Ausschuss für Tourismus
(Anhörung)/
Berlin: (hib/VOM) Die vor gut zwei Jahren getroffene
Zielvereinbarung zwischen Hotel- und Gastronomieverbänden
einerseits und Sozial- und Behindertenverbänden andererseits
über die standardisierte Erfassung, Bewertung und Darstellung
barrierefreier Angebote wird nur "schleppend umgesetzt". Darauf
verwies Sandra Warden vom Deutschen Hotel- und
Gaststättenverband (Dehoga) am Mittwochnachmittag in einer
öffentlichen Anhörung des Tourismusausschusses zum Thema
"Barrierefreies Reisen". Bei den Hotels gebe es nur eine
Selbstüberprüfung und keine Zertifizierung, auch weil
eine gewisse "Zertifizierungsmüdigkeit" in der Branche
festzustellen sei. Bei den Gaststätten werde die
Zielvereinbarung gar nicht überprüft. Die damals
vereinbarten Standards für Barrierefreiheit seien von den
Behindertenverbänden vorgeschlagen worden. Bei der Akzeptanz
des barrierefreien Reisens habe sich seit dem Europäischen
Jahr der Menschen mit Behinderungen 2003 viel getan, sagte Warden
weiter. Wichtig sei, dass solche Angebote am Markt erfolgreich
etabliert werden, wobei auf den guten Willen und nicht auf Zwang
gesetzt werden müsse, weil es sonst zu einer Blockadehaltung
komme. Barrierefreie Angebote seien ein wachsendes Marktsegment,
das "gestärkt und kommuniziert" werden müsse. Allerdings
gebe es in der Branche einen "mächtigen Investitionsstau", nur
wenige Betriebe könnten Barrierefreiheit aus eigener Kraft
stemmen, sagte Warden. Ernst Birnmeyer vom Amt für
Landwirtschaft und Forsten in Weißenburg in Bayern schlug
daher eine Anschubfinanzierung für Investitionen vor. Bereits
mit kleineren Programmen könnte etwas erreicht werden. Auch
sollte die öffentliche Hand bei der Barrierefreiheit mit gutem
Beispiel vorangehen. Die Kriterien sollten dabei nicht zu hoch
gesetzt werden, so Birnmeyer, und die Betroffenen vor Ort
müssten eingebunden werden. Jan Lembach vom Verein "Naturpark
Nordeifel" bezeichnete Barrierefreiheit als wichtigstes Kriterium
in jeder touristischen Förderung. Es gebe hier ein
großes Informationsdefizit, jede touristische Region
benötige eine Beratungsstelle mit der Kompetenz für
Barrierefreiheit im Tourismus, sagte Lembach. Fehlende
Angebotstransparenz stellte Erwin Pfeiffer vom ADAC fest. Es sei
schwierig, sich über das bundesweite Angebot kundig zu machen.
Angestrebt werden sollte daher eine bundesdeutsche Lösung
einer Datenbank barrierefreier Tourismusangebote. Für Johann
Kreiter von der Nationalen Koordinationsstelle "Tourismus für
alle", einer Schnittstelle zwischen Tourismuswirtschaft und
Reisenden mit Behinderungen, kommt es darauf an, die Kommunikation
zwischen den Verbänden zu verbessern. Mit dem bisher
Erreichten sei er noch nicht zufrieden, sagte Kreiter. Carmen
Hildebrandt von der Tourismus GmbH Erfurt nannte die Forderungen
der Behindertenverbände "manchmal überzogen". Dies gelte
etwa für die Forderung, jeder Behinderte müsse allein
Reisen können. Die meisten behinderten Menschen reisten jedoch
fast immer mit der Familie, mit Bekannten oder Verwandten. Natalie
Goern vom Bundesverband Deutsche Omnibusunternehmen sagte, noch
immer sei das barrierefreie Reisen ein "Nischenprodukt". Sie
verwies auf die Kosten für die Unternehmer, die für einen
Bus 400.000 Euro und für eine Spezialausrüstung für
behinderte Menschen zusätzlich bis zu 50.000 Euro zahlen
müssten. Ein barrierefrei ausgestatteter Reisebus verfüge
über weniger Sitze, somit könnten auch weniger Reisende
befördert werden. Der Verband wolle das barrierefreie Reisen
aber voranbringen und habe ein Verzeichnis von 50 Busunternehmen
erstellt, die barrierefreies Reisen anbieten. Gegenüber
anderen Verkehrsmitteln habe der Bus im Hinblick auf barrierefreies
Reisen keine Nachteile, sondern vielmehr Vorteile, sagte Goern.
Allerdings hätten viele Unternehmen keine Möglichkeit,
noch weiter zu investieren, weil sei am Existenzminimum arbeiteten.
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