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Informationen über dieses Dokument: Seitentitel: Zauberhafte Zauberflöte
Gültig ab: 18.06.2008 10:19
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Zauberhafte Zauberflöte

Die Königin der Nacht in der Oper "Die Zauberflöte" im U-Bahnhof Bundestag.
Die Königin der Nacht in der Oper "Die Zauberflöte" im U-Bahnhof Bundestag
© DBT/studio kohlmeier

Oper unter dem Parlamentsviertel

Im U-Bahnhof Bundestag ertönen einmalige Klänge. Vor hellgrauem Sichtbeton siegt nach „Der Hölle Rache” die Liebe. Untergründig schräg und überirdisch schön.

Generalproben bewirken bei Zuschauern stets den gleichen Effekt. Man kann und mag sich nicht vorstellen, dass in nur wenigen Tagen Premiere sein soll. Das Chaos scheint zu groß. Und dann? Geschieht ein Wunder.

Als am 26. April die erste Vorstellung der Oper „Die Zauberflöte”, die eigentlich ein Singspiel ist, im U-Bahnhof Bundestag stattfindet, gelingt alles. Die Leute sind begeistert und verzaubert: Das liegt am Ort, an der Inszenierung und natürlich und vor allem an der Musik. Diese Musik schlägt die Menschen seit 1791 in ihren Bann. Seit 217 Jahren drücken die Zuhörenden leicht ihre Rücken durch und halten den Atem an, wenn die Königin der Nacht „Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen” singt. Und tun dies auch, als die Arie im von Kanzleramtsarchitekten Axel Schultes entworfenen U-Bahnhof erklingt. Rundum fertiggestellt ist die U-Bahn-Station, in Betrieb geht sie aber voraussichtlich erst 2009. Warum, mag mancher gedacht haben, sollen hier später hohle Lautsprecheransagen erklingen? Wäre es nicht viel schöner, wenn ... ach, lassen wir das.

Der polierte Sichtbeton der Wände, Decken und Stützelemente ist eine ideale Projektionsfläche für zauberhafte und verzaubernde Bilder, entworfen und arrangiert von der Videokünstlerin Tina Zimmermann. Die strenge Askese des Raumes wird gebrochen durch die Üppigkeit einer Inszenierung, die den Spagat zwischen Märchen und Moderne wagt. Und in fast allen Punkten auch schafft. Zu verdanken ist dies natürlich zuerst dem Regisseur und Dirigenten Christoph Hagel. Kein Unbekannter in diesem Metier, denn vor zehn Jahren gelang ihm mit „Zirkus um Zauberflöte” an der Seite von George Tabori ein großer Erfolg. Nun hat er die U-Bahn gewählt, weil sie, wie er sagt, ein sozialer Raum aus zufälligen Begegnungen ist, schicksalhaft, aber auch banal. „Die konzentrierte Stadt, sozusagen.”

Am Abend der Generalprobe, fünf Tage vor der Premiere, füllt sich die „konzentrierte Stadt” vor allem mit zwei Gruppen Menschen: den Akteuren und den Beobachtern der Akteure in Gestalt eines großen Medientrosses. Während die seltsamsten Figuren über den Bahnsteig wandeln, Scheinwerfer lange Schatten an die Wände werfen, baut „die vierte Gewalt” ihre wahrhaft beeindruckende Technik im Souterrain des Parlamentsviertels auf: Kamerateams und Fotografen kämpfen um die besten Plätze. Auf der Balustrade singt sich Tamino, in klassisches Outfit der Mozartzeit gewandet, ein. Leise tönt sein Tenor, und Bruchstücke von „Dies Bildnis ist bezaubernd schön” wehen herüber zu denen, die es sich hier oben bequem gemacht haben.

Liebling der Inszenierung

Über den Bahnsteig schreitet in einem funkelnden schwarzen Kleid, den kahlen Kopf umrahmt von Glas, Strass und Metall, die Königin der Nacht. Drei leicht bekleidete Damen in Lack und Leder, mit Peitschen bewaffnet und tief dekolletiert, räkeln sich auf den harten Bahnsteigbänken, an eine Säule gelehnt steht Papageno, ein moderner Taugenichts mit Irokesenfrisur, ein Penner mit schwarz umrandeten Augen, ein Antischwiegersohn. Papageno alias Jan Plewka wird sicher — das weiß man schon in dem Moment —, obwohl kein Opernsänger, der Liebling der Inszenierung werden. Der Ex-Frontmann der Hamburger Band „Selig” hat nach eigenen Aussagen unzählige Stunden Gesangsunterricht genommen, um mit- und standzuhalten, denn er gehört nun zu einem Ensemble wahrhaft guter Stimmen. Und führt eine witzige Tradition fort, denn auch bei der Uraufführung war Papageno kein ausgebildeter Sänger, sondern wurde vom Librettisten der Zauberflöte, dem Intendanten und Schauspieler Emanuel Schikaneder, gegeben.

Lieblinge, nicht nur der Fotografen: Papageno und Papagena, das Traumpaar der Zauberflöte.
Lieblinge, nicht nur der Fotografen: Papageno und Papagena, das Traumpaar der Zauberflöte
© DBT/studio kohlmeier
Was Schikaneder damals nicht bekam, waren diese Minuten des Wahnsinns, wenn sich Dutzende Fotografen und Kameraleute auf jemanden stürzen, die Inszenierung abbilden und sich dabei gleich auch selbst inszenieren, als seien sie Teil eines Spielfilms, der hier gedreht wird. Alle Hauptpersonen der „Zauberflöte” bieten sich einzeln und in kleinen Gruppen zum Shooting an. „Küsst euch”, tönt es, „singt doch mal was.” „Könnt ihr die Peitschen noch mal hochhalten?” „Mehr Licht bitte!”, „Schaut doch auch mal hierher!”. Die Fotografen liegen der Königin zu Füßen, knien vor den drei dominanten Damen, noch steht niemand auf dem Kopf, aber möglich scheint auch das. Hauptsache, die Bilder werden gut. Und da, jetzt kommt die Königin der Nacht mit einer blutigen Axt, das wird ein Foto.

Und das ist eine Inszenierung, die hat wirklich Witz. Prinz Tamino, den es aus seiner heilen Märchenwelt in einen unterirdischen Raum verschlagen hat, in dem eine große gelbe Schlange haust, die sich auf Schienen bewegt, sucht eine Prinzessin, schön wie keine andere. Die ist entführt worden von einem Kerl namens Sarastro, dem ein Laden namens BVG gehören soll. Zuerst trifft der Prinz den armen, abgerissenen, von Hartz IV lebenden Papageno, Schwarzfahrer mit einem magischen Glockenspiel, das ihn vor Kontrolleuren rettet. Der singt sich so durchs Leben mit Arien, deren neue Texte das Berlin der Jetztzeit beschreiben. Dem perrückten Tamino begegnen Polizisten, die hervorragend singen und tanzen, rasende Skateboarder und eine Papagena in Doc Martens. Sein Weg zu Pamina und zum Glück wird begleitet von den Berliner Symphonikern, vom Karl-Forster-Chor und den Kindersängern des Georg-Friedrich-Händel- Gymnasiums.

Paradies im Untergrund

Irgendwann wird ihm erklärt, dass dies hier das Regierungsviertel sei, in dem eine Frau namens Angela Merkel herrsche. „Oh”, stöhnt Tamino, „vielleicht ist sie die Königin der Nacht.” Das bleibt offen. Wie auch die Frage, welcher Lösung sich die Inszenierung an dieser Stelle bei einem Kanzler bedient hätte. Sicher aber ist, Christoph Hagel hat den Spagat geschafft: „Die Zauberflöte” ist Märchen und Moderne, und auch wenn an einigen Stellen ein wenig bemüht zusammengeführt, so doch ein Spektakel im besseren Sinne.

Und inzwischen ist auch klar, dass wieder einmal ein Wunder geschah. Nach einer großartig chaotischen Generalprobe gab es eine fast perfekte und für alle, die gekommen waren, nachhaltig beeindruckende Premiere. Wie heißt es in der Szene „Schreckenspforten”? „Der, welcher wandert diese Straße voll Beschwerden ?” Und dann wird alles gut, den Schreckenspforten folgt das Paradies. Das kann sich sogar im Untergrund befinden. Wer hätte das gedacht.  

Text: Kathrin Gerlof
Erschienen am 18. Juni 2008

Weitere Informationen:

Eingang zum U-Bahnhof Bundestag
Eingang zum U-Bahnhof Bundestag.
© DBT/studio kohlmeier

U-Bahnlinie 55
Bereits in den 20er-Jahren wurde überlegt, eine U-Bahn zu bauen, die das Stadtzentrum mit Moabit verbindet. Weltwirtschaftskrise, Krieg, die Teilung der Stadt verhinderten jeden neu aufgelegten Plan für eine solche Linie. Erst nach 1994 entstand ein U-Bahn- Tunnel vom Simsonweg bis nördlich der Spree zum heutigen Hauptbahnhof. Realisiert wird nun erst einmal eine „Insellösung”, die U55 wird auf 1.900 Meter Länge, davon 400 Meter unterirdisch, zwischen Hauptbahnhof und Brandenburger Tor fahren. Zwischen den beiden Endstationen liegt der U-Bahnhof Bundestag, zwischen dem Paul-Löbe-Haus des Bundestages und dem Kanzleramt. Zur Leichtathletik-WM 2009 soll die U-Bahn fahren, ab 2010 soll die Strecke bis zum Alexanderplatz weitergebaut werden. Der U-Bahnhof Bundestag ist 3.000 Quadratmeter groß, die Halle ist acht Meter hoch und wird von asymmetrisch angeordneten Säulen strukturiert.


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