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Informationen über dieses Dokument: Seitentitel: Ideen für die Demokratie von morgen
Gültig ab: 29.11.2005 00:00
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Ideen für die Demokratie von morgen

Bild: Turm des Reichstagsgebäudes spiegelt sich in der Fassade des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses
Die Fassade des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses.

Bild: Junge Abgeordnete im Gespräch
Zukunft der Demokratie – junge Abgeordnete im Parlament.

Bild: Computer nebeneinander auf einem Tisch
Ein etwas anderes Wahllokal: Internet-Cafe in Estland.

Bild: Plasmabildschirm zeigt Joschka Fischer
Premiere im 2. Untersuchungs- ausschuss der 15. Wahlperiode: Die Aussage von Außenminister Fischer wurde live übertragen.

Zukunftsforum Parlament

Effizient, transparent, bürgernah – was heute die Arbeit des Bundestages ausmacht, soll auch seine Zukunft bestimmen. Dabei könnte auch der Einsatz von neuer Informationstechnik helfen. Vieles ist möglich: Elektronische Petitionen gibt es seit September im Bundestag, Parlamentswahlen im Internet werden 2006 in Estland eingeführt. Aber nicht alles, was machbar ist, ist auch sinnvoll – und Technik nur ein Aspekt parlamentarischer Innovation. Zum Auftakt der Wahlperiode sucht Blickpunkt Bundestag Ideen für das „Parlament der Zukunft“.

Herzlich willkommen – was darf ich Ihnen zum Thema Bundestag erzählen?“ Wer auf der Suche nach Informationen auf die Website des Bundestages surft, staunt nicht schlecht: Zu Diensten steht dort der Bundestagsadler als virtueller Assistent, um Fragen rund um das Parlament zu beantworten. Sekundenschnell reagiert das animierte Tool auf die Eingabe. Der interaktive Berater schöpft aus einem Repertoire von rund 1.500 Antworten und er lernt ständig hinzu, Fragen korrekt zu erkennen. Eine kleine Service-Innovation – die Politik anschaulich macht, Zeit und Rechercheaufwand spart.

Im Kleinen, aber auch im Großen kann Elektronik helfen: So beabsichtigt die Bundestagsverwaltung, künftig Parlamentsdrucksachen auch elektronisch zu verteilen. Das ist schwieriger, als es auf den ersten Blick scheint. „Sie müssen sicherstellen, dass eine solche elektronische Drucksache auch sicher und rechtlich unanfechtbar zugestellt werden kann“, sagt Arnulf Lunze, der Leiter der Unterabteilung Zentrale Informationstechnik in der Bundestagsverwaltung. In einem ersten Schritt werden die Fraktionen Gesetzesvorhaben und Ausschüsse ihre Beschlussvorlagen auf elektronischem Weg einbringen können.

Fernziel ist, so Lunze, „dass Gesetzentwürfe schon in einem vorgegebenen Format geschrieben werden, das auch bei der Verkündung des Gesetzes als Druckvorlage verwendet werden kann“. Das würde eine Menge Arbeit sparen. Denn eine Vorlage geht durch viele Institutionen und Hände ehe am Ende ein Gesetz im Bundesanzeiger steht. Bisher müssen Rechtstexte gelegentlich mehrmals von Hand bearbeitet werden, etwa wenn sich Tabellen nicht von einem zum anderen Computerformat übertragen lassen.

Umstrittene eWahlen

Die „elektronische Drucksache“ ist nur eines von vielen Projekten, um die Parlamentsarbeit durch technische Hilfsmittel effizienter zu machen und neuen Gegebenheiten anzupassen. Seit diesem Sommer etwa ist es möglich, an den Petitionsausschuss Eingaben per E-Mail zu richten, die dann auf der Website des Bundestages veröffentlicht werden. Vor allem Sammelpetitionen, hinter denen eine große Zahl an Petenten steht, werden dadurch einfacher. Vorgemacht haben es die Schotten: Seit Februar 2004 können sie öffentliche Petitionen über das Internet an ihr Parlament einreichen. Ein Drittel aller Petitionen ist dort mittlerweile öffentlich.

Doch nicht alles, was technisch möglich ist, macht auch für die Abgeordneten Sinn. So hat sich das Parlament gegen eine elektronische Abstimmungsanlage ausgesprochen. Stattdessen setzt der Bundestag auf die bewährten Verfahren, die womöglich schon die alten Griechen kannten: Hand heben, aufstehen und den „Hammelsprung“. Im alten Bonner Plenarsaal war in den 70er Jahren sogar schon einmal eine Abstimmungsanlage installiert, doch dann überwogen die Zweifel: Zu groß sei die Gefahr von Missbrauch, hieß es, etwa das Abgeordnete sich von Kollegen vertreten lassen, was nach der Verfassung nicht erlaubt ist.

Nicht unumstritten sind auch elektronische Wahlen. Mitte Oktober konnten etwa die Bürger Estlands bei den Kommunalwahlen zum ersten Mal ihre Stimme per Internet abgeben. Ein Computer, eine spezielle Identitätskarte mit Lesegerät und die Software aus dem Internet genügten, um von überall auf der Welt sein Kreuzchen bei der Wahl von Bürgermeister und Gemeinderat zu machen. 2006 soll das System bei der nationalen Parlamentswahl zum Einsatz kommen.

Auch in der Schweiz experimentieren drei Kantone mit der Stimmabgabe über das Internet. „Wir wollen die Stimmabgabe den gesellschaftlichen Veränderungen anpassen“, sagt Daniel Brändli, der Leiter des Projektes „elektronische Stimmabgabe“ in der schweizerischen Bundesverwaltung in Bern. Im kommenden Jahr wird es im Kanton Zürich bei Kommunalwahlen den ersten Probelauf geben.

In Deutschland ist man eher skeptisch. Bereits 2001 ließ das Bundesinnenministerium die Möglichkeit von Internetwahlen untersuchen. Das Urteil war negativ: Technisch noch nicht ausgereift und die Gefahr der Manipulation zu groß, so der Befund. Denn wie will man sicherstellen, dass bei der Wahl über das Internet die Stimmabgabe geheim bleibt und dass niemand manipuliert?

Innovativer Untersuchungsausschuss

Bei der stetigen Modernisierung und Verbesserung der Parlamentsarbeit geht es jedoch nicht nur um Sunset-Klausel, Verleseverbot Jan Mücke, FDP technische Neuerungen. Um die Volksvertretung im modernen Staat schlagkräftig zu halten, sind ebenso gesetzgeberische und organisatorische Fragen sowie Aspekte der öffentlichen Darstellung von Politik zu beachten. Ein wichtiges Feld ist dabei die praktische Gestaltung der Kontrollrechte.

Was die Kontrolle der Regierung angeht, hat der Bundestag in der Vergangenheit seine Kompetenzen erheblich erweitert und steht weit besser da als die Volksvertretungen anderer westeuropäischer Länder. „In mehreren Reformschritten hat der Bundestag fast immer die parlamentarischen Minderheitsrechte und somit die Wirkungsmöglichkeiten der Opposition gestärkt“, sagt Wolfgang Ismayr, Professor für Politikwissenschaft an der TU Dresden.

Dabei geht es um so simple Dinge wie Fristen und Verfahrensregeln, die sicherstellen, dass die Opposition ihre Gegenentwürfe zur Politik der Regierung auch wirkungsvoll in der öffentlichkeit präsentieren kann. Genauso wichtig sind die Rechte der Opposition in einem Untersuchungsausschuss, dem schärfsten Kontrollinstrument des Parlaments. Auch hier hat das Gesetz über Untersuchungsausschüsse die Rechte der Opposition weiter gestärkt. „Mit diesem Gesetz hat der Bundestag die Möglichkeiten der Opposition verbessert, Missständen öffentlichkeitswirksam nachzugehen“, so Ismayr.

Auch die Außendarstellung hat das Parlament mit einer Reihe von Neuerungen verbessert. Eine der ersten Innovationen war die Aktuelle Stunde, um gerade in der öffentlichkeit diskutierte Themen aufzugreifen. Seit 1995 sind die „Kernzeitdebatten“ hinzugekommen, in denen meist donnerstagvormittags die wichtigsten Themen der Sitzungswoche im Plenum zur Sprache kommen. Zuletzt kam es zu einer Premiere im 2. Untersuchungsausschuss der 15. Wahlperiode, dem „Visa-Untersuchungsausschuss“: Im Mai wurde die Sitzung erstmals ganztägig live im Fernsehen übertragen. Die Zuschauer konnten sich selbst ein Bild machen und ihre Eindrücke mit der sonstigen Berichterstattung vergleichen.

Integriertes Wissensmanagement

Eine große Herausforderung an die Abläufe im Bundestag stellt derzeit die Gesetzgebung auf der europäischen Ebene dar. Da viele wichtige Gesetze mittlerweile in Brüssel gemacht werden, muss der Bundestag Wege finden, hier rechtzeitig seinen Einfluss geltend zu machen. Doch werden derzeit politische Absichten und Vorhaben oft erst zu spät oder eher zufällig – abhängig etwa vom öffentlichen Interesse – im Parlament wahrgenommen.

Zwar wird schon heute der Europaausschuss von der Bundesregierung über neue Gesetzesentwürfe auf EU-Ebene informiert. Doch insbesondere die Informationen über weitergehende Aktivitäten in Brüssel, wie Tagungen von Arbeitsgruppen oder Treffen der Botschafter der Mitgliedsstaaten, haben sich als nicht befriedigend erwiesen.

“Wir brauchen hier dringend eine bessere Koordinierung“, sagt Margot Heimbach vom Sekretariat des Europaausschusses. Ein neues Gesetz für eine bessere Abstimmung mit der Bundesregierung gibt es bereits. Es wurde schon von Bundestag und Bundesrat beschlossen. Das Gesetz legt fest, dass zwischen Bundestag und Bundesregierung künftig im Einzelnen vereinbart werden soll, wie das Parlament bei EU-Angelegenheiten zu unterrichten und beteiligen ist.

Vielleicht hilft auch ein modernes Wissensmanagement den Abgeordneten, sich in der europäischen Mehrebenendemokratie besser zurechtzufinden. Der Bundestag will so bald als möglich ein elektronisches Wissensmanagement für seine Zwecke realisieren, in dem alle Informationsangebote zusammengefasst werden, die das Parlament derzeit für Abgeordnete vorhält. Wenn ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete zu einem Thema Informationen sucht, dann sollen mit einem Handgriff wichtige Plenardebatten, Zeitungsausschnitte und Literaturhinweise abrufbar sein. Noch ist allerdings solch eine intelligente Suchmaschine Zukunftsmusik.

Text: Matthias Rumpf
Fotos: Deutscher Bundestag, studio kohlmeier, Picture-Alliance
Erschienen am 01. Dezember 2005

Stellungnahmen:

ePeditionen:

Seit dem 1. September 2005 können Bürgerinnen und Bürger Petitionen per E-Mail einreichen und zugleich Sammelpetitionen im Internet unterstützen. Einstimmig hat sich der Petitionsausschuss am 15. Juni für diesen Modellversuch zur Mitzeichnung von Petitionen im Internet ausgesprochen. Im Einverständnis mit Petentinnen und Petenten und nach Maßgabe des Persönlichkeitsschutzes wird bestimmten Massen- und Sammelpetitionen die Einstellung ins Internet ermöglicht. Der Zeitraum für den Probebetrieb wurde auf zwei Jahre festgelegt.
Link: www.bundestag.de/petitionen


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