Hans-Gert Pöttering (EVP-ED) hat mit
seinem Aufruf zu Aufbruch und Erneuerung die Fraktionen des
Parlaments, die EU-Kommission und auch die derzeitige deutsche
EU-Ratspräsidentschaft hinter sich. Beim Verhandeln der
EU-Verfassung aber will Bundeskanzlerin Angela Merkel das Parlament
nicht mitmischen lassen.
"Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, die
Zukunft so nachhaltig vorzubereiten, dass sie für unsere
Kinder und Enkel nach menschlichem Ermessen sicher ist", sagte
Pöttering als neuer Parlamentspräsident in
Straßburg. Notwendig dazu sei ein neuer Aufbruch für ein
besseres, stärkeres, der Zukunft zugewandtes Europa. "Wir
brauchen aber vor allem ein Europa, das an sich selber glaubt,
seine Kraft aus seinen Werten schöpft und das ein guter
Partner in der Welt sein will und sein kann", erklärte der
Mitte Januar gewählte Parlamentschef in der Sitzung, an der
auch Merkel und EU-Kommissionspräsident José Manuel
Barroso teilnahmen.
Bürger wollen Sicherheit
Das heutige Europa gründe seine Anerkennung und seinen
Antrieb aus dem Streben seiner Bürger nach Sicherheit in einer
sich schnell verändernden Welt, sagte der Christdemokrat. Dazu
zähle nicht nur der Schutz vor internationalem Terrorismus,
sondern auch das Schaffen von Arbeitsplätzen und sozialem
Schutz. Dazu müsse die Wettbewerbsfähigkeit der
europäischen Wirtschaft gestärkt und gleichzeitig das
europäische Sozialmodell bewahrt werden. Ob Krieg, Armut oder
Umweltzerstörung - die Europäer müssten sich als
Partner für die Sicherheit in der Welt umfassend engagieren,
um selbst sicher leben zu können. Das
Glaubwürdigkeitsdefizit der Brüsseler Institutionen will
der Parlamentspräsident mit dem auf bessere Gesetzgebung
zielenden EU-Programm abbauen helfen. Geplante Neuregelungen auf
EU-Ebene sollten immer auf ihren Nutzen für Bürger und
Wirtschaft, dem Mehrwert gegenüber nationalen Gesetzen und den
Folgen für Kosten und Bürokratie geprüft werden.
Bürokratieabbau
Merkel kündigte den Bürokratieabbau in Europa als
eines der Hauptthemen des EU-Gipfels Anfang März an. Zentraler
Punkt für das nächste Treffen der Staats- und
Regierungschefs werde aber eine gemeinsame Energiepolitik für
Europa sein. Klimawandel, Energieeffizienz und erneuerbare Energien
sollen dabei eine entscheidende Rolle spielen. Die EU-Staaten
müssten sich in der Klimapolitik kompromissbereiter zeigen,
sagte die Kanzlerin. Auch Deutschland habe bereits Kompromisse
eingehen müssen, "die uns nicht leicht gefallen sind". Beim
Thema Autoabgase aber erklärte Merkel jüngst, die von der
Kommission vorgeschlagenen schärferen Grenzen für den
CO2-Ausstoss von neuen Autos nicht akzeptieren zu wollen.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso
drängte die EU-Staaten zu einer gemeinsamen Linie beim
Klimaschutz: "Wir sind nicht glaubwürdig, wenn wir im
Energiebereich 27 unterschiedliche Positionen vertreten."
Angesichts der wachsenden Abhängigkeit
von Öl- und Gaslieferungen aus unzuverlässigen
Ländern wie etwa Russland schaut sich die die energiehungrige
EU derzeit nach neuen Lieferanten um. Zentralasien ist dabei eine
Region, die die deutsche Ratspräsidentschaft im Auge
hat.
Pöttering schlug zudem vor, das
Parlament müsse eine Auszeichnung einführen, mit der das
europäische Engagement von Bürgern gewürdigt werden
soll. Außerdem könne ein neues "Haus der
Europäischen Geschichte" helfen, den Menschen das Projekt
Europa zu bringen. "Es soll kein langweiliges, trockenes Museum
werden, sondern ein Ort, der unsere Erinnerung an die
europäische Geschichte und das europäische Einigungswerk
gemeinsam pflegt und zugleich offen ist für die weitere
Gestaltung der Identität Europas durch alle jetzigen und
künftigen Bürger der EU", sagte der Parlamentschef.
Pöttering machte sich auch für den noch auf Eis liegenden
EU-Verfassungsvertrag stark. Zugleich kündigte er an, auch die
Arbeit des Parlaments umfassend zu reformieren. Auf die Forderung
Pötterings nach einer angemessenen Beteiligung des Parlaments
an der Debatte zur Zukunft einer EU-Verfassung ging Merkel jedoch
nicht ein. Bis zum EU-Gipfel im Juni will die deutsche
Ratspräsidentschaft dafür einen Fahrplan erarbeitet
haben, damit der Text bis zur nächsten Wahl des
Europaparlaments im Juni 2009 steht.
Pöttering und Merkel betonten mit Blick
auf außenpolitische Ziele der EU beide die Verantwortung
Europas für Frieden im Nahen Osten und forderten den Aufbau
eines israelischen und eines palästinensischen Staates. Merkel
sagte, dass die aus 27 Staaten bestehende EU wenige Jahrzehnte nach
Ende des Kalten Krieges unter demokratischen Verhältnissen
für Frieden und Freiheit arbeite, verpflichte sie, sich auch
für eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten
einzusetzen.
Der Parlamentspräsident kündigte
an, er werde nach Israel, Palästina und in den Libanon reisen,
um den Dialog der Kulturen zu fördern. "Europas Zukunft ist in
hohem Maße davon abhängig, wie uns das Zusammenleben der
Kulturen und Religionen in der EU und mit unseren Nachbarn vor
allem in der arabischen und islamischen Welt gelingt", sagte er.
Dieser Dialog basiere auf Toleranz und Wahrheit. Toleranz bedeute
jedoch nicht Beliebigkeit, sondern "unter Wahrung der eigenen
Überzeugungen die Überzeugungen des anderen zu
respektieren.