bauernversammlungen, Bürgerversammlungen, Flurbereinigungsversammlungen, hitzige Nachbereitungen von Gemeinderatssitzungen — die Gaststube war der Ort, an dem große und kleine Politik gemacht und debattiert wurde.
„Einen Interessenausgleich herbeizuführen, auch wenn am Anfang vielleicht die Zeichen auf Konfrontation standen, fand ich schon immer spannend.“
Und Gerda Hasselfeldt hat zugehört, sich eine Meinung gebildet und irgendwann auch angefangen, mitzureden und sich einzumischen. Mit 16 wurde sie Schulsprecherin, mit 18 Ortsvorsitzende der Jungen Union (JU). Heute mag man nicht glauben, dass dies nicht so einfach war für eine 18-Jährige, einen JU-Ortsverein zu führen, der nur aus Männern bestand. Damals war Gerda Hasselfeldt eine Exotin, ein wenig skeptisch betrachtet von der Mutter und schnell ernst genommen vom Vater. Dem gefiel es mehr und mehr, in der Familie jemanden zu haben, der große Neugier für seine Arbeit aufbrachte, mit ihm diskutierte, ihn oft zu Versammlungen und Veranstaltungen begleitete und danach das Gehörte und Geschehene mit ihm auswertete. Damals, in diesen Zeiten, ist aus der Tochter Gerda Hasselfeldt die Politikerin Gerda Hasselfeldt geworden. Daraus entstand keine Lebensplanung — aber, wie sie sagt, „der Wunsch, das, was man kann, in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen. Für mich war politische Arbeit nie dazu da, im Mittelpunkt zu stehen. Wenn ich merke, dass jemand anders das, was ich tue, besser kann, dann trete ich auch einen Schritt zurück. Ich bin eine Teamspielerin. Mir geht es um das Gesamtergebnis in der Sache und einen fairen Umgang miteinander.“
Ihr geht es nicht nur gut damit, sie ist auch immer gut darin gewesen, etwas gemeinsam mit anderen zu bewegen und zu erreichen, auch in konfliktträchtigen Phasen. Die Zeit als CSU-Vorsitzende im Kreis Fürstenfeldbruck zum Beispiel kann dafür als Beweis gelten. Als Gerda Hasselfeldt diese Aufgabe übernahm, war der Kreisverband in einer Krise. Es gab viel Streit und wenig Aussicht auf schnelle Besserung. Zehn Jahre hat Gerda Hasselfeldt den Kreisverband geführt. Das Klima wurde angenehmer, die Arbeit produktiver, Miteinander ersetzte die Konfrontation. Darauf ist die Parlamentarierin stolz. Ebenso blickt sie mit Stolz auf jene vier Jahre zurück, in denen sie Landesvorsitzende der Frauen-Union war.
Sie hat einen eigenen Stil, wenn sie an solche Aufgaben geht. „Ich musste mich ja oft in meinem Leben ganz schnell und an exponierter Stelle in neue Sachverhalte einarbeiten. Also habe ich viel gelesen, vor allem aber viele Gespräche geführt, um mir eine eigene Meinung bilden zu können. Das ist ein großer Aufwand, aber hilfreich, und es bindet andere Menschen ein. Das ist mir wichtig.“
Gerda Hasselfeldt baut darauf, dass ihr die Arbeit als Vizepräsidentin neue Räume für Gespräche öffnen wird. Und sie wird diese neuen Gesprächsräume nutzen. Sie wird weiterhin in der Grundsatzkommission ihrer Partei arbeiten, weil politische Wertorientierung wichtig ist und weil die sich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auch ein neues Nachdenken über bisherige Grundsätze erfordern.
Wenn sie Zeit hat und die Möglichkeit dazu, besucht sie ihren Bruder, der die elterliche Gastwirtschaft weiterführt. „Vielleicht“, sagt sie, „ziehe ich später einmal dorthin oder dahin zurück. Wie man es nimmt.“ In der Gaststube, in der Gerda Hasselfeldt als Mädchen anfing zuzuhören und mitzureden, wird noch heute über Politik diskutiert. Es gibt Dinge, die ändern sich nicht. Zum Glück.
Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU)
Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages
Geboren
7. Juli 1950 in Straubing (Niederbayern)
Wohnort
München
Ausbildung
Studium der Volkswirtschaftslehre in München und Regensburg;
Diplom-Volkswirtin
Beruf
Volkswirtin; Mitarbeiterin der Bundesanstalt für Arbeit (1975
bis 1987)
Familie
verheiratet, zwei Kinder, ein Enkelkind
Politischer
Werdegang
Text: Kathrin Gerlof
Erschienen am 31. Januar 2007