Deutschlands Politiker haben sich viel
vorgenommen in Sachen Kinderbetreuung. 20 Prozent mehr Plätze
für die unter Dreijährigen bis 2010 und ein kostenloses
letztes Kindergartenjahr strebt die Bundesregierung an. In diesen
Tagen sorgt Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen mit ihrem
Vorstoß, die U-3-Versorgung auf 750.000 Plätze zu
verdreifachen gerade für Wirbel. Während in Berlin
heiß diskutiert wird und der Familienministerin aus den
eigenen Reihen vorgeworfen wird, ein für die Union "nicht
akzeptables" Familienbild zu entwerfen und berufstätige Eltern
einseitig zu bevorzugen, ist die Landesregierung in Rheinland-Pfalz
schon einen Schritt weiter. Hier soll - bundesweit zum ersten Mal -
in vier Jahren für Kinder ab einem Alter von zwei Jahren die
gesamte Kindergartenzeit kostenlos werden.
Signal gesetzt
"Wir setzen damit auch ein Signal: Wenn man will, dass der
Kindergarten die Eingangsstufe ins Bildungssystem ist, darf man
keine Beiträge erheben", erklärt Bildungsministerin Doris
Ahnen (SPD). Der Entwurf zur Änderung des
Kindertagesstättengesetzes, der Anfang Februar das Kabinett
passiert hat und im März in den Landtag eingebracht werden
soll, sieht ein schrittweises Wegfallen der Beiträge bis zur
völligen Beitragsfreiheit ab dem ersten August 2010 vor.
Hierfür muss das Land nach Angaben des
Bildungsministeriums eine Mehrbelastung von zunächst 8,6
Millionen Euro im Jahr 2008 schultern, ein Betrag der
kontinuierlich steigen wird, bis sich ab 2011 die jährlichen
Ausgaben auf rund 58,5 Millionen Euro belaufen. Für Ahnen ist
der kostenlose Kindergarten der logische nächste Schritt nach
Einführung des beitragsfreien letzten Kindergartenjahres, das
es in Rheinland-Pfalz bereits seit Anfang 2006 gibt. Von 2003 bis
2006 hat sich nach ihren Angaben die Zahl der Kinder, die ein Jahr
vor der Einschulung einen Kindergarten besuchen, von 93 auf fast 99
Prozent erhöht. "Wir haben durch das kostenlose letzte Jahr
nochmal einen echten Effekt erzielt", ist Ahnen sicher. Ziel der
SPD-Politikerin ist es ökonomische Hürden abzubauen um
möglichst vielen Kindern eine lange Kindergartenzeit mit einem
frühen und gezielten Erziehungs- und Bildungsangebot zu
ermöglichen: "Wir wollen mit der vollständigen
Beitragsfreiheit vor allem auch die mittleren Einkommensgruppen
erreichen", erklärt Ahnen.
Nicht bei allen stößt das Prinzip
Beitragsfreiheit, das beispielsweise auch der Deutsche
Kinderschutzbund schon seit langem auf der Tagesordnung hat, auf
uneingeschränkte Zustimmung. So befürwortet die
grüne Bundestagsfraktion einen einkommensabhängigen
Ansatz. "Würde man die vollständige Beitragsfreiheit auf
ganz Deutschland ausdehnen", sagt die kinder- und
familienpolitische Sprecherin der Bundestagsgrünen, Ekin
Deligöz, "würde uns das zwei bis drei Milliarden Euro im
Jahr kosten." Das Geld, so Deligöz weiter, fehle dann im
Krippenbereich, für höher qualifizierte Erzieherinnen und
für die Sprach- und Frühförderung. "Was bringt es,
wenn mein Kind einen beitragsfreien Platz hat und es fällt bei
der Einschulung durch den Spracheingangstest", fragt die
Bundestagsabgeordnete. Zunächst müßten diese
Hausaufgaben erledigt werden, dann könne man über eine
weitere Entlastung der Eltern nachdenken.
Flächendeckende Programme
Den Handlungsbedarf im U-3-Bereich, in der frühen
Förderung und bei der Qualifikation der Erzieherinnen und
Erzieher hat auch die rheinland-pfälzische Landesregierung
erkannt. So steht die kostenlose Kindergartenzeit nicht isoliert
da, sondern ist eingebettet in das im Dezember 2005 verabschiedete
Programm "Zukunftschance Kinder - Bildung von Anfang an".Es umfasst
neben dem bereits realisierten kostenlosen letzten Kindergartenjahr
die seit Anfang 2006 umgesetzte Öffnung von
Kindertagesstätten für Zweijährige, die bis 2010 in
einen Rechtsanspruch für diese Altersgruppe münden soll,
ein flächendeckendes Sprachförderprogramm in Form
unterschiedlicher Module, ein Fortbildungsprogramm für
Erzieherinnen und Erzieher, Qualifikationsangebote für
Tagesmütter sowie die Vorverlegung des Einschulungsstichtags
vom 1. Juli auf den 1. September.
Acht Millionen Euro hat das Land allein in
eine flächendeckende Sprachförderung im letzten
Kindergartenjahr investiert. Im laufenden Kindergartenjahr wurden
Förderzusagen für rund 1.800 spezielle Maßnahmen
für rund 11.200 Kinder gemacht. Rund 2400
Kindertagesstätten erhielten beispielsweise Materialien zur
Sprachdiagnostik bei Kindern mit Migrationshintergrund. Mit zwei
Millionen Euro pro Jahr unterstützt das Land zudem
Fortbildungsprogramme für Erzieherinnen.
Vor allem im U-3-Bereich zieht Ahnen eine
positive Bilanz. Sechs statt bislang zwei Zweijährige
dürfen in Rheinland-Pfalz in eine ganz normale
Kindergartengruppe aufgenommen werden. Seit 2006 übernimmt das
Land die Kosten für das zusätzlich notwendige Personal.
Weitere Anreize für die Schaffung solcher
Betreuungsplätze soll ein so genannter Betreuungsbonus
schaffen. Wenn in einer Verbandsgemeinde mehr als zehn Prozent der
Zweijährigen betreut sind, geht ein Bonus von 1.000 Euro pro
Kind an die zuständige Kommune. Ab einem Anteil von 40 Prozent
steigt die Belohnung auf 2050 Euro pro Kind. 11.500
zusätzliche Plätze für unter Dreijährige sind
nach Angaben des Bildungsministeriums in Rheinland-Pfalz zu
schaffen, um den im Tagesbetreuungsausbaugesetz des Bundes
geforderten bedarfsgerechten Betreuungsausbau umzusetzen. Von Juli
2005 bis August 2006 sind bereits 3.214 entstanden. 10.452
Plätze seien mittlerweile genehmigt "Wir haben binnen eines
Jahres die Versorgungsquote für die unter Dreijährigen in
Krippen und geöffneten Kindergartengruppen auf 10,3 Prozent
gesteigert", bilanziert die Ministerin. "Das ist ein
Riesenerfolg".
Der ehrgeizige Vorstoß ihrer Kollegin
von der Leyen jedenfalls stoße "in Rheinland-Pfalz offene
Türen ein". Zielsetzung und Intention seien völlig
richtig, die Ministerin müsse jedoch sagen, "wie sie die
Finanzierung gewährleisten will".