Eduard Oswald leitet den Finanzausschuss des
Deutschen Bundestages mit dem Charme seiner
bayerisch-schwäbischen Heimat und einer gehörigen Portion
Humor. Doch als jüngst ein Dokument der Europäischen
Kommmission zur Beratung anstand, war für den CSU-Abgeordneten
Schluss mit lustig.
Das "Weißbuch für den Ausbau des
Binnenmarktrahmens für Investmentfonds" lag nur in einer
19-seitigen Zusammenfassung auf Deutsch vor. Beim
Weiterblättern stießen die Finanzpolitiker auf 117
englisch beschriebene Seiten mit dem Titel "White Paper on
Enhancing the Single Market Framework for Investment Funds". Die
Fraktionen verweigerten mit der ausdrücklichen
Unterstützung des Vorsitzenden die Beratung der Vorlage, ehe
diese nicht in einer vollständigen deutschen Übersetzung
vorliegt. Denn das Weißbuch ist nicht irgendein Papier, es
ist zentral für die Frage, wie die Rahmenbedingungen für
Investmentfonds in der EU künftig aussehen werden.
Unterstützung vom
Präsidenten
Oswald nahm den Vorfall zum Anlass, sich an den
Bundestagspräsidenten zu wenden. Eine deutsche Textfassung sei
nach "einhelliger Auffassung im Ausschuss" bei dieser Vorlage sowie
bei einem Bericht der Kommission über die langfristige
Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen in der EU nicht
verzichtbar, schrieb er an Norbert Lammert. "Ich bitte Sie daher zu
veranlassen, dass auf eine Übersetzung auch dieser
EU-Dokumente in den von Ihnen angekündigten Gesprächen
der Bundestagsverwaltung mit dem Auswärtigen Amt und dem
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hingewirkt
wird."
In jedem Fall müsse bei Vorlagen aus
Brüssel, die dem Bundestag zugeleitet und zur weiteren
Beratung an die Ausschüsse überwiesen wurden, eine
"rechtzeitige parlamentarische Befassung" gewährleistet
sein.
Das war nicht der erste Vorstoß des
ehemaligen Bundesbauministers in dieser Sache. Schon im Oktober
hatte er sich bei Lammert dafür stark gemacht, dass die
Ausschüsse auf der Grundlage deutschsprachiger Fassungen
beraten können.
Anlass waren damals die Stellungnahmen des
mitberatenden Haushaltsausschusses zu vier EU-Dokumenten gewesen.
Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, der FDP-Abgeordnete Otto
Fricke, hatte Oswald wissen lassen, dass die Haushälter die
Vorlagen "auf Grund ihrer sprachlichen Ausfertigung" für nicht
beratungsfähig hielten. Sie seien daher auch nicht in der
Lage, dem federführend zuständigen Finanzausschuss
innerhalb der vorgegebenen Frist ein Votum mitzuteilen.
Damals ging es immerhin um eine Bilanz der
Kommission ein Jahr nach der Überarbeitung des
Stabilitäts- und Wachstumspaktes, um den Jahresbericht
über die Rechnungsführung des Europäischen
Entwicklungsfonds sowie um Berichte zur Betrugsbekämpfung und
zum Schutz der finanziellen Interessen der EU. Diese Berichte lagen
"in wesentlichen Teilen" lediglich auf Englisch vor.
Schattendasein auf den Fluren
Neben Oswald hatte sich auch Fricke direkt an Lammert gewandt,
der beiden Recht gab: EU-Dokumente, die der Deutsche Bundestag zu
behandeln hat, müssten "vollständig in deutscher Sprache
vorliegen". Lammert hatte wegen der zunehmenden Kritik an der
Übersetzungspraxis schon im Vorfeld gegenüber
Kommissionspräsident José Manuel Barroso und
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier deutlich gemacht,
dass die "gültigen Regeln" eingehalten werden müssen,
wonach Deutsch neben Englisch und Französisch
gleichberechtigte Arbeitssprache der Europäischen Union ist.
Steinmeier habe bereits Unterstützung zugesagt, teilte der
Bundestagspräsident den beiden Ausschussvorsitzenden mit.
Seit Jahren beobachten Fachleute, wie die
deutsche Sprache auf den Brüsseler Korridoren ein immer
größeres Schattendasein fris-tet. Die
österreichische Politikwissenschaftlerin Cornelia Brüll
hat eine deutliche Tendenz zugunsten des Englischen festgestellt.
Wurden 1989 noch 49,3 Prozent der Kommissionstexte auf
Französisch und 29,5 Prozent auf Englisch verfasst, so waren
es 1997 nur noch 40,4 Prozent auf Französisch und bereits 45,3
Prozent auf Englisch. Vor allem der Beitritt der skandinavischen
Länder hat einen Schub zugunsten des Englischen bewirkt.
Dagegen hat die Aufnahme der mittel- und
osteuropäischen Länder das Gewicht der deutschen Sprache
in der EU wieder gestärkt. Deutsch hat mit fast 100 Millionen
ohnehin die meisten Muttersprachler in der Gemeinschaft, und in
einigen der Beitrittsstaaten ist es als Zweitsprache weit
verbreitet. Die Bundesregierung will daher während ihrer
Ratspräsidentschaft Flagge zeigen und Pressekonferenzen des
Auswärtigen Amtes in Brüssel nur auf Deutsch
abhalten.
Weil nicht nur Deutsch, sondern mittlerweile
auch Französisch in den europäischen Institutionen in der
Defensive ist, haben Deutschland und Frankreich schon im Jahr 2000
vereinbart, sich beim Erhalt ihrer Sprachen als Arbeitssprachen in
der EU gegenseitig zu unterstützen.
STICHWORT
Amts- und Arbeitssprachen in der Europäischen Union
- 23 Amtssprachen gibt es: Bulgarisch,
Dänisch, Deutsch, Englisch, Estnisch, Finnisch,
Französisch, Griechisch, Irisch, Italienisch, Lettisch,
Litauisch, Maltesisch, Niederländisch, Polnisch,
Portugiesisch, Rumänisch, Schwedisch, Slowakisch, Slowenisch,
Spanisch, Tschechisch und Ungarisch.
- Als Arbeitssprachen werden in den Organen der
EU vor allem Englisch, Französisch und Deutsch verwendet. Die
Europäische Kommission in Brüssel hat diese drei Sprachen
intern als Arbeitssprachen festgelegt.
- Deutsch ist Muttersprache von knapp 20 Prozent
der EU-Bürger und damit meistgesprochene Muttersprache in der
EU. Darüber hinaus sprechen über zehn Prozent der
Europäer Deutsch als Fremdsprache.