In diesem Jahr wird es in Helmand, einer
Provinz im Süden Afghanistans, aller Wahrscheinlichkeit nach
eine Rekordernte geben. "Fast zweimal so viel Land wird zum
Mohnanbau genutzt wie im Vorjahr", sagt der Chef der
Argarbehörde der Provinz, Ghulam Nabi. "Die Bauern erhalten
keine ausreichende Unterstützung von der Regierung. Deshalb
bauen sie Mohn an."
Das ist gleich in dreifacher Hinsicht eine
schlechte Nachricht. Zum einen wird sich die Menge an Opium, die
auf den Weltmarkt gelangt, weiter erhöhen. Zum zweiten werden
noch höhere Einnahmen in die Taschen der Taliban
fließen, die einen großen Teil des Anbaus und Handels
mit Opium kontrollieren. Dieses Geld wird es ihnen wiederum
ermöglichen, neue Rekruten anzuwerben und neue Waffen zu
kaufen. Drittens zeigt sich, dass die Ankündigung, die zivile
Hilfe auszubauen und zu beschleunigen, nicht eingelöst worden
ist.
Helmand ist das Zentrum des Opiumanbaus in
Afghanistan. Nach UN-Statistiken wurden hier im vergangenen Jahr
mehr als 40 Prozent des Gesamtproduktion des Landes erzielt.
Gleichzeitig ist die Provinz eine Hochburg der Taliban. Hier fanden
2006 die meisten Auseinandersetzungen zwischen den Nato-Truppen und
den Aufständischen statt. Über die Grenze dringen immer
neue Kämpfer aus Pakistan ein, die zum Teil mit Drohungen die
Bevölkerung kontrollieren, zum Teil freiwillig
unterstützt werden, weil sie Sicherheit und durch den
Drogenhandel Einkommen versprechen.
Helmand ist das Musterbeispiel dafür,
was beim Wiederaufbau des Landes schiefläuft. Nach der
Invasion wurde die von Kabul weit entfernte Region weitgehend sich
selbst überlassen. Dies machten sich die Taliban zunutze. Der
Einsatz von Nato-Truppen, die das verlorene Terrain
zurückgewinnen sollten, brachte vielfach die Bevölkerung
gegen die britischen und kanadischen Soldaten auf, weil die
Dörfer zerstört und Unbeteiligte getötet wurden. Nun
findet der zivile Aufbau wegen der schlechten Sicherheitslage nicht
statt; wegen der nicht eingelösten Versprechen des Westens
nehmen die Menschen wieder Zuflucht bei den Taliban.
Die Nachrichten aus Helmand müssen
General David Richards in den Ohren klingeln. Der Anfang Februar
abgelöste Kommandant der International Security and Assistance
Force (ISAF) hatte immer wieder davor gewarnt, dass sowohl die Nato
wie auch die Regierung Karsai das Vertrauen der Bevölkerung
verlieren, wenn nicht rasch zivile Fortschritte sichtbar
würden.
Die blutigen Auseinandersetzungen im
vergangenen Jahr haben wieder die Aufmerksamkeit auf Afghanistan
gelenkt. Eine Reihe von Tagungen fand statt, um über eine
Neuorientierung der internationalen Afghanis-tanpolitik zu reden.
Mit magerem Ergebnis. Begleitet werden diese Diskussionen von
unablässigen Beteuerungen, die Nato werde Afghanistan nicht
aufgeben.
Weit weniger als über den Einsatz von
Aufklärungsflugzeugen, der beim jüngsten Treffen der
Nato-Außenminister im spanischen Sevilla beschlossen wurde,
wird über die Defizite beim zivilen Wiederaufbau diskutiert.
Nach der chaotischen Phase direkt nach dem Sturz der Taliban, in
der unzählige Hilfsorganisationen gar nicht wussten, was sie
zuerst tun sollten, gibt es jetzt eine Koordination und einen
Aufbauplan unter den Organisationen, die auch nach dem Versiegen
des Geldregens geblieben sind.
Dennoch: Es geht zu langsam. Im Winter haben
in Helmand wie generell im Süden Afghanistans die Kämpfe
nachgelassen. Hilfe für die Bauern ist dennoch nicht
eingetroffen. So haben sie kaum eine andere Wahl als wieder Opium
anzubauen, aus dem sich die Taliban finanzieren und für die
nächsten Kämpfe mit den Nato-Truppen rüsten.