Kampf gegen Doping
"Für uns ist Sport nicht nur die schönste Nebensache der Welt. Er ist vor allem wichtig für die soziale Integration, für die Gesundheit, die Bildung, das gemeinschaftliche Engagement und das demokratische Verhalten." - So fasst es Dr. Peter Danckert (SPD), Vorsitzender des Sportausschusses, gegenüber dem "Blickpunkt Bundestag" zusammen. Rund 27 Millionen Menschen sind Mitglieder in 90.000 Sportvereinen bundesweit. Zusätzliche vier Millionen ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sind aktiv. Im Deutschen Bundestag setzt sich seit 1969 der Sportausschuss als parlamentarische Plattform für die Sportpolitik ein - sowohl für die Belange des Spitzensportes als auch für den Breitensport. In der laufenden 16. Wahlperiode hat er 16 Mitglieder und zählt damit zu den eher kleineren Ausschüssen.
Parlamentarische Plattform für den Sport seit 1969
Ins Leben gerufen wurde der Ausschuss 1969 zur Vorbereitung der Olympischen Sommerspiele in München 1972. Damals hieß er "Sonderausschuss für Sport und Olympische Spiele". Weil auch nach den Olympischen Spielen von 1972 der Sport eine besondere gesellschaftliche Bedeutung hatte, wurde fortan in jeder Wahlperiode ein regulärer Sportausschuss eingesetzt.
Im Mittelpunkt der Ausschussarbeit stehen Fragen des Spitzen- und Breitensports, der Sportwissenschaft, der Bedeutung des Sportes für die Gesundheit, Gesellschaft und nicht zuletzt auch für die Wirtschaft. Weitere Schwerpunkte sind Behindertensport, Forschung und Ehrenamt in den Vereinen und die Wechselwirkungen von Sport und Umwelt. Besonders sportliche Großereignisse, wie die Fußball-WM im Sommer 2006, werden durch die Sportexperten vorbereitet. Ein aktuelles Schwerpunktthema ist der Kampf gegen Doping im Sport. Die Zuständigkeiten des Sportausschusses korrespondieren mit Teilaufgaben des Bundesministeriums des Innern.
Im Zentrum der Aufmerksamkeit: Der Kampf gegen Doping
Ganz aktuell ist der Sportausschuss federführend mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Anti-Doping-Gesetz beschäftigt. Der Bundestag hatte den Entwurf am 13. Juni in erster Lesung behandelt und an verschiedene Fachausschüsse überwiesen. Federführung (also so etwas wie die organisatorische Leitung) hat der Sportausschuss. Am 20. Juni tagte er in einer öffentlichen Sitzung. Zur anschließenden öffentlichen Expertenanhörung waren elf Sachverständige eingeladen, darunter Vertreter der Bundesärztekammer, der Nationalen Anti-Doping-Agentur NADA, Juristen und Vertreter der Sportverbände. Sandro Donati, italienischer Sportwissenschaftler und Anti-Doping-Aktivist, und Jan Schur, ehemaliger Radrennfahrer, waren ebenfalls anwesend.
Donati war vor der Ausschusssitzung gemeinsam mit den Obleuten des Sportausschusses - also den Hauptansprechpartnern der einzelnen Fraktionen - vor die Presse getreten. Donati sagte, er stimme dem Entwurf der Bundesregierung in Teilen zu. Der Kampf gegen Doping habe jedoch in Deutschland sehr spät eingesetzt, kritisierte Donati. "Besser spät als nie", sagte er, doch nun müsse der Kampf an Tempo gewinnen. Donati begrüßte, dass der Entwurf die Bekämpfung des internationalen Dopingmittelhandels und eine bessere Kennzeichnung von Arzneimitteln enthalte. Auch er würde den einzelnen Sportler bestrafen, sagte Donati, vor allem aber müsse die Kette durchbrochen werden zwischen sportlichen Leitern, Trainern und Medizinern, die das Doping mitverantworten.
Donati: Doping und Drogenkonsum bekämpfen
Donati wies auch auf die enge Verbindung zwischen der Dopingbekämpfung und dem Kampf gegen Drogen hin. Eine italienische Studie habe ergeben, dass Jugendliche, die Sport treiben, nicht weniger oder seltener Drogen nähmen als Jugendliche, die keinen Sport treiben. Deshalb setzt sich Donati für umfassende Präventionsprogramme etwa an Schulen ein, in der Aufklärungsarbeit gegen Doping, aber eben auch gegen Drogenkonsum geleistet wird. Für ein aktuelles Präventionsprogramm in Italien stehen 1,5 Millionen Euro zur Verfügung.
Aus der Nachwuchsförderung, so Donati, müsse der Druck genommen werden. Für Kinder und Jugendliche sollen Bewegung und Spaß im Vordergrund stehen, nicht abstrakte Medaillienziele. In diesem Sinne, so Donati, müsse der Staat Kinder vor dem "Dopingsport" schützen. Das jetzige System hingegen helfe nicht den sportlich begabten Kindern, sondern den Sportverbänden.
Eindrücklich beschrieb Donati seine Sicht der Verbindung zwischen Staat und Sportverbänden: Der Staat habe ein Interesse daran, dass Medaillen gewonnen werden. Die Sportverbände verlangten dafür im Gegenzug einen staatlichen Schutz - eine "komplizenhafte Verbindung zwischen Staat und Verbänden", beklagte Donati.
Öffentliche Sitzung des Sportausschusses
Nach der Pressekonferenz tagte der Sportausschuss öffentlich im großen Protokollsaal im Reichstagsgebäude. Hier ging es zunächst in Gegenwart von Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) um das Thema Sportförderung durch die Bundeswehr. Bevor die geladenen Sachverständigen zum Thema Dopingbekämpfung zu Wort kamen, wurden der Gesetzentwurf des Anti-Doping-Gesetzes sowie die Anträge der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen anberaten. Detlef Parr (FDP) und Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen) wiederholten ihre Kritik am Entwurf.
Experten werden gehört
Fast 30 Minuten später als geplant wurden die Experten vom Sportausschussvorsitzenden Dr. Peter Danckert (SPD) vorgestellt. Unter großem Medieninteresse: So musste der Vorsitzende, während er die Experten begrüßte, immer wieder an den Kameraleuten vorbeischauen, um Blickkontakt herzustellen. Eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen dient dazu, dass sich die Abgeordneten ein umfassendes Bild der Situation machen können. Noch einmal nutzten sie zunächst die Gelegenheit, detaillierte Informationen vom italienischen Sportwissenschaftler Silvio Donati einzuholen.
Sport steht nicht im Mittelpunkt
Auf die Frage von Eberhard Gienger (CDU/CSU), welche Erfolge das italienische Anti-Doping-Gesetz bereits erzielt habe, berichtete Donati von den aufgenommenen Ermittlungsverfahren: Es gebe mehr als 350 Ermittlungen in Sachen Doping und über 150 Verurteilungen. Das System müsse aber noch ausgebaut werden, fügte er hinzu. Katrin Kunert (Die Linke.) interessierte sich unter anderem dafür, ob auch in Italien eine Wertedebatte stattfindet. "Die Bevölkerung will keine derartige Debatte", entgegnete Donati, "sie will Spektakel und Show". Die Rolle der Medien wurde im Laufe der Expertenanhörung immer wieder thematisiert: Die Medaillen stünden im Mittelpunkt, nicht der Sport. Nur wer ganz vorne mit dabei ist, komme in die Presse.
Ein Aspekt im vorliegenden Gesetzentwurf ist eine Änderung der Ermittlungsbefugnisse des Bundeskriminalamts (BKA). Demnach soll das BKA künftig gezielter gegen Doping vorgehen können. Die Erweiterung der Zuständigkeit des BKAs bei der Dopingverfolgung begrüßte der Experte Matthias Jahn vom Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Für ihn erschließe sich aber nicht, warum sich die Zuständigkeit auf den gesamten Bereich des Arzneimittelgesetzes erstrecken solle und nicht auf den banden- und gewerbsmäßigen Umgang mit Dopingsubstanzen beschränkt sei.
Eigenbedarf wird nicht bestraft
Oberstaatsanwalt David R. Kirkpatrick sah dagegen Probleme bei der Bestrafung von Sportlerinnen und Sportlern, die nur geringe Mengen besitzen. Die Staatsanwaltschaft habe mit dem geplanten Anti-Doping-Gesetz nicht genügend Mittel, um effektiv gegen Sportlerinnen und Sportler vorzugehen, die nur im Besitz von Dopingmittel für den Eigenbedarf seien. Zur Verdeutlichung zeichnete er ein gedankliches Bild: Ein Team könne beim Zieleinlauf eine Ampulle mit geringen Mengen eines Dopingmittels um den Hals gehängt haben - gesetzlich könne es nicht belangt werden, weil die Menge nicht ausreichend wäre. Dem Bundeskriminalamt müssten deshalb bessere Hilfsmittel an die Hand gegeben werden.
"Der Kampf gegen Doping ist zugleich ein Kampf für saubere Sportler", sagte Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Er begrüße den Gesetzentwurf und sähe darin eine deutliche Verbesserung, sagte er auf eine entsprechende Frage von Klaus Riegert (CDU/CSU). Dopende Sportler könnten damit schneller, umfassender und schärfer belangt werden. Kritik übte hingeben Jens Adolphsen vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Justus Liebig Universität Gießen. Er bezeichnete den Gesetzentwurf als zu lasch: "Es liegt ein Anti-Dealing-Gesetz vor, kein Anti-Doping-Gesetz!" Sportler seien Täter - somit müssten sie auch bestraft werden. Adolphsen sprach sich dafür aus, den Sportbetrug als Strafbestand in das Gesetz mit aufzunehmen. Außerdem kritisierte er, dass erst gehandelt werden könne, wenn Doping festgestellt worden sei, nicht schon beim Anfangsverdacht.
Gegen eine Bestrafung von Sportlern plädierte Franz Steinle vom Landgericht Ravensburg. Es würde Jahre dauern, bis ein Urteil vorliege - und dann gebe es meist nur eine Bewährungsstrafe. Er halte eine Sperre für angebrachter. Wie die Nationale Anti-Doping-Agentur sprach auch er sich für die Intensivierung von Dopingkontrollen aus.
Gesundheit wichtiger als Erfolg
Eine Verschärfung der derzeitigen Gesetzeslage sei notwendig, darüber waren sich alle einig. Wie dringend diese erforderlich sei - nicht nur aus moralischer Sicht, sondern auch aus gesundheitlicher machte der ehemalige Radrennfahrer Jan Schur deutlich. Er schilderte eindrucksvoll seine persönlichen Erfahrungen: Ein italienischer Radprofi, der bei einem Wettkampf im benachbarten Hotelzimmer untergebracht war, musste aufgrund plötzlich auftretender gesundheitlicher Probleme ärztlich behandelt werden. Der Sportler hatte jedoch so große Mengen des Doping-Hormons EPO im Blut, dass ein sofortiger Aderlass nicht den gewünschten Erfolg ergab: "Das Blut war so dick, dass es nicht den Rand der Badewanne hinunter gelaufen ist", erinnert sich Schur. Schur selbst hätte in seiner Profi-Karriere durchaus erfolgreicher sein können, wenn er sich auf Doping eingelassen hätte, gab er zu - aber dieses Erlebnis habe ihn davon abgehalten.
Die zweite Lesung des Gesetzentwurfs ist für Anfang Juli geplant. Der Sportausschuss wird zuvor als federführender Ausschuss eine Beschlussempfehlung abgeben...
Autoren: Daniela Dorsch/ Katharina Frier
Weitere Informationen
- Sportausschuss
- Gesetzentwurf der Bundesregierung: Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport (Drucksache 16/5526)
- Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bekämpfung des Dopings im Sport (Drucksache 16/4166)
- Antrag der FDP-Fraktion: Bekämpfung des Dopings im Sport vorantreiben und Optimierungsmöglichkeiten ausschöpfen (Drucksache 16/4738)