LETTLAND
Ein wichtiger Grenzvertrag wird von Russland auf die lange Bank geschoben
Seit Monaten herrscht Stille auf der A12, die von der Lettischen Kleinstadt Ludza an die russische Grenze führt. Die A 12 ist eine zweispurige Landstrasse, die Westeuropa direkt mit der russischen Hauptstadt Moskau verbindet. Aber seit Monaten ist der Verkehr ins Stocken geraten. Über mehr als 40 Kilometer stauen sich die Lastkraftwagen vor der russischen Grenze. Neben einem Weintransporter haben sich zwei Trucker auf Campinhockern niedergelassen. Das sind Igor und Iwan, die ständig von Berlin nach Moskau fahren.
Eigentlich benötige man für die Tour nur zwei Tage, meint Igor, aber er schaffe sie jetzt nur in einer Woche. "Weil wir vier bis fünf Tage stehen. Die russische Grenze arbeitet einfach nicht. Das ist alles Politik", entgegnet Igor. Es sei Putin, der wolle, dass an der Grenze so viele Lastwagen stehen. Putin kann nicht ertragen, dass Lettland, Litauen und Estland der EU beigetreten sind und nicht mehr zu Russland gehören, das ist das Problem." Bis vor kurzem hatte Lettland keinen gültigen Grenzvertrag mit dem russischen Nachbarn. Dabei hätten die Ministerpräsidenten Lettlands und Russlands das Grenzabkommen bereits im Frühjahr unterschrieben, meint der Politologe Atis Lejins. Und sogar das Lettische Parlament hatte den Vertrag gleich in Kraft gesetzt, obwohl Lettland ein Gebiet von 1.000 Quadratkilometern an Russland abtreten musste. Die Russische Staatsduma aber habe die Ratifizierung kurzerhand auf Eis gelegt. Atis Lejins vermutete, dass Moskau aus dem Grenzabkommen Kapital schlagen wollte. Immerhin habe Russland gewusst, dass die Letten den Grenzvertrag benötigten, meint Atis Lejins. Lettland habe ihn schon in den 90-er Jahren der Europäischen Union und der Nato versprochen. "Deshalb liess Russland uns zappeln. Sie wollen immer wieder ihre Macht demonstrieren und uns einschüchtern." Moskau und der amtierende Präsident Vladimir Putin verfolgten gezielte Interessen in der Aussenpolitik, meint Lejins. Ein fehlender Grenzvertrag oder Schlangen an den Grenzen seien vor allem als Reaktion auf unerwünschte Natostrategien zu verstehen.
Inzwischen haben Anfang September die Russische Staatsduma und der Förderationsrat, am 19. September, den Lettisch-Russischen Grenzvertrag ratifizert - noch fehlt aber Putins Unterschrift.
Auch auf der A12 kommt Bewegung in die Lastwagenkolonne. Und Igor hat eine Idee, wie nach der Unterzeichnung des Vertrags auch dem Stau an der Grenze endlich ein Ende bereitet werden könnte. "Die Politiker müssten hier in der Schlange stehen und warten. Was glauben Sie, wie schnell es dann eine funktionierende Grenze geben wird."