MIGRATION
Frattini will qualifizierte Arbeitnehmer in die EU holen. Doch es gibt Widerstand.
Jahrelang konzentrierte sich Einwanderungspolitik in Europa auf die Abwehr illegaler Immigranten. Eine rapide alternde Gesellschaft und der wachsende internationale Wirtschaftswettbewerb aber zwingen die EU-Staaten dazu, sich nicht länger abzuschotten, sondern das Tor für legale Einwanderer zu öffnen. Das Europaparlament beschäftigte sich in dieser Woche mit der Einführung einer EU-Arbeitserlaubnis, die vor kurzem als "blue card" für Schlagzeilen sorgte. Sie soll jene Facharbeiter anlocken, die auf dem europäischen Arbeitsmarkt fehlen. Momentan wandern 95 Prozent der hochqualifizierten Arbeitskräfte lieber nach Amerika und Kanada als nach Europa aus.
Der Innenausschuss des Parlaments hat für die "Blue Card" bereits grünes Licht gegeben. Da die EU aufgrund sinkender Geburtenraten bis zum Jahr 2050 mehr als 50 Millionen Arbeiter zu verlieren drohe, "ist legale und kontrollierte Wirtschaftsmigration in Europa unabdingbar", betonten die Abgeordneten. Die EU-Regierungen müssten sich dringend auf eine gemeinsame Einwanderungspolitik einigen, denn eine Änderung der Zuwanderungspolitik in einem Mitgliedsland beeinflusse auch die Migrationsströme und die Entwicklung in den anderen EU-Staaten. Wie viele Arbeitskräfte ins Land geholt werden, das soll jedoch auch weiterhin Sache der nationalen Regierungen bleiben.
EU-Justizkommissar Franco Frattini will am 23. Oktober neue Gesetzesvorschläge für eine europäische Version der amerikanischen "green card" Arbeitserlaubnis vorstellen. Bereits vor zwei Jahren hatte Frattini die "Blue Card" ins Spiel gebracht, war jedoch am Widerstand der Mitgliedsländer gescheitert. Vergangenen Januar kündigte er bei Gesprächen der EU-Justizminister in Dresden an, in diesem Herbst einen zweiten Versuch starten zu wollen. Der Vorschlag Frattinis wird in vielen Mitgliedstaaten, auch in Deutschland, bislang mit Zurückhaltung aufgenommen. Mit Hinweis auf die Arbeitsmarktsituation hatte sich Deutschland in der Vergangenheit immer gegen eine weitere Öffnung der Arbeitsmärkte gewehrt.