SCHLESWIG-HOLSTEIN
Mit Stegners Rücktrittsankündigung ist die Krise nur vorläufig beigelegt
Es war nicht die erste Krise in Schleswig-Holsteins schwarz-roter Koalition, doch es war die bisher schwerste. Ob sie nach dem angekündigten Rückzug von SPD-Landeschef Ralf Stegner aus dem Amt des Innenministers überwunden ist, erscheint fraglich. Längst hat tiefes Misstrauen die Vernunftehe zerfressen, die Union und Sozialdemokraten nach der gescheiterten Wiederwahl von SPD-Regierungschefin Heide Simonis geschlossen hatten.
Alle paar Monate gibt es Streit unter dem Dach der Koalition. Der wird getragen von zwei Persönlichkeiten, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Als "Herr im Haus" sieht sich Ministerpräsident und CDU-Landeschef Peter Harry Carstensen. Ihm gegenüber sitzt Ralf Stegner. Der gebürtige Pfälzer und einstige Havard-Student ist ebenso ehrgeizig wie scharfsinnig und scharfzüngig.
Konnten Konflikte bisher noch halbwegs zugekleistert werden, war es damit vorbei, als Stegner im Landtag erklärte, die in der Koalition beschlossene Elternbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten wieder einkassieren zu wollen. Die Union sprach von Vertrauensbruch und Affront. Carstensen zog die Reißleine und gab der SPD zu verstehen, dass eine Fortsetzung der gemeinsamen Regierung nur noch möglich sei, wenn Stegner sich aus dem Kabinett zurückziehe. Der CDU-Chef ahnte wohl, dass er es diesmal nicht bei einer Drohung würde belassen können, wollte er nicht zur politischen Witzfigur verkommen.
Und auch der SPD war schnell klar, dass es diesmal "sehr ernst" war. Nach einer Krisensitzung bäumten sich in einer öffentlichen Erklärung Stegner und Fraktionschef Lothar Hay gegen die Forderung des Koalitionspartners auf. Jede Partei sei für ihr Personal in der Regierung selbst verantwortlich, gaben sie sich entschlossen zum Widerstand. Doch der sollte nicht lange halten.
Was sich tags drauf abspielte, war ein Polit-Krimi erster Güte. Vier-Augen-Gespräche, Gipfeltreffen zwischen den Spitzen beider Parteien aus Regierung und Fraktion. Erst bot die SPD Stegners Rücktritt für die Zeit nach der Kommunalwahl im Mai an, später für Ende März, dann für Ende Januar.
"Klinisch tot" sei die Koalition in dieser Phase gewesen, berichteten Teilnehmer der Krisengespräche. Am Ende hieß es, Stegner werde zum 15. Januar sein Amt niederlegen, um sich dann auf die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl 2010 vorbereiten zu können.
Dass damit Ruhe einkehrt nach dem Sturm im Land zwischen den Meeren, bezweifelt nicht nur die Opposition. Beobachter erwarten, dass Stegner sich nach dem Rücktritt kaum mit einem Platz auf der parlamentarischen Hinterbank zufrieden geben wird. Aus der wahrscheinlich für Stegner reservierten künftigen Rolle des Fraktionschefs im Landtag heraus dürften die Provokationen an die Adresse des Koalitionspartners "eher zu- als abnehmen", fürchten Christdemokraten.