Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung
Nachhaltigkeit im Deutschen Bundestag
Textbeitrag zum Fortschrittsbericht 2008
Berlin, 29. Mai 2008
Nachhaltigkeit muss Leitprinzip der deutschen Politik sein. Wenn Nachhaltigkeit als politische und gesellschaftliche Querschnittsaufgabe begriffen wird, kann sie zum Innovationsmotor werden. Die Nachhaltigkeitsstrategie ist eine Zukunftsstrategie.
Das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung beeinflusst alle Politikfelder. Technologischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Fortschritt muss sich an diesem Prinzip messen lassen. Mit der Arbeit des Parlamentarischen Beirats leistet der Bundestag einen konkreten Beitrag für die Verbreitung und Vertiefung einer nachhaltigen Entwicklung.
I. Die Aufgaben und Aktivitäten des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung
1. Konstituierung, Kompetenzen und Aufgaben
Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung (Beirat) wurde in der vergangenen Wahlperiode gegründet und in der aktuellen 16. Legislaturperiode wieder eingesetzt. Der Beirat umfasst in dieser Wahlperiode 20 Abgeordnete. Mit ihm hat der Deutsche Bundestag den regierungsseitigen Institutionen ein Gremium auf parlamentarischer Ebene gegenüber gestellt. Durch den Beirat hat das Parlament seine aktive Rolle in der Debatte um Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit verstärkt.
Der Beirat hat kraft Einsetzungsbeschluss folgende Aufgaben:
- parlamentarische Begleitung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung und der Europäischen Nachhaltigkeitsstrategie;
- Beratung selbst gewählter Schwerpunkte und Überweisung daraus resultierender Berichte und Empfehlungen dem jeweils federführenden Ausschuss des Deutschen Bundestages;
- Erstellung gutachtlicher Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen oder anderen parlamentarischen Vorlagen;
- Kontaktpflege und Beratungen mit anderen Parlamenten, insbesondere in der Europäischen Union, zur Entwicklung gemeinsamer Positionen zur nachhaltigen Entwicklung;
- Unterstützung der gesellschaftlichen Diskussion zur nachhaltigen Entwicklung, Wahrnehmung einer Scharnierfunktion für gesellschaftliche Gruppen;
Der Beirat versteht sich als Mitgestalter bei der Umsetzung der Ziele der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Seine Arbeit ist darauf gerichtet, nachhaltige Entwicklung aus Umweltschutz, wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, sozialer Verantwortung und die Interessen kommender Generationen bestmöglich zusammen zu führen und im Deutschen Bundestag zu vertreten.
Die Mitglieder des Parlamentarischen Beirates sehen in ihrer Arbeit die langfristige Sichtweise als eine oberste Prämisse. Beschlüsse werden möglichst einstimmig gefasst, denn eine Politik der nachhaltigen Entwicklung ist eine langfristige und politikfeldübergreifende Aufgabe über laufende Wahlperioden und Auseinandersetzungen der Tagespolitik hinaus. Ein Konsens aller Fraktionen ist deshalb eine Grundvoraussetzung im Deutschen Bundestag, damit auch bei einer veränderten politischen Machtkonstellation die Kontinuität der Arbeit gewährleistet werden kann. Die bisherige parlamentarische Zusammenarbeit hat gezeigt, dass dieses Ziel nicht zu hoch gesteckt war. Eine Vielzahl von Beschlüssen, Stellungnahmen und Berichten wurde einstimmig oder nur mit vereinzelten Sondervoten verabschiedet.
2. Der Beirat im Dialog
Die Institutionen auf Bundesebene Staatssekretärsausschuss, Rat für nachhaltige Entwicklung und Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung bieten eine gute Ausgangslage für einen Dialog über eine nachhaltige Entwicklung in Deutschland. Allerdings ist der Beirat der Auffassung, dass sich die Kooperation durch regelmäßigen direkten Austausch, gemeinsame Schwerpunktsetzungen sowie kontinuierlichen Informationsfluss noch verbessern ließe.
Der Beirat begrüßt, dass es auf Bundes- und Landesebene und in den Kommunen sowie in der Europäischen Union Nachhaltigkeitsstrategien gibt. Es ist allerdings erforderlich, die Koordinierung zwischen Bund und Ländern über die bisherige Berichtsform der Bundesländer hinaus zu verbessern. Hierfür wären aus Sicht des Beirats weitere Vergleichs- und Abstimmungsmöglichkeiten neben der bestehenden Bund-Länder-Zusammenarbeit in der Umweltministerkonferenz zum Zweck der besseren Koordinierung und Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategien sowie der Identifizierung gemeinsamer Handlungsfelder sinnvoll. Denn zur Verbesserung der Wirksamkeit der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ist eine gute Vernetzung und Abstimmung zwischen Bund und Ländern sowohl bei der Erarbeitung als auch bei der Implementierung der Strategie unerlässlich.
Nachhaltigkeit ist nicht allein Aufgabe der Politik. Über den parlamentarischen Rahmen hinaus will der Beirat auch eine Kommunikationsplattform für weitere Nachhaltigkeits-Akteure sein. Der Beirat sucht den gesellschaftlichen Dialog, um die Nachhaltigkeitsstrategie mit Leben zu füllen. Dazu müssen alle in der Politik Handelnden, Unternehmen, Experten und Initiativen sowie Bürgerinnen und Bürger zusammenarbeiten. Der Beirat führt diesen Dialog bereits und bietet der Bundesregierung eine enge Zusammenarbeit an.
3. Kontaktpflege und Beratungen mit anderen Parlamenten - internationale und europäische Dimension nachhaltiger Entwicklung
Zur Kontaktpflege und Beratung mit anderen Parlamenten und internationalen Akteuren sowie zur Begleitung der Europäischen Nachhaltigkeitsstrategie unternahm der Beirat Delegationsreisen in verschiedene Länder, um über Inhalte und Prozesse nachhaltiger Entwicklung zu diskutieren. Dabei galt das Interesse sowohl den Ländern wie Großbritannien, Finnland und Schweden, in denen seit mehreren Jahren eine professionelle Nachhaltigkeitsstrategie umgesetzt wird, als auch den Staaten wie Spanien und Portugal, in denen dieser Prozess noch am Anfang steht.
Es ist deutlich geworden, dass unter einer nachhaltigen Entwicklung europaweit noch immer unterschiedliche politische Ansätze und Lösungsoptionen verstanden werden. Ein Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie der Europäischen Union sollte es daher sein, eine Bündelung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategien anzuregen und den länderübergreifenden Nachhaltigkeitsdialog zu fördern. Im Jahr 2005 hat der Beirat eine Gutachtliche Stellungnahme zur Europäischen Nachhaltigkeitsstrategie abgegeben.
Bei der diesjährigen Auswärtigen Sitzung des Beirats in Brüssel war ein Schwerpunktthema die Fortschreibung der Europäischen Nachhaltigkeitsstrategie. Im Gespräch mit dem Generalsekretariat der Europäischen Kommission erörterten die Abgeordneten die bestehenden, vor allem zeitlichen Probleme einer Beteiligung des Deutschen Bundestages am europäischen Fortschreibungsprozess. Die Abgeordneten des Beirats regten deshalb an, die Beteiligungsfrist gerade bei der langfristig orientierten Nachhaltigkeitsstrategie deutlich zu verlängern.
II. Aktuelle Aktivitäten des Beirats
1. Nachhaltigkeitsprüfung
Der Beirat ist der Auffassung, dass für eine nachhaltige Entwicklung politische Ressortgrenzen überwunden werden müssen und Nachhaltigkeit losgelöst von den zeitlichen Zwängen der Legislaturperioden als Grundprinzip von Politik anerkannt werden muss. Um diesem langfristigen und ressortübergreifenden Anspruch an nachhaltige Entwicklung gerecht zu werden, sind Änderungen im Gesetzgebungsprozess erforderlich. Der Beirat empfiehlt, eine Nachhaltigkeitsprüfung einzuführen. Als zentraler und integraler Bestandteil einer Gesetzesfolgenabschätzung sollten neben den fiskalischen insbesondere mittel- und langfristige ökologische, ökonomische und soziale Folgen abgebildet werden.
Der Beirat führte in der 16. Legislaturperiode zwei Anhörungen zu den Themen "Generationenbilanzen" sowie "Nachhaltigkeitsprüfung" durch. Im Ergebnis dessen hat der Beirat in einem ersten Schritt im März 2008 Empfehlungen an die Bundesregierung beschlossen, um eine Nachhaltigkeitsprüfung in das Gesetzgebungsverfahren aufzunehmen:
Die derzeitige Fassung des § 44 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) soll um Nachhaltigkeitskriterien erweitert werden. In diesem Paragraphen werden die darzustellenden Gesetzesfolgen für den Begründungsteil einer Gesetzesvorlage definiert. Eine Darstellung nachhaltigkeitsrelevanter Punkte muss bisher nicht erfolgen.
Des Weiteren empfiehlt der Beirat in seinem Beschluss eine Änderung des § 47 GGO. Neben den dort aufgeführten Adressaten einer frühzeitigen Zuleitung von Gesetzesvorlagen soll der Deutsche Bundestag hier aufgenommen werden. Diese frühzeitige Kenntnisnahme würde ihm die Möglichkeit eröffnen, eine ergänzende Gesetzesfolgenabschätzung nach Nachhaltigkeitskriterien rechtzeitig einzuleiten.
Ungeachtet dieses Beschlusses wird der Beirat zur weiteren Optimierung des Gesetzgebungsprozesses unter Auswertung seiner Anhörungen "Nachhaltigkeitsprüfung" und "Generationenbilanzen" noch in dieser Legislaturperiode einen Bericht mit entsprechenden Empfehlungen vorlegen.
2. Managementsystem
Wollen wir eine Entwicklung der Nachhaltigkeit ernsthaft vorantreiben, so ist die allein vorausschauende Prüfung von Gesetzesfolgen nicht ausreichend. Das Leitbild "nachhaltige Entwicklung" sollte außerdem in Form eines Managementsystems auf allen Ebenen, in der Arbeit der Bundesregierung ebenso wie in der Parlamentsarbeit, ausgeweitet werden. Dazu zählen die Vereinbarung von konkreten Zielen, die den Handlungsbedarf deutlich machen und eine regelmäßige Bewertung der Entwicklung, also ein Monitoring und Controlling der politischen Entscheidungen, das über Fortschritte berichtet und Ziele an sich ändernde Prioritäten anpasst. Ein solches System benötigt feste Zeitpläne, klare Verfahren und Zuständigkeiten.
Denn ein Grund für die nicht zufrieden stellende Verankerung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie in der Tagespolitik ist aus Sicht des Beirates die Unverbindlichkeit und Nichtbenennung von politischen Verantwortlichkeiten für einzelne Ziele. Der Beirat würde es begrüßen, wenn eine bessere Verankerung der Nachhaltigkeitsstrategie durch genauere Benennung der Verantwortlichkeiten möglich wäre.
Der regelmäßig erscheinende Fortschrittsbericht der Bundesregierung und der 2006 veröffentlichte Indikatorenbericht sind hilfreiche Instrumente des Nachhaltigkeitsmanagements. Damit wird das Bestreben gefördert, Politik transparent und überprüfbar zu gestalten. Darüber hinaus muss jedoch als stetige Daueraufgabe auch außerhalb der Berichte ein verstärktes Augenmerk auf die Umsetzung festgelegter Ziele und angekündigter Maßnahmen gesetzt werden.
3. Demographischer Wandel und nachhaltige Infrastruktur
Der Beirat begrüßt, dass die Bundesregierung das Thema "Demographischer Wandel - Chancen für einen stärkeren sozialen Zusammenhalt" als Schwerpunkt der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie mit aufgenommen hat. Anders als im ersten Bericht "Perspektiven für Deutschland" vom April 2002 wird hier die Problematik der Gewährleistung öffentlicher Daseinsvorsorge wie der sozialen und technischen Infrastruktur miteinbezogen.
Bereits in der 15. Legislaturperiode hatte der Parlamentarische Beirat begonnen, sich mit dieser Frage zu befassen. Die Bundesregierung hat in ihrem "Wegweiser Nachhaltigkeit 2005" erste Aufgabengebiete benannt, in denen Politik und Gesellschaft vor großen Herausforderungen stehen: Auch in Zukunft muss in strukturschwachen Räumen eine angemessene Lebensqualität und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gewährleistet werden. Dazu gehören Verkehrsanbindung, Schulen, ärztliche Versorgung ebenso wie Geschäfte zur Deckung des täglichen Bedarfs und Freizeiteinrichtungen. Die Angebote sollen sich an den regionalen Gegebenheiten und Potenzialen (z. B. der Altersstruktur der Bevölkerung) ausrichten. Dort, wo die Nachfrage und Potenziale sehr gering sind, sind neue Lösungen (z. B. mobile Dienste für ältere Menschen) zu entwickeln, um die Grundversorgung sicher zu stellen.
Der Beirat hat diese Fragestellungen in einer öffentlichen Expertenanhörung aufgegriffen. Die Ergebnisse wurden in einem Bericht zusammengefasst (Bundestagsdrucksache 16/4900). Dieser enthält konkrete Handlungsempfehlungen an die Bundesregierung in den Bereichen Stadt- und Raumentwicklung, Mobilität und Technische Infrastruktur (Leitungsinfrastruktur). Der Beirat fordert unter anderem eine verstärkte Prüfung von geplanten öffentlichen Infrastrukturinvestitionen auf ihre künftige Auslastung hin sowie, insbesondere im Rahmen der Städtebauförderung, die Förderung interkommunaler Kooperation und regionale Entwicklungskonzepte. Regionale Entwicklungspläne sollen Vorrang haben vor kommunalen. Weiterhin empfiehlt der Beirat unter anderem, zu prüfen ob und inwieweit Angebote der öffentlichen Daseinsvorsorge und des öffentlichen Personennahverkehrs flexibler erbracht werden und im Bereich der Ver- und Entsorgung (Energie, Wasser, etc.) dezentrale Systeme zum Einsatz kommen können. Überdies regt der Beirat im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung auch den verstärkten Einsatz schadstoffarmer Antriebe und Kraftstoffe und die weitere Verbesserung der Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehr an. Eine ressortübergreifende Zusammenarbeit ist nach Auffassung des Beirates unentbehrlich, um diese Ziele zu verwirklichen.
Der Bericht wurde im Dezember 2007 mit Annahme einer fraktionsübergreifenden Entschließung vom Bundestag beschlossen. Das federführende Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung wird darin aufgefordert, die Empfehlungen umzusetzen und darüber zu berichten sowie einen Entwurf für einen Handlungs- und Aktionsrahmen zum Umgang mit den Folgen der demographischen Entwicklung für den Aus- und Umbau der technischen und sozialen Infrastruktur zusammen mit den Ländern zu erarbeiten. Der Beirat begrüßt in diesem Zusammenhang die inzwischen initiierten Modellvorhaben und erwartet konkrete Vorschläge für angemessene Maßnahmen auf die Herausforderungen des demographischen Wandels im Bereich der sozialen und technischen Infrastruktur, insbesondere im ländlichen Raum.
III. Nationale Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung
1. Parlamentarische Begleitung von Fortschrittsbericht und Indikatorenbericht 2006
Zu den Aufgaben des Beirats gehört die Begleitung der Arbeit der Bundesregierung an der Fortschreibung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie.
Eine der ersten Aktivitäten des Beirats der 15. Wahlperiode war daher eine fraktionsübergreifende Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2004, die vom federführenden Umweltausschuss einstimmig verabschiedet und vom Deutschen Bundestag in seiner Sitzung am 2. Juni 2005 angenommen wurde (Bundestagsdrucksache 15/5399). Inhalt der Stellungnahme waren die Würdigung der erzielten Fortschritte als auch gezielte Kritikpunkte an der Zwischenbilanz der Nachhaltigkeitsstrategie.
Entgegen der ursprünglichen Absicht, den Fortschrittsbericht regelmäßig alle zwei Jahre selber vorzulegen, beauftragte die Bundesregierung 2006 das Statistische Bundesamt, den "Indikatorenbericht 2006 'Nachhaltige Entwicklung in Deutschland'" zu erstellen. Es ist zu begrüßen, dass die Evaluierung der Ziele der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie erstmals in die Verantwortung des Statistischen Bundesamtes gelegt wurde. Denn der Bericht des Statistischen Bundesamtes ist eine objektive Darstellung von Zahlen und Entwicklungen ohne politische Wertungen. Viele der Indikatoren entwickeln sich in die richtige Richtung, dennoch ist bei einigen abzusehen, dass die gesetzten Ziele verfehlt werden. Im Ergebnis zeigt der Indikatorenbericht, dass es bislang noch nicht gelungen ist, Nachhaltigkeit als roten Faden für Entscheidungen im Alltag von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft durchzusetzen.
2. Erwartungen an eine Nachhaltigkeitspolitik in den nächsten Jahren
Der Beirat begrüßt das in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie eingeführte Indikatorensystem, weil dieses Instrument Politik überprüfbar und messbar macht. Er hat aber Vorschläge für die Weiterentwicklung und Konkretisierung der Indikatoren vorgelegt.
Darüber hinaus fordert der Beirat, die nationalen Ziele intensiver mit den Zielen der Europäischen Nachhaltigkeitsstrategie und internationalen Verpflichtungen zu vernetzen.
Für die Zukunft empfiehlt der Beirat der Bundesregierung über die oben genannten Punkte Nachhaltigkeitsprüfung, Managementsystem sowie Demographie und Infrastruktur hinaus eine stärkere Berücksichtigung folgender Handlungsfelder:
Bildung für eine nachhaltige Entwicklung
Die Maßnahmen im Rahmen der Weltdekade 'Bildung für nachhaltige Entwicklung' 2005 bis 2014, wie z.B. das Bund-Länder-Kommissions-Programm Transfer-21, sind in der Gesellschaft noch nicht ausreichend angekommen. Nach der Föderalismusreform müssen sich die Bundesländer dieses Themas stärker annehmen. Seine querschnittsorientierte Verankerung in der Schul-, Berufs- und Hochschulausbildung muss gewährleistet sein und mit einer stärkeren Öffentlichkeitsarbeit verknüpft werden. Die Bildung von Gestaltungskompetenz zu entwickeln, ist zu fördern. Diese bedeutet nicht-nachhaltige Entwicklungen erkennen zu können und Wissen über nachhaltige Entwicklung anwenden zu lernen. Dabei sollte die Programmgestaltung einer Bildung für nachhaltige Entwicklung die demographische Entwicklung, Generationengerechtigkeit und das Defizit berücksichtigen, dass Bildung für nachhaltige Entwicklung immer noch vorwiegend nur an Gymnasien stattfindet.
Nachhaltige Entwicklung ist vor allem ein Lernprozess, daher kommt der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung eine zentrale Bedeutung zu: Durch die positive Prägung von Lebensstilen und des Verantwortungsbewusstseins eines jeden für künftige Generationen.
Forschung und Innovation
In der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie wurde das Thema Forschung zu wenig beleuchtet. Auch im Hinblick auf berufliche Zukunftsperspektiven künftiger Generationen ist die Forschung für eine nachhaltige Entwicklung ein elementarer Baustein für die Wissensgesellschaft Deutschland. Es geht um die Sicherung von Chancen und Wettbewerbsfähigkeit in einer globalisierten Welt. Der Beirat fordert unter anderem die verstärkte Forschung nach nachhaltigen Energiequellen und Fahrzeugantrieben, die Erhöhung der Ressourcenproduktivität und die Nutzung nachwachsender anstelle fossiler und begrenzter Rohstoffe.
Prävention
Der demographische Wandel und eine älter werdende Gesellschaft erfordern verstärkte Investitionen in die Prävention. Es gilt die Kompetenzen von Patienten auszubauen, Gesundheitsförderung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrzunehmen und effektive Früherkennungsmaßnahmen flächendeckend zu etablieren. Zudem kann betriebliche Prävention dazu beitragen, Krankheiten zu verhindern, die Arbeits- und Lebenszufriedenheit zu erhöhen und Frühverrentung vorzubeugen. Dazu gehört auch die altersgerechte Gestaltung von Arbeitsprozessen und -abläufen.
Finanzen / Haushalt
Sowohl die Verschuldung öffentlicher Haushalte als auch die Unterlassung notwendiger Investitionen sind Hypotheken künftiger Generationen. Erforderliche öffentliche Investitionen dürfen nicht versäumt werden. Gleichzeitig müssen bei Investitionen ihr langfristiger Nutzen gegenüber den heutigen und künftigen Kosten abgewogen werden, um unnötige Lasten für nachfolgende Generationen zu vermeiden. Nach Jahrzehnten des Schuldenaufbaus hält der Beirat es für erforderlich, damit zu beginnen, über einen ausgeglichenen Bundeshaushalt hinaus im Rahmen eines Konjunkturzyklus Haushaltsmehreinnahmen zu erwirtschaften und für Tilgungsleistungen zu verwenden, um somit politische Gestaltungsspielräume für jetzige und künftige Generationen zurückzugewinnen. Dies muss als systematische Entschuldungsstrategie umgesetzt werden.
Biologische Vielfalt
Zurzeit schwindet die biologische Vielfalt weltweit in einer noch nie da gewesenen Geschwindigkeit. Der Verlust der genetischen Vielfalt, der Artenvielfalt und ganzer Ökosysteme bedeutet einerseits einen Wertverlust an sich, hat aber auch erhebliche negative wirtschaftliche und soziale Auswirkungen bis hin zu großer Armut der betroffenen Menschen und existenzieller Not. Die nationalen und internationalen Maßnahmen, die bislang ergriffen wurden, um den Verlust an biologischer Vielfalt entgegenzuwirken, reichen nicht aus.
Ein wichtiger Beitrag zur Reduzierung des Artensterbens ist ein zusammenhängendes Netz von Naturschutzgebieten, gerade hierfür ist eine ausreichende Mittelausstattung notwendig.
Dafür darf aber nicht der Naturschutz auf der gesamten Fläche vernachlässigt werden. Flächenversiegelung, industrielle Landwirtschaft und wachsendes Verkehrsaufkommen sind die zentralen Herausforderungen in Bezug auf den Schutz der biologischen Vielfalt in Deutschland. Eine wirksame Strategie zur Bekämpfung des Flächenverbrauchs fehlt bislang allerdings.
Durch die Föderalismusreform I ist dem Bund der Auftrag für eine bundeseinheitliche Vollregelung mit auf den Weg gegeben worden. Der Bund sollte diesen Auftrag umfassend wahrnehmen. Die Abweichungsmöglichkeiten im Naturschutz sind eine Kompetenzverschiebung hin zu den Ländern. Sie erfordern von diesen neue Anstrengungen sowie ein hohes Maß an Abstimmung, da sonst Rechtsunsicherheit und eine weitere Zersplitterung des Umweltrechts zu befürchten ist.
Der Schutz der biologischen Vielfalt ist jedoch nicht allein staatliche Aufgabe, sondern ein gesamtgesellschaftliches Anliegen, das Anstrengungen seitens der Industrie, der Land- und Forstwirtschaft und von jedem einzelnen Bürger erfordert.
Umgang mit knappen Ressourcen
Der absolute Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen steigt trotz vielfältiger Bemühungen der Materialeinsparung in fast allen Branchen weiter an.
Für eine generationengerechte und nachhaltige Entwicklung muss der Ressourcenverbrauch insgesamt drastisch reduziert und die bisherigen Anstrengungen in diesem Bereich massiv verstärkt werden. Auch bei der notwendigen Substitution durch erneuerbare Ressourcen muss neben der Effizienz die langfristige Verfügbarkeit, die Umwelt- und Sozialverträglichkeit der Ressourcengewinnung, -verarbeitung und -nutzung vermehrt in den Fokus gerückt werden, wie die gegenwärtige Diskussion um Biokraftstoffe belegt.
In einer nationalen Ressourcenstrategie müssen Effizienzsteigerung, Vermeidungs- und Verbrauchsminderungs- sowie Wiederverwendungsstrategien durch entsprechende Anreizsysteme gefördert werden. Die bisherige Abfallpolitik muss eine echte Ressourcenpolitik werden. Ressourceneffizienz und Ressourcenschonung spielen vor allem für Produktionskosten eine herausragende Rolle. In den letzten Jahren sind aber die Preise für wichtige Rohstoffe wie Metalle geradezu explodiert.
IV. Fazit
Die Arbeit im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung verdeutlicht, dass es zu einer nachhaltigen Politik keine Alternative gibt. Fraktionsübergreifend wird Nachhaltigkeit als Ziel politischen Handelns anerkannt. Im politischen Alltagsgeschehen darf das Prinzip einer nachhaltigen Entwicklung nicht aufgrund von kurzfristigen Erwägungen mißachtet werden. Unabhängig von Wahlterminen handelt es sich um eine langfristige und unumgängliche Daueraufgabe. Das gemeinsame Ziel, eine Nachhaltigkeitsprüfung innerhalb des Gesetzgebungsprozesses noch in dieser Legislatur umzusetzen, verdeutlicht dies.
Die Mitglieder des Beirates wollen in Zukunft durch ihre Arbeit in den Fraktionen, Fachausschüssen und Plenardebatten des Deutschen Bundestages dazu beitragen, das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung stärker als bislang im parlamentarischen Prozess zu verankern. Der Beirat wird zudem die Aktivitäten der Bundesregierung weiter konstruktiv und kritisch begleiten und in seinem Wirkungskreis für eine stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeit in der politischen Praxis werben.
Nachhaltigkeit als Gesamtaufgabe erfordert eine verstärkte Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen. Dazu will der Beirat seinen Beitrag leisten.