Bundesaußenminister Frank-Walter
Steinmeier sah im Anschluss an ein kurzes Zusammentreffen mit Ali
Laridschani am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz
Anzeichen zur Hoffnung. "Wir beide haben den Eindruck, dass es neue
Anstrengungen gibt, an den Verhandlungstisch wieder
zurückzukehren", so Steinmeier über die Begegnung, an der
auch der Außenbeauftragte der EU, Javier Solana, teilgenommen
hatte.
Nach Wochen war Laridschani, Sekretär
des Nationalen Sicherheitsrates des Irans und Chefunterhändler
seines Landes in der Atomfrage, wieder aus der Versenkung
aufgetaucht. Er hatte zwar keinen konkreten Vorschlag nach
München mitgebracht, aber in seiner Rede auf der Konferenz
betonte er: "Wir glauben an eine Lösung durch Verhandlungen
und Dialog." In Zeitungsinterviews zeigte er sich fast für
jeden Lösungsvorschlag offen, solange nur das Recht des Irans
auf eine friedliche Nutzung von Atomenergie anerkannt werde.
Diese neuen Töne, die deutlich
zurückhaltender sind als das kompromisslose Beharren auf dem
Recht zur Urananreicherung in der Vergangenheit, mögen auch
von den Autoren eines Papiers zur europäischen IranPolitik mit
Erleichterung aufgenommen worden sein. Das Dokument, das aus dem
Umfeld Solanas stammt und am 7. Februar an Regierungen der
EU-Staaten weitergereicht wurde, liest sich pessimistisch: "An
einem bestimmten Punkt müssen wir uns darauf einstellen, dass
der Iran die Kapazität erlangen wird, um ausreichende Mengen
Uran für ein Waffenprogramm anreichern zu können",
heißt es dort, und die Autoren stellen die Frage: "Wie
können wir für den Iran Verhandlungen attraktiv
machen?"
Lebhafte Debatte im Iran
Vielleicht ist diese Frage inzwischen beantwortet, denn es hat
sich in den vergangenen Wochen einiges in der Atomfrage bewegt. Im
Iran hat eine sehr lebhafte Debatte begonnen, ob der bisherige Kurs
der beste ist. Für iranische Verhältnisse sehr
ungewöhnlich, wurde öffentliche Kritik an der Politik von
Präsident Ahmadinedschad geübt. "Gerade als sich der
Atomstreit vom Sicherheitsrat wegbewegte, haben die feurigen Reden
des Präsidenten zur Annahme von zwei Resolutionen
geführt", kritisierte "Hamschahri", Irans
auflagenstärkste Zeitung. In Fernsehinterviews kritisierten
konservative Politiker Ahmadinedschads Äußerungen zum
Holocaust, die zur Isolation des Landes geführt hätten.
Der frühere Präsident Rafsandschani meldete sich
unermüdlich mit Warnungen zu Wort, durch unbedachte
Äußerungen den Westen nicht zu provozieren und
Besonnenheit walten zu lassen.
Eine Reihe von Faktoren hatte an die
Oberfläche gespült, was schon seit geraumer Zeit an Unmut
vor sich hinschwelte. Der Sanktionsbeschluss des
Weltsicherheitsrates vom 23. Dezember war für die iranische
Diplomatie eine schmerzhafte Niederlage. Besonders weh tat, dass
auch Russland, das man mit allerlei Zugeständnissen zu
ködern versucht hatte, mit dafür stimmte.
Präsident Ahmadinedschad ist zudem
angeschlagen. Seine Wirtschaftspolitik gilt als gescheitert, und
das Parlament, in dem seine Parteigänger die Mehrheit haben,
rebelliert. Weder hat er sein Versprechen eingelöst, die
Korruption zu bekämpfen, noch hat er spürbar mehr
Arbeitsplätze geschaffen oder gar für höhere
Einkommen für die Unterschicht gesorgt. Zudem beginnt der
wirtschaftliche Druck, den die USA auf den Iran ausüben,
Wirkung zu entfalten. Das US-Finanzminis-terium hat eine Kampagne
begonnen, den Iran weitgehend von den internationalen
Finanzmärkten zu isolieren.
Banken werden gedrängt, keine
Geschäfte mehr mit Teheran abzuwickeln. Der Regierung Japans
und den europäischen Regierungen wird zugesetzt, dem Iran
keine Bürgschaften mehr zu gewähren. Internationale
Unternehmen müssen mit Strafen nach US-Recht rechnen, sollten
sie sich im Iran engagieren. Der Sanktionsbeschluss des
Sicherheitsrates, der zwar nur auf eine Zusammenarbeit im
Nuklearbereich zielt, wirkt auch psychologisch. Der Iran gilt als
eine Risikoinvestition. Die Kosten für solche Geschäfte
steigen, und die Unternehmen halten sich zurück.
Teheran ist aber dringend auf
ausländisches Geld angewiesen. Seine
Ölförderungsanlagen sind überaltert. Um die
gegenwärtige Fördermenge aufrechterhalten zu können,
sind kurzfristig Investitionen in Milliardenhöhe und
technisches Know-how notwendig. Die iranische Regierung
verfügt über beides nicht. Gleichzeitig steigt der Bedarf
an Öl im eigenen Land. Es werden jährlich mehr als eine
Million neue Fahrzeuge produziert. Allein die Aufwendungen für
die Subventionierung des Benzins, das pro Liter nicht einmal 20
Cent kostet, verschlingen jährlich 4 Milliarden Dollar,
Tendenz stark steigend.
Wenn sich dieser Trend fortsetzt, so viele
Experten, sei es nicht ausgeschlossen, dass der Iran, der nach
Saudi-Arabien über die zweitgrößten
Erdölvorkommen verfügt, nicht mehr in der Lage sein wird,
Öl zu exportieren. Dass man um diese Gefahr auch in Teheran
weiß, zeigt die Äußerung des stellvertretenden
Ölministers Mohammed Hadi Nedschad-Hosseinian: "Wenn die
Projekte zur Erhöhung der Förderungskapazität nicht
durchgeführt werden können, wird es in zehn Jahren kein
Öl mehr für den Export geben", warnte er in einem
Interview.
Rutscht der Iran in eine wirtschaftliche
Isolation, wäre das Regime sehr schnell pleite. Schon jetzt
wird hinter vorgehaltener Hand über die Gefahr von sozialen
Unruhen getuschelt. Zur Krisenstimmung innerhalb des Landes hat
sich noch das Gefühl der akuten Bedrohung von außen
gesellt: US-Präsident George W. Bush hat sich zu einer Politik
der Konfrontation entschlossen.
Ein zweiter Flugzeugträger wurde in den
Persischen Golf in Marsch gesetzt, "um Präsenz zu zeigen". Ein
dritter könnte noch folgen. Die Golfstaaten wurden mit Patriot
Missiles ausgestattet, die vor Raketenangriffen des Irans
schützen sollen. In seiner Rede zur Lage der Nation
beschuldigte Bush den Iran, die Aufständischen im Irak mit
Waffen und Ausrüstung zu unterstützen, und kündigte
an: Die "Netzwerke werden aufgespürt und zerstört."
Gleichzeitig lehnt das Weiße Haus jegliche Gespräche mit
Teheran ab, solange die Arbeiten an der Urananreicherung nicht
ausgesetzt sind. Bush und sein Verteidigungsminister Robert Gates
versichern zwar, es sei keine militärische Operation gegen den
Iran geplant, aber Erinnerungen an die Zeit vor der Irak-Invasion
werden wach. Wieder versucht die US-Regierung, ein unliebsames
Regime mit Terroristen und Massenvernichtungswaffen in Verbindung
zu bringen. Es bestehen wenig Zweifel, dass der Iran zumindest an
der Möglichkeit arbeitet, eigene Nuklearwaffen herstellen zu
können, aber die Verbindung zwischen den Aufständischen
im Irak und der Führung in Teheran ist nicht belegt.
Gegendrohungen
Der Iran reagiert nach außen mit Gegendrohungen. Neue
Manöver wurden am Persischen Golf abgehalten, und
Revolutionsführer Ajatollah Chamenei wiederholte ein weiteres
Mal: "Unsere Feinde wissen sehr wohl, dass jede Aggression zu einer
Reaktion aller Teile der iranischen Nation gegen den Angreifer und
seine Interessen in der ganzen Welt führen wird."
Nach innen hat sich aber Angst breit gemacht.
Es wird nach einem Ausweg gesucht, und das Regime ist
offensichtlich auch bereit, von alten Positionen abzurücken.
Der ehemalige Außenminister Ali Akbar Welajati fuhr als
spezieller Gesandter von Chamenei nach Moskau. Bei seiner
Rückkehr erklärte er: "Auf dem Weg zu einer friedlichen
Lösung sollte keine Idee inakzeptabel sein." Gemeint war, man
lasse auch über eine Aussetzung der Arbeiten an der
Urananreicherung mit sich reden. An dieser Bedingung waren im
vergangenen Jahr noch die Gespräche über einen
europäischen Verhandlungsvorschlag gescheitert.
Gesucht wird nach einem Vorschlag, der es
beiden Seiten ermöglichen würde, ohne größeren
Gesichtsverlust doch zu verhandeln. Mohammed El Baradei, Chef der
Internationalen Atomenergiebehörde, hat dazu einen Vorschlag
gemacht. Er brachte eine "Auszeit" ins Gespräch. Der Iran soll
für einen Zeitraum von drei Monaten seine Urananreicherung
ruhen lassen; im Gegenzug verzichtet der Westen auf die Umsetzung
der vom Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen. Teheran hat
bislang dazu weder ja noch nein gesagt.
Gleichzeitig kursiert ein weiterer
Kompromissvorschlag, der von der Schweiz konzipiert wurde. Die Idee
besteht im Kern da-rin, dem Iran eine Reihe von Zentrifugen
für Experimente zu gestatten - solange dabei kein Uran zum
Einsatz kommt.
Eine Reihe von europäischen Staaten
wäre unter Umständen zu diesem Zugeständnis bereit,
aber die USA haben bereits ihre Ablehnung erklärt. Sie wollen
dem Iran jeden Zugang zur Beherrschung der Anreicherungstechnologie
versperren. Am 21. Februar läuft die Frist ab, die der
Sicherheitsrat Teheran zur Einstellung seiner Anreicherungsarbeiten
gesetzt hat. El Baradei wird an diesem Tag einen Bericht vorlegen.
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird er nichts Positives mitzuteilen
haben.
Die USA haben bereits angekündigt,
darauf zu dringen, dass der Sicherheitsrat als Reaktion auf
Teherans Verweigerung weitere Sanktionen beschließen wird.
Nicholas Burns, im State Department federführend für die
Iranpolitik, erklärte, erste Sondierungsgespräche in
Moskau und Peking seien "sehr positiv" verlaufen. Daran darf
gezweifelt werden. Weder Russland noch China und auch nicht die
Europäer sind an einer weiteren Eskalation interessiert.
Auf ihrem jüngsten Treffen in
Brüssel haben die EU-Außenminister versucht,
Geschlossenheit zu demonstrieren, notfalls auch mit weiteren
Sanktionen einen Schritt weiterzugehen, gleichzeitig aber die
Tür zu Gesprächen mit Teheran offenzuhalten. Mit dem
lauter werdenden Säbelrasseln der USA wird dieser Balanceakt
intern immer schwieriger. Auch in europäischen
Hauptstädten kreist die Befürchtung, ein US-Krieg gegen
den Iran könnte näherrücken.