Erfolgreicher Erneuerer: Norman Foster
Als der Ältestenrat
Foster beauftragte, den Bau auszuführen, hatte dieser
zunächst gar keine Kuppel vorgesehen. Foster hatte zu bedenken
gegeben, die historische Kuppel sei "lediglich ein leeres Symbol,
ein überdimensioniertes Verschattungselement." Doch der
Ältestenrat wünschte eine Neuauflage der Kuppel, die vor
dem Krieg den Bau abgeschlossen hatte. Die Kuppelfrage wird zum
Politikum. Für manche symbolisierte eine neue Kuppel den
Rückfall in die Wilhelminische Zeit. In der "Frankfurter
Allgemeinen Zeitung" heißt es: "Wie man baut, was niemand
will".
Gestrickte Eierwärmer und Kompotthüttchen
Nach langem Hin und Her beauftragt die Baukommission Foster mit der Überarbeitung des Vorentwurfs. Foster gibt sich Mühe, eine Kuppel zu entwerfen, die den Beifall der Kommission findet. Er testet 27 verschiedene Kuppelformen und erntet manch hämischen Kommentar. Die "Zeit" nennt die von Foster gewünschte Form einen "gestrickten Eierwärmer". Die zu dieser Zeit amtierende Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth macht ihm klar, dass er, wenn er "weiter solche Kompotthütchen hier auf das Blatt skizziert", seinen Auftrag verlieren könnte.
Am 10. Februar 1995 schließlich stellt Foster die endgültige Kuppellösung vor: eine Konstruktion aus Glas und Stahl. Innen winden sich für die Besucher zwei spiralförmige Rampen bis auf eine Höhe von fünfzig Metern empor. Und in der Mitte, in der Form eines Trichters, steht ein "Lichtumlenkelement", das mit 360 beweglichen Spiegeln das Sonnenlicht in das Plenum leiten soll.
1994 war bereits mit den Bauarbeiten begonnen worden. Die
Einbauten aus den 60er Jahren von dem Architekten Paul Baumgarten
wurden vollständig entfernt, bevor der Umbau nach Fosters
Plänen beginnt. Am 19. April 1999 dann überreicht Foster
schließlich dem zu dieser Zeit amtierenden
Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse den symbolischen
Schlüssel für das Gebäude.
Ungeahnter Erfolg
Die gläserne Kuppel wird zu einem ungeahnten Erfolg: Sie symbolisiert neue Offenheit. Von morgens früh bis abends spät reißt der Besucherstrom nicht ab. Tag für Tag gehen tausende Besucher den Weg von der Kuppelplattform bis hinauf in den oberen Teil der über den Plenarsaal thronenden Kuppel. Die Besucher steigen dem Parlament aufs Dach und sind begeistert.
Beide Frontseiten des Reichstagsgebäudes sind ebenfalls
durch gläserne Wände durchlässig gemacht und geben
den Blick ins Innere frei. Zudem bringt Architekt Foster
Kuppel und Plenarsaal in einen räumlichen Zusammenhang, der
das Haus auch nach oben öffnet, im wörtlichen Sinne
ausstrahlen lässt.
Biografie Norman Foster
Norman Foster wird 1935 in Manchester geboren. An der University of Manchester studiert er Architektur. Nach dem Examen 1961 erhält er ein Stipendium an der Yale University, wo er den Master`s Degree erwirbt. Zurück in England gründet er zunächst das Londoner Architekturbüro Team 4, aus dem dann 1967 sein Büro Foster Associates hervorgeht.
Die Architektur Fosters stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Seine Gebäude zeichnen sich durch Transparenz aus, meist erzeugt durch große Glasfläche und leichte Stahlrahmen. Foster gilt als ein führender Vertreter des so genannten "High-Tech-Stils", den er entscheidend mitgeprägt hat. Später entwickelt er einen Stil scharfkantiger Modernität. Foster übt parallel zu Richard Rogers entscheidende Einflüsse auf die britische Architekturszene, da wichtige Nachfolge-Vertreter der dortigen High-Tech-Architektur aus seinem Mitarbeiterkreis stammen. Im Jahr 1990 wird Foster von Königin Elisabeth II. zum Ritter geschlagen und 1999 zum Lord ernannt.
Zu seinen wichtigsten Werken gehören der Passagierterminal für die Schifffahrtslinie Fred Olsen an den Docks von London (1970/71), die Hauptverwaltung der Hongkong and Shanghai Banking Corporation in Hongkong (1979 bis 1986), der Flughafen Chek Lap Kok in Hongkong (1992 bis 1998) und der Umbau des Reichstagsgebäudes in Berlin.