"EU-Gesetze bei Verwaltungsreformen stärker beachten"
Berlin: (hib/KOS) Bund, Länder und Kommunen lassen bei der Debatte über Reformen in ihren Verwaltungssystemen weithin außer Acht, dass die Gesetzgebung und deren Vollzug in Deutschland in hohem Maße von der EU beeinflusst wird: Diese Kritik äußerten am Donnerstag mehrere Sachverständige im Bundesrat zum Auftakt einer Anhörung der Föderalismuskommission II über Neuzuschnitte der Administration in der föderalen bundesstaatlichen Ordnung. Professor Ulrich Battis (Humboldt-Universität Berlin) warf deutschen Politikern vor, "sonntags über die Vorgaben aus Brüssel zu klagen", aber werktags an solchen EU-Regelungen selbst mitzuwirken. Hermann Hill appellierte an die Länder, auf die eigenständige Umsetzung nicht nur der Bundes-, sondern auch der EU-Gesetze zu pochen. Auf diese Weise würden auch die Landtage aufgewertet, so der Professor an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer.
Kontroverse Positionen bezogen die Sachverständigen zur Privatisierung von Verwaltungsaufgaben und zur Neuorganisation des Steuervollzugs. Professor Martin Burgi (Universität Bochum) wandte sich dagegen, das Thema Privatisierung im Grundgesetz zu regeln. Solche Fragen müssten im konkreten Einzelfall geklärt werden, die öffentliche Hand habe die existierenden Spielräume noch keineswegs ausgeschöpft. Burgi plädierte dafür, nicht nur über (Public-Private-Partnership (öffentlich-private Partnerschaften), sondern verstärkt auch über Public-Public-Partnership zwischen Kommunen oder Ländern zu diskutieren. Auch Professor Joachim Wieland (Universität Frankfurt am Main) lehnte verfassungsrechtliche Vorgaben ab, über Privatisierungen müsse politisch entschieden werden. Professor Helmut Seitz (Technische Universität Dresden) sprach sich im Falle einer Aufgabenübertragung an Private für eine vollständige Privatisierung und gegen Mischformen wie Public-Private-Partnership aus. Letztere dienten oft nur der Verschleierung einer staatlichen Verschuldung. Aus Sicht von Andreas Fisahn hat der Staat eine Gewährleistungspflicht gegenüber den Bürgern im Bereich der Daseinsvorsorge, etwa bei Wasser, Energie, Verkehr oder Telekommunikation. Dies bedürfe nicht zwangsläufig einer öffentlichen Organisationsform, so der Professor von der Universität Bielefeld, doch bringe diese Verantwortung eine "erhöhte Begründungspflicht" im Falle von Privatisierungen mit sich. Zudem sei eine effektive Kontrolle der privaten Träger öffentlicher Aufgaben vonnöten.
Fisahn setzte sich für eine Bundessteuerverwaltung ein, die Länderhoheit habe zu nicht zu rechtfertigenden massiven Defiziten bei der Steuererhebung geführt. Strikt gegen eine Bundeskompetenz auf diesem Feld sprach sich Professor Peter Huber (Universität München) aus: Das föderale Prinzip erfordere es nun mal, dass der Schwerpunkt der Gesetzgebung beim Bund, deren Vollzug hingegen bei den Ländern liege. Werner Jann hob hingegen hervor, dass Steuern in Hessen nicht anders erhoben werden dürften als in Mecklenburg-Vorpommern. Der Professor von der Universität Potsdam warb statt einer einheitlichen Bundesverwaltung für eine eigenständige Bundesagentur für Steuern. Werner Seitz erklärte, für eine Steuerverwaltung auf Länderebene ließen sich keine Argumente finden. Joachim Wieland wies darauf hin, dass sich beim Steuervollzug verschiedene Interessen gegenüberstehen: Die Forderung nach einer Bundesbehörde ziele auf mehr Effizienz in diesem Bereich, letztlich gehe es bei der Frage nach der föderalen oder bundesstaatlichen Zuständigkeit für die Steuererhebung jedoch um die innerstaatliche Machtbalance.
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