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Informationen über dieses Dokument: Seitentitel: Besuch beim Bundestag
Gültig ab: 19.05.2006 10:11
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Besuch beim Bundestag

Bild: Das Warten lohnt sich: Besucherschlange vor dem Westeingang des Reichstagsgebäudes.
Das Warten lohnt sich: Besucherschlange vor dem Westeingang des Reichstagsgebäudes.

Angebote für Kenner und Kurzentschlossene

Im Bundestag gibt es viel zu entdecken – ob bei den Hausführungen, dem Besuch einer Plenarsitzung, bei einer Kunst- und Architekturführung, einem Vortrag auf der Besuchertribüne des Plenarsaals oder in der historischen Ausstellung „Wege – Irrwege – Umwege“ im Deutschen Dom. Die Angebote des Besucherdienstes bieten vielfältige Einblicke. Und grandiose Ausblicke hält der Deutsche Bundestag ebenso bereit: von der gläsernen Kuppel des Reichstagsgebäudes aus, die täglich von 8 bis 24 Uhr geöffnet ist.

Viele Besucher stehen Schlange vor dem Portal mit der Inschrift „Dem Deutschen Volke“. Rund zwei Millionen Touristen jährlich ist das Reichstagsgebäude mit seiner Kuppel einiges an Wartezeit wert. „Eine fantastische Aussicht“, findet eine Schülergruppe aus Frankreich „Das Reichstagsgebäude ist faszinierend“, erklärt eine Gruppe Amerikaner. „Geschichte zum Anfassen“, sagt eine deutsche Besuchergruppe. Die Mischung aus Alt und Neu im Reichstagsgebäude fasziniert Besucher aller Herren Länder und aller Altersklassen. Neben dem guten Ausblick bietet der Bundestag aber auch viele Einblicke: Eine Reise mit dem Besucherdienst durch die Welt des Parlaments ...

Hausführungen

Zuerst kommt die Sicherheitsschleuse. Die Habseligkeiten laufen über das Band durch die Durchleuchtungsmaschine. „Wie am Flughafen hier“, bemerkt ein älteres Ehepaar. Aber es lohnt sich, denn im Bundestag gibt es viel zu entdecken. Vor allem, wenn man an einer Hausführung teilnimmt, denn dann darf man in Bereiche, in denen sich sonst nur Abgeordnete und Bundestagsmitarbeiter aufhalten.

Atilano Gonzalez-Perez führt seine Besuchergruppe zu Beginn immer in die Abgeordnetenlobby. Dort dürfen sie in Ledersesseln vom Stararchitekten Lord Norman Foster Platz nehmen. Gonzalez-Perez erklärt, welchen Wandel das Reichstagsgebäude durchlebt hat. Auf Schritt und Tritt stoßen die Besucher auf Zeitgeschichte. Die Epochen gehen fließend ineinander über: alte Mauern aus der Kaiserzeit und das von Foster entworfene Design der 90er Jahre, mit der Reichstagskuppel als weithin sichtbares Wahrzeichen. „Wer hat nur den Umbau in den 60ern zugelassen?“, fragt ein Besucher stirnrunzelnd. „Das entsprach dem Zeitgeist“, erklärt Gonzalez-Perez. Damals habe es sogar Prämien für die „Entstuckung“ von Altbauten gegeben. Empörung unter den Besuchern. Später stehen sie staunend dort, wo ehemals die Mauer verlief. Das Reichstagsgebäude ist lebendige Geschichte und Gegenwart: Unansehnliches gesellt sich zu Schönem, schlechte und gute Erinnerungen sind hier wach.

Kunstführungen

Die Kunsthistorikerin Ingrid Karres bringt Besuchern die Kunstwerke im Reichstagsgebäude näher. „Wie viel gibt der Bundestag für Kunst aus?“, will ein Besucher wissen. Frau Karres sagt, dass Budget betrage 200.000 Euro pro Jahr. Jedes Jahr wird die Sammlung erweitert. Ganz bewusst wählt der Bundestag Kunstwerke aus, die sich mit der deutschen Geschichte auseinander setzen. Das riesige Gemälde in der Abgeordnetenlobby von Katharina Sieverding beeindruckt die Gruppe. Darauf verschmelzen die Silhouette einer flammenden Sonne mit der Röntgenaufnahme eines Krebsgeschwürs – ein Symbol für die Verbrechen der Nazizeit, wie Karres erklärt.

Die Besuchergruppe trifft auf die Stahlstele mit der Leuchtschrift von Jenny Holzer, Werke von Anselm Kiefer und Gerhard Richter. Besonders gebannt sind die Besucher von Christian Boltanskis „Archiv der Deutschen Abgeordneten“. 4.781 Metallkästen, einen für jeden der zwischen 1919 und 1999 frei gewählten deutschen Abgeordneten, gestapelt zu zwei Mauern im Untergeschoss des östlichen Zugangs zum Reichstagsgebäude. Die Graffiti der russischen Soldaten, die sich während des Zweiten Weltkriegs an den Wänden verewigt haben, sind zwar keine Kunstobjekte, aber authentische Geschichte und nicht minder spannend. Und zum Schluss noch ein Beuys – dann ist der Rundgang abgeschlossen. Die Besucher sind sich einig: „Eine unglaubliche Auswahl.“

Rückblick in die Geschichte

Sich spiegeln im Saal von Versailles, Bilder und Karikaturen von fast zwei Jahrhunderten Parlamentsgeschichte – das ist Geschichtsunterricht mal anders. Viele Schulklassen lassen sich durch die historische Ausstellung des Bundestages im Deutschen Dom führen. Dorothea Zöbl erklärt, was sich in der frühparlamentarischen Zeit abgespielt hat und welchen Wirren das Parlament im Kaiserreich ausgesetzt war. Die Besuchergruppe kann nachvollziehen, wie sich Grundrechte und Verfassungsstaat entwickelten. „Schon 1849 gab es Presse- und Meinungsfreiheit“, stellt eine Schülerin fest.

Der Kampf um die Pressefreiheit ziehe sich wie ein roter Faden durch die deutsche Geschichte, sagt Zöbl. Die Ausstellung spricht vor allem in Bildern. Sie erzählt von der Nazidiktatur, dem Scheinparlamentarismus in der DDR, von der Emanzipation der Frauen in der Politik und von europäischer Integration und interparlamentarischer Zusammenarbeit. Wie im Titel der Ausstellung „Wege – Irrwege – Umwege“ bahnen sich die Besucher ihren Weg durch das altehrwürdige Gemäuer des Deutschen Doms. Und kommen, nach vielen Höhen und Tiefen, im fünften Stock beim Parlament der Gegenwart an.

Beim Plenarbesuch

Punkt neun Uhr ertönt der Gong. Die Abgeordneten erheben sich, der Bundestagspräsident betritt den Plenarsaal. Der Anfang einer jeden Plenarsitzung, die oft bis spät in die Nacht dauert.

Es geht um Europapolitik. Das Plenum ist voll und wird von den Besuchern auf der Tribüne genau unter die Lupe genommen. „Ist schon spannend, die Politiker mal live zu sehen“, flüstert eine junge Besucherin. „Vor allem die Reaktionen der anderen Parteien finde ich interessant!“ Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht über Themen wie Sicherheitspolitik und von europäischer Zusammenarbeit. Nacheinander kommen alle Parteien zu Wort. Für die SPD spricht Michael Roth, für die FDP der Außenpolitiker Werner Hoyer, gefolgt von Gregor Gysi, Vorsitzender der Fraktion Die Linke., und Renate Künast, Fraktionschefin von Bündnis 90/Die Grünen.

Nach einer Stunde müssen die Gäste die Besuchertribüne wieder verlassen. Die nächsten Gruppen warten schon darauf, den wichtigsten Köpfen der deutschen Politik bei der Arbeit zuzuschauen.

Vortrag und Diskussion

Auch außerhalb der Sitzungswochen bleibt der Plenarsaal nicht leer. Viele Besucher nutzen die Chance und schauen sich den sonst von politischen Debatten erfüllten Saal mal ganz in Ruhe an. Bei einem 45-minütigen Vortrag können sie Wissenswertes über den Bundestag erfahren – am Ort des Geschehens. Auf der Tribüne des Plenarsaals unternehmen die Teilnehmer eine Exkursion durch die Geschichte und Architektur des Bundestages sowie dessen Aufbau und Funktion. „Es ist viel verständlicher, wenn man alles vor Augen hat“, findet ein Besucher.

Wer sitzt bei den Plenardebatten wo, redet wann und wie lange, all das können die Besucher genau nachvollziehen. Und sie stellen jede Menge Fragen. „Warum sind die Sitze immer so leer?“, „Sitzen die Alten im Ältestenrat?“, „Wieso heißt der Bundestag eigentlich Reichstag?“. So manche Frage mündet in eine Debatte, denn Raum für Diskussionen ist im Plenarsaal des Bundestages allemal.

Text: Lydia Harder
Foto: studio kohlmeierg
Erschienen am 22. Mai 2006

Weitere Informationen:

Alle Angebote des Besucherdienstes:
Webseite: www.bundestag.de/interakt/besucherinfo

Historische Ausstellung des Bundestages: „Wege – Irrwege – Umwege“ Entwicklung der parlamentarischen Demokratie in Deutschland
Webseite: www.bundestag.de/bau_kunst/ausst/wege/index.html


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